Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-231006/2/BP/Se

Linz, 30.07.2008

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Dr. Bernhard Pree über die Berufung des W F, L gegen den Bescheid des Bezirkshauptmannes des Bezirks Linz-Land vom 4. Juli 2008, GZ: Sich96-307-22008, mit dem ein Antrag des Berufungswerbers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom 30. Juni 2008 abgewiesen wurde, zu Recht erkannt:

 

 

 

Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen und der erstinstanzliche Bescheid bestätigt.

 

 

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs. 4 iVm. § 71.Abs. 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1.1. Mit Bescheid des Bezirkshauptmannes des Bezirks Linz-Land vom 4. Juli 2008, GZ: Sich96-307-2008, wurde – gestützt auf § 71 Abs. 1 AVG i.V.m. § 24 VStG – ein Antrag des Berufungswerbers (im Folgenden Bw) auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom 30. Juni 2008 wegen der Versäumung einer Frist in einer Verwaltungsstrafsache gemäß § 81 SPG GZ.: Sich06-307-2008 (Entscheidungsdatum 3. Juni 2008), abgewiesen.

 

Die belangte Behörde gibt nach Darstellung der einschlägigen Rechtsgrundlage zunächst die Anschauung des Bw wieder, der in seinem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand begründend ausgeführt habe, dass er nach Übernahme der Strafverfügung einen Einspruch formuliert und diesen der belangten Behörde übermittelt habe. Nunmehr habe er festgestellt, dass sein Faxgerät unter gelegentlichen Funktionsstörungen gelitten habe. Um zu überprüfen, ob der Einspruch bei der Behörde auch angekommen sei, habe der Bw bei der Behörde nachgefragt. Es habe sich herausgestellt, dass dieser Einspruch bei der belangten Behörde noch nicht im Akt sei. Weiters habe der Bw festgestellt, dass die Probleme mit seinem Faxgerät zum Zeitpunkt der Benutzung für ihn nicht erkennbar gewesen seien, da das Gerät keinerlei Fehlermeldung angegeben habe. Der Bw habe auch keinen Einfluss auf deren Vermeidung nehmen können, da er das technische Problem nicht erkennen hätte können. Der Bw habe angegeben, dass ihn aus seiner Sicht kein Verschulden treffe, da er den technischen Defekt nicht erkennen hätte können. Seinen Sorgfaltspflichten wäre er dahingehend nachgekommen, dass er sich nach erkennen der Fehlfunktion des Gerätes sofort bei der Behörde vergewissert habe.

 

Die belangte Behörde führt in rechtlicher Beurteilung aus, dass sich der Bw laut dortigem Aktenvermerk am 30. Juni 2008 telefonisch bei der zuständigen Bearbeiterin erkundigt habe, ob sein Einspruch eingelangt sei; also schon außerhalb der Rechtsmittelfrist.

 

Auf Grund der Risiken der Übermittlungsart von Schriftstücken (z.B. Übertragungsfehler, Verlust des Schriftstücks, technische Mängel, etc.) trage die Behörde die Auffassung, dass sich der Bw noch am selben Tag, als er die Übermittlung des Einspruchs über sein Faxgerät durchgeführt habe, spätestens jedoch am 23. Juni 2008 (letzter Tag der Rechtsmittelfrist) über die vollständige Übermittlung des Schriftstücks vergewissern hätte müssen. Er habe somit der Behörde nicht glaubhaft machen können, dass er die Übermittlung des Einspruchs fristgerecht durchgeführt habe.

 

Gemäß § 17 Abs. 3 ZustG beginne der Lauf einer Frist mit dem Tag, an dem die Sendung erstmals zur Abholung bereitgehalten werde. Hinterlegte Sendungen gälten mit dem ersten Tag dieser Frist als zugestellt. Laut Rückschein des Postamtes L seien der Zustellversuch am 6. Juni 2008 und die Hinterlegung am 9. Juni 2008 erfolgt. Ab diesem Tag gelte die Sendung als zugestellt.

 

Gemäß § 49 Abs. 1 VStG könne der Beschuldigte gegen eine Strafverfügung binnen 2 Wochen nach deren Zustellung Einspruch erheben und dabei die seiner Verteidigung dienlichen Beweismittel vorbringen. Laut obiger Darstellung sei daher die Strafverfügung vom 3. Juni 2008 mit 24. Juni 2008 rechtskräftig.

 

Der Bw habe nicht glaubhaft machen können, dass er durch ein unvorhersehbares oder unabwendbares Ereignis ohne sein Verschulden verhindert gewesen sei, die Rechtsmittelfrist einzuhalten. Daher habe dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht stattgegeben werden können.

 

1.2. Mit Schriftsatz vom 10. Juli 2008 erhob der Bw Berufung gegen den oa. Bescheid.

Darin führt der Bw u.a. aus, dass § 71 AVG darauf abziele genau jene Fälle, in denen Frist versäumt werden, zu regeln. Die Argumentation im bekämpften Bescheid ziele jedoch darauf ab, dass bei sämtlichen Fällen in denen ein Problem in der Übermittlung auftrete, dies (verschuldensunabhängig) zu Lasten des Einschreiters gehen müsse. Dies sei allerdings nicht im Sinne des § 71 AVG. Insbesondere seien Fälle denkbar, bei denen es überhaupt nicht möglich sei, bei Abschicken eines Briefes zu erkennen, ob er auch ankommen werde. Ein Poststempel könnte auch nicht überprüft werden, wenn die Sendung aufgrund eines Fehlers der Post verloren gehe und nicht ankomme. Somit wäre es in den beschriebenen Fällen denkunmöglich sich vor Ablauf der Frist von der fristgerechten Zustellung zu überzeugen. Allein darauf abzustellen, könne somit unmöglich im Sinne des Gesetzes sein.

 

Weiters sei festzuhalten, dass es nicht zulässig sei bei Anwendung des § 71 AVG allein darauf abzustellen, ob ein Verschulden vorliege. Diese Bestimmung würde ausdrücklich die Verpflichtung der Behörde einräumen, auch bei Vorliegen eines minderen Grades des Verschuldens die Wiedereinsetzung zu genehmigen. Damit habe sich die Behörde in ihrer Begründung überhaupt nicht auseinander gesetzt.

 

Jedenfalls hätte die belangte Behörde den Bw auffordern müssen geeignete Beweismittel vorzubringen, wobei er in seiner Stellungnahme solche Beweismittel angeboten habe. Dies habe die Behörde ohne jegliche Begründung nicht in Anspruch genommen und somit gröblichst ihre amtswegige Ermittlungspflicht verletzt. Sie hätte dem Bw zumindest mitteilen müssen, welche Beweise aus ihrer Sicht vorzulegen gewesen wären. Es liege somit ein Verwaltungsakt vor, der einen Willkürakt darstelle, der somit unter anderem das Recht auf Gleichheit vor dem Gesetz verletze und wesentliche Verfahrensvorschriften außer Acht lasse.

 

Zu verlangen, dass der Rechtsunterworfene das Einlangen jeder Eingabe vor Ablauf der Rechtsmittelfrist bei der Behörde überprüft, sei soweit weg von jeder geübten Praxis, dass man sich des Eindrucks nicht verwehren könne, dass die belangte Behörde Anträge auf Wiedereinsetzung standardisiert und ohne Prüfung des Einzelfalles abweise, um sich mit den inhaltlichen Argumenten im Verfahren nicht mehr auseinander setzen zu müssen. Besonders brisant erscheine dies angesichts des auf der Homepage der belangten Behörde veröffentlichten Leitbildes, das sich zum partnerschaftlichen Umgang mit dem Bürger bekenne.

 

 

2. Am 16. Juli 2008 wurde der gegenständliche Verwaltungsakt dem Oö. Verwaltungssenat von der belangten Behörde vorgelegt.

 

2.1. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt der belangten Behörde. Von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte abgesehen werden, weil eine solche nicht erforderlich war, nachdem sich der Sachverhalt zweifelsfrei – und vom Bw im Übrigen auch nicht substantiell widersprochen – aus der Aktenlage ergibt, im Verfahren im Wesentlichen die Beurteilung von Rechtsfragen strittig ist und die Akten erkennen lassen, dass eine weitere mündliche Erörterung eine tiefgreifendere Klärung der Sache nicht erwarten lässt. Im Übrigen liegt kein dezidierter darauf gerichteter Parteienantrag vor (§ 67d AVG).

 

2.2. Der Oö. Verwaltungssenat geht bei seiner Entscheidung von folgendem relevanten Sachverhalt aus:

 

Gegen den Bw erging von Seiten der belangten Behörde eine Strafverfügung vom 3. Juni 2008, die nach einem Zustellversuch am 6. Juni 2008 am 9. Juni 2008 beim Postamt L hinterlegt wurde. Am 30. Juni 2008 übermittelte der Bw, nach vorheriger telefonischer Kontaktaufnahme einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand mit der Begründung, dass sein Faxgerät gelegentlich fehlerhaft sei, er einen Einspruch gegen die oa. Strafverfügung bereits übermittelt habe, der jedoch offensichtlich bei der belangten Behörde nicht eingelangt sei. Im Zeitraum zwischen 9. und 23. Juni 2008 erkundigte sich der Bw nicht bei der belangten Behörde, ob sein vorgeblicher Einspruch bei dieser auch eingelangt sei.

 

2.3. Der Unabhängige Verwaltungssenat ist zur Entscheidung durch eines seiner Mitglieder zuständig (vgl. § 67a Abs. 1 AVG).

 

 

3. In der Sache hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

3.1.  Gemäß § 71 Abs.1 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes – AVG in der zum Zeitpunkt der Entscheidung geltenden Fassung BGBl. I Nr. 5/2008 ist gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung auf Antrag der Partei die die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn gemäß Z1 die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur mündlichen Verhandlung zu erscheinen und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Verschuldens trifft.

 

Gegen die Ablehnung eines Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand steht gemäß § 72 Abs.4 AVG dem Antragsteller das Recht der Berufung an die im Instanzenzug übergeordnete Behörde, wenn aber in der Sache eine Berufung an den Unabhängigen Verwaltungssenat vorgesehen ist, an diesen zu.

 

Gemäß § 51 Verwaltungsstrafgesetz – VStG steht im Verwaltungsstrafverfahren den Parteien das Recht der Berufung an den Unabhängigen Verwaltungssenat jenes Landes zu, in dem die Behörde, die den erstinstanzlichen Bescheid erlassen hat, ihren Sitz hat.

 

3.2. Im vorliegenden Fall ist völlig klar und unbestritten, dass der in Rede stehende Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand im Rahmen eines Verwaltungsstrafverfahrens gestellt wurde, weshalb gemäß § 72 Abs.4 AVG iVm § 51 VStG der Oö. Verwaltungssenat zur Entscheidung berufen ist.

 

3.3. Zunächst ist – dem Bw folgend – anzumerken, dass gemäß § 71 Abs.1 der Antragsteller bei Vorliegen der in dieser Bestimmung genannten Voraussetzungen einen Anspruch auf die Bewilligung dieses Rechtsmittels hat.

 

Die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes versteht unter einem für die Versäumung der Prozesshandlung kausalen Ereignis nicht nur tatsächliches in der Außenwelt stattfindendes Geschehen, sondern prinzipiell jedes, auch inneres, psychisches Geschehen (zB Vergessen, Irrtum).

 

In seinem Erkenntnis vom 25.3.1976, Slg. 9024 A, führte der Verwaltungs­gerichtshof unter anderem aus: "Gerade das Institut der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aber soll verhindern, dass einer Partei, die gegen ein unverschuldet und unvorhergesehen eingetretenes Ereignis persönlich nicht das Geringste unternehmen konnte, wegen der prozessualen Folgen dieses Ereignisses die Prüfung ihres materiellen Anspruches verweigert wird, dieser Anspruch mithin untergeht, mag er noch so berechtigt sein."

 

Im Sinne dieser Judikatur ist festzuhalten, dass ein von einem Antragsteller nicht erkanntes technisches Gebrechen einer Telefax-Einrichtung, das eine Übermittlung verunmöglicht grundsätzlich ein unvorhergesehenes Ereignis darstellen kann. Allerdings ist weiters darauf hinzuweisen, dass – wie auch der Verwaltungsgerichtshof in seinem oben zitierten Erkenntnis ausführt – der Einschreitende persönlich nichts gegen den Eintritt des unvorhergesehenen Ereignisses unternehmen können darf, um den Tatbestand des § 71 Abs. 1 Z. 1 und dessen Rechtsfolgen auszulösen.

 

3.4. Im vorliegenden Fall bringt der Bw u.a. vor, dass es ihm nicht möglich gewesen sei das technische Gebrechen seines Faxgerätes zu erkennen.

 

Unabhängig davon, dass der Bw weder in seinem Antrag noch in der vorliegenden Berufung auf einen die ursprüngliche Übermittlung bestätigenden Sendebericht verweist, was in derartigen Fällen wohl üblich und tunlich wäre, ist nach Auffassung des zuständigen Mitglieds des Oö. Verwaltungssenates grundsätzlich nicht unvoreingenommen davon auszugehen, dass eine Übermittlung per Telefax stets ohne jegliches technisches Problem von statten geht. Aus diesem Grund ist schon alleine das Vorliegen eines unvorhergesehenen Ereignisses nicht ohne weiteres anzunehmen, da wohl allgemeine Erfahrungswerte technische Gebrechen nicht von vornherein ausschließen werden.

 

Der belangten Behörde in diesem Punkt folgend, geht der Oö. Verwaltungssenat davon aus, dass eventuell zwar nicht das technische Gebrechen an sich vom Bw festgestellt werden hätte müssen, er aber das Risiko dafür zu tragen habe sich nicht fristgerecht über den Eingang des Schriftstücks bei der belangten Behörde versichert zu haben.

 

Entgegen der Ansicht des Bw ist es nicht fern der Praxis bei einiger Maßen für den Absender bedeutsamen Schriftstücken deren Eingang zu überprüfen. In diesem Sinne vergleiche auch Hengstschläger – Leeb, Verwaltungsverfahrens-gesetze, die im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung (z.B.: die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 24. 8. 1996, 94/04/0013; 17. 9. 1996, 96/14/0042; 15. 1. 1998, 97/07/0179), wonach sich eine Partei zu vergewissern hat, ob die Übermittlung etwa eines Telefaxes technisch erfolgreich war. Der Verwaltungsgerichtshof geht in seinem Erkenntnis vom 3. September 2003, 2002/03/0139, sogar so weit, dass eine Sendebestätigung etwa für eine E-Mail nur erkennen lasse, dass die Versendung durchgeführt wurde; sie lasse jedoch nicht den Schluss zu, dass sie tatsächlich bei der Behörde eingelangt sei. In diesem Sinne äußert sich auch Steiner (Elektronische Verfahrensführung, 97f.).

 

3.5. Aus diesen Darstellungen ergibt sich eindeutig, dass es jedenfalls nicht als außer Acht zu lassendes Verschulden im Sinne des § 71 Abs. 1 AVG gewertet werden kann, wenn die Rückversicherung über den Eingang eines Schriftstücks bei der Behörde nicht fristgerecht vorgenommen wird.

 

Es war also auf die weiteren Vorbringen des Bw nicht ausführlicher einzugehen, da die Voraussetzungen nach § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG für die Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht gegeben sind.

 

Insbesondere konnte auf – die vom Bw allenfalls in Aussicht gestellten Beweise verzichtet werden, da der Bw – in irrender Rechtsauffassung – ja vermeinte, die aus Sicht der Lehre und Judikatur obligate Vergewisserung nicht vornehmen zu brauchen und eine solche Handlung seinerseits auch nie behauptet hat.

 

3.6. Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

 

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

 

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

Bernhard Pree

Rechtssatz:

VwSen-231006/2/BP/Se vom 30. Juli 2008

§ 71 Abs.1 Z1 AVG

Unverschuldete Versäumung einer Frist, Entgegen der Ansicht des Bw ist es nicht fern der Praxis bei einiger Maßen für den Absender bedeutsamen Schriftstücken deren Eingang bei der Behörde zu überprüfen

 

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