Linz, 24.06.2008
E r k e n n t n i s
Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung des Herrn A K, geb., L, T, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Schärding vom 5.6.2008, Zl. VerkR21-232-2008, zu Recht:
Der Berufung wird Folge gegeben; der angefochtene Bescheid wird ersatzlos behoben.
Rechtsgrundlagen:
§ 7 Abs.1 Z1 u. Abs.3 Z9 iVm § 24 Abs.1 Z1 Führerscheingesetz – FSG, BGBl. I Nr. 120/1997, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 31/2008;
§ 67d Abs.2 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz – AVG, BGBl. Nr. 51/1991 idF BGBl. I Nr. 5/2008.
Entscheidungsgründe:
1. Die Behörde erster Instanz hat dem Berufungswerber dessen von ihr am 26.4.2007 unter der AZ: 06044008 erteilte Lenkberechtigung für die Klasse B, gerechnet ab Rechtskraft des Bescheides, in der Dauer von drei Monaten entzogen.
Ferner wurde ausgesprochen, der Berufungswerber habe seinen Führerschein nach Rechtskraft dieses Bescheides sofort bei der Bezirkshauptmannschaft Schärding oder bei seiner zuständigen Polizeiinspektion abzuliefern.
Zudem wurde ihm das Recht aberkannt, allenfalls von einem ausländischen Führerschein während der Dauer der Entziehung seiner Lenkberechtigung in Österreich Gebrauch zu machen. Gestützt wurde die Entscheidung auf die §§ 7, 24, 29, 30 FSG 1997 i.d.g.F.
1.1. Begründend führte die Behörde erster Instanz aus:
2. Dagegen wendet sich der Berufungswerber mit seiner fristgerecht erhobenen, fälschlich jedoch als Einspruch bezeichneten Berufung. Darin vermeint er, seit diesem Vorfall im Dezember mit dem Auto ohne jeglichen Zwischenfall, nämlich keinerlei Gefährdung oder Verletzungen anderer Straßenbenützer gefahren zu sein. Seinen Fehler habe er bereut, habe sich beim Opfer entschuldigt und habe dafür 7.000 Euro bezahlt. Dies müsse nun langsam reichen. Seit einigen Monaten habe er ein kleines Baugewerbe eröffnet, wobei er wöchentlich 500 bis 2.000 km österreichweit fahren müsse. Dieser Entzug hätte daher auch die Zerstörung seiner wirtschaftlichen Existenz zur Folge.
3. Der Verfahrensakt wurde dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vorgelegt. Dieser hat demnach durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden (§ 67a Abs.1 Z2 AVG). Die Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung konnte hier unterbleiben (§ 67d Abs.1 u. 4 AVG).
Dem Verfahrensakt angeschlossen findet sich die Anzeige gegen den Berufungswerber von der PI Raab sowie das darauf gestützte Gerichtsurteil des LG Ried und Auszüge aus diversen Vormerkregistern.
3.1. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den erstinstanzlichen Verfahrensakt. Daraus ergibt sich unstrittig die für die Berufungsentscheidung wesentliche Faktenlage.
4. Zur Sache:
Hier kann in Vermeidung von Wiederholungen grundsätzlich auf den o.a. von der Behörde erster Instanz vollumfänglich wiedergegebenen Sachverhalt verwiesen werden.
Dem ist allenfalls noch hinzuzufügen, dass der Berufungswerber die zur Verurteilung führende Körperverletzung in keiner wie immer gearteten Form in Zusammenhang mit dem Lenken eines Kraftfahrzeuges begangen hat. Vielmehr habe es sich um eine Verwechslung jener Person gehandelt, welche ihrerseits ein dem Berufungswerber offenbar zu seiner Tat motivierendes Fehlverhalten gesetzt haben soll. Der Berufungswerber bereute seine Tat bereits im Rahmen seiner Einvernahme vor der Polizei am 7.1.2008. Auch im Urteil des Landesgerichtes Ried vom 10.4.2008, Zl. 23 Hv 26/08s, wurde das Geständnis strafmildernd, straferschwerend jedoch eine einschlägige Vorverurteilung gewertet. Dass es letztlich im Straßenverkehr grundsätzlich zu Konflikten kommen kann, lässt nicht den zwingenden Schluss zu, dass dies beim Berufungswerber in einem solchen Umfang zutreffen würde, ihn nunmehr für drei Monate von der Lenkereigenschaft ausschließen zu müssen.
5. Rechtlich hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:
5.1. Zur Verkehrszuverlässigkeit nach § 7 Abs.1 u. Abs.3 Z9 FSG:
Als verkehrszuverlässig gilt eine Person, wenn nicht auf Grund erwiesener bestimmter Tatsachen (Abs.3) und ihrer Wertung (Abs.4) angenommen werden muss, dass sie wegen ihrer Sinnesart beim Lenken von Kraftfahrzeugen
1. die Verkehrssicherheit insbesondere durch rücksichtsloses Verhalten im Straßenverkehr oder durch Trunkenheit oder einen durch Suchtmittel oder durch Medikamente beeinträchtigten Zustand gefährden wird, oder
2. sich wegen der erleichternden Umstände, die beim Lenken von Kraftfahrzeugen gegeben sind, sonstiger schwerer strafbarer Handlungen schuldig machen wird.
Als bestimmte Tatsache im Sinn des Abs.1 hat gemäß Abs.3 insbesondere zu gelten, wenn jemand:
.......
9. eine strafbare Handlung gegen Leib und Leben gemäß den §§ 75, 76, 84 bis 87 StGB oder wiederholt gemäß dem § 83 StGB begangen hat;
Der § 7 Abs.4 FSG lautet: Für die Wertung der in Abs.3 beispielsweise angeführten Tatsachen sind deren Verwerflichkeit, die Gefährlichkeit der Verhältnisse, unter denen sie begangen wurden, die seither verstrichene Zeit und das Verhalten während dieser Zeit maßgebend.
Als verfehlt erachtet es die Judikatur, ein Betroffener werde sich wegen der erleichternden Umstände, die beim Lenken von Kraftfahrzeugen gegeben sind, sonstiger schwerer strafbarer Handlungen schuldig machen (§ 7 Abs.1 Z2 FSG), wenn etwa die in § 7 Abs.3 Z10 FSG genannten strafbaren Handlungen ausschließlich dem § 7 Abs.1 Z1 FSG zuzuordnen sind (vgl. VwGH 13.12.2005, 2004/11/0081 mit Hinweis auf VwGH vom 25.11.2003, Zl. 2003/11/0240, mwH). Hier können nicht wirklich Anhaltspunkte dafür gefunden werden, dass beim Berufungswerber nun noch wenigstens eine weitere drei Monate andauernde Verkehrsunzuverlässigkeit (§ 25 Abs.3 erster Satz FSG) mehr gegeben wäre.
5.2. Der Verwaltungsgerichtshof hat sich mit der Beurteilung der Dauer der Verkehrsunzuverlässigkeit von Personen, die vergleichbare strafbare Handlungen gegen Leib und Leben begangen hatten, vielfach beschäftigt. Etwa in seinem Erkenntnis vom 30.6.1992, Zl. 91/11/0124, das eine Person betraf, die eine absichtliche schwere Körperverletzung (Schuss gegen die Schulterregion eines Dritten) begangen hatte und nach §§ 83 Abs.1 und 84 Abs.1 StGB bestraft worden war. Schon in diesem Fall hielt der Verwaltungsgerichtshof die Annahme einer Verkehrsunzuverlässigkeit für die Dauer von insgesamt 15 Monaten für verfehlt.
In seinem Erkenntnis vom 28.6.2001, Zl. 2001/11/0114, das schließlich wieder eine Person betraf, die einem Dritten durch mehrere Faustschläge gegen den Kopf und den Oberkörper eine schwere Verletzung zugefügt hatte und wegen des Vergehens der schweren Körperverletzung gemäß §§ 83 Abs.1 und 84 Abs.1 StGB, darüber hinaus aber des Verbrechens der versuchten schweren Nötigung nach §§ 15, 105 Abs.1 und 106 Abs.1 Z1 StGB verurteilt worden war, wobei die verhängte Freiheitsstrafe bedingt nachgesehen wurde, hielt der Verwaltungsgerichtshof die Annahme einer Verkehrsunzuverlässigkeit für eine Dauer von 18 Monaten für verfehlt. Der Verwaltungsgerichtshof bezog sich dabei ua. auf die bisherige Unbescholtenheit des Betreffenden.
In seinem Erkenntnis vom 23.4.2002, Zl. 2001/11/0346, das eine Person betraf, die als Beteiligter nach § 12 zweiter Fall StGB wegen des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs.1 StGB und darüber hinaus der Vergehen der Freiheitsentziehung nach § 99 Abs.1 StGB, der Körperverletzung nach § 83 Abs.1 StGB, der Nötigung nach § 105 Abs.1 für schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe von 20 Monaten, davon 14 Monate bedingt nachgesehen, verurteilt worden war (der Betreffende hatte vier Mittäter dazu bestimmt, dass diese einem Dritten durch Schläge mit einer Metallrute und mit Holzknüppeln näher umschriebene schwere Verletzungen zugefügt hatten), erachtete der Verwaltungsgerichtshof u.a. im Hinblick auf mangelnde Vorstrafen und mangelnde frühere Entziehungen der Lenkberechtigung des Betreffenden die Annahme einer Verkehrsunzuverlässigkeit für mehr als 25 Monate als verfehlt und gab zu erkennen, dass die Behörde von einer Dauer der Verkehrsunzuverlässigkeit von weniger als 18 Monaten hätte ausgehen müssen.
Im Erkenntnis vom 25.11.2003, Zl. 2003/11/0240, das eine Person betraf, der neben dem Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 205 Abs.1 und nach § 206 Abs.1 StGB überdies zwei Vergehen der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs.1 und 84 Abs.1 StGB (eine davon eine an sich schwere Verletzung herbeiführend) zur Last fielen und die zwei Verurteilungen, eine zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe in der Dauer von 15 Monaten und eine zu einer bedingt nachgesehenen Geldstrafe, erlitten hatte, hielt der Verwaltungsgerichtshof die von der Behörde vertretene Annahme einer Dauer der Verkehrsunzuverlässigkeit für mehr als 16 Monate für verfehlt.
5.2.1. Vor dem Hintergrund dieser einschlägigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann in diesem Berufungsvorfall jedenfalls eine sich im Ergebnis auf präsumtiv 9 Monate hinauslaufende Verkehrsunzuverlässigkeit ebenfalls nicht als sach- u. rechtskonform erachten lassen. Die auf eine auf drei Faustschläge hinauslaufende strafbare Handlung lässt diese Annahme vor dem Hintergrund der "Ratio" der zitierten Judikatur nicht zu (VwGH 14.9.2004, 2004/11/0119).
Die u.a. wegen eines Fahrlässigkeitsdeliktes erfolgte Beurteilung in Passau aus dem Jahr 2003 ist in diesem Zusammenhang überhaupt unbeachtlich. Ebenso die sonst begangenen Ordnungswidrigkeiten.
5.3. Zuletzt erachtete das Strafgericht die Einsichtigkeit des Berufungswerbers als strafmildernd. Es verhängte nur eine Geldstrafe von 150 Tagessätzen und keine Freiheitsstrafe. Ferner geschah hier die Tat in keinem wie immer gearteten Zusammenhang mit dem Lenken von Kraftfahrzeugen. Sie lässt ferner keinen Schluss zu, dass diese in der Person des Opfers auf irriger Annahme begangene Tathandlung je zu verkehrsgefährdendem Fahrverhalten führen könnte.
Im Ergebnis liefe hier der Entzug der Lenkberechtigung in seiner Wirkung nur mehr ausschließlich auf eine Zusatzstrafe hinaus, welche dem Führerscheinrecht jedoch gänzlich fremd ist.
Mit dem Hinweis auf den von der Behörde erster Instanz übermittelten Fachbeitrag und die darin zitierte Judikatur war demnach nichts zu gewinnen.
Diesem Entzug könnte daher letztlich kein Sicherungscharakter anderer Verkehrsteilnehmer von einer verkehrsunzuverlässigen Person noch ein Erziehungscharakter dieser Person im Sinne der Verkehrssicherheit zugedacht werden (s. VwGH 24.6.2003, 2003/11/0141 mwN). Vielmehr liefe dieser, vor dem Hintergrund der zwischenzeitig verstrichenen Zeit, – wie bereits erwähnt – auf eine reine Zusatz- oder Nebenstrafe hinaus bzw. könnte vom Berufungswerber nur mehr als solche empfunden werden.
Zu Recht wurde in diesem Fall der Berufung die aufschiebende Wirkung nicht aberkannt.
Der ausgesprochene Entzug war aber als rechtswidrig zu beheben.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.
Hinweise:
1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 [ab 1. Juli 2008: 220] Euro zu entrichten.
2. Im gegenständlichen Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 13,20 Euro angefallen.
Dr. B l e i e r