Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-400951/7/Fi/Wb

Linz, 01.07.2008

 

E r k e n n t n i s

(Bescheid)

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mit­glied Vizepräsident Mag. Dr. Johannes Fischer über die Be­schwerde des A J, vertreten durch Dr. M B, Rechtsanwalt, S, 47 S, wegen Anhaltung in Schubhaft im Polizeianhaltezentrum der Bundespolizeidirektion Linz durch den Bezirkshauptmann von Schärding, zu Recht erkannt:

I.                  Der Antrag auf Behebung des Schubhaftbescheids vom 12.6.2008,  Sich 40-9533, wird als unzulässig zurückgewiesen.

 

II.              Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

III.          Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Verfahrenspartei: Bezirkshauptmann von Schärding) den Verfahrensaufwand in Höhe von 51,50 Euro binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Rechtsgrundlagen:

§§ 82 Abs 1 und 83 Abs 2 und 4 Fremdenpolizeigesetz 2005 – FPG (BGBl I Nr. 100/2005 zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 4/2008) iVm. §§ 67c und 79a Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG und der UVS-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl II Nr. 334/2003.

 


Entscheidungsgründe:

1. Mit Bescheid des Bezirkshauptmanns des Bezirks Schärding vom 12. Juni 2008, Sich40-9533, ausgehändigt am selben Tag, wurde die Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung gemäß § 76 Abs 2 und 3, § 77 und § 6 FPG iVm. § 58 AVG über den Beschwerdeführer (in der Folge: Bf) unmittelbar im Anschluss an seine Entlassung aus der von ihm verbüßten Strafhaft verhängt und durch Überstellung in das Polizeianhaltezentrum Linz am 13. Juni 2008 vollzogen.

Begründend führt die belangte Behörde nach Darstellung der Rechtsgrundlagen im Wesentlichen aus, dass der Bf Staatsangehöriger der Republik G sei und dies nach Mitteilung des Bundesministeriums für Inneres vom 2. Juni 2008 im Rahmen einer Identitäts- und Nationalitätsprüfung durch eine gambische Delegation nunmehr auch offiziell festgestellt worden sei.

Der Bf habe sich von 14. April 2007 bis 12. Juni 2007 wegen Verdachtes nach § 27 Suchtmittelgesetz in gerichtlicher Untersuchungshaft befunden und sei in der Folge wegen dieses Gerichtsdeliktes für schuldig befunden und gerichtlich verurteilt worden.

Am 26. Juni 2007 sei der Bf von der Justizanstalt J in Wien zur weiteren Strafhaftverbüßung – mit gerichtlichem Strafende 13. Juni 2008 – in die Justizanstalt S überstellt worden.

Laut dem zentralen Melderegister scheine als Hauptwohnsitz des Bf seit 26. Juni 2007 sein derzeitiger Anhalteort 49 S, K auf.

Der Bf sei durch das Landesgericht für Strafsachen in Wien, GZ 044 E HV 32/2007G, rechtskräftig seit 12. Juni 2007 nach den §§ 27 Abs. 2 Ziff. 2 (1. Fall) sowie 27 Abs 1 Suchtmittelgesetz und § 15 Strafgesetzbuch zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 9 Monaten verurteilt worden.

Gleichzeitig sei eine auf gleicher schädlicher Neigung beruhende und dafür ausgesprochene bedingte Freiheitsstrafe von 5 Monaten des Landesgerichtes Korneuburg vom 23. Juni 2006, GZ 2006, widerrufen worden. Auch weitere gerichtliche Verurteilungen des Bf würden auf gleicher schädlicher Neigung beruhen.

Nach der Überstellung des Bf aus der Justizanstalt J am 26. Juni 2007 verbüße dieser derzeit einen Teil dieser Strafhaft in der Justizanstalt S, K, werde dort angehalten und befände sich daher nicht bloß kurzfristig in Haft.

 

Auf Grund der vorangeführten rechtskräftigen Verurteilungen des Bf bestehe gegen diesen ein seit 27. April 2006 rechtskräftiges unbefristetes Aufenthaltsverbot der Bundespolizeidirektion Wien vom 11. April 2006, Zl. III-1192209/FrB/06.

Zuvor sei gegen den Bf schon mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 8. März 2005, rechtskräftig seit 22. März 2005, ein auf 10 Jahre befristetes Aufenthaltsverbot erlassen worden.

Die belangte Behörde führt weiters aus, dass der Bf am 18. Oktober 2004 illegal mit dem Zug über unbekannt in das österreichische Bundesgebiet einreiste und als undokumentierter Fremder einen Antrag auf internationalen Schutz in Bezug auf Zuerkennung des Status als Asylberechtigten eingebracht habe.

Der am 18. Oktober 2004 bei der Erstaufnahmestelle Ost eingebrachte Asylantrag sei seit 7. Oktober 2005, nach Berufung beim Unabhängigen Bundesasylsenat, rechtskräftig negativ. Gleichzeitig mit dieser Entscheidung sei auch die gegen den Bf mit Entscheidung in II. Instanz ausgesprochene Ausweisung in Rechtskraft erwachsen.

Die Abschiebung des Bf in sein Heimatland G sei somit für zulässig erklärt worden.

Die dem Bf von der Erstaufnahmestelle Ost zugesprochene vorläufige Aufenthaltsberechtigung, gültig ab 16. November 2004, sei nach dem negativen Asylverfahrensabschluss widerrufen worden.

Der Bf befände sich daher seit diesem Zeitpunkt unrechtmäßig (kein gültiges Reisedokument in Verbindung mit einem für Staatsangehörige von G erforderlichen gültigen Aufenthaltstitel, rechtskräftiges durchsetzbares unbefristetes Aufenthaltsverbot) im Gebiet der Republik Österreich.

Gegen den Bf seien im Bundesgebiet folgende Schubhaften angeordnet, verhängt und/oder vollstreckt worden:

          1. Bundespolizeidirektion Wien-FrB, 24.11.05 / es erfolgte keine Verhängung und Vollzug

         2. Bundespolizeidirektion Klagenfurt-FrR, 29.08.06-22.02.2007 (178 Tage – Setzung auf freien Fuß – keine Erlangung eines Heimreisezertifikates)

Gemäß § 6 Abs 4 FPG richte sich die örtliche Zuständigkeit zu einer Verhängung der Schubhaft gegen den Bf nach seinem Aufenthalt zum Zeitpunkt seiner Entlassung aus der gerichtlichen Strafhaft und komme daher der hiesigen Behörde, der Bezirkshauptmannschaft Schärding zu.

Ein Reisedokument des Bf bzw. sonstige Dokumente in Bezug auf Ihre Identität und Nationalität lägen derzeit weder in den fremdenpolizeilichen Aktenunterlagen bei der belangten Behörde und auch in seinen Effekten in der Justizanstalt S nicht vor. Im Asylverfahren sei der Bf als dokumentenloser Fremden (Staatsangehörigkeit: G) geführt worden.

Es werde daher, da die Nationalität des Bf festgestellt worden sei, zeitgerecht, bei zulässiger Durchführbarkeit aufenthaltsbeendender fremdenpolizeilicher Maßnahmen um ein Heimreisezertifikat zum Zweck der Abschiebung angesucht.

Die Verständigung vom Ergebnis dieser Beweisaufnahme sei dem Bf in der Justizanstalt S am 4. Juni 2008 nachweislich ausgehändigt worden.

Eine Stellungnahme zur beabsichtigten Maßnahme (eventuelle Verhängung der Schubhaft nach Strafhaftverbüßung zur Sicherung der Abschiebung) innerhalb der eingeräumten Frist sei durch den rechtsfreundlichen Vertreter des Bf am 9. Juni 2008 erfolgt. In dieser habe der Vertreter des Bf einen neuerlichen Asylantrag eingebracht und mitgeteilt, dass der Bf bei einer Bekannten, Frau J B in 11 W, L Aufenthalt nehmen könnte.

Auf Grund des angeführten Sachverhalts – Missbrauch des Asylrechtes im Gastland, wiederkehrendes auf gleicher schädlicher Neigung beruhendes gerichtlich strafbares Verhalten, vor nunmehr neuerlicher Asylantragstellung bereits verhängtes, rechtskräftiges und durchsetzbares Aufenthaltsverbot, rechtskräftige Ausweisung in II. Instanz nach geführten 1 Asylverfahren durch die Asylbehörden – habe die belangte Behörde die Schubhaft angeordnet und werde bei Bedarf auch verhängt, um den Bf nach seiner Entlassung aus der Strafhaft abschieben zu können.

Im Interesse der Aufrechterhaltung der Öffentlichen Ordnung sowie zum Schutz der Gesundheit der Bevölkerung dieses Landes erscheine auf Grund der Einstellung des Bf zur österreichischen Rechtsordnung sowie daraus resultierender mehrerer gerichtlicher Verurteilungen nach dem Suchtmittelgesetz und seines derzeit unrechtmäßigen Aufenthalts im Gebiet der Republik Österreich die Schubhaftanordnung/ -verhängung/ -vollstreckung gerechtfertigt und diene zur Sicherung der Abschiebung.

Der Zweck der Schubhaft könne im Fall des Bf, unter Berücksichtigung der Verhältnismäßigkeit, durch Anwendung eines gelinderen Mittels gemäß § 77 Abs 1 FPG nicht erreicht werden, weil auf Grund des dargestellten Sachverhalts zu befürchten sei, dass der Bf sofort untertauchen würde und so die geplanten weiteren aufenthaltsbeendenden fremdenpolizeilichen Maßnahmen verhindern bzw. zumindest erschweren würde. Auch die Setzung weiterer Drogendelikte könne nicht ausgeschlossen werden.

Zu der Mitteilung, dass der Bf nach gerichtlicher Strafhaftentlassung in Wien bei einer Bekannten Aufenthalt nehmen könne wird bemerkt, dass dazu erst Erhebungen zu führen wären.

Die belangte Behörde hätte bisher die Erfahrung gemacht, dass entlassene Gerichtshäftlinge mit anhängigem Asylverfahren sich meldepolizeilich bei "Bekannten" nur kurzfristig anmelden würden um eine sogenannte Zustelladresse zu haben, in der Regel jedoch in der Folge für die Asyl- und Fremdenpolizeibehörden nicht mehr greifbar wären und in die Anonymität untertauchen würden. Durch die Asylbehörden seien dann meistens diese Zweit-, Dritt- und weiteren Verfahren, die dem Antragsteller lediglich dazu dienen würden die beabsichtigte Abschiebung zu verhindern, diese zu unterlaufen bzw. zu boykottieren, einzustellen.

Abschließend führt die belangte Behörde an, dass die Verhängung und Vollstreckung der Schubhaft gegen den Bf auch dadurch gerechtfertigt erscheine, da dieser am 4. Juni 2008 gegenüber Beamten des Strafvollzuges der Justizanstalt Suben erklärt habe, mit einer freiwilligen Rückreise in sein Heimatland nicht einverstanden zu sein.

2.1. In der vorliegenden Beschwerde vom 13. Juni 2008, eingelangt beim Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich am 16. Juni 2008 (Telefax eingebracht am 13. Juni 2008 nach Ende der Amtsstunden), stellt der Bf die Anträge, der Unabhängige Verwaltungssenat möge

1.     seiner Beschwerde stattgeben und feststellen, dass er durch die über ihn verhängte Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung mit Bescheid vom 12. Juni 2008 in seinen durch Artikel 4 Abs 6 BVG über den Schutz der persönlichen Freiheit  verletzt wurde;

2.     den Bescheid vom 12.6.2008, GZ: Sich40-9533 ersatzlos beheben;

3.     erkennen, die belangte Behörde ist schuldig, dem Beschwerdeführer gemäß § 79a AVG die Kosten dieses Verfahrens binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu Handen des ausgewiesenen Vertreter zu bezahlen.

Begründend führt der Bf insbesondere aus, dass jeder Festgenommene gemäß Art 4 Abs 6 des BVG über den Schutz der persönlichen Freiheit ehestens, womöglich bei seiner Festnahme in einer ihm verständlichen Sprache über die Gründe seiner Festnahme und die gegen ihn erhoben Anschuldigen zu unterrichten sei.

Gegen dieses Recht sei verstoßen worden. Der Bf habe ein Schriftstück ausgehändigt bekommen und habe es unterschreiben müssen, obwohl er nicht gewusst habe, worum es überhaupt gehe und was ihm vorgeworfen werde. Es sei ihm auch keine Übersetzung ausgehändigt worden und es sei ebenso keine Erklärung durch einen Dolmetscher erfolgt.

Weiters erachte der Bf sein Recht auf persönliche Freiheit nach Artikel 5 Abs 1 EMRK und sein Recht auf Information über die Gründe der Festnahme nach Artikel 5 Abs 2 EMRK als verletzt.

Die Behörde habe verschwiegen, dass der Bf am 9. Juni 2008 einen Asylantrag eingebracht habe. Eine Schubhaftverhängung während eines noch nicht rechtskräftig abgeschlossenen Asylverfahrens sei jedoch rechtswidrig.

Weiters wäre die Schubhaftverhängung nicht notwendig gewesen, da er bei einer Bekannten Unterkunft hätte nehmen können und ihm hätte aufgetragen werden können, sich zweitägig im Polizeianhaltezentrum zu melden.

Die angeführten Gründe habe jedoch die belangte Behörde nicht berücksichtigt.

Abschließend bestreitet er, das Asylrecht im Gastland zu missbrauchen und führt an, dass entsprechend der Judikatur des Verfassungsgerichthofes die Unabhängigen Verwaltungssenate jedwede Rechtsverletzung, also auch die gegenständliche Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Grundrechts "in möglichst kurzer Frist" bzw. "ehestens, womöglich bei der Festnahme" über die Gründe der Festnahme unterrichtet zu werden habe, aufzugreifen und für rechtswidrig zu erklären sei. (Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes vom 10.10.1994, B46/94-8 und B85/94-11).

Im Übrigen werden die Annahmen der belangten Behörde nicht bestritten.

2.2. Die belangte Behörde hat dem Unabhängigen Verwaltungssenat den dort geführten Verwaltungsakt am 16. Juni 2008 übermittelt und eine kostenpflichtige Abweisung der Schubhaftbeschwerde beantragt.

2.3. Aus dem vorgelegten Verwaltungsakt ergibt sich neben dem schon Geschilderten zusätzlich, dass der Bf bei der Einvernahme vor der EASt Ost angab, dass er am 15. März 1988 geboren ist, somit unbegleiteter Minderjähriger ist und keine Verwandten in Österreich hat. Weiters führte der Bf in der Ersteinvernahme vor der EASt Ost aus, dass er aus G stamme.

Im Zuge der Ersteinvernahme wurde dem Bf zu Kenntnis gebracht, dass aufgrund seines äußeren Erscheinungsbildes anzunehmen sei, dass das vom Bf ursprünglich angegebene Lebensalter nicht der Richtigkeit entspreche und davon auszugehen sei, dass er zumindest das 20. Lebensjahr vollendet habe. Der Bf hat zu diesem Vorbringen in weiterer Folge geschwiegen.

In der zweiten Einvernahme vor der EASt Ost räumte der Bf – entgegen seinen ursprünglichen Behauptungen - ein, dass er nicht aus G ist.

Aus einem Aktenvermerk der Bundespolizeidirektion Wien vom 8. März 2005, ergibt sich, dass der Bf seine Abgabestelle - ohne die Behörde zu informieren - während des laufenden Verfahrens (Aufenthaltsverbotsbescheid) geändert hat.

Der Schubhaftbescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 24. November 2005 ergibt, dass es sich bei der im damaligen Verfahren vom Bf angegebenen Adresse lediglich um eine "Zustelladresse" handelte.

Dem genannten Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien betreffend das Aufenthaltsverbot bzw. dem erwähnten Schubhaftbescheid zu Folge bestehen zu Österreich weder familiäre noch berufliche Bindungen; derartige wurden auch im laufenden Verfahren nicht vorgebracht.

In der Niederschrift der Bundespolizeidirektion Klagenfurt vom 29. Juni 2006 gab der Bf an, dass wenn er nach G zurückkehren solle, er bereits in Österreich seinem Leben ein Ende setzen werde.

In einer Niederschrift vom 4. Juni 2008, aufgenommen in der Strafvollzugskanzlei der Justizanstalt Suben, hat der Bf angegeben, dass er sich mit einer freiwilligen Rückreise in sein Heimatland G nicht einverstanden erklärt.

Am 17. Juni 2008 wurde dem Bf gem. § 29 Abs 3 AsylG vom Bundesasylamt EASt West mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, seinen Antrag auf internationalen Schutz wegen entschiedener Sache im Sinne des § 68 AVG zurückzuweisen. Dieses Schreiben wurde dem Bf am gleichen Tag ausgehändigt.

Am 19.6.2008, 11.59 Uhr, wurde der Beschwerdeführer aufgrund eines Hungerstreikes aus der Schubhaft entlassen.

2.4. Die in der Beschwerde behauptete Verletzung gemäß Art 4 Abs 6 des BVG über den Schutz der persönlichen Freiheit wurde vom Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vorläufig als selbstständiges Vorbringen im Sinne des § 2 Abs 2 i.V.m. § 88 Abs 2 SPG gewertet und es erging hierzu am 23. Juni 2008 ein Verbesserungsauftrag gemäß § 13 Abs 3 AVG an den rechtsfreundlichen Vertreter des Beschwerdeführers. Dieser gab mit Schreiben vom 26. Juni 2008 bekannt, dass eine diesbezügliche Beschwerde nicht aufrecht erhalten bleibt.

2.5. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich, der zur Entscheidung durch eines seiner Mitglieder berufen ist (§ 83 Abs 2 FPG), hat nach Einsicht in den vorgelegten Verwaltungsakt festgestellt, dass bereits aus der Aktenlage in Verbindung mit der eingebrachten Beschwerde der Sachverhalt (siehe die diesbezüglichen Ausführungen unter den Punkten 1, 2.1. und 2.3.) hinlänglich geklärt erscheint. Da im Wesentlichen Rechtsfragen zu klären waren, konnte von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß § 83 Abs 2 Z 1 FPG abgesehen werden.

3.1. Gemäß § 82 Abs 1 FPG hat der Fremde das Recht, den Unabhängigen Verwaltungssenat mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen,

  1. wenn er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist;
  2. wenn er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz oder das Asylgesetz 2005 angehalten wird oder wurde, oder
  3. wenn gegen ihn die Schubhaft angeordnet wurde.

Gemäß § 83 Abs 1 FPG ist der Unabhängige Verwaltungssenat zur Entscheidung zuständig, in dessen Sprengel der Bf festgenommen wurde.

Der Bf ist Fremder, wurde in Oberösterreich – im Anschluss an die gerichtliche Strafhaft – festgenommen und wurde vom 13. Juni bis zum 19. Juni 2008 in Schubhaft angehalten. Seine am 16. Juni 2008 eingelangte Beschwerde ist rechtzeitig und auch sonst zulässig.

3.2. Gemäß § 76 Abs 2 FPG kann die örtlich zuständige Fremdenpolizeibehörde über einen Asylwerber oder einen Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, Schubhaft zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung gemäß § 10 AsylG 2005 oder zur Sicherung der Abschiebung anordnen, wenn

  1. gegen ihn eine durchsetzbare - wenn auch nicht rechtskräftige - Ausweisung (§ 10 AsylG 2005) erlassen wurde;
  2. gegen ihn nach den Bestimmungen des AsylG 2005 ein Ausweisungsverfahren eingeleitet wurde;
  3. gegen ihn vor Stellung des Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare Ausweisung (§§ 53 oder 54) oder ein durchsetzbares Aufenthaltsverbot (§ 60) verhängt worden ist oder
  4. auf Grund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung und der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass der Antrag des Fremden auf internationalen Schutz mangels Zuständigkeit Österreichs zur Prüfung zurückgewiesen werden wird.

 

Die Schubhaft ist nach dem § 76 Abs 3 FPG grundsätzlich mit Mandatsbescheid gemäß § 57 AVG anzuordnen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zur Erlassung des Bescheides aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft.

Gemäß § 77 Abs. 1 FPG kann die Behörde von der Anordnung der Schubhaft Abstand nehmen, wenn sie Grund zur Annahme hat, dass deren Zweck durch Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden kann. Gegen Minderjährige hat die Behörde gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn, sie hätte Grund zur Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann.

Im konkreten Fall hat sich die belangte Behörde – nach Durchführung eines Ermittlungsverfahrens - bei der Schubhaftverhängung auf § 76 Abs 2 Z 3 FPG gestützt und diese im Wesentlichen damit begründet, dass gegen den Bf ein unbefristetes Aufenthaltsverbot der Bundespolizeidirektion Wien vom 11. April 2006, Zl. III-1192209/FrB/06, rechtskräftig seit 27. April 2006, vorliegt; davor existierte ein ebenfalls von der Bundespolizeidirektion Wien auf 10 Jahre befristetes Aufenthaltsverbot, rechtskräftig seit 22. März 2005.

Wie sich aus dem Sachverhalt ergibt, hat der Bf im Wege seines rechtsfreundlichen Vertreters am 9. Juni 2008 einen neuerlichen Asylantrag beim Bundesasylamt, EASt West eingebracht.

Damit lag entsprechend § 76 Abs 2 Z 3 FPG vor Stellung des Antrages auf internationalen Schutz die Voraussetzung des durchsetzbaren Aufenthaltsverbotes vor, sodass grundsätzlich eine Schubhaftverhängung rechtlich möglich war.

3.3 Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs (VwGH; vgl dazu das Erkenntnis vom 30. August 2007, Zl. 2007/21/0043; diesem folgend etwa VwGH vom 22. November 2007, Zl. 2006/21/0189) sind sämtliche Schubhafttatbestände des § 76 Abs 2 FPG final determiniert. Sie rechtfertigen die Verhängung von Schubhaft nur "zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung gemäß § 10 AsylG 2005 oder zur Sicherung der Abschiebung". Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) hat darüber hinaus, in seinem Erkenntnis vom 15. Juni 2007, B 1330/06 und B 1331/06, klargestellt, dass die Behörden in allen Fällen des § 76 Abs 2 FPG unter Bedachtnahme auf das verfassungsrechtliche Gebot der Verhältnismäßigkeit verpflichtet sind, eine einzelfallbezogene Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Sicherung des Verfahrens und der Schonung der persönlichen Freiheit des Betroffenen vorzunehmen. Im Ergebnis bedeutet dies, dass die Schubhaft auch dann, wenn sie auf einen der Tatbestände des § 76 Abs 2 FPG gestützt werden soll, stets nur ultima ratio sein darf (in diesem Sinn auch die Rechtsprechung des erkennenden Senats, etwa VwSen-400937/4/SR/Ri vom 10. März 2008 mwN).

Die Verhängung der Schubhaft erweist sich dann als rechtswidrig, wenn diese Maßnahme aus Gründen des Einzelfalls in Abwägung mit insbesondere verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten unverhältnismäßig ist oder an deren Stelle seitens der Fremdenpolizeibehörde gelindere Mittel iSd. § 77 Abs. 1 FPG hätten angewendet werden können. Insoweit ist das in dieser Bestimmung von ihrem Wortlaut her vorgesehene Ermessen für die Behörde eingeschränkt und muss jeweils einer strengen Verhältnismäßigkeitsprüfung unterzogen werden. Ein Hinweis auf bloß allgemeine Annahmen oder Erfahrungswerte genügt dabei nicht, um die Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit einer Freiheitsentziehung im Einzelfall zu begründen (vgl. bereits VfSlg. 14 981/1997).

Aus den unbestritten gebliebenen Annahmen der belangen Behörde sowie der Aktenlage sind insbesondere folgende Umstände zu berücksichtigen, die im Sinn der Rechtsprechung des VwGH bzw. des Unabhängigen Verwaltungssenats den gesetzlich geforderten Sicherungsbedarf im konkreten Fall ergeben:

-         Der Bf wurde mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen in Wien, GZ. 0 E HV 2007G, rechtskräftig seit 12. Juni 2007, zu einer unbedingten Haftstrafe von 9 Monaten wegen Vergehen nach dem Suchtmittelgesetz verurteilt. Gleichzeitig wurde eine bedingte Freiheitsstrafe von 5 Monaten des Landesgerichtes Korneuburg vom 23. Juni 2006, GZ. BE 2006V, wegen einer auf gleicher schädlicher Neigung beruhenden Verurteilung widerrufen.

-         Im (ersten) Asylverfahren hat der Bf zu Beginn bewusst falsche Angaben gemacht.

-         Der Bf hat sich im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit der Erlassung eines auf zehn Jahre befristeten Aufenthaltsverbotes durch die Bundespolizeidirektion Wien am 8. März 2005 von seiner polizeilich gemeldeten Unterkunft entfernt, ohne eine neue Adresse bekanntzugeben und war folglich für die Fremdenbehörden nicht erreichbar. Auch ergibt sich aus dem Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 24. November 2005, mit dem gegen den Bf die Schubhaft angeordnet wurde, dass es sich bei der im damaligen Verfahren vom Bf angegebenen Adresse lediglich um eine Zustelladresse gehandelt hat.

-         Der Bf verfügt über keine beruflichen oder familiären ("soziale") Bindungen. Zu der vom Bf erwähnten "Bekannten", bei welcher er sich während des Asylverfahrens aufhalten könnte, führt er keine nähren Bindungen ins Treffen, die darauf schließen lassen, dass dadurch eine ins Gewicht fallende soziale Integration in Österreich gegeben ist.

Aufgrund der erwiesenen Suchtgiftdelinquenz, dem Fehlen einer ins Gewicht fallenden sozialen Integration, der bewusst falschen Angaben im (ersten) Asylverfahren und seines teilweisen unbekannten Aufenthalts für die Fremdenbehörden in einem früheren Verfahren konnte und durfte die belangte Behörde einen Bedarf zu Sicherung der Abschiebung des Bf annehmen.

Unter Berücksichtigung der Rechtsansicht der Verwaltungsgerichtshofes (siehe insbesondere VwGH vom 28. Juni 2007, GZ. 2004/21/0028) liegen demnach im vorliegenden Fall konkrete und stichhaltige Gründe, welche die Prognose, dass sich der Bf dem weiteren fremdenpolizeilichen Verfahren entziehen werde, vor. Die Prognoseentscheidung seitens der Behörde bezüglich eines drohenden Abtauchens des Bf in die Illegalität ist aufgrund des bisherigen Verhaltens des Bf als schlüssig begründet anzusehen.

Das bisherige Verhalten des Bf zeigt nämlich nicht nur die – für die Verhängung der Schubhaft für sich genommen unbedeutende – Ausreiseunwilligkeit  des Bf, sondern insbesondere das Bestehen eines erhöhten Sicherungsbedarfes (vgl ua. VwGH vom 30. August 2007, 2006/21/0107). Dabei ist auch darauf Bedacht zu nehmen, dass im Rahmen des laufenden (zweiten) Asylverfahrens dem Bf bereits mitgeteilt wurde, den Antrag wegen entschiedener Sache im Sinne des § 68 AVG zurückzuweisen.

Die In-Haft-Nahme und die Anhaltung des Bf war somit nicht als bloß rein präventive Vorbereitungshandlung für die Abschiebung anzusehen, sondern aufgrund des Verhaltens des Bf zu deren Sicherung. Angesichts des gegebenen Sachverhalts hatte die belangte Behörde auch keinen Grund zur Annahme, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden kann.  

 

4. Dem Unabhängigen Verwaltungssenat obliegt ausschließlich eine Rechtmäßigkeitsprüfung des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung. Dauert die Anhaltung zum Zeitpunkt der Entscheidung noch an, hat der Unabhängige Verwaltungssenat festzustellen, ob die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

 

Stellt der Unabhängige Verwaltungssenat fest, dass die Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft nicht vorliegen, ist die Schubhaft des Fremden gemäß § 81 Abs. 1 Z.2 FPG formlos aufzuheben.

Der entsprechende weiterführende Antrag des Bf auf Behebung des Schubhaftbescheids war daher zurückzuweisen.

5. Da die Anhaltung des Beschwerdeführers nicht mehr andauert, hat der erkennende Senat im Rahmen der geltend gemachten Beschwerdepunkte zu entscheiden (§ 83 Abs 4 FPG); darüber hinaus gehende Fragen waren daher nicht zu prüfen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

6. Bei diesem Verfahrensergebnis war dem Bund als Rechtsträger, für den die belangte Behörde eingeschritten ist, nach § 79a Abs. 1, Abs. 3 und Abs. 4 Z 3 AVG iVm. § 1 Z 3 der UVS-Aufwandsersatzverordnung (BGBl. II Nr. 334/2003) antragsgemäß ein Aufwandersatz in Höhe von 51,50 Euro (Vorlageaufwand) zuzusprechen.

Im Verfahren sind Gebühren in Höhe von 13,20 Euro angefallen; ein entsprechender Zahlschein liegt bei.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

Johannes Fischer

Rechtssatz:

§§ 76 Abs. 2 Z 3; 80, 81 FPG; Schubhaft

Aufgrund der erwiesenen Suchtgiftdelinquenz, dem Fehlen einer ins Gewicht fallenden sozialen Integration, der bewusst falschen Angaben im (ersten) Asylverfahren und seines teilweisen unbekannten Aufenthalts für die Fremdenbehörden in einem früheren Verfahren konnte und durfte die belangte Behörde einen Bedarf zu Sicherung der Abschiebung des Bf annehmen.

 

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