Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-710002/2/BP/Se

Linz, 24.06.2008

 

E r k e n n t n i s

 

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mit­glied Mag. Dr. Bernhard Pree über die Berufung der I N, E, gegen den Bescheid des Bezirks­hauptmanns des Bezirks Schärding vom 20. Mai 2008, GZ.: Pol01-24-2008, in dem gegen Frau N das Verbot der Haltung bzw. Verwahrung von Rindern ab 1. September 2008 auf unbestimmte Zeit, nach dem Tierschutzgesetz ausgesprochen wurde, zu Recht erkannt:

 

 

Der Berufung wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben.  

 

Rechtsgrundlagen:

zu I: §§ 66 Abs. 4 und 67a ff Allgemeines Verwal­tungsverfahrens­gesetz 1991 – AVG;

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1.1. Mit Bescheid des Bezirkshauptmanns des Bezirks Schärding vom 20. Mai 2008, GZ.: Pol01-24-2008, wurde der Berufungswerberin (im Folgenden: Bw) die Haltung bzw. Verwahrung von Rindern ab 1. September 2008 auf unbestimmte Zeit verboten. Weiters wurde angeordnet, dass die im Anwesen der Bw gehaltenen Rinder bis zu diesem Zeitpunkt abzugeben seien. Als Rechtsgrundlage wird § 39 Abs.1 Tierschutzgesetz (TSchG), BGBl I Nr. 118/2004 genannt.

 

Begründend führt die belangte Behörde zunächst zum Sachverhalt aus, dass die Bw erstmalig mit Straferkenntnis der belangten Behörde vom 14. Mai 2007, Zl. Pol96-30-2006-Egk, wegen Übertretung des § 5 Abs.1 iVm § 38 Abs.1 Z1 TSchG rechtskräftig bestraft worden sei. Im Zuge dieses Verfahrens sei ein Gutachten betreffend Feststellungen über die Bodenbeschaffenheit, die Erfordernisse von Freilandhaltung von Rindern und die Beurteilung über die Auswirkungen der Gegebenheiten auf die Rinder hinsichtlich Leiden und Schmerzen eingeholt worden. Die dagegen erhobene Berufung sei vom Oö. Verwaltungssenat mit Erkenntnis vom 2. Oktober 2007 als unbegründet abgewiesen worden. Demgemäß habe die Bw mehrere negative Faktoren ignoriert und ihren Rindern Leiden zugefügt, ohne entsprechende Maßnahmen wie etwa ein regelmäßiges Versetzen der Futterraufen auf verschiedene Futterplätze, eine Befestigung der Bodenflächen bzw. eine Kombination dieser Maßnahmen, eine Verringerung der Besatzdichte, Isolationsmöglichkeiten für kranke erwachsene Rinder oder die Bereitstellung von überdachten trockenen und eingestreuten Liegeflächen mit Windschutz zu setzen.

 

In weiterer Folge sei die Bw mit Straferkenntnis der belangten Behörde vom 14. November 2007, Pol96-29-2007-Hk, wiederum wegen Tierquälerei bestraft worden. Der dagegen erhobenen Berufung sei lediglich hinsichtlich der Strafhöhe vom Oö. Verwaltungssenat im Erkenntnis VwSen-300813 vom 20. Dezember 2007 statt gegeben worden. Im Zuge dieses Verfahrens sei seitens der erkennenden Behörde am 6. März 2007 ein Lokalaugenschein durchgeführt worden. Am 13. Dezember 2008 (gemeint wohl: 2007) sei seitens des Amtstierarztes des Bezirks Grieskirchen im Betrieb der Bw eine Kontrolle der Lebensmittel- und Futtermittelsicherheit durchgeführt worden. Dabei sei festgestellt worden, dass nicht für jedes Tier eine überdachte, trockene und eingestreute Liegefläche mit Windschutz in einem Ausmaß zur Verfügung gestanden habe, die allen Tieren ein gleichzeitiges ungestörtes Liegen ermöglicht (Anlage 2 der Tierhaltungsverordnung, BGBl II Nr. 485/2004 vom 17. Dezember 2004). Darüber hinaus seien die sehr jungen bzw. kleinen Kälber aufgrund der vorgefundenen Bodenverhältnisse schwer beeinträchtigt gewesen. Diese Bodenverhältnisse seien aber selbst für erwachsene Jungrinder bzw. erwachsene Rinder während der kalten Jahreszeit gefährlich. Durch eine zeitlich begrenzte bzw. einen gezielten Einsatz eines Deckstieres hätten Abkalbungen in der unwirtschaftlichsten Jahreszeit verhindert werden können. Zur Frage betreffend der Mitverantwortlichkeit der Behörde am Anwachsen der Rinderherde sei angemerkt worden, dass es der Bw unbenommen sei, über ein entsprechendes Management, beispielsweise eine Trennung der deckfähigen männlichen Rinder von den belegfähigen weiblichen Rindern für eine größenmäßige Stabilisierung der Herde sorgen zu können. Zusammenfassend sei daher das Verhalten der Bw als Übertretung des § 5 Abs.2 Z10 TSchG zu werten.

 

Am 10. März 2008 sei vom selben Amtstierarzt ein Sektionsbefund des Oö. Tiergesundheitsdienstes von einem auf dem Betrieb der Bw verendeten weiblichen Jungrind übermittelt worden. Laut pathomorphologischem Ergebnis sei dessen Ernährungszustand schlecht bis kechektisch. Das Tier habe über kein Depotfett mehr verfügt, an einer Lungen- und Nierenentzündung gelitten und sei durch mehrere Niederrindinfarkte beeinträchtigt gewesen.

 

Unter Anführung der einschlägigen Rechtsgrundlagen weist die belangte Behörde darauf hin, dass im Sinne des TSchG bei den gegebenen Fällen um gröbliche Vernachlässigung der Tierhaltung bei der Unterbringung, Ernährung und Betreuung der Tiere gehandelt habe. Es lägen nunmehr zwei rechtskräftige Entscheidungen betreffend die Übertretung des § 5 Abs.1 TSchG vor. Da die bisherigen Strafmaßnahmen keine Wirkungen gezeigt hätten bzw. nicht ausgereicht hätten, um die Bw – als Tierhalterin – von weiteren Übertretungen nach dem TSchG abzuhalten, sehe sich die belangte Behörde veranlasst ein Tierhaltungsverbot auszusprechen. Aufgrund der den Übertretungen zugrundeliegenden Sinnesart und unter Berücksichtigung des bisherigen Verhaltens der Bw sei die Dauer und der Umfang des Tierhalteverbotes auf unbestimmte Zeit festgelegt worden. Eine Androhung bzw. Befristung des Tierhalteverbotes würde im vorliegenden Fall sicherlich nicht ausreichen, um eine Besserung in der Tierhaltung herbei zu führen. Vielmehr scheine es im Hinblick auf die bereits oben geschilderten groben Verletzungen des TSchG im Interesse des Tierschutzes dringend erforderlich, entsprechende Maßnahmen in Form eines Verbotes der Tierhaltung zu setzen, um weitere Verfehlungen nach dem TSchG zu unterbinden.

 

1.2. Gegen diesen Bescheid, der der Bw am 26. Mai 2008 zugestellt wurde, richtet sich eine rechtzeitig eingebrachte Berufung vom 9. Juni 2008. Zunächst führt die Bw darin aus, dass die in Rede stehenden Schottischen Hochlandrinder als Fleischrinderrasse, eine ganz andere artgerechte Haltung als die im Bezirk Schärding fast ausschließlich vorkommenden Milchrassen aufweisen würden. Bei Betrieben mit einer Größenordnung von ca. 60 Rindern, sei in Abstand von einigen Jahren bei Anbindehaltung in Ställen verstärkt mit Unfällen zu rechnen. Ganz anders seien die Rinder der Bw, die auf jeden noch so steilen Hügel klettern würden, was man als Halter auch nicht verhindern könne. Im Betrieb der Bw habe es jedoch noch keinen einzigen Beinbruch, ja nicht einmal eine Bänderverletzung, bei Rindern gegeben.

 

Die Bw habe sich ausreichend über diese spezielle Rinderrasse informiert. Schottische Hochlandrinder seien ein Leben in Freilandhaltung gewöhnt und könnten nur in einer sehr kleinen Herde (bis max. 10 Rinder) so dressiert, dass diese in Ställe gehen würden. Vor Ankauf der ersten Rinder habe die Bw einen Unterstand bauen lassen – entgegen der Empfehlung des Züchters –, jedoch hätten die Rinder dieses Angebot nicht angenommen und den Unterstand mit ihren Hörnern von außen bearbeitet und zerlegt. Die direkt aus Schottland stammenden Tiere hätten nach dem Import in die BRD in einer Herde mit ca. 40 anderen Rindern auf dem Freiland im Bayrischen Wald gelebt, wo im Winter extreme Schneeverhältnisse und auch wesentlich tiefere Temperaturen bestünden. Daraus resultiere auch deren Verhalten, das die Bw in den letzten 13 Jahren habe beobachten können.

 

In den ersten Jahren habe die Bw im Spätherbst sogenannte Strohbetten, meist so groß, dass jedem Rind ca. 5 m² Strohfläche (mit ca. 30 cm dicker Auflage) zur Verfügung gestanden habe, errichtet. Daraus habe großflächiger Haarkleidausfall und teilweise offene Stellen resultiert. Durch die Behandlung des Tierarztes Dr. P unter dem Hinweis, dass Ungeziefer, welches die Wärme suche, der Auslöser dieser Haarausfälle sei bekämen die Rinder die Strohbetten erst, sobald der Boden gefroren sei und die Außentemperatur unter ca. minus 5°C falle. Seit ca. acht Jahren gäbe es als Folge daraus keine Fellerkrankungen mehr.

 

Bei Schottischen Hochlandrindern sei wegen der hohen Temperaturen in heimischen Breiten die kritische Zeit der Sommer, wo sie dringend Abkühlung benötigen würden. Eine von der Bw Anfang 2000 installierte "Rinderdusche" auf der nordöstlichen Weide sei von den Rindern nicht mehr genutzt worden, als sie im Bereich der von einer Waldquelle gespeisten Tränke Abflussrohre zerlegten und in das angrenzende Waldstück einen Graben gegraben hätten, sodass der Boden enorm aufgeweicht worden sei. An der Schaffung dieser Morastfläche hätten sich alle Tiere beteiligt. Bei einer Temperatur ab 23-25°C begäbe sich die ganze Herde samt Jungtieren dort hin, wo sie so tief wie möglich im Morast stehen würde, obwohl es noch zahlreiche andere natürlich beschattete Plätze gäbe. Diese würden jedoch nur bei niedrigen Temperaturen aufgesucht. Die von den Tieren geschaffene Morastfläche betrage ca. 150m².

 

Die Bw gibt weiters an keinesfalls Anordnungen der zuständigen Behörde zu ignorieren; es gäbe keine einzige bescheidmäßige Anordnung oder Auflage, lediglich Strafbescheide wegen Verwaltungsübertretungen. Tatsache sei, dass seit dem Jahr 2000 die Amtstierärztin regelmäßig zu Kontrollen der Tiere an den Hof gekommen sei und überdies auch mehrmals Blutabnahmen durchgeführt habe. Die Befestigung der Futterplätze sei damals noch wesentlich kleiner gewesen und erst 2007 nach den Vorschlägen von Amtstierarzt Dr. G vergrößert worden. Ebenso seien nach Zustellung der ersten Straferkenntnisse in Abstimmung mit Dr. G Zugangswege gebaut worden, die im heurigen Jahr noch ausgeweitet werden sollen, damit gewährleistet sei, dass mehrere Rinder gleichzeitig zum Futterplatz gehen könnten. Die Aufenthaltsfläche neben der Futterstelle sei vervielfacht worden. Die Möglichkeit des Umstellens der Futterraufen sei auch von Amtstierarzt Dr. G nicht als zielführend empfunden worden. Bisher habe die Bw die mündlichen Anregungen Dr. Gs befolgt. Die belangte Behörde sei gehalten eventuell erforderliche Verbesserungsmaßnahmen zu verfügen und das vorzuschreiben, was sie für angebracht halte. Dies sei jedoch bislang nicht geschehen. Ein weiteres Straferkenntnis der belangten Behörde sie vom Oö. Verwaltungssenat mit Erkenntnis VwSen-300826/2/BP/TD aufgehoben worden. Es habe offensichtlich von 2000 bis 2006 trotz gleichgelagerter Umstände keinen Anlass für Beanstandungen gegeben, weshalb die Bw die Vorgehensweise der belangten Behörde und der Amtstierärztin Mag. S stark in Zweifel zieht.

 

Der im bekämpften Bescheid angeführte Sektionsbericht des Oö. TGD sei auf Veranlassung der Bw und auf Anraten ihres betreuenden Tierarztes Dr. P durchgeführt worden; dies deshalb, da auch der Amtstierarzt Dr. G keine Erklärung gehabt habe, warum das einzelne Rind so abgemagert gewesen sei, wo die anderen Rinder wirklich prächtig genährt gewesen seien. Dr. P habe sofort eine Nierenerkrankung diagnostiziert, aber erklärt bei dieser freilebenden Rasse sei die Behandlung äußerst schwierig bis unmöglich. Es habe abgeklärt werden sollen, ob eine seuchenrelevante Erkrankung vorgelegen sei. Dr. P kenne aufgrund regelmäßiger Beschauung den Rinderbestand der Bw am besten, weshalb sie dessen Zeugenaussage zum guten Ernährungszustand der Herde und deren artgerechte Haltung zum Beweis anführt.

 

Die Bw weist auf eine Passage des Erkenntnisses VwSen-300813/2/BP/Se vom 20. Dezember 2007 hin, indem das Strafausmaß vom Oö. Verwaltungssenat von 800 Euro auf 350 Euro herabgesetzt worden sei. In der Begründung dieses Erkenntnisses sei zu lesen, dass die Bw noch gar nicht Kenntnis von dem erstinstanzlichen Bescheid haben konnte. Diese Begründung sei von der belangten Behörde im nunmehr bekämpften Bescheid ignoriert worden. Auch das Verhalten der Bw sei im Erkenntnis des Oö. Verwaltungssenats völlig anders bewertet worden, als dies die belangte Behörde nun tue.

 

Die Bw habe vielfach bewiesen auf Anregungen der Behörde zu reagieren und wolle dies auch im Fall von rechtskräftig verfügten Auflagen tun. Sie betont, dass sie weiterhin die Maßnahmen, welche sie mit Herrn Dr. G vereinbart habe, bereits umsetzen und weiterhin verfolgen werde. Die Herde sei im heurigen Jahr bereits um mehr als 10 GVE reduziert worden. Bis Jahresende sollen demnach noch 5-8 GVE abgebaut, im Jahr 2009 nochmals 10-15 Großrinder geschlachtet werden. Die Reduzierung heuer bedeute eine Verringerung der Herde um 1/3. Auf diesem Wege solle bis Ende 2013 die gesamte Herde abgebaut werden. Auch zahlreiche bauliche Maßnahmen stünden noch am Programm, wie mit Dr. G besprochen. Abschließend stellt die Bw den Antrag ihrer Berufung statt zu geben und den Bescheid aufzuheben sowie das Verfahren einzustellen.

 

 

2. Die belangte Behörde hat die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsakt mit Schreiben vom 10. Juni 2008 zur Berufungsentscheidung vorgelegt.

 

2.1. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde sowie das dort angesprochene Gutachten der Abteilung Veterinärdienst des Amtes der Oö. Landesregierung sowie in die hier aufliegenden Entscheidungen VwSen-300813 und VwSen-300786. Gemäß § 67d Abs.2 Z1 AVG kann eine mündliche Verhandlung entfallen, wenn der verfahrenseinleitende Antrag der Partei oder die Berufung zurückzuweisen ist oder bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der mit Berufung angefochtene Bescheid aufzuheben ist, was im vorliegenden Fall der Fall ist.

 

2.2. Der entscheidungswesentliche Sachverhalt ergibt sich zweifelsfrei aus der Aktenlage und entspricht den Darstellungen unter Punkt 1. dieses Erkenntnisses.

 

 

3. In der Sache selbst hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

3.1. Gemäß § 39 Abs. 1 Tierschutzgesetz (TSchG), BGBl I Nr. 118/2004 idgF, kann die Behörde einer Person, die von der Verwaltungsbehörde wegen Verstoßes gegen die §§ 5, 6, 7 oder 8 leg.cit. mehr als einmal rechtskräftig bestraft wurde, die Haltung von Tieren aller oder bestimmter Arten für einen bestimmten Zeitraum oder auf Dauer verbieten, soweit dies mit Rücksicht auf das bisherige Verhalten der betreffenden Person erforderlich ist, damit ein Verstoß gegen die §§ 5, 6, 7 oder 8 leg.cit. in Zukunft voraussichtlich verhindert wird.

 

Nach Abs.2 dieser Bestimmung kann die Behörde ein solches Verbot lediglich androhen, wenn dies voraussichtlich ausreicht, um die betreffende Person in Zukunft von einem Verstoß gegen die §§ 5, 6, 7, oder 8 abzuhalten.

 

3.2. Im vorliegenden Fall steht zunächst außer Zweifel, dass gegen die Bw bereits zweimal und somit mehr als einmal im Sinn des § 39 Abs.1 TSchG rechtskräftige Verwaltungsstrafen verhängt wurden. Es handelte sich in beiden – auch beim Oö. Verwaltungssenat anhängig gewesenen – Fällen um Übertretungen des § 5 TSchG. Wenn die Bw in der Berufung vorbringt, dass sie – falls damals schon informiert über die nunmehrigen Konsequenzen – weitere rechtliche Schritte gegen diese beiden Strafen ergriffen hätte, muss festgestellt werden, dass dies für die Beurteilung der aktuellen Rechtsfrage nicht weiter von Bedeutung ist, da die Tatsache der zwei rechtskräftigen Verwaltungsstrafen unangefochten besteht.

 

3.3. Aus der "Kann-Bestimmung" des § 39 Abs. 1 ist ersichtlich, dass der Behörde ein Ermessensspielraum eingeräumt wird die Maßnahme zu setzen, soweit dies mit Rücksicht auf das bisherige Verhalten der betreffenden Person erforderlich ist, damit ein Verstoß gegen die §§ 5, 6, 7, oder 8 leg.cit. in Zukunft voraussichtlich verhindert wird.

 

Bei diesem Ermessen hat die Behörde insbesondere, da es sich um einen massiven Eingriff in verfassungsmäßig gewährleistete Grundrechte (z.B. Eigentum, Erwerbsfreiheit) handelt das Prinzip der Verhältnismäßigkeit bei ihrer Entscheidung zu berücksichtigen und zu erwägen, ob nicht gelindere Mittel als das Verbot der Tierhaltung zunächst heranzuziehen sind. Zu diesem Schluss kommt man alleine deshalb schon, da der Gesetzgeber, wenn er das Vorliegen der Tatbestandselemente: zwei rechtskräftig festgestellte Verwaltungs­über­tretungen, Erforderlichkeit unter Berücksichtigung des bisherigen Verhaltens des Tierhalters im Hinblick auf die zukünftige Vermeidung von Verstößen, jedenfalls mit dem Eintritt der Rechtsfolge verknüpfen hätte wollen, auch die dafür vorgesehene obligatorische Form einer "Hat-Bestimmung" gewählt haben würde.

 

In diesem Sinn geht der Gesetzgeber aber davon aus, dass es Fälle gibt, wonach zwar die Tatbestandselemente des § 39 Abs. 1 TSchG als erfüllt anzusehen sind, dennoch aber die Verhängung der Rechtsfolge zu unterbleiben hat. Demnach ist die Besonderheit des Einzelfalles ausschlaggebend für die Beurteilung der Ausschöpfung des Ermessens.

 

3.4. Zunächst ist das bisherige Verhalten der Bw näher zu beleuchten. Denn aus Sicht des erkennenden Mitglieds des Oö. Verwaltungssenates spielt bei der Beurteilung durchaus eine Rolle, inwieweit die Gesinnung der betreffenden Person zur Vermeidung von nachteiligen Folgen und die Kooperationsbereitschaft vorliegen.

 

Dazu kann festgestellt werden, dass aus den bisherigen beim Oö. Verwaltungssenat anhängigen Verwaltungsstrafverfahren keinesfalls der Eindruck entstanden ist, dass die Bw bewusst oder aus ihrer Sicht fahrlässig die Haltung ihrer Tiere nachträglich gestaltet. Es gibt allerdings wesentliche Auffassungsunterschiede zwischen ihr und den der belangten Behörde zur Verfügung stehenden Amtstierärzten, deren Erwägungsgrundlage vor allem die Beachtung der einschlägigen Normen für die Freilandhaltung ist, hinsichtlich der artgerechten Haltung von Schottischen Hochlandrindern und dem für diese erforderlichen "natürlichen" Lebensraum. Ebensolche Meinungsunterschiede bestehen hinsichtlich der Frage inwieweit vom Tierhalter in offensichtlich bestehende Gewohnheiten (z.B. Graben von Brunftgräben, Vorliebe für morastigen Boden usw.) der in Rede stehenden Rinderrasse eingegriffen werden soll, um ein Schutzausmaß für alle Tiere gleichermaßen zu erreichen, das wohl im natürlichen Herkunftslebensraum der Schottischen Hochlandrinder nicht in der gesetzlich geforderten Form bestehen würde.

 

Gestützt auf letztere Überlegung vermeint die Bw, was sie mehrfach und glaubwürdig dokumentiert hat, dass sie durch Bereitstellen eines der schottischen Herkunftsregion der Tiere möglichst angepassten Lebensraums sowie unter Vermeidung menschlicher Eingriffe in diesen, den Bedürfnissen der Rinder entgegenkommt; sie geht gleichsam davon aus, dass die Tiere möglichst "naturnah" und autonom zu halten seien; dies allerdings mit der Konsequenz, dass manche – einzelne Tiere hinsichtlich Vermeidung von Leiden besserstellende – Maßnahmen nicht getroffen werden. Hierin aber liegt der Konfliktbereich mit den Vorgaben des Tierschutzgesetzes und der 1. Tierhalteverordnung, der zu den schon mehrfach erwähnten verwaltungsstrafrechtlichen Ahndungen geführt hat.

 

Weiters ist anzuführen, dass die Bw auf das Erkenntnis des Oö. Verwaltungssenates vom Oktober 2007 VwSen-300787, wie von ihr behauptet, reagierte, indem sie die befestigten Flächen rund um die Futtertraufen erweiterte. Dies wird im Übrigen auch im Gutachten des Amtstierarztes Dr. G anlässlich der Kontrolle am 13. Dezember 2007 bestätigt.

 

Dazu führt die Bw noch aus, dass eine Verringerung des Tierbestands um heuer schon 10 Einheiten stattgefunden habe und auch noch weiter fortgesetzt werden soll. Diese Maßnahme entspricht einem Verbesserungsvorschlag eines anlässlich des oa. Strafverfahrens vom Oö. Verwaltungssenat in Auftrag gegebenen Gutachtens des Landesveterinärdienstes. Daraus kann abgeleitet werden, dass die Bw sehr wohl – wie von ihr auch vorgebracht – Vorschläge zur Verbesserung der Situation auch von amtlicher Seite akzeptiert und nicht generell ignoriert.

 

In dem Gutachten anlässlich der Überprüfung der Tierhaltung am 13. Dezember 2007 wird der Ernährungszustand der Herde überwiegend mit gut und nur teilweise mit mittel- und mindergut beschrieben. Dennoch kommt das Gutachten zu dem Schluss, dass noch immer eine Übertretung des § 5 Abs. 2 Z.10 TSchG vorliege; dies auch insbesondere, weil nach der 1. Tierschutzverordnung erforderliche überdachte Liegeplätze fehlen würden.

 

Die Tatsache, dass eine Kuh offensichtlich an einem Nierenleiden verstarb, diese dabei stark abgemagert war, lässt aus Sicht des erkennenden Mitglieds des Oö. Verwaltungssenates nicht zwingend den Schluss zu, dass die Erkrankung Folge einer Unterernährung gewesen sei, da genauso gut die verringerte Futteraufnahme Folge der Erkrankung sein konnte. Allerdings wird anhand dieses Falles sichtbar, dass die ebenfalls im Erkenntnis VwSen-300787 eingeforderte Isolationsmöglichkeit für kranke Tiere nicht geschaffen wurde, was aus hiesiger Sicht – auch beim von der Bw relevierten Bemühen um art- und naturgerechte Haltung – unverständlich bleibt.

 

Mit dem von der belangten Behörde gewählten Verbot der Tierhaltung können zweifellos Missstände wie eben beschrieben ein für allemal ausgeschlossen werden. Im Hinblick auf die Verhältnismäßigkeit dieser Maßnahme stellt sich jedoch die Frage, ob dieses Ziel nicht auch anders erreicht werden könnte.

 

3.5. Zunächst bietet sich hier § 35 Abs. 6 TSchG an, wonach bei festgestellten Mängeln die Behörde dem Tierhalter Änderungen der Haltungsform oder der Anlagen, in denen die Tiere gehalten werden, oder sonstige Maßnahmen vorzuschreiben hat, mit denen innerhalb einer angemessenen Frist eine den Zielen und sonstigen Bestimmungen dieses Bundesgesetzes entsprechende Haltung erreicht werden kann.

 

Aus dem Akt der belangten Behörde geht jedoch nicht hervor, dass sie der Bw diesbezügliche konkrete Maßnahmen – insbesondere unter Fristsetzung aufgetragen hat. Dieser Umstand wird auch von der belangten Behörde nicht in Abrede gestellt und ist bei der Beurteilung der Verhältnismäßigkeit im konkreten Fall nicht außer Acht zu lassen.

 

Zuletzt ist auch auf die in ihrer Wirkung gelindere Androhung des Tierhalteverbots nach § 39 Abs. 2 TSchG hinzuweisen. Bei Maßnahmen nach Abs.1 leg.cit. ist es nach Ansicht des erkennenden Mitglieds des Oö. Verwaltungs­senates – sofern nicht unmittelbarer und aktueller Handlungs­bedarf etwa wegen Gefahr im Verzug besteht, wovon im vorliegenden Fall offensichtlich nicht einmal die belangte Behörde selbst ausgeht – ihr zumutbar und im Sinne der Verhältnismäßigkeit geboten das im Sinne des Rechtseingriffs gelindere Mittel der Androhung unter Fristsetzung zu erwägen.

 

3.6. Abschließend wird festgehalten, dass zwar grundsätzlich die in § 39 Abs.1 TSchG normierten Tatbestandselemente für die Verhängung eines Tierhalteverbots im hier zu beurteilenden Fall weitgehend als gegeben erachtet werden, aber die Verhängung dieser Maßnahme einer konkreten Verhältnismäßigkeitsprüfung nicht stand hält. Es war daher der Berufung stattzugeben und der angefochtene Bescheid des Bezirkshauptmannes des Bezirks Schärding aufzuheben.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

 

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 [ab 1. Juli 2008: 220] Euro zu entrichten.

 

Hinweis: Im Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 13,20 Euro (Eingabegebühr) angefallen; ein entsprechender Zahlschein liegt bei.

 

 

 

Bernhard Pree

 

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