Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-230365/6/Br

Linz, 15.12.1994

VwSen - 230365/6/Br Linz, am 15. Dezember 1994

DVR.0690392

Erkenntnis

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung der Frau A B, vertreten durch Dres. E, W, und P, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Braunau vom 11. Oktober 1994, Zl.: Sich96-61-1994/Bu, nach der am 9. Dezember 1994 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung und der Verkündung am 15. Dezember 1994 zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird F o l g e gegeben; das angefochtene Straferkenntnis wird aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs.1 Z2 VStG eingestellt.

Rechtsgrundlage: § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl. Nr. 51, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 866/1992 - AVG iVm § 24, § 45 Abs.1 Z2, § 51 Abs.1 und § 51e Abs.1 und § 51i Verwaltungsstrafgesetz 1991, BGBl. Nr. 52, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 666/1993 VStG.

II. Es entfallen sämtliche Verfahrenskostenbeiträge.

Rechtsgrundlage: § 64 Abs.1 und 2 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Braunau hat mit dem im oben bezeichneten Straferkenntnis wider die Berufungswerberin wegen der Übertretung nach § 82 Abs. 1 Z4 iVm §§ 5, 15 Abs.3 Z2 FrG eine Geldstrafe von 1.500 S und für den Fall der Uneinbringlichkeit 72 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe verhängt, weil sie sich als Fremde (polnische Staatsangehörige) jedenfalls im Zeitraum vom 16. August 1993 bis 16. Jänner 1994 unrechtmäßig im Bundesgebiet der Republik Österreich aufgehalten habe, weil die Gültigkeit ihres Sichtvermerkes am 15. August 1993 geendet hat. Ihr Aufenthalt im Bundesgebiet sei daher in diesem Zeitraum nicht rechtmäßig gewesen.

1.1. Begründend führt die Erstbehörde im wesentlichen aus wie folgt:

"Sie sind poln. StA. und hielten sich nach Ablauf Ihres Sichtvermerkes, ausgestellt von der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn am 31.3.1993, gültig bis 15.8.1993, von 16.8.1993 jedenfalls bis 16.1.1994 unrechtmäßig im Bundesgebiet der Republik Österreich auf, da Sie in diesem Zeitraum über keinen für den legalen Aufenthalt im Bundesgebiet erforderlichen Sichtvermerk verfügten.

Am 27.7.1993 stellten Sie bei der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn einen Antrag auf Erteilung einer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz.

Diese Antragstellung rechtfertigt jedoch nicht den unrechtmäßigen Aufenthalt nach Ablauf Ihres Sichtvermerkes vom 16.8.1993 bis 16.1.1994, wie das Erkenntnis des VwGH vom 30.9.1993, Z1. 93/17/0386, eindeutig feststellt.

Rechtssatz:

Der Aufenthalt eines Fremden während der Dauer des Verfahrens auf Ausstellung eines (neuen) Sichtvermerkes ist ein unerlaubter, und zwar unabhängig davon, ob der Fremde vor oder nach Ablauf des Sichtvermerkes den Antrag auf Erteilung eines weiteren Sichtvermerkes gestellt hat (VwGH 30.9.1993, 93/17/0386) Laut dienstlicher Wahrnehmung von RI. Lüftenegger und RI. Forsthofer vom Gendarmeriepostenkommando Braunau am Inn wurden Sie anläßlich einer Kontrolle am 16.1.1994 um 09.55 Uhr im Etablissement "C" in B, angetroffen.

Bei weiteren Kontrollen durch das Gendarmeriepostenkommando B, durchgeführt von BI. E und RI. L am 12.2.1994 um ca. 01.00 Uhr und von RI. K und RI. F am 26.2.1994 um ca. 02.30 Uhr im oben angeführten Etablissement wurden Sie ebenfalls angetroffen, ohne im Besitz eines für den Aufenthalt im Bundesgebiet der Republik Österreich gültigen Sichtvermerkes zu sein.

Als Fremde (poln. StA.), die sich in Österreich aufhält, haben Sie die Gesetze und sonstigen rechtlichen Bestimmungen dieses Staates zu befolgen. Es ist Ihre Pflicht, sich über die geltenden Bestimmungen, im konkreten Fall über die Bestimmungen, die den Aufenthalt für Fremde im Bundesgebiet regeln, zu informieren, auch wenn Sie der deutschen Sprache nicht mächtig sind.

Da Sie dies unterlassen haben, kam die erkennende Behörde zur Auffassung, daß Sie die Ihnen zur Last gelegte Tat begangen und als Verwaltungsübertretung zu verantworten haben.

Bei der Strafbemessung wurden auf die Bestimmungen des § 19 VStG 1991 Bedacht genommen. Bei einem vorgegebenen Strafrahmen von bis zu S 10.000,-- reicht die verhängte Strafe auch unter Berücksichtigung Ihrer geschätzten Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse (S 10.000,-- mtl. Nettoeinkommen, kein besonderes Vermögen, keine Sorgepflichten) gerade noch aus, um den Unrechtsgehalt die von Ihnen begangenen Verwaltungsübertretung abzudecken.

Strafmildernd wirkt Ihre verwaltungsstrafrechtliche Unbescholtenheit, straferschwerend ist der Umstand zu werten, daß Sie sich über einen langen Zeitraum und trotz Hinweis auf das Unrecht Ihres Verhaltens im Bundesgebiet der Republik Österreich aufgehalten haben.

2. Dagegen wendet sich die Berufungswerberin mit der durch ihre Rechtsvertreter fristgerecht erhobenen Berufung. Darin führt sie aus:

"In umseits näher bezeichneter Rechtssache erhebe ich gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vom 11.10.1994, Sich96-61-1994-Bu, binnen offener Frist Berufung an den Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich. Die Bezirkshauptmannschaft Braunau verhängte über mich im angefochtenen Straferkenntnis nach § 5 i.V.m. § 15 Abs.3 Z2 und § 82 Abs.1 Z.4 Fremdengesetz eine Geldstrafe von S 1.500,-- zuzüglich Verfahrenskosten von S 150,-- da ich mich im Zeitraum vom 16.8.1993 bis 16.1.1994 unrechtmäßig im Bundesgebiet der Republik Österreich aufgehalten hätte, da die Gültigkeit meines Sichtvermerkes am 15.8.1993 endete.

Die Erstbehörde geht selbst im richtig dargestellten Sachverhalt davon aus, daß die Gültigkeit meines Sichtvermerkes am 15.8.1993 endete und ich rechtzeitig bereits am 27.7.1993 bei der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn einen Antrag auf Erteilung einer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz gestellt habe.

Die Bezirkshauptmannschaft Braunau geht jedoch davon aus, daß die rechtzeitige Antragstellung auf Verlängerung des erteilten Sichtvermerkes nicht den unrechtmäßigen Aufenthalt rechtfertige, weshalb der Aufenthalt eines Fremden während der Dauer des Verfahrens auf Ausstellung eines neuen Sichtvermerkes ein unerlaubter Aufenthalt ist, auch wenn der Antrag rechtzeitig gestellt wurde.

Ich bekämpfe dieses Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Braunau vom 11.10.1994, Sich96-61-1994-Bu, zur Gänze und mache als Berufungsgrund unrichtige rechtliche Beurteilung geltend. Voraussetzung der Strafbarkeit ist, daß sowohl das Tatbild als auch die subjektive Tatseite erfüllt sind.

Gemäß § 5 Abs.1 VStG reicht zur Strafbarkeit eines Verhaltens Fahrlässigkeit aus, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nichts anderes bestimmt. Eine diesbezügliche Normierung findet sich in den von der Bezirkshauptmannschaft angewandten Bestimmung des Fremdengesetzes nicht.

Fahrlässigkeit liegt dann vor, wenn der Beschuldigte zwar daran denkt, daß sein Verhalten ein tatbildmäßiges Unrecht verwirklichen könne, dieses jedoch nicht herbeiführen will, es aber für möglich hält oder zur Folge Außerachtlassung der gebotenen Sorgfalt es für möglich hält, einen tatbildmäßigen Sachverhalt zu verwirklichen. Gemäß § 5 Abs.1 2.Satz VStG besteht bei Ungehorsamsdelikten, was ja gegenständlich vorliegt, die widerlegliche Rechtsvermutung für das Verschulden des Täters. Der Beschuldigte muß daher glaubhaft und initiativ alles darlegen, was für seine Entlastung spricht. Die Erbringung eines Entlastungsbeweises ist daher nicht, es reicht aus zu bescheinigen daß ein schuldhaftes Verhalten in Form von Fahrlässigkeit nicht vorliegt, da bei Ungehorsamsdelikten ebenfalls nur die schuldhafte Handlung zu verantworten ist (Sammlung 8108A, 7087A, 214A).

Ein Verschulden in Form von Fahrlässigkeit ist mir jedoch keinesfalls vorwerfbar. Wie die erste Instanz selbst davon ausgeht, habe ich einen fristgerechten Verlängerungsantrag zur Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung gestellt. Ich habe mich gesetzeskonform verhalten und keine weiteren Möglichkeiten gehabt, in das Verfahren einzugreifen und dieses zu beschleunigen. Es liegt daher einzig und allein an der Bezirkshauptmannschaft Braunau, daß das Verfahren nunmehr bereits seit knapp eineinhalb Jahren anhängig ist. Die Verfahrensverzögerung liegt nicht in meiner Person, sondern, daß die Erstbehörde im Aufenthaltsbewilligungsverfahren eine unrichtige Rechtsansicht vertreten hat, weshalb der Bescheid vom 14.10.1993 vom Bundesminister für Inneres aufgrund meiner Berufung behoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Erstbehörde zurückverwiesen wurde. Nunmehr versucht die Erstbehörde entgegen dem ursprünglichen Argument, daß ich keine ortsübliche Unterkunft besitze, nunmehr keine Aufenthaltsbewilligung zu erteilen, da die Mittel zur Unterhaltsbestreitung nicht vorliegen, obwohl nicht ernsthaft bestritten werden kann, daß ich monatlich zumindestens S 12.000,-- ins Verdienen bringe und überdies mein Lebensgefährte eine Verpflichtungserklärung unterfertigt hat. Daraus läßt sich jedoch kein schuldhaftes Verhalten meiner Person begründen.

Einer Bescheinigung darüber, daß mir kein schuldhaftes Verhalten darin anzulasten ist, daß ich mich nach wie vor in Österreich ohne gültige Aufenthaltsbewilligung aufhalte, bedarf es bereits aus dem Grunde nicht, daß die Behörde bereits bei Ermittlung des äußeren Tatbestandes Umstände festgestellt hat, nämlich, daß ich lediglich ohne gültige Aufenthaltsbewilligung aufgrund von Verfahrensverzögerungen der Erstbehörde mich in Österreich aufhalte und mir somit aufgrund meines rechtzeitig gestellten Antrages auf Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung kein Verschulden vorzuwerfen ist (VwGH vom 12.9.1963, 1600/62).

Die Verwaltungsstrafbehörde erster Instanz hat nicht ein einziges Argument darlegen können, wie ich trotz rechtzeitiger Antragstellung den in ihren Augen unrechtmäßigen Aufenthalt verhindern hätte können.

Ich stelle daher höflich den Antrag, das gegenständliche Verwaltungsstrafverfahren bis zum Abschluß des Aufenthaltsbewilligungsverfahrens auszusetzen, der Berufung vollinhaltlich stattzugeben, das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vom 11.10.1994, Sich96-61-1994-Bu, zu beheben und das Verfahren einzustellen.

Mattighofen, am 17.10.1994 A B" 3. Da keine 10.000 S übersteigende Strafe verhängt worden ist, ist der unabhängige Verwaltungssenat durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Mitglied zur Entscheidung berufen. Zumal letztlich noch abzuklären war, ob sich einerseits die Berufungswerberin während des vorgeworfenen Tatzeitraumes - worüber keine Feststellungen vorliegen - in Österreich aufgehalten hat, andererseits die in Abrede gestellte Verschuldensfrage einer weitergehenden Erörterung bedurfte, schien dies im Rahmen einer öffentlichen mündlichen Verhandlung zielführend klärbar.

4. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis aufgenommen durch Einsichtnahme und Erörterung des Inhaltes des von der Erstbehörde vorgelegten Verwaltungsaktes, Zl. Sich96-61-1994-Bu, im Rahmen der öffentlichen mündlichen Verhandlung. Ferner durch die Beischaffung der Berufungsentscheidung über die beantragte Aufenthaltsbewilligung, deren Versagung durch die Erstbehörde zum h. Strafverfahren geführt hat. 5. Folgender Sachverhalt ist erwiesen:

5.1. Die Berufungswerberin hat am 27. Juli 1993 einen Antrag auf Erteilung einer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz gestellt. Sie war damals noch bis zum 15. August 1993 im Besitz eines gültigen Sichtvermerkes und demnach bis zum letzteren Datum zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt. Die Erstbehörde hat der Berufungswerberin im Verfahren, Zl. Sich-0702/8862/G, mit Bescheid vom 14. Oktober 1993 die Ausstellung einer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz verweigert. In der wider diese Entscheidung erhobenen Berufung hat das Bundesministerium für Inneres (im ersten Rechtsgang) folgenden Bescheid erlassen:

"Ihrer Berufung gegen den Bescheid vom 14.10.1993, Zl. Sich-0702/8862/G, der/des BH Braunau wird gemäß § 66 Abs.2 AVG stattgegeben, der Bescheid behoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde erster Instanz verwiesen." Begründend wurde dabei ausgeführt, "die Berufungswerberin stellte am 27.7.1993 einen Antrag auf Erteilung einer Bewilligung nach dem AufG. Mit Bescheid vom 14.10.1993, Z1. Sich-0702/8862/G, zugestellt am 15.10.1993, wies die BH Braunau diesen Antrag ab. Dagegen wurde am 29.10.1993, sohin fristgerecht, das Rechtsmittel der Berufung erhoben.

Im wesentlichen stützte sich die BH Braunau bei ihrer Ablehnung auf die Tatsache, daß die Berufungswerberin der Prostitution nachgeht, und daß keine gesicherte für Inländer ortsübliche Unterkunft, sowie gesicherte Unterhaltsmittel vorhanden sei.

Der Vorwurf der Prostitution stellt keinen tauglichen Grund zur Versagung der Aufenthaltsbewilligung dar, da diese nicht gemäß § 214 ff StGB strafbar ist, und die Berufungswerberin im Besitz des Ausweises entsprechend der V des BM für Gesundheit und Umweltschutz BGBl. Nr. 314/1974 ist. Der Berufungswerberin vorzuhalten, daß sie einen neuen Aufenthaltszweck anführt, ist ihr nicht vorzuwerfen, da gegen Sie ein Aufenthaltsverbot gemäß § 18 Abs. 2 Z6 FrG zu erlassen gewesen wäre, wenn Sie unrichtige Angaben gemacht hätte. Der Vorwurf eines rechtmäßigen Handelns erscheint der Berufungsbehörde befremdlich.

Weiters stellt die Tatsache der Unterkunftnahme in einem Bordell keinen tauglichen Grund dar, die Aufenthaltsbewilligung zu versagen, da eine Unterkunft im Sinne des § 1 MeldeG vorliegt. Bezüglich der Ausstattung brachte die Erhebung am 12.8.1993 als Ergebnis, daß die Ausstattung für Inländer ortsüblich sei. Durch die Vereinbarung zwischen der Fa. E GmbH und der Berufungswerberin scheint diese Unterkunft auch gesichert.

Bezüglich des Unterhalts ist aus dem vorgelegten verwalten keinerlei diesbezügliches Ermittlungsverfahren gemäß §§ 37 ff AVG ersichtlich, und obwohl es sich um einen verbesserungsfähigen Formmangel handelt, wurde kein entsprechender Auftrag gemäß § 13 AVG erteilt. Für die Berufungsbehörde ist nicht ersichtlich, weshalb die Anmeldung beim Finanzamt Braunau am 11.3.1993 von der BH Braunau ignoriert wurde und der Unterhalt ohne weitere Prüfung als nicht gesichert angenommen wurde.

Zur Wahrung des Parteiengehörs gemäß § 37 AVG ist der Partei u.a. Gelegenheit zu geben, zu wesentlichen Sachverhaltselementen Stellung zu nehmen.

Die Aufforderung zur Stellungnahme vom 22.9.1993, zugestellt am 24.9.1993, beschränkte sich lediglich auf die Aussage, daß der Aufenthaltsantrag abgewiesen wird, da die Berufungswerberin als Prostituierte tätig sei. Im bekämpften Bescheid hingegen führte die BH Braunau weitere Gründe zur Versagung an, die Stellungnahme der Berufungswerberin vom 27.9.1993 wurde überhaupt ignoriert.

Aufgrund des mangelhaft durchgeführten Ermittlungsverfahrens, welches die Verfahrensgrundsätze des AVG verletzte, ist ein neues vollständiges Ermittlungsverfahren durchzuführen, da auch die vorliegenden Sachverhaltselemente veraltet erscheinen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden." Diese Feststellungen der Berufungsbehörde des Administrativverfahrens umfassen den gesamten h. Tatzeitraum. 5.2. Im zweiten Rechtsgang hat das Bundesministerium schließlich in der Sache selbst entschieden und begründend folgendes ausgeführt:

"Ihrer Berufung gegen den Bescheid der BH Braunau/Inn, vom 12.7.1994 Zl. Sich40/8862 wird gemäß S 66 Abs. 4 AVG stattgegeben und wie folgt abgeändert:

Es wird eine Aufenthaltsbewilligung für den Aufenthaltszweck 'selbständig erwerbstätig/Prostituierte' vom 16.8.1993 bis 16.8.1995 erteilt.

Sie haben an die oben genannte Behörde einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gestellt. Diese hat den Antrag mit der Begründung abgewiesen, daß Ihr Unterhalt nicht in dem vom Gesetz geforderten Ausmaß gesichert ist und jemand der für eine Prostituierte eine Verpflichtungserklärung abgibt, und sich als deren Lebensgefährte bezeichnet, automatisch als "Strohmann" anzusehen ist und dessen Verpflichtungserklärung nicht akzeptiert wird.

Dagegen haben Sie in der Berufung eingewendet, daß die BH Braunau/Inn versucht, die Ausübung der legalen Prostitution von Ausländerinnen in Österreich unmöglich zu machen. Weiters habe die fremdenpolizeiliche Behörde keine Moralansichten durchzusetzen, sondern einzig und alleine die fremdenpolizeilichen Bestimmungen zu vollziehen.

In Hinblick auf dieses Vorbringen waren die wesentlichen Sachverhaltselemente von der Berufungsbehörde im Rahmen ihres Ermessensspielraumes neuerlich zu beurteilen, wobei sich ergeben hat, daß die Beurteilung, welche auf Grundlage der gegenüber der ersten Instanz gemachten Angaben von dieser vorgenommen wurde, nicht aufrechtzuerhalten ist.

Da Sie sich regelmäßig den vorgeschriebenen Gesundenuntersuchungen unterziehen, über eine Krankenversicherung verfügen, Einkommenssteuer bezahlen und somit auch über ein geregeltes Einkommen verfügen, war Ihrer Berufung Folge zu geben." 5.3. Der unabhängige Verwaltungssenat übernimmt die im Administrativverfahren getroffenen Feststellungen.

Die Berufungswerberin hat in ihrer Rechtsansicht, daß ihr eine Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz erteilt werde Recht behalten. Sie hat angesichts dieser Überzeugung den Aufenthalt im Bundesgebiet während des Tatzeitraumes aufrecht erhalten. Sie hatte sich dabei auch von der Befürchtung leiten lassen, daß ihr im Falle einer Ausreise die Wiedereinreise versagt werden könnte. 5.3.1. Dieser Beweis ergibt sich aus der Aktenlage und dem Vorbringen der Berufungswerberin. Obwohl die Behörde keine konkreten Erhebungen dahingehend gepflogen hat, daß die Berufungswerberin sich während des Tatzeitraumes in Österreich aufgehalten hatte, mußte jedoch aufgrund ihrer Verantwortung von dieser Tatsache ausgegangen werden. Aus den Erhebungen der Gendarmerie ergibt sich lediglich, daß die Berufungswerberin am Ende des vorgeworfenen Tatzeitraumes (16.1.1994) angetroffen worden ist. Neuerlich wurde sie erst am 12.2.1994 (also außerhalb des Tatzeitraumes) von der Gendarmerie abermals in Braunau angetroffen. Der Aufenthalt im Bundesgebiet ab 16.8.1993 bis zum 15. Jänner 1994 wurde von der Erstbehörde daher entweder schlußgefolgert oder dem Verfahrensakt des Administrativverfahrens entnommen. 6. Rechtlich hat der unabhägige Verwaltungssenat wie folgt erwogen:

6.1. Zur Frage der Rechtswidrigkeit:

6.1.1. Für den rechtmäßigen Aufenthalt eines Fremden im Bundesgebiet bedarf es entweder einer Bewilligung im Sinne des § 1 Aufenthaltsgesetz oder eines von der Sicherheitsbehörde erteilten Sichtvermerkes (§ 15 Abs.1 Z2 FrG (Fremdengesetz). Im Sinne der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat die Berufungswerberin vor dem Ablauf ihres Sichtvermerkes die Erteilung einer weiteren Bewilligung zum Aufenthalt im Bundesgebiet beantragt (VwGH 28. 1. 1991, 90/19/0114 u.a). Zutreffend wird von der Erstbehörde darauf hingewiesen, daß mit dem Ablauf des alten Sichtvermerkes der neue bereits erteilt sein muß (VwGH 23.4.1990, 90/19/0155, sowie VwGH 30.9.1993, 93/18/0386). Im Sinne des Legalitätsgrundsatzes kann die hier im Nachhinein im Administrativverfahren gleichsam rückwirkend erteilte Bewilligung den zwischenzeitig, ohne Bewilligung gepflogenen Aufenthalt, (ex tunc) nicht sanieren und der Rechtswidrigkeit zu entledigen. Aus dieser Sicht würde der Aufenthalt selbst dann nicht legal sein, wenn die Nichterteilung der Bewilligung - was hier nicht zu beurteilen ist und somit dahingestellt bleiben kann - auf die Stufe der Gesetzeslosigkeit zu qualifizieren wäre. Umgekehrt entfaltet, im Sinne der Einheitlichkeit der Rechtsordnung, etwa auch ein im nachhinein von amtswegen aufzuhebender Bescheid (strenge Akzessorietät) Bindungswirkungen (E.Steininger in Triffterer - StGB-Kommentar, Wien 1993, § 1 RZ 136, sowie Zehetner/Weiss, Seite 45 ff, in der jur. Schriftenreihe "Verwaltungsakzessorietät der Neutralitätsgefährdung, Band 45"). Dies gilt analog zum gerichtlichen Strafverfahren auch für das Verwaltungsstrafverfahren. Umsomehr muß dies zutreffen, wenn, so wie hier, eine Bewilligung - aus welchen Gründen immer -(noch) nicht einmal erteilt worden ist. 6.2. Zur Frage der Schuld:

6.2.1. Der § 5 Abs.1 VStG normiert, daß, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nicht anderes bestimmt, zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten genügt. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn - so wie hier - zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört (den sog. Ungehorsamsdelikten) und der Täter nicht glaubhaft macht, daß ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft. Es ist somit weiter zu klären, ob das, auf eine sich als richtig ergebende Rechtsansicht gestütztes Verhalten der Berufungswerberin als schuldhaft vorgeworfen werden kann. Bei vernünftiger Gesetzesanwendung ist aus einer ex-ante Sicht zu beurteilen, ob in der Situation der Berufungswerberin ein anderes Verhalten erwartet werden hätte können bzw. ob ihr ein anderes Verhalten (welches nur in einem Verlassen des Bundesgebietes münden hätte können) zumutbar gewesen wäre. Weiter könnte ein Verschulden auch noch in einer zu späten Antragstellung erblickt werden, wobei das nicht rechtzeitige Vorliegen der zu spät beantragten Bewilligung den folglich illegalen Aufenthalt als verschuldet begründen würde. In beiden Fällen muß ein Verschulden der Berufungswerberin verneint werden! Einerseits ist der Berufungswerberin ein schuldhaftes Verhalten nicht vorzuwerfen, weil sie zu Recht davon ausgehen durfte, daß es sich bei der Verlängerung des Sichtvermerkes um eine behördliche Routinesache handelt, welche sich durchaus in der Zeit von 27. Juli bis 15. August 1993 erledigen lassen würde. Die in der weiteren Folge eingetretene Verzögerung lag nicht mehr in ihrer Sphäre und kann diese ihr nicht als schuldhaft vorgeworfen werden. Aus den Ausführungen des Bescheides des BMI vom 8. März 1994, Zl. GZ: 100.172/2-III/11/93, ist in einer unübersehbaren Deutlichkeit zu entnehmen, daß der Erstbehörde wohl gravierende Mängel, sowohl Verfahrens- als auch in rechtlicher Sicht Mängel unterlaufen sind. Es kann nämlich nicht gleichgültig sein, warum und wie lange die Entscheidung über den Antrag auf eine Bewilligung ausbleibt. Ein Gesetz, das eine Bedachtnahme auf diese Frage unter keinen Umständen zuläßt, würde über das Ziel schießen (vgl. auch VfGH 23.6.1992, G330 bis G333/91, Slg.Nr. 13.120 sinngem.). Andererseits hat die Berufungswerberin mit ihren Darlegungen auch glaubhaft gemacht, daß sie mit dem Verharren auf ihrem Standpunkt, in Österreich auf die noch immer ausstehende Erteilung der Aufenthaltsbewilligung zu warten, ein Verschulden nicht getroffen hat und infolge der rechtzeitigen Antragstellung wohl auch nicht treffen konnte. Im Ergebnis war daher der Verantwortung der Berufungswerberin weitestgehend zu folgen.

Abschließend muß dazu grundsätzlich gesagt werden, daß die verfassungskonforme Interpretation von Gesetzesbestimmungen zu keinem fehlerhaften, nämlich den Grundsätzen der Gerechtigkeit widerstreitenden, Ergebnis führen darf. Das Gebot der verfassungskonformen Interpretation und damit des Rechtsstaatsprinzips gilt insbesondere für den Bereich des Strafrechtes (vgl. E. Steininger in Triffterer - StGB-Kommentar, Wien 1993, RZ 87). Der Verwaltungssenat schließt sich inhaltlich und im Ergebnis den rechtlichen Ausführungen der Berufungswerberin insoweit an, daß behördliche Fehlleistungen nicht in ein der Sphäre der Berufungswerberin zuzurechnendes Verschulden mutieren dürfen. Der Berufungswerberin war daher darin zu folgen, daß sie an dem ihr zur Last gelegten Verhalten kein Verschulden trifft. Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

H i n w e i s: Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. B l e i e r

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