Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-440097/5/BMa/Se

Linz, 24.06.2008

 

B e s c h l u s s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Gerda Bergmayr-Mann über die Beschwerde des M M, L, wegen Eingriffs in subjektive Rechte gemäß § 30 Abs.1 Z1 Sicherheitspolizeigesetz am 29. März 2008 in Zurechnung des Polizeidirektors der Bundespolizeidirektion Linz folgenden Beschluss gefasst:

 

I.                  Die Beschwerde wird zurückgewiesen und das Verfahren eingestellt.

 

II.              Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Verfahrenspartei: Polizeidirektor der Bundespolizeidirektion Linz) Aufwendungen in Höhe von 271,80 Euro als obsiegende Partei binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

 

Rechtsgrundlagen:

zu I. Art.129a Abs.1 Z3 Bundes-Verfassungsgesetz – B-VG iVm § 88 Abs.2 Sicherheitspolizeigesetz (im Folgenden: SPG), BGBl. Nr. 566/1991, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 4/2008

zu II. §§ 64c und 79a Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz (im Folgenden: AVG), BGBl.Nr. 51/1991, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 5/2008 iVm § 88 Abs.4 SPG iVm UVS-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. Nr. 334/2003

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: Bf) brachte mit Schriftsatz vom 31. März 2008 (eingelangt beim Oö. Verwaltungssenat am 1. April 2008) Beschwerde wegen Nichtnennung des Anlasses sowie des Zwecks der verlangten Ausweisleistung durch einen Exekutivbeamten in den Räumlichkeiten des KV K,  am 29. März 2007 zwischen 0.00 Uhr und 1.00 Uhr ein.

Begründend wurde ausgeführt, dass trotz mehrmaliger Aufforderung sich der einschreitende Beamte mit der Dienstnummer   geweigert habe, Anlass und Zweck (wie laut § 30 Abs.1 Z1 des Sicherheitspolizeigesetzes vorgesehen) der verlangten (und später auch erfolgten) Ausweisleistung zu nennen, obwohl die Erfüllung der Aufgabe dadurch nicht gefährdet worden wäre.

 

2. Die belangte Behörde wurde vom Unabhängigen Verwaltungssenat zur Erstattung einer Gegenschrift eingeladen. Die Gegenschrift vom 14. Mai 2008 langte beim Oö. Verwaltungssenat am 15. Mai 2008 ein.

Es wurde folgender Sachverhalt geschildert:

Am 29. März 2008 sei in unmittelbarer Nähe zum Lokal "K" eine Zivilstreifenbesatzung von einer unbekannten Person attackiert worden. Im Zuge dieses Angriffes sei der Zivilwagen schwer beschädigt worden und die beiden Beamten seien von dem Täter attackiert worden. Nachdem die Polizisten Unterstützung angefordert und versucht hatten, den Täter zu überwältigen, wurden sie von einer weiteren Person angegriffen. Mit den zwischenzeitig eingetroffenen Unterstützungskräften hätten die beiden Täter überwältigt und festgenommen werden können. Aus dieser Amtshandlung würden Anzeigen wegen schwerer Sachbeschädigung, Widerstand gegen die Staatsgewalt sowie Anzeigen wegen schwerer Körperverletzung resultieren.

Der Angriff und die darauf folgende Amtshandlung seien von zahlreichen Personen, die in unmittelbarer Nähe gestanden seien, beobachtet worden. Diese Zeugen seien anschließend in das Lokal "K" gegangen. Aus diesem Grund sei vom Einsatzleiter angeordnet worden, dass gemäß § 35 Z1 SPG im Nachtlokal Nationale von Personen erhoben werden sollten, da begründet anzunehmen gewesen sei, dass einige zum Sachverhalt zweckdienliche Angaben machen könnten.

Von den einschreitenden Beamten seien danach einige Identitätsfeststellungen nach dem SPG vorgenommen worden. Die Beamten hätten den betroffenen Personen mitgeteilt, dass sie aufgrund eines Vorfalls, bei dem Polizisten angegriffen worden seien und einer damit möglichen Zeugenwahrnehmung zu ihrem Nationale befragt würden. Während dieser Amtshandlung habe sich eine Person äußerst unkooperativ verhalten und jede Mitwirkung verwehrt. Erst nach mehrmaliger Aufforderung habe die Person ihre Nationale widerwillig angegeben. Auf Verlangen dieser Person sei auch eine Visitenkarte vom Beamten ausgehändigt worden.

Vom Einsatzleiter sei dem Geschäftsführer des Lokals und den noch anwesenden Personen der Grund für die Durchführung der Identitätsfeststellungen nochmals mitgeteilt worden. Der Einsatzleiter habe den Anwesenden seine Dienstnummer, den Dienstgrad sowie seinen Namen mitgeteilt.

Bei der rechtlichen Beurteilung wurde auf die gesetzlichen Bestimmungen des § 35 SPG und des § 118 StPO hingewiesen und die Rechte des Betroffenen wurden gemäß § 30 SPG dargestellt. Zusammenfassend wurde dargelegt, dass die einschreitenden Beamten im Rahmen der zur Verfügung stehenden rechtlichen Rahmenbedingungen eingeschritten seien. Die Polizisten hätten aufgrund des vorliegenden Sachverhalts die Identität von Personen erhoben, die über einen gefährlichen Angriff Auskunft erteilen könnten. Die damit verknüpfte Identitätsfeststellung sei auf der Grundlage des § 35 Abs.1 Z1 SPG erfolgt. Den betroffenen Personen sei der Grund für die Identitätsfeststellung, sowie der Zweck derselben von den Polizisten mitgeteilt worden. Überdies hätten die beteiligten Beamten ihre Dienstnummer kund gegeben bzw. sogar Visitenkarten ausgeteilt.

Die gesamte Amtshandlung sei im Rahmen der zulässigen Möglichkeiten vorgenommen worden, wodurch der Bf in den subjektiven Rechten nicht verletzt worden sei.

Es wurde ein Antrag auf Kostenersatz für den Vorlage- und Schriftsatzaufwand gestellt und abschließend die Dienstnummern jener Beamten angegeben, die vor Ort anwesend waren.

 

3.   Der Oö. Verwaltungssenat hat erwogen:

 

3.1.  Gemäß § 88 Abs.2 SPG erkennen die Unabhängigen Verwaltungssenate über Beschwerden von Menschen, die behaupten, auf andere Weise (als durch die Ausübung unmittelbarer sicherheitsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gemäß § 88 Abs.1 SPG) durch die Besorgung der Sicherheitsverwaltung in ihren Rechten verletzt worden zu sein, sofern dies nicht in Form eines Bescheides erfolgt ist.

 

Gemäß Abs.4 leg.cit. entscheidet der Unabhängige Verwaltungssenat über Beschwerden gemäß Abs.1 oder 2 durch eines seiner Mitglieder. Im Übrigen gelten die §§ 67c bis g und 79a AVG.

 

Gemäß § 30 SPG ist bei der Ausübung von Befugnissen im Rahmen der Sicherheitsverwaltung der Betroffene

1)   auf sein Verlangen von Anlass und Zweck des Einschreitens zu informieren;

2)   auf sein Verlangen von den Dienstnummern der einschreitenden Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes in Kenntnis zu setzen;

 

Dies gilt nicht, so lange dadurch die Erfüllung der Aufgabe gefährdet wäre. Die Rechte von Zeugen, Beteiligten und Parteien im Rahmen eines Verwaltungsverfahrens bleiben unberührt (Abs.2 leg.cit.).

 

Gemäß § 35 Abs.1 Z1 SPG sind die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes zur Feststellung der Identität eines Menschen ermächtigt, wenn aufgrund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, er stehe im Zusammenhang mit einem gefährlichen Angriff oder könne über einen solchen Angriff Auskunft erteilen.

Die Feststellung der Identität ist das Erfassen der Namen, des Geburtsdatums und der Wohnanschrift eines Menschen in dessen Anwesenheit. Sie hat mit der vom Anlass gebotenen Verlässlichkeit zu erfolgen (Abs.2 leg.cit.).

 

3.2.  Gemäß § 106 Abs.1 Strafprozessordnung 1975, BGBl. Nr. 631/1975 idF BGBl. I Nr. 109/2007 (im Folgenden: StPO), steht im Ermittlungsverfahren Einspruch an das Gericht jeder Person zu, die behauptet, durch Staatsanwaltschaft oder Kriminalpolizei in einem subjektiven Recht verletzt zu sein, weil

1)   ihr die Ausübung eines Rechts nach diesem Gesetz verweigert oder

2)   eine Ermittlungs- oder Zwangsmaßnahme unter Verletzung von Bestimmungen dieses Gesetzes angeordnet oder durchgeführt wurde.

Eine Verletzung eines subjektiven Rechts liegt nicht vor, soweit das Gesetz von einer bindenden Regelung des Verhaltens von Staatsanwaltschaft oder Kriminalpolizei absieht und von diesem Ermessen im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht wurde.

 

Gemäß § 118 Abs.1 StPO ist Identitätsfeststellung zulässig, wenn aufgrund bestimmter Tatsachen angenommen werden kann, dass eine Person an einer Straftat beteiligt ist, über die Umstände der Begehung Auskunft geben kann oder Spuren hinterlassen hat, die der Aufklärung dienen könnten.

Die Kriminalpolizei ist gemäß Abs.2 leg.cit. ermächtigt, zur Identitätsfeststellung die Namen einer Person, ihr Geschlecht, ihr Geburtsdatum, ihren Geburtsort, ihren Beruf und die Wohnanschrift zu ermitteln. Die Kriminalpolizei ist auch ermächtigt, die Größe einer Person festzustellen, sie zu fotografieren, ihre Stimme aufzunehmen und ihre Papillarlinienabdrücke zu nehmen, soweit dies zur Identitätsfeststellung erforderlich ist.

 

Jedermann ist verpflichtet, auf eine den Umständen nach angemessene Weise an der Feststellung eines Identität mitzuwirken; die Kriminalpolizei hat ihm auf Aufforderung mitzuteilen, aus welchem Anlass diese Feststellung erfolgt (Abs.3 leg.cit.).

 

3.3. Aus der Zusammenschau der oben dargestellten Rechtsgrundlagen ergibt sich, dass eine Identitätsfeststellung sowohl zur Besorgung der Sicherheitsverwaltung als auch im Dienste der Strafrechtspflege erfolgen kann.

 

Eine Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates auf der Grundlage des § 88 Abs.2 iVm § 30 SPG ergibt sich aber nur, sofern die in Beschwer gezogene Handlung im Rahmen der Sicherheitsverwaltung erfolgt war.

 

Die Befugnis nach § 35 SPG zur Identitätsfeststellung stellt darauf ab, dass aufgrund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, ein Mensch stehe im Zusammenhang mit einem gefährlichen Angriff oder könne über einen solchen Angriff Auskunft erteilen. Die Definition des gefährlichen Angriff ergibt sich aus

§ 16 Abs.2 SPG: Ein gefährlicher Angriff ist die Bedrohung (Anm.: im Orginalgesetzestext erfolgt keine Hervorhebung) eines Rechtsgutes durch die rechtswidrige Verwirklichung des Tatbestandes einer gerichtlich strafbaren Handlung, die vorsätzlich begangen und nicht bloß auf Begehren eines Beteiligten verfolgt wird, soweit es sich unter anderem um einen Straftatbestand u.a. nach dem Strafgesetzbuch (StGB), BGBl. Nr. 60/1994, ausgenommen die Tatbestände nach den §§ 278, 278a und 278b StGB handelt.

 

Da beim gefährlichen Angriff die Rechtsgutbedrohung im Vordergrund steht und das Abstellen auf die Verwirklichung bestimmter Straftatbestände nur der näheren Determinierung dient, endet der gefährliche Angriff dann, wenn die Rechtsgutbedrohung entweder aufgegeben bzw. abgewendet wurde oder die Rechtsgutbeeinträchtigung bereits geschehen ist, mag auch der förmliche Justiztatbestand bereits vorher vollends verwirklicht worden sein (Hauer/Kepplinger Sicherheitspolizeigesetz3 A. 10.1. zu § 16 SPG).

Der gefährliche Angriff umfasst somit in einem dynamischen System den Zeitraum vor der ersten (strafrechtlich relevanten) Tathandlung bis zur Vollendung (Pürstl/Zwirnsack, SPG (2005) § 16 E1).

 

3.4.  Im konkreten Fall geht aus dem in der Gegenschrift geschilderten Sachverhalt eindeutig hervor, dass die beiden Täter, die den gefährlichen Angriff getätigt hatten, überwältigt und festgenommen worden waren. Die Festnahme erfolgte wegen schwerer Sachbeschädigung, Widerstand gegen die Staatsgewalt, sowie schwerer Körperverletzung; deshalb wurden auch Anzeigen erstattet.

 

Zwar gibt die belangte Behörde an, gemäß § 35 Abs.1 SPG im Lokal Nationale von Personen erhoben zu haben, da begründet anzunehmen war, dass einige zum Sachverhalt zweckdienliche  Angaben machen könnten. Dabei übersieht sie aber, dass der gefährliche Angriff bereits beendet war, Festnahmen im Dienste der Strafrechtspflege erfolgt waren und die Polizei die nachfolgenden Erkundigungen im Dienste der Strafrechtspflege gemäß § 118 StPO durchgeführt hat. Denn gemäß § 99 Abs.1 StPO ermittelt die Kriminalpolizei unter anderem auch von Amts wegen.

 

3.5.  Weil die Identitätsfeststellungen somit im Rahmen der Strafrechtspflege erfolgten und das polizeiliche Handeln nicht mehr dem Bereich der Sicherheitsverwaltung zuzurechnen war, war die Beschwerde mangels Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates als unzulässig zurückzuweisen.

 

4. Bei diesem Verfahrensergebnis ist gemäß § 79a Abs.3 AVG die belangte Behörde als obsiegende Partei anzusehen. Es war daher dem Bund als dem Rechtsträger, für den die belangte Behörde eingeschritten ist, auf Antrag (die belangte Behörde hat in ihrer Gegenschrift Kostenersatz begehrt) Aufwandersatz gemäß § 79a AVG zuzusprechen.

 

Nach § 1 Z3 UVS-Aufwandersatzverordnung 2003 beträgt der Vorlageaufwand 51,50 Euro und nach § 1 Z4 der Schriftsatzaufwand 220,30 Euro. Dem Bund war daher ein Ersatz in der Höhe von 271,80 Euro zuzusprechen.

 

Ein Kostenersatz ist nach den zitierten Rechtsgrundlagen unabhängig davon zu leisten, dass auch die belangte Behörde (irrtümlicherweise) davon ausgegangen war, die gegenständlichen Ermittlungen würden zur Besorgung der Sicherheitsverwaltung durchgeführt werden.

 

Analog dem § 59 Abs.4 VwGG 1985 war eine Leistungsfrist von 2 Wochen festzusetzen, zumal das Schweigen des § 79a AVG 1991 nur als planwidrige Lücke aufgefasst werden kann, sollte doch die neue Regelung idF BGBl. Nr. 471/1995 im Wesentlichen eine Angleichung der Kostentragungsbestimmungen an das VwGG bringen (vgl. Erl. zur RV, 130 Blg NR XIX. GP, 14f).

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungs­gerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 [ab 1. Juli 2008: 220] Euro zu entrichten.

2. Im gegenständlichen Verfahren sind Gebühren in der Höhe von 13,20 Euro angefallen.

 

Mag. Bergmayr-Mann

Beschlagwortung:

Abgrenzung der Zuständigkeit nach SPG und StPO

 

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum