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VwSen-251857/2/Gf/Mu/Ga

Linz, 18.07.2008

und Dr. J B, gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmanns von Schärding vom 9. Juni 2008, GZ SV96-5-2008, wegen einer Übertretung des Allgemeinen Sozialversicherungs­gesetzes zu Recht erkannt:

I.                  Der Berufung wird stattgegeben und das angefochtene Strafer­kenntnis aufgehoben.

 

II.              Die Berufungswerberin hat weder einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde noch einen Kosten­beitrag für das Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat zu leisten.

Rechtsgrundlagen:

§ 24 VStG i.V.m. § 66 Abs. 4 AVG; § 66 Abs. 1 VStG.

Entscheidungsgründe:

1.1. Mit Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Schärding vom 9. Juni 2008, GZ SV96-5-2008, wurde über die Rechtsmittelwerberin eine Geldstrafe in Höhe von 1.000 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe: 20 Stunden) verhängt, weil sie es im Zeitraum vom 10. bis zum 28. Jänner 2008 unterlassen habe, einen ihrer Dienstnehmer bei der Oö. Gebietskrankenkasse anzumelden. Dadurch habe sie eine Übertretung des § 33 Abs. 1 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes, BGBl.Nr. 189/1955, i.d.F. BGBl.Nr. I 101/2007 (im Folgenden: ASVG), begangen, weshalb sie nach § 111 Abs. 1 Z. 1 i.V.m. § 111 Abs. 2 ASVG zu bestrafen gewesen sei.

1.2. Gegen dieses ihr am 17. Juni 2008 zugestellte Straferkenntnis richtet sich die vorliegende, am 30. Juni 2008 – und damit rechtzeitig – per Telefax eingebrachte Berufung.

2.1. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Akt der Bezirkshauptmannschaft Schärding zu GZ SV96-5-2008; im Übrigen konnte gemäß § 51e Abs. 2 Z. 1 VStG von der Durchführung einer öffentlichen Verhandlung abgesehen werden.

2.2. Weil im angefochtenen Straferkenntnis eine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe nicht verhängt wurde, ist im gegenständlichen Fall ein Einzelmitglied zur Entscheidung berufen (§ 51c VStG).

3. Über die vorliegende Berufung hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

3.1. Gemäß § 111 Abs. 1 Z. 1 i.V.m. § 33 Abs. 1 ASVG begeht u.a. derjenige eine Verwaltungsübertretung und ist nach § 111 Abs. 2 ASVG mit einer Geldstrafe von 730 Euro bis zu 2.180 Euro zu bestrafen, der als Dienstgeber eine von ihm beschäftigte Person nicht vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger anmeldet.

Nach § 27 Abs. 1 VStG ist jene Behörde örtlich zuständig, in deren Sprengel die Verwaltungsübertretung begangen worden ist, auch wenn der zum Tatbestand gehörende Erfolg in einem anderen Sprengel eingetreten ist.

3.2. Für das gesamte Bundesland Oberösterreich ist "zuständiger Kranken­ver­sicherungsträger" i.S.d. § 33 Abs. 1 ASVG die Oberösterreichische Gebiets­kran­ken­kasse (im Folgenden: OöGKK) mit örtlichem Sitz in der G 77 in L.

Eine Übertretung dieser Meldepflicht wird daher dadurch begangen, dass die entsprechende Meldung nicht innerhalb des in § 33 Abs. 1 ASVG vorgesehenen Zeitraumes bei der OöGKK einlangt.

Analog der vom Verwaltungsgerichtshof zu Verletzungen der Auskunftspflicht nach dem Kraftfahrgesetz (vgl. z.B. VwGH v. 31. Jänner 1996, Zl. 93/03/0156) oder den Parkgebührengesetzen (vgl. z.B. VwGH v. 15. Mai 2000, Zl. 98/17/0091) bzw. zu Verletzungen der Meldepflicht nach dem Waffengesetz (vgl. VwGH v. 16. September 1999, Zl. 98/20/0454) oder dem Arbeitsinspektions­gesetz (vgl. VwGH v. 23. November 2001, Zl. 99/02/0369) entwickelten Rechtsansicht ist daher als Tatort solcher Ordnungswidrigkeiten der Sitz jener Behörde, in deren Sprengel die geschuldete Information zu erbringen war, anzusehen. Dies bedeutet, dass zur Verfolgung jener der Rechtsmittelwerberin im gegenständlichen Fall angelasteten Übertretung der Bürgermeister der Stadt Linz (als Bezirksverwaltungsbehörde) – und nicht der Bezirkshauptmann von Schärding örtlich zuständig gewesen wäre.

Für Fallkonstellationen wie die vorliegende ist hingegen jene Judikatur des Ver­waltungsgerichtshofes, die im Zusammenhang mit der Nichteinhaltung gebotener Vorsorgehandlungen (z.B. nach dem Arbeitnehmerschutzgesetz oder den Ge­fahrgutbeförderungs- und Lebensmittelkennzeichnungsvorschriften) auf den Sitz des Unternehmens abstellt (vgl. z.B. VwGH v. 14. Mai 1990, Zl. 90/19/0018; v. 7. April 1995, 95/02/0069; v. 20. September 2000, 2000/03/0071; v. 26. April 2007, 2006/03/0138; und v. 20. September 1999, 97/10/0011), deshalb nicht einschlägig, weil sich jene von der gegenständlichen Fallkonstellation essentiell dadurch unterscheiden, dass dort nicht die Erfüllung einer gesetzlichen Ver­pflichtung am Sitz einer Behörde geschuldet, sondern die Vorsorgehandlung vielmehr ausschließlich innerhalb (der Gesamtstruktur) des Unternehmens zu erbringen ist. 

3.3. Der gegenständlichen Berufung war daher gemäß § 24 VStG i.V.m. § 66 Abs. 4 AVG schon deshalb stattzugeben und das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben, weil dieses von einer unzuständigen Behörde erlassen worden ist.

Eine Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens hatte hingegen im Hinblick auf die insbesondere in den §§ 28 und 29a VStG vorgesehen verfahrensrechtlichen Möglichkeiten nicht zu erfolgen; vielmehr hat die zuständige Behörde aus eigenem zu beurteilen, ob eine rechtzeitige und taugliche Verfolgungshandlung vorliegt und darauf aufbauend zu entscheiden, ob und in welchem Umfang das Verwaltungsstrafverfahren von dieser fortgeführt wird oder nicht.

4. Bei diesem Verfahrensergebnis war der Rechtsmittelwerberin gemäß § 66 Abs. 1 VStG weder ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde ein Kostenbeitrag für das Verfahren vor dem Oö. Ver­waltungs­senat vorzuschreiben.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

Dr. Grof

Rechtssatz:

VwSen-251857/2/Gf/Mu/Ga vom 18. Juli 2008

§ 33 ASVG, § 111 ASVG

Örtlich zuständig zur Verfolgung einer Übertretung des § 33 ASVG ist – soweit nicht ein Fall des § 28 VStG oder des § 29a VStG vorliegt – ausschließlich der Bürgermeister der Stadt Linz als Bezirksver­waltungsbehörde; analoge Heranziehung der VwGH-Judikatur zur Verletzung der Auskunftspflicht nach dem KFG oder den Parkgebühren­gesetzen bzw. zur Verletzung der Meldepflicht nach dem WaffenG oder dem ArbIG; hingegen keine Übertragbarkeit der VwGH-Judikatur zur Unterlassung gebotener Vorsorgehandlungen (z.B. nach dem ANSchG oder den Gefahrgutbeförderungs- bzw. Lebensmittel­kennzeichnungs­vorschriften), weil dort nicht die Erfüllung einer gesetzlichen oder durch Individualakt auferlegten Pflicht am Sitz einer bestimmten Behörde geboten ist, sondern die Vorsorgehandlung ausschließlich innerhalb (der Gesamtstruktur) des Unternehmens zu erbringen ist.

 

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