Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-400940/8/WEI/Se

Linz, 04.06.2008

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Wolfgang Weiß über die Beschwerde des I M (alias I M I), Staatsangehöriger von S, dzt. Wagner–Jauregg Nervenklinik, vertreten durch Mag. G H, p.A. C der D, wegen Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheids und der vormaligen Anhaltung in Schubhaft durch den Bezirkshauptmann von Schärding zu Recht erkannt:

 

 

Die Beschwerde gegen die Anhaltung in Schubhaft in der Zeit vom 10. September 2007 bis 27. Februar 2008 wird als verspätet zurückgewiesen. Im Übrigen wird die Beschwerde bis zur Enthaftung am 29. Februar 2008 als unbegründet abgewiesen.

 

 

Rechtsgrundlagen:

§§ 82 und 83 Fremdenpolizeigesetz 2005 – FPG (BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl I Nr. 4/2008) iVm §§ 67c und 79a AVG 1991.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Der Unabhängige Verwaltungssenat geht auf Grund der Aktenlage in Verbindung mit der eingebrachten Beschwerde vom nachstehenden S a c h v e r h a l t aus:

 

1.1. Der Beschwerdeführer (Bf), dessen Identität nicht durch Dokumente nachgewiesen ist, hat während seiner Anhaltung in Schubhaft am 11. September 2007 anlässlich seiner über Rechtshilfeersuchen erfolgten fremdenpolizeilichen Einvernahme vor der Bundespolizeidirektion (BPD) Linz einen Asylantrag gestellt. Zuvor hatte die belangte Behörde mit Mandatsbescheid vom 10. September 2007, Zl. Sich41-97-2007, gegen den Bf auf der Rechtsgrundlage des § 76 Abs 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) iVm § 57 Abs 1 AVG die Schubhaft zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes oder einer Ausweisung sowie zur Sicherung der Abschiebung oder Zurückschiebung angeordnet. Diesen Schubhaftbescheid übernahm der Bf am 10. September 2007 um 15:21 Uhr persönlich und wurde er daraufhin zum Vollzug der Schubhaft in das Polizeianhaltezentrum (PAZ) der BPD Linz überstellt.

 

In der Begründung des Schubhaftbescheids hat die belangte Behörde im Wesentlichen folgenden Sachverhalt geschildert:

 

Der Bf reiste zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt illegal ins Gebiet der Republik Österreich ein. Am 8. September 2007 bestieg er mit zwei Landsleuten in Wien Westbahnhof den Schnellzug ICE 28 und reiste gegen 11:30 Uhr über Passau nach Deutschland ein. Anlässlich einer Kontrolle der deutschen Polizei im Zug sei festgestellt worden, dass er sich als mitreisender Angehöriger in einem verfälschten spanischen Reisedokument ausgegeben habe, worauf er von deutschen Polizeibeamten festgenommen und entsprechend dem österreichisch/deutschen Rücknahmeübereinkommen nach Österreich zurückgestellt und der Bezirkshauptmannschaft Schärding vorgeführt wurde. Die Überprüfung des Sachverhalts durch Beamte der Polizeiinspektion (PI) Schärding habe ergeben, dass der Bf bereits am 20. Februar 2007 in Griechenland einen Asylantrag gestellt hatte.

 

Die Fremdenpolizeibehörde verhänge auf der Grundlage des § 76 Abs 1 FPG die Schubhaft, da im weiteren Verfahren noch die Identität genau zu prüfen sei und der Bf nach Erlassung von den Aufenthalt beendenden Maßnahmen unter Anwendung des Dubliner Übereinkommens nach Griechenland zurückzustellen sein werde. Da er kein gültiges Reisedokument besitze und keine aufenthaltsrechtliche Bewilligung habe, halte er sich illegal im Bundesgebiet auf. Es bestünde die Gefahr, dass sich der Bf dem Zugriff entziehen und fremdenpolizeiliche Maßnahmen verhindern könnte. Durch die Anwendung gelinderer Mittel könnte das fremdenpolizeiliche Ziel nicht erreicht werden, da die Identität des Bf nicht feststeht und erst durch Einvernahme unter Beiziehung eines Dolmetschers geklärt werden müsse. Weiters sei anzuführen, dass der Bf weder beruflich, noch sonst in irgend einer Weise sozial verankert ist.

 

1.2. Bei der fremdenpolizeilichen Einvernahme am 11. September 2007 (vgl Niederschrift der BPD Linz zu 1057986/FRB) unter Beiziehung eines Dolmetschers gab der Bf seine Identität mit I M I, in M, Staatsangehöriger von S, und den Beruf Kellner an. Zu seiner Reiseroute bis nach Österreich erzählte der Bf folgende Geschichte:

 

Im Juni 2007 habe er S per Bus verlassen und sei nach K gefahren. Nach etwa zwei Monaten Aufenthalt in K sei der Bf mit dem Bus in ein ihm unbekanntes Land gefahren, wo er ein Schiff bestieg und man ihm nach zwei Tagen gesagt hätte, dass er in Griechenland angekommen sei. Dort hätte man von ihm Fingerabdrücke genommen und ihn aufgefordert, das Land zu verlassen. Von Griechenland sei er auf einem LKW versteckt zwei Tage in eine unbekannte Stadt gefahren. Der Fahrer hätte nichts davon gemerkt. In welchem Land er jetzt wäre wüsste er auch nicht. Den Namen Österreich hätte er noch nie gehört.

 

In der unbekannten Stadt hätte er einen Araber oder auch Palästinenser getroffen, der ihm sagte, dass er einen Pass benötige, wenn er mit dem Zug weiterfahren möchte. Für 200 Euro hätte er dann den Pass mit Foto bekommen. Angeblich hätte er sich 300 Euro von einem Freund an die Adresse des Arabers schicken lassen. In der unbekannten Stadt wären sie drei s Staatsbürger gewesen und man hätte ihm gesagt, dass sie in Europa wären. Mit seinen Landsleuten wollte der Bf nach Holland fahren und der Araber hätte die Zugtickets gekauft. Während der Zugfahrt wären sie kontrolliert und festgenommen worden.

 

Zu seinen persönlichen Verhältnissen gab der Bf an, dass er verheiratet wäre und eine vierjährige Tochter hätte. Seine Frau wohne mit dem Kind bei seiner Mutter in M. Er hätte sieben Geschwister und sein Vater wäre vor zwei Jahren erschossen worden. Er hätte in ein anderes Land wollen, um dort zu arbeiten und Geld nach Hause zu schicken.

 

Nachdem ihm die Absicht der belangten Behörde, ein Aufenthaltsverbot zu erlassen und ihn nach S abzuschieben, mitgeteilt worden war, stellte er einen Asylantrag.

 

1.3. Mit Aktenvermerk vom 13. September 2007 hielt die belangte Behörde die vom Bf angegebene Identität und den Umstand fest, dass der Bf im Hinblick auf den nunmehr gestellten Asylantrag die weitere Schubhaft als nach § 76 Abs 2 FPG verhängt gilt.

 

Im Aktenvermerk vom 30. Oktober 2007 stellte die belangte Behörde zum Sachstand fest, dass I M, nach der EURODAC-Anfrage der PI Schärding bereits am 20. Februar 2007 einen Asylantrag in Griechenland gestellt hatte. Auf Grund des in Österreich gestellten Asylantrags sei das Dublin-Verfahren mit Griechenland durch die EASt-West eingeleitet worden.

Am 30. Oktober 2007 sei telefonisch nachgefragt und von der EASt West mitgeteilt worden, dass auf Grund des Zeitablaufs die Zustimmung zur Rückübernahme durch Griechenland vorliege. Das asylrechtliche Ausweisungsverfahren sei eingeleitet worden. Der Rechtsberater des Bf habe im Asylverfahren einen Antrag auf Altersfeststellung eingebracht. Das Ergebnis bleibe abzuwarten.

 

1.4. Bei der asylbehördlichen Einvernahme des Bf am 29. Oktober 2007 durch das Bundesasylamt Erstaufnahmestelle West (BAA EASt West) erzählte der Bf eine andere Geschichte über seinen Fluchtweg. Danach hätte er S bereits vor 3 Jahren verlassen und wäre nach Libyen gereist, wo er ca. 8 Monate verweilte und als Reinigungskraft arbeitetet. Anschließend wäre er mit dem Boot nach Griechenland auf eine ihm unbekannte Insel gekommen. Dort wäre er von der Polizei festgenommen, fotografiert und seine Fingerabdrücke genommen worden. Am nächsten Tag wäre er in ein Flüchtlingslager gekommen, wo er 10 Tage verbracht hätte. Anschließend hätte er einen Bescheid bekommen und wäre aufgefordert worden, innerhalb eines Monats Griechenland zu verlassen. Die Behörde hätte ihn nach Athen gebracht.

 

Der Bf behauptete, in Griechenland nicht um Asyl angesucht zu haben. Er hätte nur einen "Zettel mit der Ausweisung" von der Polizei bekommen, die ihn nach Athen brachte. Dort hätte er keine Unterkunft von der Behörde erhalten, sondern hätte sich an unterschiedlichen Orten bzw in leer stehende Wohnungen aufgehalten. Essen hätte er mittags auf einem Platz bekommen. In Athen hätte er sich glaublich ein Jahr und ein paar Monate aufgehalten und unregelmäßig Arbeit gehabt.

 

Für die Schleppung nach Österreich hätte er 750 Euro bezahlt. Seit ca. 2 Monaten wäre er in Österreich. Er hätte Griechenland auf der Ladefläche eines Lkws versteckt verlassen und wäre auf unbekanntem Weg nach Österreich gelangt.

 

Zu seinem Kontakt mit griechischen Behörden befragt, erklärte der Bf in sich widersprüchlich, dass er keinen Kontakt gehabt hätte, aber immer wieder kontrolliert worden wäre. Nach Ablauf eines Monats hätte er jeweils für einen weiteren Monat eine Bestätigung für seinen Aufenthalt bekommen, nachdem er jedes Mal 15 Tage im Gefängnis verbracht hätte. Er wäre mehr als zehnmal von der griechischen Polizei inhaftiert worden.

 

Zu seinen Personaldaten berichtigte der Bf (nunmehr laut AIS mit dem Namen: I alias M und dem Vornamen: M alias I) erstmals sein Geburtsdatum von Mai auf den Jänner und erklärte damit minderjährig zu sein. Die Asylbehörde hielt ihm vor, dass er dann nach seinen weiteren Angaben im Alter von 10 Jahren S verlassen hätte und in Libyen im Alter von 11 Jahren einer Beschäftigung als Reinigungskraft nachgegangen wäre. Zu diesem Vorhalt meinte der Bf nur, dass sein jetzt angegebenes Lebensalter zuträfe.

 

Die Asylbehörde hielt dem Bf weiters vor, dass auf Grund seines bisherigen Verhaltens und äußeren Erscheinungsbildes davon auszugehen wäre, dass er zumindest das 18 Lebensjahr vollendet habe. Der Bf blieb dabei, im Jahr …. geboren worden zu sein. Nunmehr gab er auch an, ledig zu sein, während er am 11. September 2007 noch vor der Fremdenpolizei erklärte, verheiratet zu sein und eine vierjährige Tochter zu haben. Diese Angaben widerrief er und erklärte dazu, dass ihm ein Freund geraten hätte, diese Angaben zu machen.

 

Über Vorhalt seiner Angabe bei der Erstbefragung vor der Polizei S, in Griechenland einen Asylantrag gestellt zu haben und was gegen eine Weiterführung des Asylverfahrens dort spräche, meinte der Bf, er könnte das nicht sagen. Er wüsste nicht, woher der Dolmetscher diese Angaben hatte. Er hätte nur gesagt, dass er in Griechenland keinen Asylantrag stellte. Verwandte im EU-Raum Norwegen oder Island habe er nicht.

 

Die Asylbehörde kündigte dem Bf eine fachärztliche Untersuchung zur Feststellung seines Lebensalters an, womit er sich einverstanden erklärte.

 

Die Mitteilung der Asylbehörde gemäß § 29 Abs 3 AsylG 2005 über die beabsichtigte Zurückweisung des Antrags auf internationalen Schutz und über Dublin Konsultationen mit Griechenland seit 11. September 2007 wurde dem Bf im Wege des PAZ Linz am 1. Oktober 2007 zugestellt. Darauf Bezug nehmend fragte die Asylbehörde den Bf, ob er konkrete Gründe angeben könnte, die dem entgegen stehen. Der Bf antwortete, dass er nicht nach Griechenland wollte. Er wäre dort wiederholt eingesperrt worden und hätte keine Zukunft gehabt.

 

Die Asylbehörde traf daraufhin im Einzelnen Feststellungen zum griechischen Asylverfahren, für welches die Vorschriften des gemeinschaftlichen Besitzstandes voll verbindlich seien. Der Bf erklärte dazu nur, dass er nicht nach Griechenland wollte.

 

1.5. Der Termin zur Altersfeststellung durch den Psychiater Dr. L fand am 26. November 2007 im PAZ Linz statt. Nach dessen Gutachten ist im Ergebnis das Überschreiten des 18. Lebensjahres beim Bf als sehr wahrscheinlich anzusehen. Weitere Einvernahmen führte die Asylbehörde dann am 17. Dezember 2007 und am 13. Februar 2008 durch.

 

Beim Parteiengehör vom 17. Dezember 2007 wurde der Bf mit dem psychiatrischen Gutachten des Dr. L konfrontiert. Er fragte, wie der Arzt wissen könnte, wann er geboren wurde. Man müsste glauben, was ihm seine Eltern gesagt haben. Das Geburtsdatum Mai hätte er auf Anraten seiner Landsleute, mit denen er von der deutschen Polizei aufgegriffen wurde, angegeben.

 

Dem Bf wurde am 13. Februar 2008 vom BAA EASt West vorgehalten, dass er nach Mitteilung der griechischen Behörden unter dem Namen M I, geboren am …, ein Asylantrag stellte. Das Asylverfahren hätte nicht weitergeführt werden können, weil der Bf willkürlich den ihm zugewiesenen Wohnsitz verlassen habe. Die griechischen Behörden erklärten sich auch für die Weiterführung des Asylverfahrens zuständig.

 

Der Bf meinte dazu, dass er genug von Griechenland hatte, da er keine Unterstützung erfahren hätte, obwohl er Kriegsflüchtling wäre und auch seine Familie verloren hätte. Wegen der langen Zeit in Griechenland ohne Ergebnis hätte er versucht, woanders einen Asylantrag zu stellen.

 

Über Vorhalt der gutachtlichen Stellungnahme des Dr. A A, Facharzt für Psychiatrie und Neurologie, vom 5. Februar 2008, wonach die Überstellung des Bf nach Griechenland möglich sei, erklärte der Bf, dass er nicht dorthin zurück wollte, lieber bliebe er im Gefängnis.

 

1.6. Den fremdenpolizeilichen Akten sind verschiedenen Vorfällen mit dem Bf während seiner Anhaltung im PAZ Linz zu entnehmen.

 

Nach der Meldung des PAZ Linz vom 9. November 2007, Zl. E1/55366/2007, konnte an diesem Tag in der Zeit von 14:30 bis 14:40 Uhr Rauchentwicklung aus der Zelle Nr. 8 wahrgenommen werden. Bei einer Nachschau fanden zwei Polizeibeamte den Bf am Boden liegend und neben ihm eine entleerte 1,5 l Wasserflache vor. Die Beamten verbrachten den sich aggressiv verhaltenden Bf aus der verrauchten Zelle. Bei einer genauen Inspektion stellte man fest, dass der Abfallkübel zur Hälfte mit zusammengeknülltem Zeitungspapier gefüllt war, welches durchnässt und angebrannt war. Der allein in der Zelle gewesene Bf hatte vermutlich eine Trotzhandlung gesetzt.

 

Nach der Meldung vom 9. Jänner 2008, Zl. E1/1485/2008, wurde ein Polizeibeamter während der Essensabgabe um ca. 11.45 Uhr in der offenen A-Station des PAZ Linz durch das aufgeregtes Verhalten von Schubhäftlingen vor der Dusche aufmerksam. Er begab sich zur Dusche und sah dort den Bf, wie er Anstalten machte, sich mit einem Teil des Toilettenvorhanges zu strangulieren. Er hatte einen Knoten im gekippten Duschraumfenster eingeklemmt und sich eine Schlinge um den Hals gelegt, aus der er dann befreit werden konnte. Der Bf wurde in der Folge dem Amtsarzt und dem Psychiater Dr. A vorgeführt. Dieser gab an, dass sich der Bf mit dem Selbstmordversuch nur freipressen wollte und riet eine Verwahrung in der Sicherungszelle an.

 

Im angeschlossenen "Kurz-Arztbericht" des Psychiaters Dr. A Th. A ist vom appellativen Selbstmordversuch durch demonstratives "Erhängen" mittels abgerissenem Vorhangstück die Rede. Zur Vorgeschichte des Bf als "Problemhäftling" wird festgehalten, das dieser die schon seinerzeit am 13. September 2007 begonnene Medikation bereist seit 20. September 2007 verweigere. Nach dem Anzünden des Inhalts eines Abfalleimers am 9. November 2007 habe die ambulante Vorstellung im Wagner Jauregg Krankenhaus keine feststellbare Psychose ergeben. In der gutachtlichen Stellungnahme des Psychiaters Dr. A an den Amtsarzt der BPD Linz vom 9. Jänner 2008 wird für den Bf die Diagnose mitgeteilt, dass keine posttraumatische Belastungsstörung, Affektlabilität und ein appellativer Selbstmordversuch vorliege. Die Haftfähigkeit wird bejaht und eine Sicherungszelle für erforderlich erachtet. Der Bf blieb weiterhin in Schubhaft.

 

Mit der Meldung des PAZ Linz vom 29. Februar 2008, Zl. E1/10948/2008, wurde schließlich über einen versuchten Ausbruch aus dem PAZ Linz und eine versuchte Selbstbeschädigung durch Anzünden der Kleidung berichtet.

 

Nachdem aus Zelle 22 ein Sägegeräusch wahrgenommen wurde, hat ein Polizeibeamter den Bf bei der Nachschau am 29. Februar 2008 um ca. 12:20 Uhr am Fenstergitter hantieren gesehen. Am mittleren Fenster war der äußerst rechte Gitterstab ca. 1 mm frisch angesägt. Bei der anschließenden Durchsuchung wurden einige Rasierklingen, eine Gürtelschnalle, mit der vermutlich gesägt wurde, und eine 10 m lange Schnur aus Leintüchern zum "Herauffischen" von Gegenständen gefunden. Die drei Schubhäftlinge wurde in einen andere Zelle verlegt.

Nach der Verlegung begann der Bf um 14:10 Uhr in der Zelle zu toben und versuchte mittels Streichhölzer und eines Deosprays seine Kleidung in Brand zu setzen, was vom einschreitenden Polizeibeamten verhindert wurde. Über Weisung des Polizeiarztes wurde der Bf daraufhin ins Wagner Jauregg Krankenhaus gebracht. Die vom PAZ Linz verständigte belangte Behörde verfügte dann die Entlassung des Bf aus der Schubhaft (vgl E-Mail vom 29.02.2008).

 

1.7. Mit Bescheid des BAA vom 28. Februar 2008, Zl. 07 08.290-EAST-WEST, wurde der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 5 Abs 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und der Bf gemäß § 10 Abs 1 Z 1 AsylG 2005 aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Griechenland ausgewiesen und die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in diesen Staat gemäß § 10 Abs 4 AsylG 2005 für zulässig erklärt. Gegen diesen Bescheid wurde rechtzeitig berufen.

 

Mit Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenats (UBAS) vom 1. April 2008, Zl. 318.275-1/5E-V/13/08 (Zustellung am 1.04.2008 per Telefax an EASt West), wurde die Berufung gegen den Erstbescheid abgewiesen.

 

Nach Wiedergabe des wesentlichen Verfahrensganges stellte der UBAS fest, dass die Identität des Bf mangels Vorlage von Personaldokumenten nicht festgestellt werden konnte. Weiters wird festgestellt, dass Österreich am 11. September 2007 gemäß Art 10 Abs 1 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates ein Wiederaufnahmegesuch an Griechenland gestellt habe. Mit E-Mail vom 9. Februar 2008 stimmte Griechenland diesem Wiederaufnahmeansuchen gemäß Art 20 Abs 1 lit c der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates zu und erklärte sich zur Rückübernahme bereit. Ein Familienleben iSd Art 8 EMRK zu einem dauernd aufenthaltsberechtigten Fremden in Österreich besteht nicht.

 

Nach Darstellung der maßgeblichen Rechtsgrundlagen pflichtete der UBAS der erstbehördlichen Zurückweisung gemäß § 5 Abs 1 AsylG 2005 bei und hielt Österreich auch mit näherer Begründung nicht für verpflichtet, vom Selbsteintrittsrecht nach Art 3 Abs 2 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates Gebrauch zu machen. Denn der UBAS kommt zum Ergebnis, dass keine reale Gefahr einer gegen Art 3 EMRK verstoßenden Behandlung des Bf in Griechenland besteht, bei welchem Mitgliedsstaat der EU es sich um einen Rechtsstaat mit funktionierender Staatsgewalt handle. In Griechenland sei sowohl asylrechtlicher Schutz als auch Refoulement-Schutz gewährleistet.

 

Die wiederholt ins Treffen geführten psychischen und physischen Probleme des Asylwerbers machten eine Antragszurückweisung keineswegs unzulässig. Die Untersuchung vom 5. Februar 2008 durch einen Facharzt für Psychiatrie und Neurologie brachte keine schwere psychische Störung hervor, welche einer Überstellung nach Griechenland entgegenstünde. Auch aus der Vorlage weiterer ärztlicher Stellungnahmen vom 13. und 16. März 2008, denen das Vorliegen einer "depressiven Episode" mit der Empfehlung einer Psychotherapie zu entnehmen war, konnte der UBAS keine nachvollziehbaren Gründe ableiten, die einer Rückführung entgegenstünden oder die eine medizinische Betreuung in Griechenland als nicht hinreichend gesichert erscheinen ließen.

 

Zur behaupteten Minderjährigkeit verwies der UBAS auf das fachärztliche Gutachten zur Volljährigkeit des Bf, in dem anhand nachvollziehbarer Kriterien das Überschreiten des 18. Lebensjahres als sehr wahrscheinlich eingestuft wurde. Außerdem habe der Bf seine Personaldaten bisher frei nach Belieben geändert, weshalb seinen Angaben objektiv keinerlei Glaubwürdigkeit beizumessen sei. Auch die Vertreterin des Asylwerbers, eine Repräsentantin der Caritas, scheine von dessen Volljährigkeit auszugehen, da ansonsten eine rechtskonforme Bevollmächtigung ihrer Person nicht in Betracht zu ziehen wäre. Dafür spräche auch, dass am Deckblatt der Berufungsschriftsatzes als Geburtsdatum der September vermerkt wurde.

 

Der Behauptung im Rechtsmittelschriftsatz, der Bf wäre in Griechenland niemals in einem Haus mit anderen Asylwerbern untergebracht worden, hielt der UBAS die Anfragebeantwortung der griechischen Behörden vom 9. Februar 2008 entgegen, wonach das Asylverfahren nur deshalb zwischenzeitlich eingestellt wurde, weil sich der Bf ohne Angabe einer neuen Wohnadresse unentschuldigt entfernt hatte. Vor dem Hintergrund der inhaltlich massiv divergierenden Aussagen des Asylwerbers zu seinem Aufenthalt in Griechenland könne die These der Berufung, dass es sich bei der Stellungnahme der griechischen Behörden nur um eine "Schutzbehauptung" handelte, nicht einmal in Ansätzen nachvollzogen werden.

 

1.8. Den vorgelegten fremdenpolizeilichen Akten ist weiter zu entnehmen, dass die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck in Kenntnis der Berufungsentscheidung des UBAS mit Schreiben vom 2. April 2008, Sich40-1563-2008, der PI St. Georgen i.A. einen Festnahmeauftrag im Hinblick auf eine für den 3. April 2008 geplante Abschiebung des Bf auf dem Luftweg nach Griechenland erteilte. Nach dem Bericht der PI St. Georgen i.A. vom 3. April 2008, Zl. E1/9295/2008, wurde der Bf um 04:20 Uhr in seinem Zimmer in der EASt West festgenommen, um ihn noch am selben Tag über Wien-Schwechat nach Griechenland abzuschieben. Nach der angeschlossenen Vorfallsmeldung leistete der Bf zunächst den Aufforderungen der Beamten ohne Widerstand Folge. Um 04:30 Uhr sprang er plötzlich aus dem geöffneten Fenster seines im ersten Stock gelegenen Zimmers aus ca. 5 m Höhe hinunter und verletzte sich dabei. Er wurde mit dem Notarztwagen ins LKH Vöcklabruck eingeliefert. Er erlitt nach Auskunft der Unfallambulanz eine kleine knöcherne Absplitterung im Sprunggelenk und erhielt einen Spaltgips, der in zwei Tagen durch einen Gehgips ersetzt werden könne. Durch die Verletzung sei keine Fluguntauglichkeit gegeben (Aktenvermerk der BH Vöcklabruck vom 3.04.2008). Wegen Bewusstseinstrübungen wurde der Bf nach der ärztlichen Unfallversorgung ins Wagner Jauregg Krankenhaus eingeliefert.

 

Die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck organisierte daraufhin eine Überstellung des Bf gemäß dem Dublin Abkommen nach Griechenland für den 10. April 2008 und erteilte dem PAZ Linz einen Abschiebeauftrag für den Abflug in Wien-Schwechat um 12:05 Uhr (Schreiben vom 8.04.2008). Dieser Auftrag wurde allerdings am nächsten Tag storniert, weil der Bf aus Sicht des behandelnden Arztes selbstmordgefährdet und daher nicht entlassungsfähig wäre (E-Mail der BH Vöcklabruck, Fremdenpolizei vom 9.04.2008)

 

Nach der zuletzt aktenkundigen mit 9. April 2008 datierten fachärztlichen Stellungnahme des Oberarztes Dr. F von der Psychiatrie 1 der Oö. Landes-Nervenklinik Wagner-Jauregg ist der Bf vom 29. Februar bis 19. März 2008 und danach seit 3. April 2008 laufend auf der Abteilung G 201 stationär in Behandlung. Es bestünde eine schwere depressive Episode mit rezenter Selbstmordgefahr. Der Patient sei bis auf weiteres nicht entlassungsfähig.

 

1.9. Mit der am 14. April 2008 beim Oö. Verwaltungssenat eingelangten Eingabe vom 10. April 2008 (Postaufgabe) erhob der Bf (angegebene Personaldaten: I M,  StA S, dzt. Wagner-Jauregg Nervenklinik) durch seine mit angeschlossener Vollmacht vom 11. Februar 2008 ausgewiesene Rechtsvertreterin Mag G H von der Caritas Linz "Beschwerde gem. §§ 82f FPG 2005" und stellte die Anträge, die Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheids der belangten Behörde vom 10. September 2007 und der Anhaltung in Schubhaft auf Grund dieses Schubhaftbescheides festzustellen.

 

Mit Schreiben des Amtes für Soziales, Jugend und Familie (ASJF) vom 8. Mai 2008, Zl. 0016813/2008, wurde "der Schubhaftbeschwerde der Caritas Linz, eingebracht durch Frau Mag. H" zugestimmt und der Beschluss des Verwaltungsgerichthofs vom 7. Mai 2008, Zl. AW 2008/01/0300-2, vorgelegt, mit dem der Beschwerde gegen den Bescheid des UBAS vom 1. April 2008, Zl. 318.275-1/5E-V/13/08, die aufschiebende Wirkung zuerkannt wurde.

 

Weiters wird eine Ablichtung des am 29. April 2008 beim Bezirksgericht Linz zu Zl. 2P 68/08d-S-7 aufgenommenes Protokoll in der Pflegschaftssache des "mj. M I, wegen Obsorge" vorgelegt. Aus diesem Protokoll geht folgender Beschluss des Bezirksrichters hervor:

 

"Mit der Obsorge für den mj. I M, geb. …, wird das Land Oberösterreich, vertreten durch das ASJF Linz, betraut."

 

Bei der Parteienvernehmung durch den Bezirksrichter gab der Bf an, dass er nicht genau wisse, wie das Datum …. im Akt auftauchte, er hätte immer ….. als sein Geburtsjahr angegeben. Das hänge offenbar mit der Übersetzung zusammen. Er sei in S in A aufgewachsen und bis zu seiner Ausreise dort gewesen. Wie viele Jahre das waren, wüsste er nicht.

 

2.1. Die Beschwerde bringt begründend vor, dass sich der Schubhaftbescheid vom 10. September 2007 auf eine falsche Rechtsgrundlage stützte. Die belangte Behörde hätte § 76 Abs 2 FPG (Sonderbestimmung bei Antrag auf internationalem Schutz) und nicht § 76 Abs 1 FPG anwenden müssen. Die Inschubhaftnahme zur Prüfung der Identität des Bf wäre rechtswidrig gewesen, weil weder notwendig noch gesetzlich vorgesehen. Der Bf habe den richtigen Namen angegeben, mit dem er auch in Griechenland registriert worden wäre. Zudem hätte die Behörde gemäß § 77 FPG von der Anordnung der Schubhaft Abstand nehmen müssen. Nach dem § 2 Abs 1 Grundversorgungsgesetz-Bund gewähre der Bund Asylwerbern im Zulassungsverfahren Grundversorgung in einer Betreuungseinrichtung. Auch wenn der Bf zum Zeitpunkt der Verhängung der Schubhaft den Asylantrag noch nicht eingebracht hatte, so müsste der Behörde mit der Einbringung am 29. Oktober 2007 offensichtlich gewesen sein, das der Bf als Asylwerber gelte und die Versorgung in der Bundesbetreuung gewährt werden würde. Dadurch hätte die belangte Behörde das gelindere Mittel zu gewähren gehabt, da dem Bf nicht von vorneherein unterstellt werden hätte können, dass er sich dem Verfahren entziehen werde. Die Anhaltung wäre zumindest ab 29. Oktober 2007, dem Zeitpunkt der Einbringung des Asylantrags, als rechtswidrig zu betrachten.

 

Am 29. Oktober 20007 habe der Bf auch sein Geburtsdatum richtig gestellt und den Jänner angegeben. In seinem Gutachten zur Überschreitung des 18. Lebensjahres halte Dr. L eine neuerlichen Begutachtung nach zumindest 6 Monaten für nötig, was darauf hindeute, dass der Gutachter sein Gutachten noch nicht als abgeschlossen betrachte und von seinem Ergebnis nicht mit der erforderlichen Sicherheit ausgehe. Die weiteren Ausführungen bezweifeln die tatsächlichen Annahmen des Gutachters. Es könne nicht von Bartwuchs oder reifen Gesichtszügen beim Bf ausgegangen werden. Auch in psychosozialer Hinsicht erfülle das Gutachten nicht die Anforderungen von anerkannten Psychiatern. Auch eine nach international Standard vorhandene Schätzdiskrepanz von 24 Monaten hätte berücksichtigt werden müssen. Das Gutachten Dris. L sei daher nicht geeignet, die Minderjährigkeit des Bf zu widerlegen, weshalb gelindere Mittel anzuwenden gewesen wären. Zum Beweis wird auf nicht angeschlossene Literatur hingewiesen.

 

Nach seinem Selbstmordversuch im Jänner 2008 wäre der Bf in Linz vom Amtsarzt Dr. A untersucht worden. Warum dieser Arzt zum Ergebnis kam, dass der Selbstmordversuch nur vorgetäuscht war, sei keineswegs nachvollziehbar. Auch das BAA hätte nicht näher erklären können, welche Anhaltspunkte für eine Scheinstrangulation sprachen. Der Antrag des Bf an das BAA vom 13. Februar 2008 ein neuerliches Gutachten über seine schlechte psychische Verfassung erstellen zu lassen, wäre mit der Begründung abgelehnt worden, der Amtsarzt hätte den Bf seit September 2007 betreut und müsse nicht an der Richtigkeit seiner Diagnose gezweifelt werden.

 

Diese Argumentation ginge allerdings ins Leere. Der Bf wäre am 29. Februar 2008 mit einer sog. mutistischen Störung, einer gravierenden psychischen Erkrankung, in die Nervenklinik Wagner Jauregg eingeliefert worden. Diese zeichne sich durch einen vollkommenen Rückzug aus und sei durch Schmerzunempfindlichkeit gekennzeichnet. Eine Vortäuschung dieser Krankheit sei nicht möglich. Das amtsärztliche Begutachtungsverfahren hätte daher auf eine Fehleinschätzung beruht und wäre der Bf zumindest seit dem ersten Selbstmordversuch als haftunfähig zu betrachten gewesen.

 

Im gerichtlichen Unterbringungsverfahren sei schließlich en Gutachten erstellt worden, aus dem hervorgehe, dass der Bf an einer posttraumatischen Belastungsstörung leide. Dadurch werde belegt, dass die Inschubhaftnahme, zumindest aber die weitere Anhaltung ab dem Zeitpunkt des ersten Selbstmordversuches rechtswidrig gewesen wäre. Derzeit befände sich der Bf auf Grund eines erneuten Selbstmordversuches am 2. April 2008 in der Wagner Jauregg Nervenklinik.

 

Insgesamt wäre die Anhaltung des Bf in Schubhaft nicht notwendig und unverhältnismäßig gewesen, weil zur Sicherung des Verfahrens auch ein Verbleib in der Bundesbetreuung ausgereicht hätte.

 

2.2. Dem der Beschwerde in Kopie beiliegenden, im Unterbringungsverfahren des Bezirksgerichts Linz zu 29 Ub 105/08y eingeholten Gutachten vom 16. März 2008 der Dr. B D-K, gerichtlich beeidete Fachärztin für Psychiatrie und Neurologie, ist zu entnehmen, dass M I geb. ..., mit der Diagnose "schwere depressive Episode, st. p. SMV DD Akute Belastungsreaktion infolge erheblicher Selbstgefährdung" ohne Verlangen untergebracht worden war.

 

Nach der Exploration am 13. März 2008 kam die Gutachterin zu folgenden Ergebnissen:

 

"Psychischer Status:

 

 

Herr M ist wach, orientiert, der Ductus formal geordnet und auch inhaltlich unauffällig. Auffassung und Konzentration sind im Normbereich, die Mnestik intakt. Die Stimmungslage ist depressiv, er verzweifelt, von SMG nicht distanziert. Affektiv ist er fast nur im negativen Skalenbereich affizierbar, lediglich, wenn Hilfe von der Caritas in Aussicht gestellt wird, ist er auch im positiven Skalenbereich affizierbar. Im Verhalten ist er situativ angepasst, es ist keine produktive Symptomatik vorhanden.

 

 

ZUSAMMENFASSUNG

 

 

Dg.: Posttraumatische Belastungsstörung, schwere depressive Episode mit St.p. SMV.

 

Herr M gibt an, dass er sich unter der Behandlung ho. etwas besser fühlt, die Angstzustände, der Grübelzwang sind weniger geworden, aber noch vorhanden. Die anfängliche Inappetenz ist gebessert. Er nimmt jede Hilfe, die ihm angeboten wird dankbar an, er würde aber, sollte ihm die Abschiebung drohen, oder, sollte er neuerlich in Schubhaft genommen werden, sich sicherlich das Leben nehmen. Sein Leben hätte keinen Sinn mehr für ihn.

 

So gehe ich heute noch von ernster, erheblicher und unmittelbarer Selbstgefährdung bei einer Erkrankung im Sinne des UbG aus und sehe keine Behandlungsalternative."

 

2.3. Die belangte Behörde hat mit Schreiben vom 29. April 2008 die den Bf betreffenden fremdenpolizeilichen Akten vorgelegt. Eine Gegenschrift wurde nicht erstattet.

 

3. Der erkennende Verwaltungssenat hat nach Einsicht in die Beschwerde und die vorgelegten Verwaltungsakten festgestellt, dass bereits aus der Aktenlage in Verbindung mit der eingebrachten Beschwerde der entscheidungswesentliche Sachverhalt hinreichend geklärt erscheint, weshalb von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung abgesehen werden konnte.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat erwogen:

 

4.1. Gemäß § 9 Abs 2 FPG ist gegen die Anordnung der Schubhaft weder eine Vorstellung noch eine Berufung zulässig.

 

Gemäß § 82 Abs 1 FPG hat der Fremde das Recht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung den unabhängigen Verwaltungssenat anzurufen,

wenn er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist;

wenn er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz oder das Asylgesetz 2005 angehalten wird oder wurde oder

wenn gegen ihn die Schubhaft angeordnet wurde.

 

Gemäß § 83 Abs 1 FPG ist der unabhängige Verwaltungssenat zur Entscheidung zuständig, in dessen Sprengel der Beschwerdeführer festgenommen wurde. Sofern die Anhaltung noch andauert, hat der Unabhängige Verwaltungssenat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen. Im Übrigen hat er im Rahmen der geltend gemachten Beschwerdepunkte zu entscheiden (vgl § 83 Abs 4 FPG).

 

Nach § 83 Abs 2 FPG gelten grundsätzlich die für Maßnahmenbeschwerden iSd § 67a Abs 1 Z 2 AVG vorgesehenen Verfahrensbestimmungen der §§ 67c bis 67g sowie § 79 AVG auch im Schubhaftbeschwerdeverfahren. Gemäß dem § 67c Abs 1 AVG sind Beschwerden innerhalb von sechs Wochen ab dem Zeitpunkt, in dem der Beschwerdeführer von der Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt Kenntnis erlangt hat, sofern er aber durch sie behindert war, von seinem Beschwerderecht Gebrauch zu machen, ab dem Wegfall dieser Behinderung, bei dem unabhängigen Verwaltungssenat einzubringen, in dessen Sprengel dieser Verwaltungsakt gesetzt wurde. Da der Beschwerdeführer im Regelfall durch die Anhaltung in Schubhaft nicht gehindert ist, eine Beschwerde dagegen zu erheben, gilt die Sechswochenfrist ab Kenntnis von der Anhaltung in Schubhaft.

 

Der illegal über Passau Bahnhof am 8. September 2007 eingereiste Bf wurde von der deutschen Polizei nach dem österreichisch-deutschen Rückübernahmeabkommen am 10. September 2007 nach Oberösterreich zurückgestellt und von Beamten der PI Schärding im Auftrag der belangten Behörde übernommen und fremdenpolizeilich festgenommen. Den gemäß § 57 AVG erlassenen Schubhaftbescheid der belangten Behörde übernahm er am 10. September 2007 um 15: 21 Uhr. In weiterer Folge wurde er noch am gleichen Tag zum Vollzug der Schubhaft ins PAZ Linz überstellt. Nach Anordnung der belangten Behörde wurde der Bf am 29. Februar 2008 aus der Schubhaft entlassen, weil er über Weisung des Polizeiarztes nach versuchter Selbstbeschädigung um 14:10 Uhr ins Wagner Jauregg Krankenhaus eingeliefert wurde (vgl Bericht des PAZ Linz vom 29.02.2008).

 

Der Bf hatte von Anfang an Kenntnis davon, dass er in Schubhaft genommen wurde (vgl die fremdenpolizeiliche Niederschrift der BPD Linz vom 11.09.2007). Er befand sich bis zum 29. Februar 2008 in Schubhaft. Nach Ansicht des Oö. Verwaltungssenats ist seine Beschwerde gegen die Anhaltung in Schubhaft nur für einen zurückliegenden Zeitraum von sechs Wochen ab Einbringung der Beschwerde zulässig. Hinsichtlich der länger zurückliegenden Zeit ist die Beschwerde verfristet.

 

Die gegenständliche Schubhaftbeschwerde wendet sich gegen den Schubhaftbescheid vom 10. September 2007 und die gesamte Anhaltung des Bf in Schubhaft bis zum 29. Februar 2008. Sie wurde allerdings erst am 10. April 2008 zur Post gegeben und langte am 14. April 2008 beim Oö. Verwaltungssenat ein. Da die Tage des Postlaufs gemäß § 33 Abs 3 AVG in die Frist nicht eingerechnet werden, gilt die Beschwerde mit der Postaufgabe am 10. April 2008 als eingebracht und ist dieses Datum für die Fristrückberechnung maßgeblich. Die Beschwerde kann demnach nur für die Anhaltung des Bf in Schubhaft am 28. und 29. Februar 2008 als rechtzeitig angesehen werden. Für den davor liegenden Zeitraum vom 10. September 2007 bis 27. Februar 2008 war sie verfristet und demnach als unzulässig - weil verspätet - zurückzuweisen.

 

4.2. Gemäß § 76 Abs 1 FPG können Fremde festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern dies notwendig ist, um das Verfahren zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes oder einer Ausweisung bis zum Eintritt ihrer Durchsetzbarkeit oder um die Abschiebung, die Zurückschiebung oder die Durchbeförderung zu sichern. Über Fremde, die sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten, darf Schubhaft nur verhängt werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, sie würden sich dem Verfahren entziehen.

 

Nach § 76 Abs 2 FPG kann die örtlich zuständige Fremdenpolizeibehörde über einen Asylwerber oder einen Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, Schubhaft zum Zweck der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung gemäß § 10 AsylG 2005 oder zur Sicherung der Abschiebung anordnen, wenn

 

1.     gegen ihn eine durchsetzbare - wenn auch nicht rechtskräftige - Ausweisung (§ 10 AsylG 2005) erlassen wurde;

2.     gegen ihn nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 2005 ein Ausweisungsverfahren eingeleitet wurde;

3.     gegen ihn vor Stellung des Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare Ausweisung (§§ 53 oder 54) oder ein durchsetzbares Aufenthaltsverbot (§ 60) verhängt worden ist oder

4.     auf Grund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung und der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass der Antrag des Fremden auf internationalen Schutz mangels Zuständigkeit Österreichs zur Prüfung zurückgewiesen werden wird.

 

Gemäß § 80 Abs 1 FPG ist die Behörde verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert. Sie darf gemäß § 80 Abs 2 FPG nur so lange aufrechterhalten werden, bis der Grund für ihre Anordnung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann. Mit Ausnahme der Fälle des § 80 Abs 3 und 4 FPG darf die Schubhaft nicht länger als 2 Monate dauern.

 

Nach § 80 Abs 5 FPG kann in Fällen, in denen die Schubhaft gemäß § 76 Abs 2 FPG verhängt wurde, diese bis zum Ablauf der vierten Woche nach rechtskräftig negativer Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz aufrecht erhalten werden, es sei denn, es läge auch ein Fall des Abs 4 Z 1 bis 3 vor. Wird der Berufung gegen eine Ausweisung, die mit einer zurückweisenden Entscheidung verbunden ist, die aufschiebende Wirkung gemäß § 37 AsylG 2005 zuerkannt, darf die Schubhaft bis zur Entscheidung des Unabhängigen Bundesasylsenats aufrecht erhalten werden. Darüber hinaus darf die Schubhaft nur aufrechterhalten werden, wenn der Unabhängige Bundesasylsenat eine zurück- oder abweisende Entscheidung erlässt.

 

4.3. Gemäß § 2 Abs 1 Z 13 AsylG 2005 (Art 2 des Fremdenrechtspaketes 2005, BGBl I Nr. 100/2005) ist ein Antrag auf internationalen Schutz das -auf welche Weise immer artikulierte - Ersuchen eines Fremden in Österreich, sich dem Schutz Österreichs unterstellen zu dürfen; der Antrag gilt als Antrag auf Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (vgl Z 15) und bei Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten als Antrag auf Zuerkennung des subsidiär Schutzberechtigten (vgl Z 16).

 

Asylwerber ist nach § 2 Abs 1 Z 14 AsylG 2005 ein Fremder ab Einbringung eines Antrags auf internationalen Schutz bis zum rechtskräftigen Abschluss, zur Einstellung oder Gegenstandslosigkeit des Verfahrens.

 

Gemäß § 13 AsylG 2005 ist ein Asylwerber, dessen Asylverfahren zugelassen ist, bis zur Erlassung einer durchsetzbaren Entscheidung, bis zur Einstellung oder Gegenstandslosigkeit des Verfahrens oder bis zum Entzug des Aufenthaltsrechts (§ 62 Abs 1 FPG) zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt. Ein auf Grund anderer Bundesgesetze bestehendes Aufenthaltsrecht bleibt unberührt. Wird Asylwerbern gemäß § 62 FPG ihr Aufenthaltsrecht entzogen, kommt ihnen faktischer Abschiebeschutz (§ 12) zu.

 

Gemäß § 28 Abs 1 Satz 2 AsylG 2005 erfolgt die Zulassung durch Ausfolgung einer Aufenthaltsberechtigungskarte (§ 51).

 

Nach § 28 Abs 2 AsylG 2005 ist der Antrag zuzulassen, wenn das Bundesasylamt nicht binnen zwanzig Tagen nach Einbringen des Antrags auf internationalen Schutz entscheidet, dass der Antrag zurückzuweisen ist, es sei denn es werden Konsultationen gemäß der Dublin - Verordnung oder eines Vertrages über die Zuständigkeit zur Prüfung eines Asylantrages oder eines Antrages auf internationalen Schutz geführt. Das Führen solcher Konsultationen ist dem Asylwerber innerhalb der 20-Tages-Frist mitzuteilen. Diesfalls gilt die 20-Tages-Frist nicht. Diese gilt überdies nicht, wenn der Asylwerber am Verfahren nicht mitwirkt, dieses gegenstandslos wird oder er sich diesem entzieht. Ist der Asylwerber aus in seiner Person gelegenen Gründen nicht in der Lage, am Verfahren mitzuwirken, ist der Lauf der Frist nach Satz 1 gehemmt.

 

4.4. Im gegenständlichen Fall hatte der erkennende Verwaltungssenat noch die Rechtmäßigkeit der Anhaltung des Bf in Schubhaft für die Zeit 28. und 29. Februar 2008 zu überprüfen und den bis dahin der belangten Behörde bekannt gewordenen Sachstand zu berücksichtigen.

 

Zunächst ist einmal der Behauptung der Beschwerde, die Schubhaft gründe sich auf eine falsche Rechtsgrundlage, entgegen zu treten, weil die belangte Behörde entsprechend der Vorschrift des § 76 Abs 6 FPG mit Aktenvermerk vom 13. September 2007 festgehalten hat, dass der Bf während der Schubhaft am 10. und 11. September 2007 je einen Asylantrag stellte, was an die EASt-West weitergeleitet wurde. Laut Aktenvermerk blieb die Schubhaft aufrecht und galt daher als nach § 76 Abs 2 FPG verhängt.

 

Mit Mitteilung gemäß § 29 Abs 3 AsylG 2005 vom 11. September 2007, vom Bf übernommen im PAZ Linz am 1. Oktober 2007, hat das BAA EASt West die beabsichtigte Zurückweisung des Antrags auf internationalen Schutz sowie die Dublin Konsultationen mit Griechenland seit 11. September 2007 bekannt gemacht. Diese Mitteilung gemäß § 29 Abs 3 Z 4 AsylG 2005 galt auch als eingeleitetes Ausweisungsverfahren. Denn gemäß § 27 Abs 1 AsylG 2005 gilt ein asylrechtliches Ausweisungsverfahren als eingeleitet, wenn im Zulassungsverfahren eine Bekanntgabe nach § 29 Abs 3 Z 4 oder 5 AsylG 2005 erfolgt. Weil diese Zurückweisung gemäß dem § 10 Abs 1 Z 1 AsylG 2005 mit einer Ausweisung zu verbinden ist, wurde demnach gegen den Bf nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 2005 auch ein Ausweisungsverfahren eingeleitet. Im Zusammenhang mit der Verfahrensanordnung gemäß § 29 Abs 3 Z 4 AsylG 2005 hat der Bf auch das Informationsblatt zur Dublin II Verordnung der Europäischen Union (Verordnung Nr. 343/2003 des Rates vom 18.02.2003, ABl L 50/1 vom 25.2.2003) erhalten.

 

Die Verhängung der Schubhaft auf der Grundlage des § 76 Abs 2 Z 2 FPG zum Zweck der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung gemäß § 10 AsylG 2005 und zur Sicherung der anschließenden Abschiebung war daher grundsätzlich möglich. Auf Grund der aktenkundigen Ergebnisse konnte schon nach den polizeilichen Erhebungen mit erkennungsdienstlicher Behandlung (EURODAC-Treffer) und der Befragung des Bf am 11. September 2007 im PAZ Linz angenommen werden, dass der Antrag des Bf auf internationalen Schutz (Asylantrag) voraussichtlich mangels Zuständigkeit Österreichs zurückgewiesen werden wird (vgl § 76 Abs 2 Z 4 FPG).

 

Nach neuerer Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs reicht die Ausreiseunwilligkeit für sich allein noch nicht aus, um die Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung zu rechtfertigen. Das Sicherungserfordernis muss auch noch in weiteren Umständen wie etwa der mangelnden beruflichen oder sozialen Verankerung begründet sein (vgl VwGH 8.9.2005, Zl. 2005/21/0301; VwGH 22.6.2006, Zl. 2006/21/0081). Solche den konkreten Sicherungsbedarf begründende Umstände liegen allerdings in ausreichendem Maße vor.

 

4.5. Am 28. und 29. Februar 2008 konnte die belangte Behörde von der unmittelbar bevorstehenden Zurückweisung des Asylantrags durch das Bundesasylamt und die Ausweisung des Bf nach Griechenland ausgehen (vgl Feststellungen im Punkt 1.7.). Im Hinblick auf die Konsultationen mit Griechenland war das Asylverfahren auch nicht zugelassen und der Aufenthalt des illegal eingereisten Bf in Österreich als unrechtmäßig anzusehen. Griechenland hatte bereits der Rückübernahme des Bf, der dort schon ein Jahr zuvor einen Asylantrag gestellt hatte, zugestimmt.

 

Der Bf ist nach seiner eigenen Darstellung illegal (versteckt auf einem LKW) und mittellos von Griechenland nach Österreich gekommen. Er verfügt weder über einen Reisepass noch über ein sonstiges Identitätsdokument und es fehlen ihm auch die notwendigen Mittel für seinen Unterhalt. Er wäre voraussichtlich nicht in der Lage, seinen Aufenthalt in Österreich zu legalisieren, weshalb er auch keiner legalen Beschäftigung nachgehen könnte. Er ist in Österreich weder beruflich noch sozial integriert. Das Verhalten des Bf lässt eine eindeutige Missachtung der österreichischen Einreise - und Aufenthaltsvorschriften erkennen. Er hat nach seinen Angaben auch von vornherein illegale Grenzübertritte in die Europäische Union und innerhalb dieser in Kauf genommen. Um von Wien über Deutschland nach Amsterdam reisen zu können, besorgte er sich offenbar in Wien für 200 Euro einen verfälschten Pass (vgl Niederschrift vom 11.09.2007), den er auch bei der Kontrolle durch die deutsche Grenzpolizei benutzte. Der Gebrauch eines unechten Reisepasses erfüllt den Straftatbestand des § 223 Abs 2 iVm § 224 StGB. Der Versuch mit dem verfälschten spanischen Reisepass die Einreisekontrolle nach Deutschland zu passieren misslang (vgl Feststellungen im Schubhaftbescheid vom 11.9.2007).

 

Über seine Identität und die Reiseroute machte der Bf je nach seinem Gutdünken und nach vermeintlicher Opportunität widersprüchliche und auch unrichtige Angaben. Bei der fremdenpolizeilichen Ersteinvernahme behauptete er ebenso wie noch vor der bayrischen Grenzpolizei, am Mai in M geboren worden zu sein. Er behauptete weiter, verheiratet zu sein und eine vierjährige Tochter zu haben, welche Angehörigen bei seiner Mutter in M lebten. Als Beruf gab er Kellner an. Er hätte in einem anderen Land arbeiten und Geld nach Hause schicken wollen. S hätte er 2007 verlassen und er wäre über K und in weiterer Folge per Schiff nach Griechenland gekommen.

 

Bei der Einvernahme am 29. Oktober 2007 berichtigte er sein Geburtsdatum auf Jänner und damit auf Minderjährigkeit. Er behauptete nunmehr, S bereits vor drei Jahren verlassen und nach Libyen gereist zu sein, wo er ca. 8 Monate geblieben, als Reinigungskraft gearbeitet und anschließend nach Griechenland gereist wäre. Dort hätte er angeblich nicht um Asyl angesucht, sondern nur einen "Zettel mit der Ausweisung" von der Polizei bekommen, die ihn nach Athen brachte. In Athen hätte er sich aber glaublich ein Jahr und ein paar Monate aufgehalten und unregelmäßig gearbeitet. Auf Vorhalte der Asylbehörde, dass er nach seinen nunmehrigen Angaben S schon mit 10 Jahren verlassen und mit 11 Jahren in Libyen als Reinigungskraft gearbeitet hätte, blieb er ohne weitere Erklärungen bei seinen Angaben. Die falschen Angaben vor der Fremdenpolizei über Frau und Kind hätte er nur auf den Rat eines Freundes hin gemacht.

 

Bei der asylbehördlichen Einvernahme am 13. Februar 2008 wurde dem Bf vorgehalten, dass er - entgegen seinen zuvor aufgestellten Behauptungen - bei den griechischen Behörden als Asylwerber geführt wird und einen Asylantrag unter dem Namen M I, geb. ..., gestellt hatte. Sein griechisches Asylverfahren konnte nicht weitergeführt werden, weil er willkürlich den ihm zugewiesenen Wohnsitz verlassen hatte. Der Bf widersprach dem zwar nicht, beklagte sich aber über mangelnde Unterstützung in Griechenland. Über Vorhalt der Stellungnahme des Psychiaters Dr. A, der den Bf für überstellungsfähig erklärte, meinte er, dass er lieber im Gefängnis bliebe.

 

Die belangte Behörde durfte nach Ansicht des erkennenden Verwaltungssenates von der Volljährigkeit des Bf ausgehen, der selbst bei seinen ersten fremdenpolizeilichen Einvernahme und auch vor der deutschen Polizei den Mai als Geburtsdatum angab. Auch das im Asylverfahren eingeholte psychiatrische Gutachten des Dr. L ergab, dass ein Überschreiten des 18 Lebensjahres als sehr wahrscheinlich anzusehen sei. Bis heute ist das genaue Alter des Bf nicht gesichert. Dieser änderte seine Angaben offenbar ganz danach, wie es ihm opportun erschien. Auf die nach h. Ansicht zutreffenden Ausführungen des UBAS in der Berufungsentscheidung vom 1. April 2008 darf verwiesen werden (vgl oben Punkt 1.7.). An dieser Einschätzung vermag das Protokoll des Bezirksgerichts Linz zu 2P 68/08d-S-7 vom 7. Mai 2008 betreffend die gerichtliche Entscheidung über die Obsorge nichts zu ändern. Der Bezirksrichter ging nämlich nur von den Angaben des Bf aus, der sein Geburtsjahr diesmal pauschal mit …..angab. Die widersprüchlichen Angaben des Bf im Asyl- und Fremdenverfahren waren dem Richter offenbar nicht einmal bekannt. Die vom Bf präsentierten unterschiedlichen Geburtsdaten (………) können nach Ansicht des Oö. Verwaltungssenats nicht lapidar mit einem Übersetzungsproblem erklärt werden. Vielmehr hat der Bf höchstwahrscheinlich nach seinem Gutdünken und nur nach Opportunität diese Angaben gemacht. Das Gleiche gilt für seine divergierenden Angaben über die Ausreise aus S und den Aufenthalt in verschiedenen bekannten oder unbekannten Ländern. Der Bf scheint es schon nach seiner eigenen Darstellung, wonach er falsche Angaben auf Anraten von Freunden machte, mit der Wahrheit häufig nicht so genau zu nehmen. Auch sonst waren seine eher allgemein gehaltenen Behauptungen weder gut nachvollziehbar noch objektivierbar. Es ging ihm wohl nur darum, die Zulassung seines Asylverfahrens in Österreich und ein damit verbundenes Aufenthaltsrecht zu erschleichen. Seine Hemmschwelle gegenüber rechtswidrigem Verhalten schätzt das erkennende Mitglied des Oö. Verwaltungssenats nach dem Gesamtverhalten des Bf als gering ein.

 

Soweit die Beschwerde argumentiert, dass der Bf wegen eines angeblichen Selbstmordversuches im Jänner 2008 schon als haftunfähig anzusehen und deshalb die Schubhaft aufzuheben gewesen wäre, ist ihr zunächst die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes entgegen zu halten, dass Fragen des konkreten Vollzugs der Schubhaft wie etwa die Prüfung der Haftfähigkeit nicht Gegenstand eines Schubhaftbeschwerde sind (VwGH 24.1.1997, Zl. 95/02/0084; VwGH 2.8.1996, Zl. 96/02/0143; VwGH 27.1.1995, Zl. 94/02/0334;) Da die Rechtsgrundlagen zum Umfang der Schubhaftprüfung inhaltlich nicht geändert wurden, gilt diese Aussage auch für das Regime des FPG, weshalb schon aus diesem Grund diese Argumentation der Beschwerde ins Leere geht.

 

Außerdem ignoriert die Beschwerde dass der den Bf während der Schubhaft betreut und untersucht habende Dr. A, Facharzt für Psychiatrie und Neurologie in Linz, den Vorfall vom 9. Jänner 2008 als appellativen Selbstmordversuch durch demonstratives "Erhängen" mit einem Vorhangstück deutete. Für einen vorgetäuschten Selbstmordversuch sprach nicht nur diese Ansicht eines Facharztes, der den Bf schon als "Problemhäftling" kennen gelernt hatte, sondern auch objektiv, dass der Bf seinen Strangulierungsversuch ausgerechnet während der Essensausgabe um die Mittagszeit und in Anwesenheit von anderen Schubhäftlingen unternahm, so dass sein Verhalten offenkundig war und auffallen musste und er daher auch abgehalten werden konnte (vgl dazu die Meldung vom 9.01.2008). Auch die weiteren Ausführungen der Beschwerde ändern nichts an dieser Einschätzung. Aus dem vorgelegten Gutachten der Dr. B D-K vom 16. März 2008 (vgl dazu Punkt 2.2) kann nicht rückwirkend für den 9. Jänner 2008 abgeleitet werden, dass die damalige Meinung des Dr. A falsch gewesen wäre. Eine solche Ansicht ist diesem nachträglich im Unterbringungsverfahren erstatteten Gutachten nicht zu entnehmen. Es gab danach mehr als eineinhalb Monate keinen Vorfall mit dem Bf. Erst am 29. Februar 2008 wurde der nach dem vergeblichen Ansägen eines Gitterstabes und nach Verlegung in eine andere Zelle tobende Bf über Weisung des Polizeiarztes Dr. H ins Wagner Jauregg eingeliefert und die Schubhaft aufgehoben.

 

4.6. Gemäß § 77 Abs 1 FPG kann die Behörde von der Anordnung der Schubhaft Abstand nehmen, wenn sie Grund zur Annahme hat, dass deren Zweck durch die Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden kann. Gegen Minderjährige hat die Behörde gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn, sie hätte Grund zur Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann.

 

Wie bereist oben dargelegt, hält der Oö. Verwaltungssenat die Minderjährigkeit des Bf nach wie vor für nicht objektiv gesichert. Aber selbst wenn man von der Minderjährigkeit des Bf ausginge, erschiene es dem erkennenden Verwaltungssenat auf Grund der oben dargelegten Umstände des Falles durchaus vertretbar, von gelinderen Mitteln abzusehen. Der Bf hat sich nämlich durch seine gesamtes Verhalten als so vertrauensunwürdig erwiesen, dass die belangte Behörde nicht damit rechnen konnte, er werde sich künftigen fremdenpolizeilichen Maßnahmen beugen und sich zur Verfügung der Fremdenpolizei halten. Vielmehr ist davon auszugehen, dass er initiativ geworden wäre, um sich dem behördlichen Zugriff zu entziehen. Diese Annahme wird nach Ansicht des erkennenden Mitglieds auch durch die oben unter Punkt 1.6. geschilderten Vorfälle während der Anhaltung des Bf im PAZ Linz nahe gelegt, bei denen eine ausgeprägte Fähigkeit des Bf zur Resistenz zum Ausdruck kam.

 

Schließlich hat sich nachträglich auch gezeigt, dass der Bf zum vorgesehenen Abschiebungstermin nach Griechenland am 3. April 2008 gegen 04:30 Uhr anlässlich seiner Abholung durch zwei Polizeibeamte der PI St. Georgen i.A. in seiner Unterkunft in der EASt West in der Lage war, einen günstigen Augenblick zu nutzen, um einen Fluchtversuch zu unternehmen. Dabei gelang es ihm offenbar die Polizisten zu überraschen und trotz Überwachung aus dem geöffneten Fenster seines Zimmers in etwa 5 m Höhe hinunter zu springen. Der Fluchtversuch des Bf misslang, zumal er sich dabei im Bereich des Sprunggelenkes (kleine knöcherne Absplitterung) verletzte und am Rasen liegen blieb.

 

In seiner überkommenen Judikatur hat der Verwaltungsgerichtshof die Anwendung gelinderer Mittel schon dann verneint, wenn die Befürchtung bestand, dass sich der Fremde angesichts der ihm drohenden Abschiebung im Verborgenen halten würde, weil

 

 

Im vorliegenden Fall liegen darüber hinaus massiv widersprechende Angaben des Bf und Vorfälle vor, die den Bf als "Problemhäftling" ausweisen. Nach Ansicht des Oö. Verwaltungssenats durfte die belangte Behörde daher jedenfalls noch am 28. und 29. Februar 2008 davon ausgehen, dass der Zweck der Schubhaft durch gelindere Mittel nicht hätte erreicht werden können. Die Notwendigkeit der Anhaltung des Bf in Schubhaft beruhte nicht nur auf allgemeinen Erfahrungswerten, sondern auf konkreten Umständen und Vorfällen mit dem Bf. Es bestand danach eine hohe Wahrscheinlichkeit, der Bf würde sich auf freiem Fuße unkooperativ verhalten und eine Gelegenheit des Untertauchens nutzen, um sich dem fremdebehördlichen Zugriff zu entziehen.

 

Die gegebenen Umstände rechtfertigten daher eine Ermessensübung, die Schubhaft anstelle gelinderer Maßnahmen aufrecht zu erhalten. Im Ergebnis lagen genügend Gründe für die Annahme vor, dass der Zweck der Schubhaft durch die Anwendung gelinderer Mittel nicht erreicht werden könnte. Für den Zeitraum, für den die Schubhaftbeschwerde noch als rechtzeitig betrachtet werden konnte, war sie daher als unbegründet abzuweisen.

 

5. Bei diesem Verfahrensergebnis war die belangten Behörde gemäß § 79a Abs 3 AVG als obsiegende Partei und der Bf als unterlegene Partei anzusehen. Da Aufwandersatz nur auf Antrag der obsiegenden Partei zu leisten ist und die belangte Behörde keinen entsprechenden Antrag gestellt hat, war keine Kostenentscheidung zu ihren Gunsten zu treffen.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweise:

1.Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro (ab 1.07.2008 von 220 Euro) zu entrichten.

2. Im gegenständlichen Beschwerdeverfahren sind Stempelgebühren für die Beschwerde (§ 14 TP 6 Abs 1 GebG: 13,20 Euro), 1 Beilage zu 2 Bögen (§ 14 TP 5 Abs 1 GebG: 7,20 Euro) und 1 Vollmacht (§ 14 TP 13 Abs 1 :13,20 Euro), insgesamt daher von 33,60 Euro angefallen. Ein entsprechender Zahlschein liegt bei.

 

Beilage: Akt

 

 

Dr. W e i ß

Beachte:

vorstehende Entscheidung wurde aufgehoben;

VwGH vom 08.09.2009, Zl.: 2008/21/0566-5

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