Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-162920/9/Zo/Da

Linz, 07.07.2008

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Zöbl über die Berufung des Herrn R F, geb. , vertreten durch Rechtsanwalt Dr. L, G, L, vom 29.1.2008 gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Urfahr-Umgebung vom 22.1.2008, Zl. VerkR96-3560-2006, wegen zwei Übertretungen der StVO nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungs­verhandlung am 26.6.2008 zu Recht erkannt:

 

I.                   Der Berufung wird stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

 

II.                 Es entfallen sämtliche Verfahrenskostenbeiträge.

 

 

Rechtsgrundlagen:

zu  I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 Abs.1, 51e und 45 Abs.1 Z1 VStG;

zu II.: §§ 64 ff VStG.

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

Zu I.:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung hat dem Berufungswerber im angefochtenen Straferkenntnis vorgeworfen, dass er am 24.7.2006 um 7.35 Uhr in Linz auf der A7 bei der Autobahnauffahrt des "Pro Kauflandes" bei km 0,2 als Lenker des Sattelkraftfahrzeuges,  mit einem Verkehrsunfall mit Sachschaden in ursächlichem Zusammenhang gestanden sei und

1) sein Fahrzeug nicht sofort angehalten habe sowie

2) nicht ohne unnötigen Aufschub die nächste Polizeidienststelle verständigt habe, obwohl es auch mit dem Geschädigten zu keinem gegenseitigen Nachweis von Name und Anschrift gekommen sei.

 

Der Berufungswerber habe dadurch Verwaltungsübertretungen nach § 4 Abs.1 lit.a bzw. § 4 Abs.5 StVO 1960 begangen, weshalb über ihn zwei Geldstrafen in Höhe von 250 Euro bzw. 200 Euro sowie entsprechende Ersatzfreiheitsstrafen verhängt wurden. Weiters wurde er zur Zahlung eines Verfahrenskostenbeitrages in Höhe von 45 Euro verpflichtet.

 

2. In der dagegen rechtzeitig eingebrachten Berufung kritisierte der Berufungswerber, dass die von ihm beantragte Gegenüberstellung der beiden Fahrzeuge unter Beiziehung eines Sachverständigen nicht stattgefunden habe. Dies sei aber notwendig gewesen, um festzustellen, dass er aus seiner Sichtposition aus dem Fahrzeug heraus die Kollision nur im Rampenspiegel habe erkennen können, dies aber nur einem Zeitraum von nicht einmal 1 Sekunde, wofür angesichts der Verkehrssituation kein Anlass bestanden habe. Der Rampenspiegel habe den Zweck, dass Manövrieren in der Nähe von Laderampen zu erleichtern, während der Nachfolgeverkehr nur in den "normalen" Rückspiegeln beobachtet wird. Auch ein sorgfältiger LKW-Lenker sei bei der Fahrt auf der Autobahn im "Stop- and Go-Verkehr" nicht verpflichtet, den Rampenspiegel zu beachten.

 

Die gegenständliche Kollision sei weder als Stoßreaktion noch akustisch wahrnehmbar gewesen und der Sachverständige habe ausgeführt, dass die Kontaktierung nur über den rechten Rampenspiegel einsichtig gewesen sei. Im Hinblick auf den äußerst kurzen Zeitraum des Kontaktes hätte er den Verkehrsunfall nur dann wahrnehmen können, wenn er zufällig gerade zu diesem Zeitpunkt in den Rampenspiegel geblickt hätte. In der gegenständlichen Situation hätte aber jeder sachkundige Fahrer sein Augenmerk nach vorne gerichtet, dies auch auf Grund der Vorrangsituation, welche er als Fahrstreifen beibehaltender Lenker gehabt habe.

 

Er habe daher den Unfall nicht erkennen können, weshalb ihn kein Verschulden treffe.

 

3. Der Bezirkshauptmann von Urfahr-Umgebung hat den Verwaltungsakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich zur Entscheidung vorgelegt. Eine Berufungsvorentscheidung wurde nicht erlassen. Es ergibt sich daher die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates, wobei dieser durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden hat (§ 51c VStG).

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt sowie Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung am 26.6.2008. An dieser haben der Berufungswerber sowie sein Rechtsvertreter teilgenommen, die Erstinstanz war entschuldigt. Es wurde der Unfallgegner als Zeuge einvernommen und ein Gutachten eines Sachverständigen erörtert.

 

4.1. Daraus ergibt sich folgender für die Entscheidung wesentliche Sachverhalt:

 

Der Berufungswerber lenkte zur Vorfallszeit den LKW mit dem Kennzeichen  mit dem Anhänger (Kennzeichen ) in Linz auf der Auffahrt des "Pro-Kauflandes" zur A7. Das Fahrzeug war zur Gänze mit Rundholz beladen. Er benutzte dabei den linken Fahrstreifen, wobei auf der Auffahrt insgesamt ein sehr zähes Verkehrsaufkommen (Stop- and Go-Verkehr) herrschte.

 

Der Unfallgegner lenkte seinen PKW ebenfalls auf dieser Auffahrt auf dem rechten Fahrstreifen, wobei dieser kurz nach der Unfallstelle endete. Er versuchte daher, vor dem LKW auf den linken Fahrstreifen zu wechseln. Nach seinen Angaben sei der LKW gestanden, als er auf den linken Fahrstreifen gefahren sei, wobei er wegen des Verkehrs gleich wieder zum Stillstand gekommen sei. Er sei nur ein ganz kurzes Stück auf dem linken Fahrstreifen gefahren. Er habe dann gespürt, dass ihn der LKW hinten gestreift habe, der LKW sei auf seinem Fahrstreifen relativ schnell weitergefahren, weil sich offenbar kurzfristig der Stau etwas verringert hatte. Nach dem Zusammenstoß sei er auf dem Fahrstreifen stehen geblieben und erst nachdem der LKW an ihm vorbeigefahren sei, sei er auf die rechts befindliche Sperrfläche gefahren. Er habe mehrmals gehupt, die Alarmblinkanlage eingeschaltet und sei mit dem PKW auf die Sperrfläche nach rechts vorne gefahren, wo er angehalten habe. Anzuführen ist, dass sich diese Angaben zum Verkehrsunfall ausschließlich auf die Schilderung des Zeugen E stützen, weil der Beschuldigte nach seinen Angaben den Verkehrsunfall gar nicht wahrgenommen hat und daher zum Unfallgeschehen keine Angaben machen konnte.

 

Der Unfallbeteiligte notierte sich das Kennzeichen des Anhängers und erstattete die Anzeige über den Verkehrsunfall. Bei seinem Fahrzeug wurden links hinten die Stoßstange, der Kotflügel und die linke hintere Fahrzeugtüre erheblich beschädigt, beim LKW scheinen rechts vorne verschiedene Kratzspuren auf, wobei es sich zumindest teilweise auch um Vorschäden handelt.

 

Der Sachverständige führte zur Wahrnehmbarkeit dieses Unfalles für den LKW-Fahrer an, dass der Unfall weder als Stoßreaktion noch akustisch wahrnehmbar war. Hinsichtlich der optischen Wahrnehmbarkeit verwies der Sachverständige auf den Anfahrspiegel, welcher dazu dient, um den Totraum, welcher sich rechts vorne vom Fahrzeug befindet, einzuschränken. Dieser Anfahrspiegel muss auf Grund der gesetzlichen Regelung so eingestellt sein, dass in einem Abstand von 20 cm von der rechten Fahrzeuglinie ein Sichtfeld mit einer Breite von 1 m und einer Länge von 2,25 m einsehbar ist. Der Anfahrspiegel kann natürlich auch so eingestellt werden, dass das rechte vordere Fahrzeugeck in diesem ersichtlich ist, diese Einstellung ist aber gesetzlich nicht zwingend vorgeschrieben. Der Berufungswerber konnte also in der gegenständlichen Situation im Anfahrspiegel von oben den hinteren Teil des PKW sehen, allerdings nur einen Teil des Daches, nicht aber die äußerst linke Begrenzung des Fahrzeuges bzw. die Kontaktstelle. Auf Grund des gesetzlichen Mindestsichtfeldes ist für einen LKW-Fahrer jedenfalls erkennbar, dass in einer derartigen Situation, in welcher er die linke Begrenzung des rechts vor ihm befindlichen PKW nicht mehr sieht, dieses Fahrzeug jedenfalls weniger als 20 cm von seinem LKW entfernt sein muss. Wie klein der Abstand tatsächlich ist, kann der LKW-Fahrer über den Anfahrspiegel aber nicht zwingend sehen.

 

Die Kontaktzeit hat jedenfalls weniger als 1 Sekunde betragen, weshalb die Berührung im Anfahrspiegel nur dann wahrnehmbar war, wenn der LKW-Fahrer genau in diesem Zeitraum in den Anfahrspiegel geblickt hat. Beim Fahren nach vorne ist das Blickverhalten primär nach vorne gerichtet, der Blick in den Anfahrspiegel ist aus technischer Sicht unmittelbar vor dem Wegfahren zu verlangen.

 

5. Darüber hat der UVS des Landes Oberösterreich in rechtlicher Hinsicht Folgendes erwogen:

 

5.1. Gemäß § 4 Abs.1 lit.a StVO 1960 haben alle Personen, deren Verhalten am Unfallsort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang steht, wenn sie ein Fahrzeug lenken, sofort anzuhalten.

 

Gemäß § 4 Abs.5 StVO 1960 haben, wenn bei einem Verkehrsunfall nur Sachschaden entstanden ist, die in Abs.1 genannten Personen die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle vom Verkehrsunfall ohne unnötigen Aufschub zu verständigen, wenn bei einem Verkehrsunfall nur Sachschaden entstanden ist. Eine solche Verständigung darf jedoch unterbleiben, wenn die im Abs.1 genannten Personen oder jene, in deren Vermögen der Schaden eingetreten ist, einander ihren Namen und ihre Anschrift nachgewiesen haben.

 

5.2. Der Berufungswerber war am gegenständlichen Verkehrsunfall mit Sachschaden ursächlich beteiligt. Er hat nach dem Unfall nicht angehalten und diesen auch nicht ohne unnötigen Aufschub der nächsten Polizeidienststelle gemeldet. Er hat damit die ihm vorgeworfenen Verwaltungsübertretungen in objektiver Hinsicht zu verantworten.

 

Fraglich ist aber, ob den Berufungswerber daran auch ein Verschulden trifft. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes können die gegenständlichen Übertretungen auch fahrlässig begangen werden. Dazu genügt es, dass dem Berufungswerber Umstände zu Bewusstsein kommen oder bei gehöriger Aufmerksamkeit zu Bewusstsein hätten kommen müssen, aus denen er die Möglichkeit eines Verkehrsunfalles zu erkennen vermocht hätte. Der Lenker eines Fahrzeuges hat nach einem riskanten Fahrmanöver, bei welchem die dringende Gefahr besteht, dass es zu einer Kollision mit einem anderen Verkehrsteilnehmer kommen kann, den Geschehnissen um sein Fahrzeug die volle Aufmerksamkeit zu widmen und sich erforderlichenfalls auch durch Nachschau nach einem Anhalten seines Fahrzeuges zu vergewissern, ob sein Fahrverhalten für einen Verkehrsunfall ursächlich gewesen ist (VwGH vom 23.5.2002, 2001/03/0417).

 

Im gegenständlichen Fall konnte der Berufungswerber wahrnehmen, dass sich unmittelbar rechts vor ihm in einem geringen Abstand ein PKW befindet. Er war daher gehalten, vor dem Wegfahren in den Anfahrspiegel zu blicken, wobei er dort allerdings die Kontaktstelle selber nicht sehen konnte, sondern ebenfalls nur den Umstand, dass sich ein PKW in einem seitlichen Abstand von weniger als 20 cm von seinem LKW befindet. Während der Fahrt musste der Berufungswerber wegen des "Stop- and Go-Verkehrs" seine hauptsächliche Aufmerksamkeit nach vorne richten, um bei einem Anhalten des vor ihm befindlichen Fahrzeuges nicht auf dieses aufzufahren. Selbst wenn der Berufungswerber nach dem Anfahren nochmals in den Anfahrspiegel geblickt hätte, hätte er die unmittelbare Kontaktstelle trotzdem nicht einsehen können, sondern eben nur den Umstand, dass sich ein PKW in einem seitlichen Abstand von weniger als 20 cm schräg vor ihm befindet. Er hatte daher keine Möglichkeit, den Verkehrsunfall unmittelbar wahrzunehmen. In diesem Zusammenhang ist auch darauf hinzuweisen, dass beim konkreten Verkehrsunfall das riskante Fahrmanöver wohl nicht der Berufungswerber sondern eher sein Unfallgegner gesetzt hat, weshalb auch aus diesem Grund die Anforderungen an die Aufmerksamkeit des Berufungswerbers nicht überspannt werden dürfen.

 

Das Hupen, das Einschalten der Alarmblinkanlage und das Anhalten des PKW auf der Sperrfläche waren natürlich Hinweise darauf, dass es zu einem Verkehrsunfall gekommen ist. Die mündliche Verhandlung hat aber ergeben, dass der Zeuge all diese Maßnahmen erst gesetzt hat, als der LKW bereits zur Gänze an ihm vorbeigefahren war. Unter diesen Umständen ist es glaubwürdig, dass er das Hupen gar nicht gehört hat und den PKW auch nicht gesehen hat. Er hatte auch keinen Anlass nochmals in den Rückspiegel zu blicken, weil er die vorherige gefährliche Situation nicht selber herbeigeführt hat und diese auch objektiv nicht wahrnehmen konnte. Unter Abwägung all dieser Umstände kann ein Verschulden des Berufungswerbers – und zwar auch in Form einer leichten Fahrlässigkeit – mit der für ein Verwaltungsstrafverfahren erforderlichen Sicherheit nicht nachgewiesen werden. Es war daher seiner Berufung gemäß § 45 Abs.1 Z1 VStG stattzugeben.

 

Zu II.:

Die Entscheidung über die Kosten stützt sich auf die im Spruch angeführten gesetzlichen Bestimmungen.

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

 

Mag. Gottfried  Z ö b l

 

 

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