Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-163148/9/Zo/Jo

Linz, 17.06.2008

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Zöbl über die Berufung des Mag. D F, geb. , vertreten durch Rechtsanwalt Dr. M Z, T, vom 15.04.2008, gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Urfahr-Umgebung vom 01.04.2008, Zl. VerkR96-5954-2007, wegen zwei Übertretungen der StVO nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung am 10.06.2008 zu Recht erkannt:

 

I.                   Der Berufung wird stattgegeben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

 

II.                 Es entfallen sämtliche Verfahrenskostenbeiträge.

 

 

Rechtsgrundlagen:

zu  I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 Abs.1, 51e und 45 Abs.1 Z1 VStG;

zu II.: §§ 64 ff VStG.

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

Zu I.:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung wirft dem Berufungswerber im angefochtenen Straferkenntnis vor, dass er am 15.09.2007 um 15.15 Uhr als Lenker des PKW mit dem Kennzeichen in Linz, bei der Kreuzung der Waldeggstraße mit der Unionstraße mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang gestanden und sein Fahrzeug nicht sofort angehalten habe.

 

Weites habe er bei diesem Verkehrsunfall mit Sachschaden nicht ohne unnötigen Aufschub die nächste Polizeidienststelle verständigt. Der Berufungswerber habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 4 Abs.1 lit.a StVO 1960 sowie eine weitere Übertretung nach § 4 Abs.5 StVO 1960 begangen, weshalb über ihn Geldstrafen in Höhe von 250 bzw. 200 Euro sowie entsprechende Ersatzfreiheitsstrafen verhängt wurden. Weiters wurde er zur Zahlung eines Verfahrenskostenbeitrages in Höhe von 45 Euro verpflichtet.

 

2. In der dagegen rechtzeitig eingebrachten Berufung wird vorerst kritisiert, dass nicht erkennbar sei, von welchem Sachverhalt die Behörde ausgegangen ist. Er habe sein Fahrzeug angehalten und die Unfallgegnerin sei am stehenden Fahrzeug vorbeigefahren, was sich durch die Aussage seiner Lebensgefährtin belegen lasse. Es habe zwischen den beiden Fahrzeugen keinen Kontakt gegeben und es habe auch keinerlei Brems- oder Kontaktgeräusche gegeben, aus welchen der Berufungswerber auf einen Verkehrsunfall hätte schließen können. Er habe den Unfall (nämlich die Beschädigung des gegnerischen Fahrzeuges) nicht bemerkt. Richtig ist, dass er einen Fahrfehler begangen habe und die Unfallgegnerin gestikuliert habe. Daraus kann aber noch nicht der Schluss gezogen werden, dass es sich um einen Unfall gehandelt habe. Er sei davon ausgegangen, dass die Unfallgegnerin wegen seines Fahrfehlers verärgert gewesen sei und ihren Ärger eben durch entsprechende Handzeichen zum Ausdruck gebracht habe. Derartige Situationen würden im Straßenverkehr häufig passieren und seien noch kein Grund, das Fahrzeug anzuhalten. Letztlich sei die Unfallgegnerin an ihm vorbeigefahren ohne mit ihm Blickkontakt aufzunehmen. Auch daher habe er davon ausgehen können, dass die Angelegenheit erledigt sei.

 

3. Der Bezirkshauptmann von Urfahr-Umgebung hat den Verwaltungsakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich zur Entscheidung vorgelegt. Eine Berufungsvorentscheidung wurde nicht erlassen. Es ergibt sich daher die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates, wobei dieser durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden hat (§ 51c VStG).

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt sowie Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung am 10.06.2008. An dieser haben der Berufungswerber sowie sein Rechtsvertreter teilgenommen und es wurden Frau K sowie Frau Mag. W als Zeuginnen zum Sachverhalt befragt.

 

4.1. Daraus ergibt sich folgender für die Entscheidung wesentliche Sachverhalt:

 

Frau K lenkte zur Vorfallszeit ihren PKW von der Waldeggstraße kommend auf die Unionstraße. Sie hatte sich dabei vor der Verkehrsampel auf dem rechten Fahrstreifen eingeordnet und benutzte zum Linksabbiegen zulässigerweise diesen Fahrstreifen. Der Berufungswerber hatte sich an der gegenständlichen Kreuzung auf dem linken Fahrstreifen eingeordnet und bog ebenfalls links auf die Waldeggstraße ein. Beim Linkseinbiegen beging der Berufungswerber insoweit einen Fahrfehler, als er mit seinem Fahrzeug teilweise auf den rechten Fahrstreifen kam. Frau K befand sich zu diesem Zeitpunkt schräg rechts hinter ihm, wobei sich die Fahrzeuge noch teilweise überdeckten. Aufgrund des Fahrfehlers des Berufungswerbers bremste Frau K ihr Fahrzeug stark ab und verlenkte es nach rechts, wobei es zu einer Streifung mit dem dortigen Randstein kam. Dabei wurde die vordere rechte Felge beschädigt. Ob Frau K ihr Fahrzeug vollständig angehalten hat, konnte nicht mit Sicherheit festgestellt werden, jedenfalls ist sie nur noch ganz langsam gefahren. Sie hat andererseits aber auch sicher nicht so lange angehalten, dass sie aus dem Fahrzeug ausgestiegen wäre. Im Zuge dieses Ausweichmanövers bzw. ev. auch kurz nachher betätigte Frau K die Hupe, was vom Berufungswerber auch wahrgenommen wurde. Dieser hatte sein Fahrzeug – gleich als er den Fahrfehler bemerkte – wieder nach links verlenkt, sodass es nicht zu einer Berührung der beiden Fahrzeuge gekommen ist. Frau K deutete durch entsprechende Handzeichen an, dass der Berufungswerber an den rechten Fahrbahnrand fahren und anhalten solle, der Berufungswerber hat solche Anzeichen im Rückspiegel auch wahrgenommen, hat diese aber – genauso wie das Hupen – als Zeichen der Verärgerung der anderen Fahrzeuglenkerin wegen seines Fahrfehlers verstanden. In weiterer Folge fuhren beide Fahrzeuge auf der Unionstraße stadtauswärts, wobei der Berufungswerber den linken und Frau K den rechten Fahrstreifen benutzten. Frau K wiederholte das Handzeichen, mit welchem sie den Berufungswerber zum Anhalten bewegen wollte, mehrmals, der Berufungswerber hat auf dieses aber nicht reagiert. Weitere Hupsignale oder Zeichen mit der Lichthupe hat sie nicht abgegeben.

 

Den weiteren Ablauf schildert der Berufungswerber dahingehend, dass er nach kurzer Zeit auf den rechten Fahrstreifen gewechselt habe und etwas später nach rechts zu einem Einkaufszentrum abgebogen ist. Er sei vorher von Frau K auf dem linken Fahrstreifen überholt worden und habe dabei nochmals extra zur Lenkerin hinübergeschaut, diese habe ihn jedoch nicht angesehen, sondern geradeaus nach vorne geschaut. Daraus habe er den Schluss gezogen, dass der Ärger der anderen Fahrzeuglenkerin verflogen sei und es durch das Fahrmanöver auch zu keiner Beschädigung gekommen sei.

 

Seine Beifahrerin gab an, dass sie den Vorfall selber nicht bemerkt hatte, sondern erst auf das Fahrzeug aufmerksam wurde, nachdem ihr Lebensgefährte sie auf die Handzeichen hingewiesen habe. Das Fahrzeug sei dann in weiterer Folge links an ihnen vorbeigefahren, zu diesem Zeitpunkt habe sie die Lenkerin gesehen, wobei diese aber nicht zu ihnen herübergeschaut habe und zu diesem Zeitpunkt auch keine Zeichen gegeben habe.

 

Frau K gab dazu an, dass sie dem Berufungswerber vorerst auf dem rechten Fahrstreifen nachgefahren sei und sie dabei auch einmal auf gleicher Höhe gefahren seien, wobei der Berufungswerber eben noch links neben ihr gewesen sei. Zu diesem Zeitpunkt habe sie die Beifahrerin gesehen und auch Handzeichen gegeben. Die Beifahrerin habe jedenfalls zu ihr geschaut, ob sie auch mit dem Berufungswerber Blickkontakt gehabt hatte, konnte die Zeugin nicht mehr angeben. Sie sei dann etwas später noch einmal neben dem Berufungswerber gefahren, weil dieser vorher auf den rechten und sie auf den linken Fahrstreifen gewechselt habe. Sie glaube, dass sie ihm auch zu diesem Zeitpunkt nochmals Handzeichen gegeben habe, sicher war sie sich dabei allerdings nicht mehr.

 

Diese unterschiedlichen Schilderungen durch die Zeugin und den Berufungswerber sind aufgrund der seither vergangenen Zeit durchaus verständlich. Es ist durchaus möglich, dass die Zeugin K dem Berufungswerber beim Vorbeifahren nochmals ein Handzeichen zum Anhalten gegeben hat, allerdings war sich die Zeugin diesbezüglich nicht mehr ganz sicher und vom Berufungswerber und seiner Beifahrerin wird dies verneint. Es kann daher nicht mit der für ein Strafverfahren notwendigen Sicherheit als erwiesen angesehen werden, dass die Zeugin K zum Zeitpunkt des Nebeneinanderfahrens dem Berufungswerber ein weiteres Handzeichen zum Anhalten gegeben hätte.

 

In weiterer Folge ist der Berufungswerber nach rechts zu einem Einkaufszentrum abgebogen, die Zeugin K ist ihm nicht nachgefahren, dies entweder deswegen, weil sie zu diesem Zeitpunkt bereits vor ihm war oder zumindest so knapp hinter ihm bzw. auf gleicher Höhe, dass ein gefahrloses Rechtsabbiegen nicht mehr möglich gewesen wäre.

 

5. Darüber hat der UVS des Landes Oberösterreich in rechtlicher Hinsicht Folgendes erwogen:

 

5.1. Gemäß § 4 Abs.1 StVO 1960 haben alle Personen, deren Verhalten am Unfallsort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang steht,

a)    wenn sie ein Fahrzeug lenken, sofort anzuhalten,

b)    wenn als Folge des Verkehrsunfalles Schäden für Personen oder Sachen zu befürchten sind, die zur Vermeidung solcher Schäden notwendigen Maßnahmen zu treffen,

c)     an der Feststellung des Sachverhaltes mitzuwirken.

 

Gemäß § 4 Abs.5 StVO 1960 haben, wenn bei einem Verkehrsunfall nur Sachschaden entstanden ist, die in Abs.1 genannten Personen die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle vom Verkehrsunfall ohne unnötigen Aufschub zu verständigen, wenn bei einem Verkehrsunfall nur Sachschaden entstanden ist. Eine solche Verständigung darf jedoch unterbleiben, wenn die im Abs.1 genannten Personen oder jene, in deren Vermögen der Schaden eingetreten ist, einander ihren Namen und ihre Anschrift nachgewiesen haben.

 

5.2. Im konkreten Fall ist es zu keiner Berührung der beteiligten Fahrzeuge gekommen und der Berufungswerber konnte den Verkehrsunfall (nämlich das Streifen mit der Felge am Randstein) nicht unmittelbar sehen und auch nicht hören. Eine vorsätzliche Begehung der ihm vorgeworfenen Übertretungen scheidet damit aus.

 

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann "Fahrerflucht" aber auch fahrlässig begangen werden. Bei einem gefährlichen Fahrmanöver, bei dem die dringende Gefahr eines Verkehrsunfalles besteht, hat der Fahrzeuglenker den Geschehnissen um sein Fahrzeug die volle Aufmerksamkeit zuzuwenden und sich erforderlichenfalls auch durch Nachschau nach einem Anhalten zu vergewissern, ob sein Fahrverhalten für einen Verkehrsunfall ursächlich gewesen ist (siehe z.B. VwGH vom 23.05.2002, 2001/03/0417).

 

Für diese Beurteilung kommt es jeweils auf die konkreten Umstände des Einzelfalles an. Hier hat der Berufungswerber durch einen Fahrfehler die Zeugin zwar nach rechts abgedrängt, es konnte aber nicht mit Sicherheit festgestellt werden, dass er sie so weit abgedrängte hatte, dass er bereits deshalb zwangsläufig damit rechnen musste, dass das neben ihm befindliche Fahrzeug beim Ausweichen den rechten Randstein gestreift hat. Der Berufungswerber wurde durch ein Hupsignal auf seinen Fahrfehler aufmerksam gemacht und hat dann im Rückspiegel auch Handzeichen der anderen Fahrzeuglenkerin wahrgenommen. Die Fahrzeuglenkerin hatte ihr Fahrzeug zwar stark abgebremst, jedoch ihre Fahrt gleich wieder fortgesetzt, sodass der Berufungswerber auch deshalb jedenfalls nicht mit einem größeren Schaden rechnen musste. Es ist nachvollziehbar, dass er das einmalige Hupen sowie die Handzeichen der Berufungswerberin als Verärgerung über seinen Fahrfehler gedeutet hat und diese nicht als Aufforderung zum Anhalten verstanden hat. Letztlich bringt der Berufungswerber auch zu Recht vor, dass es praktisch unmöglich ist, nach jeden geringfügigen Fahrfehler, der einen anderen Fahrzeuglenker zu einem Hupen und entsprechenden Handzeichen veranlasst, das Fahrzeug vorsichtshalber anzuhalten. In diesem Fall würde im innerstädtischen Bereich der Verkehr wohl häufig zusammenbrechen. Es kann also insgesamt nicht mit der für ein Strafverfahren erforderlichen Sicherheit bewiesen werden, dass den Berufungswerber ein Verschulden in Form von Fahrlässigkeit trifft.

 

In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass diese Beurteilung jeweils von den konkreten Umständen des Einzelfalles abhängt. Hätte z.B. die Zeugin dem Berufungswerber durch länger dauerndes Hupen sowie Verwendung der Lichthupe nachhaltiger auf den Unfall hingewiesen oder hätte sich aufgrund der Beweiswürdigung ergeben, dass sie dem Berufungswerber tatsächlich auch beim Nebeneinanderfahren nochmals entsprechende Zeichen zum Anhalten gegeben hat, so wäre der Fall wohl anders zu beurteilen gewesen.

 

Zu II.:

Die Entscheidung über die Kosten stützt sich auf die im Spruch angeführten gesetzlichen Bestimmungen.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 [ab 1. Juli 2008: 220] Euro zu entrichten.

 

 

 

Mag. Gottfried  Z ö b l

 

 

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