Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-400732/23/Gf/Se

Linz, 13.06.2008

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Grof über die Beschwerde des M K, vertreten durch den Verein "SUARA − Christliches Seelsorge- und Hilfezentrum zur Unterbringung, Arbeitsbeschaffung sowie zur Rückkehr afrikanischer Asylwerber", dieser vertreten durch seinen Obmann A W, wegen Anhaltung in Schubhaft vom 5. August 2005 bis zum 29. August 2005 durch die Bundespolizeidirektion Linz, zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Rechtsgrundlage: § 67c Abs. 3 AVG

Entscheidungsgründe:

1.1. Der Beschwerdeführer, ein n Staatsangehöriger, hatte nach seinem eigenen Vorbringen zu Zl. 04-10916 einen Asylantrag eingebracht; das Asylverfahren sei jedoch vom Bundesasylamt − Außenstelle Wien am 9. Dezember 2004 eingestellt worden. In der Folge sei er am 5. August 2005 unmittelbar nach der Verbüßung einer gerichtlichen Strafhaft von Organen der BPD Linz zwecks Setzung aufenthaltsbeendender Maßnahmen in Schubhaft genommen und am 29. August 2005 wieder aus dieser entlassen worden.

Begründend sei dazu ausgeführt worden, dass sein Asylverfahren eingestellt worden sei und er sich somit unerlaubt in Österreich aufhalte.

1.2. Gegen seine Anhaltung in Schubhaft richtete sich die am 1. September 2005 - und damit rechtzeitig - per Telefax eingebrachte Beschwerde.

Darin brachte der Rechtsmittelwerber im Wesentlichen vor, dass sein Asylverfahren am 9. Dezember 2004 mit der Begründung, dass von ihm keine Abgabestelle bekannt sei, eingestellt worden sei. Tatsächlich habe er sich jedoch seit dem 16. November 2004 zwecks Verbüßung einer Strafhaft in der Justizanstalt Linz befunden. Die Einstellung des Asylverfahrens sei somit widerrechtlich erfolgt, sodass sich auch die darauf gegründete Schubhaft als unzulässig erweise.

Daher wird die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Anhaltung in Schubhaft beantragt.

2. Mit Erkenntnis des Oö. Verwaltungssenates vom 20. September 2005, Zl. VwSen-400732, wurde diese Beschwerde abgewiesen.

Begründend wurde dazu ausgeführt, dass nach § 72 Abs. 1 des Fremdengesetzes, BGBl.Nr. I 75/1997 i.d.F. BGBl. Nr. I 151/2004 (im Folgenden: FrG), u.a. derjenige, der unter Berufung auf das FrG angehalten wurde, das Recht hatte, den Unabhängigen Verwaltungssenat mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit dieser Anhaltung anzurufen.

Gemäß § 61 Abs. 1 FrG konnten Fremde u.a. dann in Schubhaft angehalten werden, sofern dies notwendig war, um das Verfahren zur Erlassung einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbotes bzw. die Abschiebung zu sichern. Über Fremde, die sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhielten, durfte eine Schubhaft nur verhängt werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen war, dass sie sich diesem Verfahren entziehen werden. Daraus folgte umgekehrt, dass ein Fremder, der sich nicht rechtmäßig in Österreich aufhielt, auch ohne die in § 61 Abs. 1 zweiter Satz FrG vorgesehene Plausibilitätsprognose in Schubhaft genommen werden konnte.

Nach § 21 Abs. 1 des Asylgesetzes, BGBl.Nr. I 76/1997 i.d.F. BGBl.Nr. I 105/2003 (im Folgenden: AsylG), fand § 61 FrG auf Fremde, die als Asylwerber entweder bis zur Erlassung einer durchsetzbaren Entscheidung einen faktischen Abschiebeschutz genossen oder denen als Asylwerber eine Aufenthaltsberechtigungskarte ausgestellt wurde, keine Anwendung, es sei denn, dass der Asylantrag von einem Fremden gestellt wurde, über den bereits zuvor die Schubhaft verhängt worden und diese im Zeitpunkt der Antragstellung noch aufrecht war.

Im gegenständlichen Fall sei das Asylverfahren mit Bescheid des Bundesasylamtes - Außenstelle Wien vom 9. Dezember 2004 eingestellt worden. Damit habe der Rechtsmittelwerber - der nicht vorgebracht habe, dass er dagegen eine Berufung erhoben hätte (und der gemäß § 32 AsylG auch nicht ex lege aufschiebende Wirkung zugekommen wäre) - seinen Abschiebeschutz gemäß § 19 Abs. 1 AsylG verloren; er habe somit seit diesem Zeitpunkt nicht mehr als Asylwerber i.S.d. § 21 Abs. 1 AsylG gegolten.

Selbst wenn man davon ausgegangen wäre, dass der Beschwerdeführer nicht dazu verpflichtet gewesen sei, dem Bundesasylamt den mit dem Antritt der Strafhaft einhergehenden Wechsel seiner Abgabestelle zu melden, sondern die Asylbehörde diese Änderung von Amts wegen hätte feststellen müssen, hätte insbesondere auch die solcherart veranlasste irrtümliche Annahme, dass eine Abgabestelle nicht bekannt sei, nicht bewirkt, dass deshalb der Einstellungsbescheid mit absoluter Nichtigkeit behaftet gewesen wäre. Vielmehr sei dieser Bescheid infolge des Umstandes, dass er unbekämpft geblieben sei, trotz seiner inhaltlichen Fehlerhaftigkeit in Rechtskraft erwachsen und damit verbindlich geworden.

Im Ergebnis sei sohin eine Verhängung der Schubhaft gemäß § 61 FrG nicht aus den Gründen des § 21 Abs. 1 FrG gehindert gewesen.

Da sich der Rechtsmittelwerber tatsächlich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten habe, habe er sohin von der belangten Behörde nach § 61 Abs. 1 erster Satz FrG zwecks Sicherung aufenthaltsbeendender Maßnahmen in Schubhaft genommen werden können, ohne dass es zusätzlich noch einer negativen Prognoseentscheidung gemäß § 61 Abs. 1 zweiter Satz FrG bedurft hätte, weshalb die Beschwerde gemäß § 67c Abs. 3 FrG als unbegründet abzuweisen gewesen sei.

3. Mit dem ho. am 12. Juni 2008 eingegangenen Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 29. April 2008, Zl. 2005/21/0401-6, wurde das vorangeführte Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründend wurde dazu ausgeführt, dass die Einstellung des Asylverfahrens nicht mit einem bekämpfbaren Bescheid, sondern lediglich im Wege eines Aktenvermerkes zu erfolgen habe. Davon abgesehen sei – in der Folge – mit dem do. Erkenntnis vom 21. November 2006, Zlen. 2005/21/0260 u.a., ausgesprochen worden, dass sich die Schubhaftbehörde mit der Frage, in welchen Zeiträumen dem Fremden die Asylwerbereigenschaft und ein vorläufiges Aufenthaltsrecht zukommen, ohne Bindung an eine unrichtige Einstellung des Asylverfahrens auseinandersetzen muss, sodass nicht a priori von einer uneingeschränkten Anwendung der Schubhaftbestimmungen des FrG ausgegangen werden kann.

An diese Rechtsansicht ist der Oö. Verwaltungssenat gemäß § 63 VwGG gebunden.

4. Davon ausgehend, dass auch der Rechtsmittelwerber selbst nicht vorbringt, dass sein Asylverfahren nach dessen Einstellung wieder fortgesetzt worden wäre oder er neuerlich einen Asylantrag eingebracht hätte, kam ihm sohin zum Zeitpunkt seiner Anhaltung in Schubhaft kein vorläufiges Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet zu.

Es war daher unter den gegebenen Umständen grundsätzlich zulässig, über ihn zur Sicherung der Abschiebung die Schubhaft zu verhängen.

 

4.1. Es bleibt jedoch zu prüfen, ob der damit verfolgte Zweck in gleicher Weise  nicht auch durch die Anordnung von vergleichsweise gelinderen Mitteln hätte erreicht werden können.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat in diesem Zusammenhang wiederholt ausgesprochen, dass eine Schubhaft nur aus den im Gesetz taxativ genannten Gründen verhängt werden (vgl. z.B. VwGH v. 20. Dezember 2007, 2006/21/0359, und v. 24. Oktober 2007, 2006/21/0067) und sich die damit einhergehende Anhaltung – was in jedem Einzelfall gesondert zu prüfen ist – nicht als eine unverhältnismäßige Maßnahme erweisen, sondern nur im Sinne einer ultima-ratio-Maßnahme zum Einsatz gebracht werden darf (vgl. VfGH v. 15. Juni 2007, B 1330/06); d.h., dass die alternative Heranziehung gelinderer Mittel nur dann nicht zum Tragen kommt, wenn das Sicherungsbedürfnis anders nicht erreichbar ist (vgl. VwGH v. 24. Oktober 2007, 2007/21/0370). Diesbezüglich hat der Verwaltungs­gerichtshof zB in seinem Erkenntnis vom 28. Juni 2007, Zl. 2004/21/0003, einer Schubhaftbeschwerde unter Hinweis auf seine mit der dg. Entscheidung vom 22. Juni 2006, Zl. 2006/21/0081, geänderte Recht­sprechung, wonach allein das Vorliegen einer vollstreckbaren aufenthaltsbeenden­den Maßnahme sowie von strafgerichtlichen Verur­teilungen (weil die Inschubhaftnahme nicht der Aufdeckung, Verhinderung oder Sanktionierung von Straftaten dienen darf; vgl. VfSlg 13715/1994 und VwGH v. 22. November 2007, 2006/21/0189) und einer fehlenden Ausreise­willigkeit (insbesondere, solange noch nicht feststeht, ob die Abschiebung zulässig und die Ausreise zu überwachen ist sowie ein konkreter Sicherungsbedarf besteht) für die Tragfähigkeit der Prognose, dass sich der Asylwerber dem weiteren fremden­polizeilichen Verfahren entziehen werde, nicht mehr hinreichen, stattge­geben.

 

Damit geht einher, dass mangels (bislang) anders lautender Rechtsvorschriften allein der Umstand, dass sich ein Fremder rechtsmissbräuchlich verhält (indem er z.B. offensichtlich aussichtslose Asylanträge stellt), diesem nur dann und selbst in jenem Fall nur insoweit anlastbar ist, als dies entsprechend gesetzlich vorgesehen ist. So kann z.B. wegen illegaler Einreise ins Bundesgebiet eine Verwaltungsstrafe verhängt, ein Ausweisungsverfahren eingeleitet, ein Asylantrag mangels Zuständigkeit eines anderen Staates zurückgewiesen, etc. – es vermögen also Einzelmaßnahmen gesetzt werden, die jedoch seitens der Fremdenbehörde stets nur situationsangepasst zum Einsatz gebracht werden können und damit auch keine Gewähr dafür bieten, dass sie (isoliert oder in ihrem Zusammenwirken) das beabsichtigte Ziel auch tatsächlich erreichen; insbesondere darf aber die Schubhaftverhängung nicht als eine "Standardmaßnahme" gegen Asylwerber (vgl. VwGH v. 24. Oktober 2007, 2006/21/0239) oder als eine präventive Vorbereitungshandlung zur erfolgreichen Durchführung der Abschiebung (vgl. VwGH v. 26. September 2007, 2004/21/0150) zum Einsatz gebracht werden.

 

Diese dargestellte – zudem unter der Kautel des Art. 18 Abs. 1 B-VG, wonach die Handlungen der Behörde bei sonst drohendem Grundrechtseingriff stets einer gesetzlichen Grundlage bedürfen, stehende – Rechtslage bedingt zunächst, dass, wie sich aus dem zuvor angesprochenen Entscheidungen der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts ergibt und auch der Beschwerdeführer der Sache nach vorbringt, eine generalisierende Betrachtungsweise von vornherein unzulässig ist. So darf z.B. aus dem Nichtvorhandensein von Bargeld nicht schon unter Zugrundelegung allgemeiner Erfahrungssätze (vgl. nochmals VwGH v. 24. Oktober 2007, 2006/21/0067) a priori darauf geschlossen werden, dass sich der Fremde, würde er in Freiheit belassen, die erforderlichen finanziellen Mittel durch illegale Arbeit beschaffen wird; und aus dem Nichtvorhandensein eines ordnungsgemäßen Wohnsitzes nicht darauf, dass er sich (allein deshalb) dem behördlichen Zugriff entziehen wird; und aus einer Einreise ohne die hiefür erforderlichen Dokumente darauf, dass er eine gegenüber der Rechtsordnung des Aufnahmestaates generell ablehnende oder zumindest gleichgültige Haltung einnimmt; etc.

 

Vielmehr muss die Fremdenbehörde, wenn sie – wie gegenständlich – als eine von mehreren Maßnahmen zur Außerlandesschaffung eines Fremden die Schubhaft anordnet, in jedem Einzelfall das Vorliegen der Voraussetzungen für diese gewählte aufenthaltsbeendende Maßnahme, sodann den aktuellen Sicherungsbedarf und schließlich noch konkret begründen, weshalb keine gelindere, in gleicher Weise zur Zielerreichung geeignete Maßnahme zum Tragen kommen konnte. Dabei sind beispielsweise die Frage einer allfälligen beruflichen Tätigkeit und/oder einer – allenfalls auch wechselnden – Wohnmöglichkeit im Inland (bei Verwandten oder Bekannten) als Aspekte der sozialen Integration des Fremden von Amts wegen zu ermitteln (vgl. VwGH v. 26. September 2007, 2004/21/0150).

 

Im vorliegenden Fall wurde die Verhängung der Schubhaft – worauf bereits zuvor hingewiesen wurde (vgl. oben. 3.2.) – zutreffend auf § 61 FrG gestützt.

 

Ein aktueller Sicherungsbedarf ergab sich für die belangte Behörde insbesondere daraus, dass der Beschwerdeführer offenbar weder eine Unterstützung in finanzieller Hinsicht noch die Möglichkeit einer Unterkunftsnahme erwarten kann – zumindest wurde Derartiges in der Beschwerde nicht einmal andeutungsweise vorgebracht.

 

Zudem wurde der Beschwerdeführer bereits mehrmals wegen eines Verbrechens nach dem Suchtmittelgesetz rechtskräftig verurteilt, wobei er unmittelbar im Anschluss an seine Entlassung aus der wegen der letzten Tat verbüßten Strafhaft in Schubhaft genommen wurde, sodass auch kein Beobachtungszeitraum, in dem ein positives Resozialisierungsverhalten oder wenigstens ein nunmehr grundsätzliches Wohlverhalten im Hinblick auf die öffentliche Ordnung und Sicherheit beobachtbar gewesen wäre, vorliegt.

 

4.2. Unter derartigen Umständen konnte die belangte Behörde daher offenkundig zu Recht davon ausgehen, dass der mit der Schubhaftverhängung beabsichtigte Zweck – nämlich die Vollstreckung des zu erlassenden Aufenthaltsverbotes durch zwangsweise Rückführung des Rechtsmittelwerbers nach N im Wege der Abschiebung – durch die bloße Vorschreibung einer periodischen Meldepflicht bei einem Polizeikommando o.ä. nicht in gleich verlässlicher Weise zu erreichen gewesen wäre.

 

4.3. Insgesamt besehen erweist sich daher die Schubhaftverhängung als rechtmäßig, weshalb die vorliegende Beschwerde gemäß § 83 FPG iVm § 67c Abs. 3 AVG als unbegründet abzuweisen war.

 

5. Obwohl die belangte Behörde bei diesem Verfahrensergebnis als obsiegende Partei anzusehen ist, war eine Kostenentscheidung gemäß § 79a AVG nicht zu treffen, weil dieser in fortgesetzten Verfahren tatsächlich kein Aufwand entstanden ist.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

 

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde  an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

 

Dr.  G r o f

 

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