Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-720210/2/Gf/Mu/Se

Linz, 01.07.2008

 

E R K E N N T N I S

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Grof über die Berufung der E A, gegen den Bescheid des Polizeidirektors von Linz vom 15. Mai 2008, Zl. 1007003/FRB, wegen einer Ausweisung, zu Recht erkannt:

Der Berufung wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben.

Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs. 4 AVG.

Entscheidungsgründe:

1.1. Die am  14. Jänner 19.. in H geborene ungarische Beschwerdeführerin hat – wie sich dem von der belangten Behörde vorgelegten Akt entnehmen lässt – am 16. März 2001 einen österreichischen Staatsbürger rumänischer Herkunft geheiratet ist seit dem 21. März 2001 im Bundesgebiet polizeilich gemeldet. In der Folge stellte sie am 4. Februar 2002 einen Erstantrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung zum Aufenthaltszweck "Familiengemeinschaft"; die wurde ihr – in der Folge auf Grund von zwei Verlängerungsanträgen – insgesamt bis zum 2. März 2005 erteilt.

Am 23. August 2004 wurde zunächst durch das Sozialamt bekannt, dass ihr Gatte seit Jänner zurück nach Rumänien gereist ist, weshalb – nachdem er seinen Wohnsitz im Bundesgebiet abgemeldet hatte – in weiterer Folge die PVA ihre Ausgleichszahlungen eingestellt und ihn von der Krankenversicherung abgemeldet hat. Daher ist die belangte Behörde davon ausgegangen, dass die Beschwerdeführerin seit diesem Zeitpunkt über keine finanziellen Mittel mehr verfügte.

Schließlich wurde auch ihre Berufung gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Stadt Linz vom 4. Mai 2005, GZ 301-12-2/1, mit dem ihrem Antrag vom 25. November 2004 auf Gewährung von sozialer Hilfe keine Folge gegeben wurde, mit Bescheid der Oö. Landesregierung vom 5. Oktober 2006, GZ SO-130341/14-2006-Wm, abgewiesen.

Darüber hinaus wurde weiters bekannt, dass sie mittlerweile seit dem 26. Jänner 2007 von ihrem Ehemann geschieden ist und ihr Ex-Gatte im Zuge des Scheidungsverfahrens zu einer Unterhaltszahlung in Höhe von 403,00 Euro verpflichtet wurde.

Überdies wurde die fremdenpolizeiliche Behörde am 7. März 2008 darüber in Kenntnis gesetzt, dass mit Bescheid der PVA Linz vom 6. März 2007 ihr Antrag auf Gewährung einer Alterspension abgelehnt wurde, weil sie in Österreich nur zwei Versicherungsmonate für die Berechnung der Pension erworben hatte. Von den ungarischen Behörden erhielt sie ebenfalls einen negativen Pensionsbescheid.

Schließlich hat sie am 13. August 2007 neuerlich einen Sozialhilfeantrag gestellt, weshalb seitens der belangten Behörde erst recht davon ausgegangen wurde, dass sie nicht über ausreichende finanzielle Mittel zu Bestreitung ihres Lebensunterhalts in Österreich verfügt.

1.2. Mit Bescheid des Polizeidirektors von Linz vom 15. Mai 2008, Zl. 1007003/FRB, wurde gegen die Rechtsmittelwerberin schließlich eine Ausweisung erlassen.

Begründend wurde dazu im Wesentlichen ausgeführt, dass sie sich zwar bereits seit 6½ Jahren im Bundesgebiet aufhalte, davon jedoch nicht fünf Jahre rechtmäßig niedergelassen gewesen sei. Darüber hinaus sei sie mittlerweile von ihrem Ehegatten geschieden; sie habe keine familiären Bindungen im Bundesgebiet und verfüge über keine ausreichende finanzielle Mittel zur Bestreitung ihres Lebensunterhalts, da sie ja auf die Sozialhilfe angewiesen sei. Nachdem sie der deutschen Sprache noch immer nicht mächtig sei und zudem auch ihre beiden Söhne in Ungarn lebten, sei die Bindung zu ihrem Heimatland als noch relativ stark anzusehen. Wären diese Umstände bereits beim zuletzt gestellten Verlängerungsantrag bekannt gewesen, dann hätte man ihr die letzte Niederlassungsbewilligung nicht erteilt. Nach Ansicht der Behörde habe sie sich erst seit der ersten Erteilung der Niederlassungsbewilligung vom 26. März 2002 im günstigen Fall bis zur rechtskräftigen Scheidung unter Berücksichtigung ihrer eigenen finanziellen Mittel rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten. Dieser Zeitraum umfasse aber keine Spanne von insgesamt fünf Jahren.

1.3. Gegen diesen ihr am 19. Mai 2008 zugestellten Bescheid richtet sich die vorliegende, am 29. Mai 2008 – und damit rechtzeitig – zur Post gegebene Berufung.

Darin bringt die Beschwerdeführerin vor, dass die zuletzt erteilte Niederlassungsbewilligung nicht zu unrecht erteilt worden sei, weil allein die Tatsache, dass sie mit ihren Ehegatten für einen relativ kurzen Zeitraum in keinem gemeinsamen Haushalt gehabt habe, nicht dafür ausreiche, die Familienangehörigeneigenschaft wieder zu verlieren. Da zu diesem Zeitpunkt ihre Ehe noch aufrecht gewesen sei, sei sie sehr wohl zur Niederlassung in Österreich berechtigt gewesen. Sie sei seit März 2002 rechtmäßig niedergelassen und erst seit März 2007 geschieden, also fünf Jahre rechtmäßig aufhältig. Außerdem habe sie nach der Scheidung von ihrem Mann regelmäßig Unterhaltszahlungen erhalten und sie sei zudem selbst versichert gewesen, weshalb sie die Voraussetzungen zum Verbleib im Bundesgebiet erfülle.

Auch unter Berufung auf Artikel 14 Abs. 3 der Unionsbürgerrichtlinie dürfe gegen sie keine Ausweisung verfügt werden, weil die Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen mit Sicherheit nicht unter diese Bestimmung falle, sondern eine Ausweisung nur dann gerechtfertigt sei, wenn durch sie die öffentliche Ordnung und Sicherheit schwerwiegend beeinträchtigt würde.

Darüber hinaus habe die belangte Behörde ihren Gesundheitszustand, ihre familiären und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie ihre soziale und kulturelle Integration nicht ausreichend berücksichtigt. Im Rahmen des Ermittlungsverfahren hätte sie die belangte Behörde zumindest zur Vorlage von diesbezüglichen Beweismitteln auffordern müssen.

Ferner beabsichtige sie ohnehin, ihren geschiedenen Ehemann in Kürze wieder zu heiraten, weshalb die Voraussetzungen für eine Ausweisung nicht mehr vorliegen.

Es wird daher – erschließbar – beantragt, den Ausweisungsbescheid aufzuheben.

2.1. Nach der Verfassungsbestimmung des § 9 Abs. 1 Z. 1 des Fremdenpolizeigesetzes, BGBl. Nr. I 100/2005, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. I 99/2006 (im Folgenden: FPG), entscheiden über Berufungen gegen Entscheidungen, die auf Grund des FPG ergangen sind, die Unabhängigen Verwaltungssenate in den Ländern; derartige Entscheidungen sind gemäß § 67a Abs. 1 AVG durch ein Einzelmitglied zu treffen.

2.2. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Akt der Bundespolizeidirektion Linz zu Zl. 1-1007003/FRB; da sich bereits aus diesem der entscheidungswesentliche Sachverhalt klären ließ und die Verfahrensparteien einen entsprechenden Antrag nicht gestellt haben, konnte im Übrigen von der Durchführung einer öffentlichen Verhandlung abgesehen werden.

3. In der Sache selbst hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

3.1.1. Gemäß § 53 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes, BGBl.Nr. I 100/2005, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. I 4/2008 (im Folgenden: FPG), können Fremde mit Bescheid ausgewiesen werden, wenn sie sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten. EWR-Bürger, Schweizer Bürger und begünstigte Drittstaatsangehörige sind gemäß § 86 Abs. 2 FPG dann auszuweisen, wenn ihnen aus den Gründen des § 55 Abs. 1 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes, BGBl.Nr. I 4/2008 (im Folgenden: NAG), das Niederlassungsrecht fehlt.

Nach § 55 Abs. 1 NAG i.V.m. § 52 Z. 1 NAG ist der Ehegatte eines freizügigkeitsberechtigten EWR-Bürgers, wenn dieser selbst ein EWR-Bürger ist, zur Niederlassung im Bundesgebiet berechtigt, sofern dieser nicht die öffentliche Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit gefährdet. 

3.1.2.1. Gemäß Art. 16 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 (im Folgenden: Unionsbürger-RL) hat jeder Unionsbürger, der sich rechtmäßig fünf Jahre lang ununterbrochen im Aufnahmemitgliedstaat aufgehalten hat, das Recht, sich dort auf Dauer aufzuhalten; dieses Recht ist nicht an die Voraussetzungen des Kapitels III der Unionsbürger‑RL (Recht auf Aufenthalt bis zu drei bzw. für mehr als drei Monate; Aufenthaltskarte; Aufrechterhaltung des Aufenthaltsrechts für Familienangehörige bei Tod, Wegzug oder Ehescheidung) geknüpft.

Nach Art. 16 Abs. 2 der Unionsbürger-RL gilt dies auch für Familienangehörige, die nicht die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzen und die sich rechtmäßig fünf Jahre lang ununterbrochen mit dem Unionsbürger im Aufnahmemitgliedstaat aufgehalten haben.

Gemäß Art. 16 Abs. 3 der Unionsbürger-RL wird die Kontinuität des Aufenthalts weder durch vorübergehende  Abwesenheiten von bis zu insgesamt sechs Monaten im Jahr, noch durch längere Abwesenheiten wegen der Erfüllung militärischer Pflichten, noch durch eine einzige Abwesenheit von höchsten zwölf aufeinander folgenden Monaten aus wichtigen Gründen wie Schwangerschaft und Niederkunft, schwere Krankheit, Studium oder Berufsausbildung oder berufliche Entsendung in einen anderen Mitgliedstaat oder einen Drittstaat berührt.

3.1.2.2. Im Kontext besehen ergibt sich daher aus dem im Lichte des Art. 16 Abs. 1 und 2 der Unionsbürger-RL besehenen § 86 Abs. 2 FPG insgesamt, dass ein Familienangehöriger, der selbst Unionsbürger ist und sich – wenn auch (teilweise) unrechtmäßig) – ununterbrochen (i.S.d. Art. 16 Abs. 3 der Unionsbürger-RL) fünf Jahre lang in Österreich aufgehalten hat, das Recht hat, sich hier auf Dauer aufzuhalten.

3.2. Es ist daher im gegenständlichen Fall, wo die Beschwerdeführerin aus Ungarn stammt und damit eine Unionsbürgerin ist, lediglich zu prüfen, ob sich diese de facto schon seit fünf Jahren ununterbrochen in Österreich aufhält.

Diesbezüglich ergibt sich aus dem von der belangten Behörde vorgelegten Akt, dass sie – allseits unbestritten – am 16. März 2001 einen österreichischen Staatsbürger (von rumänischer Herkunft) in Linz geheiratet und in der Folge das Bundesgebiet nicht mehr (bzw. offenkundig nicht in einer der Intention des Art. 16 Abs. 3 der Unionsbürger-RL widersprechenden Weise) verlassen hat.

Damit erfüllt sie die von Art. 16 Abs. 1 der Unionsbürger-RL geforderten Voraussetzungen für einen dauerhaften Aufenthalt im Bundesgebiet, sodass die Anordnung einer Ausweisung gegen sie schon aus diesem Grunde unzulässig war.

3.3. Der gegenständliche Berufung war daher gemäß § 66 Abs. 4 AVG stattzugeben und der angefochtene Bescheid aufzuheben.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

1.   Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

2.   Im gegenständlichen Verfahren sind Gebühren in Höhe von 13,20 Euro entstanden, ein entsprechender Zahlschein liegt bei.

Dr. Grof

Beachte:

vorstehende Entscheidung wurde aufgehoben;

VwGH vom 05.07.2011, Zl.: 2008/21/0522-6

 

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