Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-400952/2/BP/Se

Linz, 01.07.2008

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Dr. Bernhard Pree über die Beschwerde des K A, alias H, alias R, alias, M, StA von Afghanistan, derzeit in Schubhaft angehalten im PAZ Steyr, vertreten durch G W, W, wegen Anhaltung in Schubhaft seit 24. Juni 2008 durch den Bezirkshauptmann des Bezirks Vöcklabruck, zu Recht erkannt:

 

I.            Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen; gleichzeitig wird festgestellt, dass die Voraussetzungen für die Anhaltung in Schubhaft weiterhin bestehen.

 

II.        Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Verfahrenspartei: Bezirkshauptmann von Vöcklabruck) den Verfahrensaufwand in Höhe von 271,80 Euro binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

 

Rechtsgrundlagen:

§§ 82 Abs. 1 und 83 Abs. 2 und 4 Fremdenpolizeigesetz – FPG (BGBl. I Nr. 100/2005, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 4/2008) iVm §§ 67c und 79a Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG und der UVS-Aufwandsersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 334/2003.

 

Entscheidungsgründe:

 

1.1. Mit Bescheid des Bezirkshauptmanns von Vöcklabruck vom 24. Juni 2008, GZ: Sich 40-2400-2008, wurde über den Beschwerdeführer (im Folgenden: Bf) auf der Basis des § 76 Abs. 2 Z. 1 und § 80 Abs. 5 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 – FPG - iVm § 57 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 – AVG zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung die Schubhaft verhängt und durch Überstellung in das Polizeianhaltezentrum Steyr am selben Tag vollzogen.

 

Die belangte Behörde geht dabei nach Darstellung der einschlägigen Rechts­grund­lagen im Wesentlichen von folgendem Sachverhalt aus:

 

Der Bf, ein afghanischer Staatsangehöriger, habe am 31. Juli 2007 einen Asylantrag in der EAST-West unter den Personalia H A, geb. am   gestellt. Im Zuge weiterer Einvernahmen vor dem BAA habe er seinen Familiennamen auf K abgeändert. Im Zuge weiterer Ermittlungen sei bekannt geworden, dass der Bf im Rahmen eines Asylverfahrens in Griechenland den Namen R M, geb.  , in Verwen­dung gehabt habe.

 

In der niederschriftlichen Einvernahme vom 25. September 2007 vor dem BAA sei dem Bf vorgehalten worden, dass aufgrund seines Äußeren nicht davon ausgegangen werden könne, dass das von ihm vorgegebene Lebensalter der Realität entspreche. Vielmehr sei davon auszugehen, dass er bereits volljährig sei. In seiner Stellungnahme dazu habe er angeführt, er habe seit seiner Kindheit hart gearbeitet; dies stets mit Erwachsenen, was ihn geprägt habe.

 

In einer unter Zustimmung des Bf durchgeführten medizinischen Feststellung seines Lebensalters am 3. Oktober 2007 sei zusammenfassend festgestellt worden, dass der Bf mit großer Wahrscheinlichkeit das 18. Lebensjahr bereits überschritten habe.

 

In der niederschriftlichen Einvernahme vom 23. Mai 2008 habe der Bf angeführt keine Verwandten in Österreich, in der EU bzw. im EWR zu haben. Im Gutachten eines Facharztes für Psychiatrie und Neurologie seien aufgrund der Untersuchung vom 27. Mai 2008 keine belastungsabhängigen krankheitswertigen psychischen Störungen festgestellt worden. Einer Überstellung nach Griechenland stünden daher keine schweren psychischen Störungen entgegen.

 

Sowohl in der niederschriftlichen Einvernahme vom 30. Oktober 2007 als auch bei denen am 23. Mai und 6. Juni 2008 habe der Bf angeführt nicht nach Griechenland zurückkehren zu wollen. Es gäbe dort keine Möglichkeit zu leben. In Griechenland hätte er monatelang auf den Straßen geschlafen. Sein Leben wäre dort in Gefahr, weil sehr viele Passanten unter Alkohol- bzw. Drogeneinfluss vorüber kämen und ihn "abstechen" und töten würden. In Griechenland könne der Bf nichts tun, außer mit alten Männern Sex zu haben. Er sei auch ganz sicher in Griechenland keinerlei medizinische Behandlung zu bekommen und würde lieber hier getötet werden, als nach Griechenland zurückzukehren.

 

Mit Wirkung vom 1. März 2008 sei dem Bf für die Dauer des weiteren Asylverfahrens eine Unterkunft in der EAST-West zugewiesen worden, nachdem er in eine tätliche Auseinandersetzung am 27. Februar 2008 verwickelt gewesen sei.

 

Der Bf könne keinen Krankenversicherungsschutz, keine Arbeitsgenehmigung im Sinn des § 31 Z. 6 FPG nachweisen und verfüge außer der im Rahmen der Grundversorgung gewährten Mittel über keinerlei Barmittel.

 

Am 30. Oktober 2007 sei dem Bf gemäß § 29 Abs. 3 AsylG 2005 mitgeteilt worden, dass Griechenland für die Durchführung seines Asylverfahrens zuständig sei.

 

Die hartnäckigen Falschangaben zu seinem Geburtsdatum seien nicht glaubhaft. Die belangte Behörde stütze sich auf das durchgeführte Gutachten, wonach der Bf das 18. Lebensjahr bereits vollendet habe und haftfähig sei. Darüber hinaus sei die Verwendung von unterschiedlichen Identitäten in Griechenland und Österreich nur bezeichnend für die Absicht des Bf insbesonders österreichische Behörden betreffend seine Identität anzulügen.

 

Auch seine Vorgangsweise (illegale Grenzübertritte innerhalb der EU) zeige, dass der Bf nicht einer Verfolgungssituation zu entgehen suche, sondern andere Motive verfolge. Die Aussagen nicht nach Griechenland zurückzuwollen, da er dort nichts tun könne außer Sex mit alten Männern zu haben, würden den konkreten und akuten Sicherungsbedarf belegen. Von der Anwendung gelinderer Mittel habe daher Abstand genommen werden müssen.

 

Der Verhängung der Maßnahme stünden weder das Privat- und Familienleben noch das Gebot der Verhältnismäßigkeit entgegen.

 

1.2. Gegen seine Anhaltung in Schubhaft erhob der Bf durch seinen bevollmächtigten Vertreter mit Telefax vom 26. Juni 2008 beim Oö. Verwaltungssenat eingelangt am 27. Juni 2008, Beschwerde gemäß § 72 Abs. 1 und 2 FrG.

 

Darin führt der Bf zunächst aus, dass ein noch nicht rechtskräftiges Asylverfahren beim BAA EAST-West unter GZ: 0706.964 laufe. Gegen einen diesbezüglich zurückweisenden Bescheid erster Instanz werde der Bf noch am selben Tag berufen.

 

Er sei entgegen der irrigen Annahme des BAA minderjährig. In Griechenland sei er nie in einer ihm verständlichen Sprache befragt worden und habe versucht dort seine Personalangaben so gut als möglich zu machen, wisse aber nicht, was die dortigen Behörden aus seinen Angaben gemacht hätten. Er sei dort weiters zu seinem Geburtsdatum niemals befragt worden und hätte es bewusst vermieden, einen Asylantrag zu stellen, da er von anderen Afghanen gewusst habe, dass Asylwerber weder betreut würden, noch die Chance auf einen positiven Abschluss des Verfahrens hätten.

 

Aufgrund der Registrierung in Griechenland komme es jetzt zu einem Konsultationsverfahren. Er habe immer angegeben, dass er am 13. Dezember 1990 geboren sei. Hätten sich die österreichischen Behörden die Mühe gemacht, die Behauptungen in Griechenland mit den Angaben des Bf und seinem Erscheinungsbild zu vergleichen, wären sie jedenfalls zum Schluss gekommen, dass er minderjährig sein müsse.

 

Das von den Behörden eingeholte Altersgutachten sei im Fall des Bf völlig wertlos, da man damit niemals feststellen könne, ob er 17 1/2 oder 18 Jahre alt sei. Außerdem spreche der Gutachter selbst nur von einer hohen Wahrscheinlichkeit, erwiesen sei seine Volljährigkeit keinesfalls.

 

Der UBAS habe in zahlreichen Entscheidungen die Feststellungen des Gutachtens als ungeeignet bezeichnet und angeordnet, dass von der Minderjährigkeit der Betroffenen auszugehen sei, gleichlautend habe der UVS Niederösterreich aus diesen Gründen die Schubhaft als unzulässig erklärt.

 

Der Zweck der verhängten Schubhaft, nämlich den Bf aus Österreich nach Griechenland abzuschieben, könne daher nicht erreicht werden. Es sei auch nicht absehbar, ob dieses Ziel jemals erreicht werden könne. Gemäß den Bestimmungen des Dublin II-Abkommens könnten unbegleitete Minderjährige im Unterschied zu Erwachsenen nur in einen anderen EU-Staat abgeschoben werden, wenn nachweisbar sei, dass sie in diesem einen Asylantrag gestellt hätten. Dies treffe auf den Bf mit Sicherheit nicht zu, da er in Griechenland - mangels Verständigung – gar nicht in der Lage gewesen sei. Er habe dort – wie die anderen – einen "roten Ausweis" erhalten und nicht nur einen Zettel. Die Verhängung der Schubhaft sei daher rechtswidrig.

 

Jedenfalls hätte jedoch ein gelinderes Mittel als die Schubhaft zur Anwendung gebracht werden müssen. Entgegen der Behauptungen der belangten Behörde habe er sich seit seiner Ankunft in Österreich bis zu seiner Festnahme – somit über mehrere Wochen – im Lager Thalham aufgehalten. Hätte er sich den Behörden entziehen wollen, hätte der Bf dies jederzeit tun können, weshalb die Annahme er würde dies nun beabsichtigen nicht gerechtfertigt sei.

 

Der Bf weist in diesem Zusammenhang auf einen Erlass des BMI vom 9. Dezember 1999, Zl: 31.340/12-111/16/99, hin.

 

Zur Durchführung des gelinderen Mittels hätte der Bf – seiner Ansicht nach – ohne weiteres in einer Grundversorgungseinrichtung untergebracht werden können, um dort abzuwarten, ob die Bemühungen ihn nach Griechenland abzuschieben erfolgreich sein würden. Die Grundversorgungseinrichtung sei zwar keine geschlossene Anstalt, in der sein Aufenthalt sichergestellt werden könne, der Fremdenpolizeibehörde wäre es jedoch unbenommen geblieben, die Unterbringung dort mit einer Anordnung gemäß § 77 Abs. 3 FPG zu verbinden.

 

Abschließend stellt der Bf die Anträge der Unabhängige Verwaltungssenat Oberösterreich möge:

 

1.) der Beschwerde stattgeben und die über den Bf verhängte Schubhaft für rechtswidrig erklären, da deren Zweck derzeit nicht erreicht werden könne; in eventu

2.) sollte er sich dieser Meinung nicht anschließen, möge er die Schubhaft aus Gründen des § 77 Abs. 1 FPG aufheben und anordnen, dass der Bf im Rahmen des gelinderen Mittels in einer geeigneten Jugendwohlfahrtseinrichtung untergebracht werde, bis feststehe, ob er Österreich überhaupt verlassen könne.

 

 

2. Mit Schreiben vom 26. Juni 2008 legte die belangte Behörde den bezughabenden Verwaltungsakt vor, beantragte, die gegenständliche Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen und erstattete eine Gegenschrift.

 

2.1. U.a. verweist die belangte Behörde auf die mittels Aktenvermerk festgehaltene Wahrnehmung, wonach aufgrund der Gesichtszüge, des Bartwuchses, der Gesichtsfalten sowie aufgrund des Zustandes der Zähne auf ein Alter jenseits der 18 Jahre geschlossen habe werden können. Die belangte Behörde verweist auch darauf, dass, würde man den Altersangaben des Bf Glauben schenken, er zum Zeitpunkt der Begutachtung durch Dr. Lindenbauer erst im 17. Lebensjahr gewesen wäre.

 

Anlässlich der Bescheidzustellung des Bundesasylamtes habe der Bf zu randalieren begonnen. Da auch im Asylbescheid im Sachverhalt angeführt worden sei, das der Bf aufgrund einer tätlichen Auseinandersetzung am 27. Februar 2008 in die EAST-West verlegt worden sei, werde aus Sicht der belangten Behörde die Sicherung seiner Person im Stande der Schubhaft nur unterstrichen. Es habe von der Anordnung des gelinderen Mittels somit Abstand genommen werden müssen. 

 

2.2. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat nach Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt festgestellt, dass der Sachverhalt bereits aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde hinreichend geklärt ist, weshalb  von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung gemäß § 83 Abs. 2 FPG abgesehen werden konnte.

 

2.3. Der Oö. Verwaltungssenat geht von dem unter den Punkten 1.1., 1.2. und 2.1. dieses Erkenntnisses dargestellten entscheidungswesentlichen Sachverhalt aus. Zusätzlich ist zu ergänzen, dass mit Bescheid des BAA EAST-West vom 23. Juni 2008, Zl.: 07 06.964-EAST-West, der Bf unter Aberkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 10 AsylG aus Österreich durchsetzbar ausgewiesen wurde. Gegen diesen Bescheid erhob der Bf am 26. Juni 2008 das Rechtsmittel der Berufung an den UBAS. Bei der Festnahme anlässlich der Verhängung der Schubhaft verhielt sich der Bf aggressiv.

 

 

3. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat erwogen:

 

3.1. Gemäß § 82 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 – FPG, BGBl. I Nr. 100/2005, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 4/2008, hat der Fremde das Recht, den Unabhängigen Verwaltungssenat mit der Behauptung der Rechts­widrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen,

1.     wenn er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist;

2.     wenn er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz oder das Asylgesetz 2005 angehalten wird oder wurde, oder

3.     wenn gegen ihn die Schubhaft angeordnet wurde.

 

Gemäß § 83 Abs. 4 FPG hat der Unabhängige Verwaltungssenat, sofern die Anhaltung noch andauert, jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen. Im Übrigen hat er im Rahmen der geltend gemachten Beschwerdepunkte zu entscheiden.

 

3.2. Es ist unbestritten, dass der Bf aufgrund des Bescheides des Bezirkshauptmannes von Vöcklabruck vom 24. Juni 2008, Zl. Sich40-2400-2008, bis dato in Schubhaft angehalten wird, weshalb der Oö. Verwaltungssenat zur Entscheidung berufen ist.

 

Nachdem sich der Bf zur Zeit der Entscheidung des Oö. Verwaltungssenates noch in Schubhaft befindet, war gemäß § 83 Abs. 4 FPG eine umfassende Prüfung der Anhaltung und des ihr zu Grunde liegenden Bescheides vorzunehmen.

 

3.3. Gemäß § 76 Abs. 2 FPG kann die örtlich zuständige Fremdenpolizeibehörde über einen Asylwerber oder einen Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, Schubhaft zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung gemäß § 10 AsylG 2005 oder zur Sicherung der Abschiebung anordnen, wenn

1.     gegen ihn eine durchsetzbare – wenn auch nicht rechtskräftige – Ausweisung (§ 10 AsylG 2005) erlassen wurde;

2.     gegen ihn nach den Bestimmungen des AsylG 2005 ein Ausweisungsverfahren eingeleitet wurde;

3.     gegen ihn vor Stellung des Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare Ausweisung (§§ 53 oder 54) oder ein durchsetzbares Aufenthaltsverbot (§ 60) verhängt worden ist oder

4.     aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung und der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass der Antrag des Fremden auf internationalen Schutz mangels Zuständigkeit Österreichs zur Prüfung zurückgewiesen werden wird.

 

Die Schubhaft ist nach dem § 76 Abs. 3 FPG grundsätzlich mit Mandatsbescheid gemäß § 57 AVG anzuordnen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zur Erlassung des Bescheides aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft.

 

Gemäß § 77 Abs. 1 FPG kann die Behörde von der Anordnung der Schubhaft Abstand nehmen, wenn sie Grund zur Annahme hat, dass deren Zweck durch die Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden kann. Gegen Minderjährige hat die Behörde gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn, sie hätte Grund zur Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann.

 

Gemäß § 10 Abs. 1 AsylG ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Ausweisung zu verbinden, wenn 1. der Antrag auf internationalen Schutz zurückgewiesen wird; 2. der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird.

 

§ 5 Abs. 1 AsylG normiert, dass ein Antrag auf internationalen Schutz als unzulässig zurückzuweisen ist, wenn ein anderer Staat vertraglich oder aufgrund der Dublin-Verordnung zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist. Mit dem Zurückweisungsbescheid hat die Behörde auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist.

 

3.4. Im vorliegenden Fall ist völlig unbestritten, dass der Bf – ein Asylwerber – mit Bescheid des BAA EAST-West vom 23. Juni 2008 durchsetzbar aus Österreich ausgewiesen wurde, weshalb die belangte Behörde grundsätzlich zurecht die Schubhaft auf § 76 Abs. 2 Z. 1 FPG stützen konnte.

 

3.5. Vom Bf wird nun vorgebracht, dass die Verhängung der Schubhaft gegen ihn deshalb schon nicht zulässig sei, weil er noch minderjährig (mit Geburtsdatum 13. Dezember 1990) sei und das 18. Lebensjahr somit nicht vollendet habe. Hiezu ist auf § 12 FPG zu verweisen.

 

Gemäß Abs. 1 dieser Bestimmung sind minderjährige Fremde, die das 16. Lebensjahr vollendet haben, in Verfahren nach den Hauptstücken 2 bis 10 des FPG – somit auch in Schubhaftangelegenheiten (8. Hauptstück) – handlungsfähig. Aus der vorgebrachten Behauptung, der Bf sei noch 17 Jahre alt, ist daher grundsätzlich noch nichts gewonnen.

 

Überdies ist anzumerken, dass der Oö. Verwaltungssenat zu dem Schluss gekommen ist, dass der Bf das 18. Lebensjahr bereits vollendet hat. Diese Annahme stützt sich einerseits auf das im letzten Herbst angefertigte medizinische Gutachten, wonach der Bf damals schon als über 18-jährig angesehen werden kann. Allenfalls ist – wenn überhaupt – glaubhaft, dass das erste vom Bf in Griechenland mit 13. Jänner 1990 angegebene Geburtsdatum richtig sein könnte. Durch die Rückdatierung erhoffte und erhofft sich der Bf offensichtlich Vorteile für sein Asyl- bzw. fremdenpolizeiliches Verfahren in Österreich. Im Lichte seiner eindrucksvoll dokumentierten Ausreiseunwilligkeit liegt dieser Schluss mehr als nahe.

 

Zum anderen wird auf den asylrechtlichen Bescheid verwiesen, der offensichtlich ebenfalls von der Volljährigkeit des Bf ausgeht, da ansonsten nicht eine zurückweisende Entscheidung – noch dazu unter Ausschluss der aufschiebenden Wirkung ergangen wäre, da nicht angenommen werden kann, dass die Asylbehörden bewusst die Bestimmungen des Dubliner Abkommens (Art. 6) ignorieren würden.

 

Das erkennende Mitglied des Oö. Verwaltungssenates geht somit ebenfalls von der Volljährigkeit des Bf aus, verweist hinsichtlich der Zulässigkeit der Maßnahme nochmals auf § 12 Abs. 1 FPG, weshalb die Einwendungen hinsichtlich der angeblichen Minderjährigkeit des Bf nicht weiter verfolgt werden müssen.

 

3.6. Aus der "Kann-Bestimmung" des § 76 Abs. 2 FPG wird deutlich, dass es sich bei der Verhängung der Schubhaft um eine Ermessensentscheidung handelt. Es müssen daher im konkreten Fall Umstände in der Person des Bf gelegen sein, die erwarten ließen, dass sich der Bf dem Verfahren gemäß § 76 Abs. 2 FPG entziehen würde. Dabei sind diese Umstände nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs nicht isoliert voneinander sondern in Zusammenschau und unter Erstellung einer Einzelfallprüfung zu betrachten.

 

Im vorliegenden Fall steht zunächst außer Zweifel, dass der Bf relativ mittellos und in Österreich nicht sozial oder sonstig integriert ist.

 

Allein schon aus seinen bewusst unterschiedlichen Angaben zu seiner Person und seinem Alter wird deutlich, dass es der Bf – gelinde gesagt – mit der Wahrheit und dem seriösen Umgang mit Behörden nicht allzu genau nimmt. Das wird offensichtlich, wenn man sich seine diversen Aussagen in den Einvernahmen zu Gemüte führt. Skurril und geradezu dreist muten seine Angaben, weshalb er Griechenland verlassen habe, an. Von Touristen auf der Straße bedroht zu werden oder in Griechenland nichts zu tun zu haben, als mit alten Männern Sex zu haben, sind fraglos nicht Bedrohungsszenarien, die im Asylverfahren tiefgreifend zu berücksichtigen sind. Diese und andere Aussagen beweisen allerdings die Grundintention des Bf in einem – für ihn sozial und wirtschaftlich attraktiven Staat der EU sein Leben zu fristen. Auch sein Begehren, man möge ihn bis zur Klärung der Ausweisungs- bzw. Abschiebungsmöglichkeiten Grundversorgung genießen lassen, wirft – obwohl sonst nicht anstößig – doch ein bezeichnendes Bild auf die Einstellung des Bf. Wäre es ihm bloß um die Erlangung von Schutz vor Verfolgung im Heimatland gegangen, würde er – froh dieser Bedrohung entgangen zu sein – ein Asylverfahren in Griechenland angestrebt und beharrlich verfolgt haben. Genau dies hat der Bf aber aus ökonomischen und sozialen Gründen (wie er selbst angibt) nicht getan.

 

Seine Ausreiseunwilligkeit hat der Bf – wie aus dem Akt der belangten Behörde hervorgeht und unter Punkt 1.1. ausgeführt ist – eindeutig beharrlich und expressiv dokumentiert. Nicht zuletzt ist darauf hinzuweisen, dass der Bf bei der Entgegennahme des Asylbescheides am 23. Juni 2008 offensichtlich zu randalieren begann, wie aus einem Vermerk der belangten Behörde ersichtlich ist.

 

Es spricht für die nunmehrige Maßhaltung der belangten Behörde, dass sie die Schubhaft erst in dem Zeitpunkt verhängte, in dem sich die Elemente für die Annahme, dass sich der Bf dem fremdenpolizeilichen Verfahren entziehen werde, kulminierten. Durch die Tatsache der Zustellung des zurückweisenden Asylbescheides, insbesondere aber durch den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung einer dagegen erhobenen Berufung, konnte die belangte Behörde völlig zurecht davon ausgehen, dass der Bf, da er ja lieber sterben würde als nach Griechenland abgeschoben zu werden, in die Illegalität untertauchen werde.

 

Aufgrund einer Gesamtbeurteilung des Verhaltens des Bf muss somit von einem besonders hohen Sicherungsbedarf ausgegangen werden, da wohl mit Sicherheit angenommen werden kann, dass er auf freiem Fuß belassen sich dem fremdenpolizeilichen Verfahren in Österreich entzogen haben würde.

 

Damit scheidet auch grundsätzlich die Anwendung gelinderer Mittel über den Bf gemäß § 77 FPG konsequenter Weise aus. Im vorliegenden Fall würde der erhöhte Sicherungsbedarf, auch unter der Annahme, dass der Bf noch nicht volljährig sei, bejaht werden müssen, weshalb die für diesen Fall strenger zu prüfenden Kriterien ebenfalls gegeben wären, um die Verhängung der Maßnahme zu rechtfertigen. Den diesbezüglichen Einwendungen in der Beschwerde war somit nicht zu folgen.

 

3.7. Die Verhängung der Schubhaft ist zweifellos auch verhältnismäßig, denn dem Recht des Bf auf Schutz der persönlichen Freiheit steht das dieses überwiegende Interesse des Staates an einem geordneten Fremdenwesen und damit am Schutz und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit gegenüber. Um diese Ziele zu gewährleisten, war der Eingriff in das Recht des Bf auf den Schutz der persönlichen Freiheit notwendig. Der Schutz des Privat- und Familienlebens gemäß Art. 8 EMRK kann im vorliegenden Fall ebenfalls nicht schlagend in Anwendung gebracht werden.

 

3.8. § 80 Abs. 2 FPG normiert, dass die Schubhaft so lange aufrechterhalten werden kann, bis der Grund für ihre Anhaltung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann. Grundsätzlich wird hier eine zweimonatige Höchstgrenze festgelegt. Der Bf wird gegenwärtig erst wenige Tage in Schubhaft angehalten, weshalb die gesetzlich normierte zweimonatige Frist noch rund fünf Wochen nicht zum Tragen kommt.

 

§ 80 Abs. 5 FPG bringt überdies eindeutig zum Ausdruck, dass die Schubhaft bis zum Ablauf der vierten Woche nach rechtskräftiger Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz aufrecht erhalten werden kann, wenn die Schubhaft gemäß § 76 Abs. 2 leg.cit. verhängt wurde.

 

Diese Bestimmung ist auch im konkreten Fall anwendbar. Zum Zeitpunkt der Entscheidung des Oö. Verwaltungssenates liegt noch nicht einmal eine Entscheidung des UBAS vor.

 

Das Ziel der Schubhaft, die Ausweisung und Abschiebung, ist zum Entscheidungszeitpunkt durchaus erreichbar, da Griechenland – entgegen der Darstellungen in der Beschwerde - zur Rückübernahme des Bf verpflichtet ist.

 

3.9. Es sind keinerlei Umstände bekannt, die einer weiteren Anhaltung des Bf in Schubhaft entgegenstehen würden, weshalb die Beschwerde vom 26. Juni 2008 als unbegründet abzuweisen und gleichzeitig auszusprechen ist, dass auch die Voraussetzungen für die Anhaltung in Schubhaft weiterhin vorliegen.

 

 

4. Bei diesem Verfahrensergebnis war dem Bund als Rechtsträger, für den die belangte Behörde eingeschritten ist, nach § 79a Abs. 1, Abs. 3 und Abs. 4 Z 3 AVG iVm § 1 Z 3 und 4 der UVS-Aufwandersatzverordnung (BGBl. II Nr. 334/2003) ein Aufwandersatz in Höhe von insgesamt 271,80 Euro (Vorlageaufwand: 51,50 Euro, Schriftsatzaufwand: 220,30 Euro) zuzusprechen.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

 

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

2. Im gegenständlichen Verfahren sind Gebühren in Höhe von 13,20 Euro angefallen. Ein entsprechender Zahlschein liegt bei.

 

 

Bernhard Pree

Beachte:

Beschwerde gegen vorstehende Entscheidung wurde abgelehnt.

VwGH vom 27.01.2010, Zl.: 2008/21/0490-10

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