Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-550418/8/Wim/Rd/Ps

Linz, 14.08.2008

 

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch seine  6. Kammer (Vorsitzende: Dr. Ilse Klempt, Berichter: Dr. Leopold Wimmer, Beisitzer: Mag. Thomas Kühberger) über den Antrag der B Gesellschaft mbH,  vertreten durch Rechtsanwälte Dr. J H, Dr. C R, Mag. C K, Mag. R S, L, P, vom 8.8.2008 auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung im Vergabeverfahren der M GmbH betreffend das Vorhaben "HWS Donau-Machland Nord Mobilschutz", zu Recht erkannt:

 

 

Dem Antrag wird stattgegeben und die vorübergehende Aussetzung des Vergabeverfahrens bis zur Entscheidung in diesem Nachprüfungs­verfahren, längstens aber bis 8. Oktober 2008, verfügt.

 

 

Rechtsgrundlage:

§§ 1, 2, 8 und 11 Oö. Vergaberechtsschutzgesetz – Oö. VergRSG, LGBl. Nr. 130/2006.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1.1.   Mit Eingabe vom 8.8.2008 hat die B Gesellschaft mbH (im Folgenden: Antragstellerin) nachstehende Anträge (Hauptantrag) gestellt:

a)      das Nachprüfungsverfahren einleiten,

b)      die Ausschreibung (Teilnahmeunterlage, ./A) für nichtig zu erklären und        bzw in eventu

c)      die Ausschreibung (Teilnahmeunterlage, ./A) in Punkt 1.3.2. und/oder          Punkt 2.1. und/oder Punkt 7. und/oder Punkt 10.3.1. und/oder Punkt       10.3.5. und/oder Punkt 10.3.6. für nichtig zu erklären,

d)      eine mündliche Verhandlung anzuberaumen,

e)      den Auftraggeber in den Ersatz der Gebühren für die einstweilige        Verfügung und das Nachprüfungsverfahren zu verfällen

und hinsichtlich der Erlassung einer einstweiligen Verfügung:

a)      auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung, mit welcher der      Auftraggeberin im Vergabeverfahren "M GmbH, Mobilschutz" bis zur rechtskräftigen Beendigung des einzuleitenden Nachprüfungsverfahrens die Fortführung des Vergabeverfahrens untersagt wird, in eventu

b)      auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung, mit welcher der      Auftraggeberin im Vergabeverfahren "M GmbH, Mobilschutz" bis zur rechtskräftigen Beendigung des einzuleitenden Nach­prüfungs­verfahrens die Fortführung des Vergabeverfahrens, insbesondere durch Auswahl von          Teilnehmern für die zweite Verfahrensstufe und Übermittlung von          Ausschreibungsunterlagen an diese, untersagt wird, in eventu

c)      auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung, mit welcher die Aussetzung       des Vergabeverfahrens "M GmbH, Mobilschutz" bis zur rechtskräftigen     Beendigung des einzuleitenden Nachprüfungsverfahrens verfügt wird, in       eventu

d)      auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung, mit welcher der      Auftraggeberin im Vergabeverfahren "M GmbH, Mobilschutz" bis zur rechtskräftigen Beendigung des einzuleitenden Nachprüfungsverfahrens die Öffnung einlangender Teilnahmeanträge untersagt wird.

        

1.2.   Begründend zum Hauptantrag führte die Antragstellerin eingangs hiezu aus, dass Gegenstand bzw Zielsetzung des Vergabeverfahrens der Abschluss einer 5-jährigen Rahmen­vereinbarung mit optionalen Verlängerungs­möglich­keiten zur Beauftragung der Planung, Lieferung, Montage und Inbetriebnahme, Wartung und Instandhaltung samt Einsatz-Assistenz für den mobilen Hochwasserschutz im Rahmen des Projektes "Hochwasserschutz Donau-Machland Nord" sei. Beabsichtigt sei die Durchführung eines zweistufigen Verfahrens, wobei in der ersten Stufe die fristgerecht eingereichten Teilnahmeanträge der Bewerber in einem Eignungs- und Auswahlverfahren geprüft werden und die in Frage kommenden Teilnehmer zur Angebotslegung in der zweiten Stufe eingeladen werden. Grundlage und Bestandteil der ersten Stufe seien der Teilnahmeantrag. Gemäß Ausschreibungs­unterlage (Teilnahme­antrag) solle die Vergabe als Vergabe eines Bauauftrages im Oberschwellen­bereich nach vorheriger europaweiter Bekanntmachung erfolgen. Die Antragstellerin beabsichtige, rechtzeitig einen Teilnahmeantrag zu stellen.

Auftraggeberin des gegenständlichen Vergabeverfahrens sei die Firma M GmbH, des LG L, mit dem Sitz in der politischen Gemeinde P.

 

Zum Interesse am Vertragsabschluss/drohenden Schaden brachte die Antragstellerin vor, es sei beabsichtigt, das langjährig entwickelte, am Markt seit ca. 20 Jahren bewährte Produkt "Aqua-Stop" anzubieten und zur Verwendung zu bringen. Der Zuschlag sei für die Antragstellerin als Referenzprojekt von immenser Bedeutung, handle es sich doch um das größte Hochwasser­schutzprojekt Österreichs mit veranschlagten Gesamtprojektskosten von 144 Mio Euro. Sollte der Zuschlag in diesem Vergabeverfahren zugunsten der Antragstellerin ausfallen, hätte dies immense Außenwirkung.

Die Antragstellerin sei im Bereich Hochwasserschutz tätig. Bei Zuschlagserteilung hätte dies Marketingwirkung für die Zentralstellen und nachgeordnete Dienststellen auf Bundes- und Landesebene im In- und Ausland und wäre dies ein maßgebliches Referenzprojekt für ähnliche Vergabeverfahren. Insbesondere sei zu berücksichtigen, dass gerade entlang der Donau immer mehr Hochwasserschutzprojekte realisiert würden, sodass sich die Wettbewerber­stellung der Antragstellerin durch ein derartiges Referenzprojekt verbessere.

 

Das Interesse der Antragstellerin sei insbesondere, dass der sensible Bereich der Auswahl der Bieter nach Eignungskriterien dem Gesetz und besonders den Grundsätzen der Gleichbehandlung, Fairness, Transparenz und Marktöffnung entsprechend durchgeführt werde.

Diesbezüglich sei die vorliegende Teilnahmeunterlage gesetzwidrig und eröffne der Auftraggeberin unzulässigen Handlungsspielraum, welche für den Fall der Bestandskraft dieser Bestimmungen eine willkürliche Teilnehmerauswahl zulassen würde.

Weiters würde der Antragstellerin der Verlust des unternehmerischen Gewinns drohen und würden zudem die Aufwendungen für Arbeitsleistungen frustriert werden.

 

Zur behaupteten Rechtswidrigkeit des Teilnahmeantrages führt die Antragstellerin zu Punkt 1.3.2. aus, dass im Ausschreibungsziel formuliert sei, dass der Aufbau des Mobilschutzes im Fall eines aufkommenden Hochwassers nicht vom Ausschreibungsgegenstand umfasst sei. Im Ausschreibungsgegen­stand (1.3.3.) sei hingegen die Montage und Inbetriebnahme des Mobilschutzes als Ausführungsleistung ausgewiesen. Zumal ein mobiler Hochwasserschutz wohl gerade bei aufkommendem Hochwasser zu montieren und in Betrieb zu nehmen sein werde, stehe diese Ausführungsleistung diametral in Widerspruch zum Ausschreibungsziel.

Hinsichtlich der Ausschreibungsgegenstände (1.3.3.) Transport zum Einsatzort, Schulung des Aufbaupersonals, Wiederherstellung der Einsatzbereitschaft udgl, würden der Ausschreibungsunterlage sämtliche näheren Spezifikationen fehlen, wie insbesondere Reaktionszeiten, zu erwartender Umfang solcher Dienstleistungen etc. Für die Antragstellerin sei im Ergebnis aus der Teilnahmeunterlage nicht nachvollziehbar, welche konkreten Leistungen vom Bieter erwartet bzw im Zuschlagsfall geschuldet würden. Die Auftraggeberin habe zwar dargelegt, dass der Auftragsgegenstand im ersten Teil der Ausschreibung nur grob umrissen werde. Aufgrund der andererorts geforderten und strengstens sanktionierten (Ausscheiden!) Vollständigkeitsverpflichtungen sei es für einen Teilnehmer mangels konkreter Beschreibung und eindeutiger Definition des Leistungs­gegenstandes unmöglich, im Vorfeld abzuschätzen, ob und welche Subunternehmer, ob und welche Projektleiter, ob und welche Statiker, sowie ob und welche Produktionsstätte er namhaft zu machen habe. In der Teilnahmeunterlage (1.3.3.) sei angeführt, dass erst in der zweiten Stufe des Verfahrens noch konkret festgelegt werde, welche (Konstruktions-)Pläne und sonstige Unterlagen nachzuweisen und welche Anforderungen damit zu erfüllen seien. Mangels diesbezüglicher Kenntnis in der ersten Phase sei es einem Teilnehmer allerdings unmöglich – im Sinne der geforderten Vollständigkeit, bei sonstigem Ausscheiden – alle erdenklichen Subunternehmer, Projektleiter etc. anzuführen, wenn doch alle Einzelheiten erst später bekannt gegeben würden.

 

Zu Punkt 2.1. wird ausgeführt, dass gemäß Ausschreibungsunterlage das gegenständliche Verfahren als Verhandlungsverfahren gestaltet sei. § 28 BVergG lege allerdings exklusiv fest, unter welchen Voraussetzungen die Wahl dieses Verfahrens zulässig sei. Sämtliche geforderten Tatbestandsmerkmale lägen gegenständlich nicht vor, sodass die Wahl des Verhandlungsverfahrens unzulässig sei. Bezüglich globaler Preisbemessung sei auszuführen, dass es eine solche sogar für das Gesamtprojekt "Hochwasserschutz Machland Nord" (bestehend aus Dämmen, Mobilwänden usw) gebe, nämlich 144 Mio Euro.

 

Ebenso werde die Wahl einer Rahmenvereinbarung als Vertragskonstrukt als rechtswidrig erachtet. Gemäß § 151 Abs.5 BVergG dürfe die Laufzeit einer Rahmen­vereinbarung grundsätzlich drei Jahre nicht überschreiten. Bei sachlicher Rechtfertigung könne eine Laufzeit – wie gegenständlich – von fünf Jahren vorgesehen werden, wobei die dafür ausschlaggebenden Gründe festzuhalten seien.

Dem gegenständlichen Ausschreibungsgegenstand, nämlich insbesondere im Hinblick auf die künftigen (Assistenz-)Einsätze, scheine der gewählte Rahmen sowohl für drei als auch für fünf Jahre von der Zielsetzung her vollkommen verfehlt. Gemäß Ausgangssituation (1.3.1.) gehe es beim gegenständlichen Projekt geradezu um die Nachhaltigkeit eines Hochwasserschutzes. Wenn nunmehr ein bestimmter Bieter für die gegenständliche Beschaffung von Einsatzmaterialien (Hochwasserschutz) zum Zug komme und damit verbunden Assistenzeinsatzdienstleistungen zu erbringen habe und diese Einsatzbereitschaft nach fünf Jahren auslaufe, werde damit ein neutraler, fairer Wettbewerb nach Ablauf dieser fünf Jahre konterkariert und vereitelt, zumal nicht anzunehmen sei, dass nach fünf Jahren andere Teilnehmer solche Einsatzbereit­schaften/Assistenzdienstleistungen quasi auf fremdem Produkt erbringen werden können. Gerade der Nachhaltigkeitsgedanke im Hochwasserschutzbereich stehe einer zeitlich befristeten Rahmenvereinbarung entgegen, da dadurch künftige Wettbewerbe (nach Ablauf der Rahmenvereinbarungslaufzeit) behindert, eingeschränkt und verfälscht werden würden.

 

Weiters wurde zu Punkt 7 vorgebracht, dass der von der Auftraggeberin gewählte Begriff "Subunternehmer" ein unbestimmter Begriff sei. Weder in der Judikatur noch in der Literatur gebe es eine allgemein anerkannte Definition. Dieser Umstand, verbunden damit, dass die zu erbringenden Leistungen noch nicht annähernd konkretisiert seien, führe zu einer Verletzung des Transparenzgebotes. Bei unvollständigen Angaben zu Subunternehmern im Teilnahmeantrag habe die Auftraggeberin strengste Konsequenzen (Ausscheiden) gewählt. Für einen Bieter müsse bei Angebotsabgabe abschätzbar und überprüfbar sein, ob sein Angebot der Ausschreibungsunterlage entspreche. Dies sei nach der Fassung des gegenständlichen Teilnahmeantrages für den Bieter unmöglich.

Im Zusammenhang mit jenen Leistungsanteilen, die (allfällig) ein Subunternehmer erbringe und, die gemäß Teilnahmeunterlage zwingend anzugeben seien, sei auf die BVergG-Novelle 2007 zu verweisen, wonach § 75 Abs.6 Z7 ("Angabe, welche Teile des Auftrages der Unternehmer unter Umständen als Subaufträge zu vergeben beabsichtigt") entfallen sei.

 

Die Auftraggeberin fordere unter Punkt 10.3.1. eine Beschreibung der Produktionsstätte samt technischer Ausstattung. Nach der derzeitigen Konzeption wäre der Auftraggeberin insofern ein willkürliches Handeln jederzeit möglich, als etwa im weiteren Verlauf des Verfahrens behauptet werden könne, der Bieter hätte die technische Ausstattung bis in kleinste Details anführen müssen. Dadurch sei es dem Bieter wiederum nicht möglich, im Vorfeld zu prüfen, ob sein Teilnahmeantrag der Ausschreibungsunterlage entspreche. Durch die unspezifische Festlegung der Auftraggeberin könnte auch in einem Nachprüfungsverfahren nicht überprüft werden, ob sich die Auftraggeberin an ihre eigenen Festlegungen gehalten habe. Diesbezüglich sei das Transparenz­gebot verletzt. Unsachlich und nicht gerechtfertigt sei die auferlegte Verpflichtung, auch Zubehör zu Mobilteilen in exakt dieser einen Produktionsstätte herzustellen. Es werde kaum einen Bieter geben, der die gesamte Wertschöpfung zu einem Mobilteil in einer einzigen Produktionsstätte herstellen könne.

 

Zu den Punkten 10.3.5. und 10.3.6. des Teilnahmeantrages wurde vorgebracht, dass zur Form der (zwingenden) Referenzen auszuführen sei, dass dieser Grad der Detaillierung in der zur Verfügung stehenden Zeit kaum beizuschaffen sei. Gerade in der gegenwärtigen Urlaubssaison sei dieser Umstand geeignet, den Wettbewerb im vorliegenden Verfahren zu verzerren, zumal es nicht alleine am Bieter gelegen sei, dass dieser Umstand erfüllt werde. Die Auftraggeberin mache es vielmehr von Zufälligkeiten abhängig, ob es einem Bieter möglich sei, ein vollständiges Angebot zu legen. Ein glücksspielhafter Charakter sei dem Vergaberecht fremd und verletze die Grundsätze des Gleichbehandlungs-, Fairness- und Transparenzgebotes.

 

Die Antragstellerin sei ein seit Jahrzehnten im Bau- und Baunebengewerbe tätiges Unternehmen, sei für seine (auch öffentlichen) Auftragsausführungen mehrfach und immer wieder auch überregional, medial beglückwünscht und prämiert worden und sei im Jahr 2006 durch das Nachrichtenmagazin "Trend" die Auszeichnung zum besten Gewerbebetrieb Österreichs erfolgt.

Im Jahr 2004/2005 sei im Baubereich eine Expansion in den bisher noch nicht erschlossenen (Bau-)Tätigkeitsbereich mobiler Hochwasserschutz in die Wege geleitet und vollzogen worden. Die Antragstellerin habe dazu langjährig entwickeltes Know-How sowie Patente und Gebrauchsmuster zum Hochwasser­schutzsystem "Aqua Stop" zur eigenen Anwendung (Herstellung und Verwertung) durch entsprechende Patent- und Know-How-Verträge lizenziert und erworben.

Was die gegenständliche Beschaffung betreffe, sei die Antragstellerin (auch) technisch leistungsfähig, auch, wenn sie "Newcomer" sei.

Aufgrund der Newcomer-Eigenschaft und der Phase des gegenwärtigen Markteintritts sei die Antragstellerin zwar technisch voll leistungsfähig, was den gegenständlichen Auftrag betreffe, allerdings (ohne Teilnahme als Bieterge­meinschaft) nicht in der Lage, diese technische Leistungsfähigkeit durch die von der Auftraggeberin aufgestellten Muss-Kriterien gemäß 10.3.5. und 10.3.6. der Ausschreibungsunterlage nachzuweisen.

 

Da das Gemeinschaftsrecht auf dem Gebiet der öffentlichen Aufträge nach ständiger Judikatur des EuGH der Öffnung der Märkte und der Förderung des Wettbewerbs diene, seien daher die Bestimmungen der Richtlinie im Zweifel so auszulegen, dass die Schranken für den Marktzutritt möglichst abgebaut werden. Vor diesem Hintergrund sei auch Artikel 23 Abs.3 der Lieferkoordinierungs­richtlinie 93/06 zu betrachten. Demnach seien verlangte Nachweise (Referenzen) durch den Gegenstand des Auftrages nur dann gerechtfertigt, wenn es keine andere Möglichkeit gebe, die technische Leistungsfähigkeit sicherzustellen. Bei dieser Interpretation werde nämlich dem Ziel des Abbaus von Markt­zutrittsbarrieren am besten Rechnung getragen. Auch gehe das BVA in diese Richtung: Das Fehlen von Erfahrung als bauleitende Firma stelle keinen nicht sanierbaren Ausscheidensgrund dar, da anderenfalls eine Expansion von Unternehmen in bislang noch nicht erschlossene Tätigkeitsbereiche nie in Betracht käme und der Wettbewerb dadurch von vornherein beschränkt wäre.

Es gehe also zur Beurteilung der Frage, ob die von der Auftraggeberin gegenständlich aufgestellten Muss-Kriterien (Referenzen) zu einer markt­abschottenden Wirkung gegenüber Newcomern am Markt führen, darum, ob es unmöglich sei, die technische Leistungsfähigkeit anders als durch Referenzen nachzuweisen.

Gerade von dieser Unmöglichkeit des Nachweises anders als durch Referenzen gehe aber gegenständlich die Auftraggeberin gar nicht aus. In 2.2. der Teilnahmeunterlage sei ein Verfahren mittels Beiziehung eines Prüfstatikers spezifiziert, das technisch und statisch einwandfreie Leistungen sicherstellen solle. Die Auftraggeberin führe dort selbst aus, dass das erklärte Ziel all dieser Maßnahmen (nämlich Prüfstatiker) darin bestehe, eben die technisch und statisch einwandfreie Leistungserbringung sicherzustellen.

Wenn aber nunmehr die technisch und statisch einwandfreie Leistungsfähigkeit ohnedies in einem gesonderten Verfahren mittels Prüfstatiker sichergestellt werde, verbleibe kein Raum, die technische Leistungsfähigkeit an – willkürlich festgelegte – Quadratmeterflächenzahlen in der Vergangenheit zu knüpfen.

Die Auftraggeberin liefere damit selbst den Nachweis, dass die technische Leistungsfähigkeit anders als durch Referenzen nachgewiesen werden könne. Aufgrund dieser Möglichkeit des Nachweises seien die aufgestellten Projekt-Referenz-Muss-Kriterien (gemeinschafts-)rechtswidrig, da damit lediglich Marktzutrittsbarrieren generiert und einer im gegenständlichen Bereich ohnedies oligopolähnlichen Marktstruktur Vorschub geleistet werde.

Zur Klarstellung: Die Antragstellerin sei (auch ohne Eingehen einer Bietergemeinschaft) keinesfalls "vollständig projektunerfahren", es könnten lediglich die in der Teilunterlage (junktimierten) Quadratmeterflächen-Vorgaben nicht referenziert werden.

Zum System "Aqua Stop", welches die Antragstellerin gedenke anzubieten, seien entsprechende Teststellungen errichtet, bei deren Besichtigung/Prüfung durch einen entsprechenden Sachverständigen die technische Leistungsfähigkeit jederzeit verifiziert werden könne.

 

Die Antragstellerin erachte sich in ihrem Recht auf Durchführung eines fairen, gesetzmäßigen und transparenten Vergabeverfahrens und dass die Aus­schreibung entgegen den im Vergabeverfahren geltenden fundamentalen Grundsätzen der Gleichbehandlung und der Transparenz gestaltet wurde, verletzt.

 

1.3.   Zu den Anträgen auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung verweist die Antragstellerin auf die Ausführungen im Hauptantrag. Begründend wurde weiters vorgebracht, dass bei Weiterführung des Vergabeverfahrens ein Schaden entstehe, als den übrigen Teilnehmern die Unterlagen für den zweiten (inhaltlichen) Teil zur Verfügung gestellt werden würden. Sollte die Antragstellerin mit ihrem Rechtsmittel Erfolg haben, so hätten die übrigen Teilnehmer einen nicht mehr gut zu machenden Informations- und Wissensvorsprung gegenüber der Antragstellerin.

Es bestünden keine besonderen öffentlichen Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens, die über die bei jedem Vergabeverfahren bestehenden öffentlichen Interessen an der Durchführung hinausgingen. Eine so große Dringlichkeit an der Durchführung des gegenständlichen Auftrages, die die Interessen der Antragstellerin an der Erlassung der einstweiligen Verfügung überwiegen würden, sei nicht erkennbar. Durch die mit einem Nachprüfungsverfahren verbundene Verzögerung würden die Interessen der Auftraggeberin nicht nachhaltig beeinträchtigt. Hinzuweisen sei auf die ständige Judikatur, wonach Auftraggeber verpflichtet seien, bei der Durchführung einer Ausschreibung allfällige Verzögerungen im Zusammenhang mit einem Nachprüfungsverfahren einzuplanen.

 

 

2. Der Oö. Verwaltungssenat hat die M GmbH als Auftraggeberin am Nachprüfungs­verfahren beteiligt. In ihrer Stellungnahme vom 12.8.2008 verweist die Auftraggeberin zunächst auf die Unzulässigkeit des Antrages auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung, zumal der Antrag der Antragstellerin keine genaue Darlegung der unmittelbar drohenden Schädigung ihrer Interessen und keine Glaubhaftmachung der maßgeblichen Tatsachen beinhalte. So sei auch keine ziffernmäßige Benennung eines drohenden Schadens erfolgt und habe die Antragstellerin auch auf die geforderte Bescheinigung der maßgeblichen Tatsachen verzichtet.

 

Überdies wurde von der Auftraggeberin zum öffentlichen Interessen an der Verfahrensfortsetzung vorgebracht, dass mit dem vorliegenden Vergabever­fahren eine hohe Dringlichkeit verbunden sei, um außergewöhnlich hohe wirtschaftliche Interessen sowie Leib und Leben vor künftigen Hochwasser­katastrophen so rasch wie möglich zu schützen. Die geplanten Hochwasser­schutz­maßnahmen des Gesamtprojektes Hochwasserschutz D-M N würden in Katastrophenfällen dem Hochwasserschutz in folgenden Gemeinden dienen: Naarn, Mitterkirchen, Baumgartenberg, Saxen, Mauthausen, Grein und St. Nikola.

Das Machland werde immer wieder von großflächigen Überflutungen heimgesucht, die landwirtschaftliche Flächen und darüber hinaus aber auch weitläufige Siedlungsgebiete und Einzelobjekte betreffen würden. In den letzten 20 Jahren seien im Machland zahlreiche Hochwasserereignisse aufgetreten, die zum Teil enorme wirtschaftliche Schäden – diese wurden von der Auftraggeberin  beziffert -  nach sich gezogen hätten.

Die zu realisierenden Hochwasserschutzmaßnahmen würden der Erreichung folgender Ziele, die allesamt auf den Schutz der Bevölkerung und ihres Eigentums ausgerichtet sind, dienen, und zwar als

-        umfassender Gebäudeschutz für dreißig-jährliche (HQ30) und hundert-        jährliche Ereignisse (HQ100) durch Errichtung von Dämmen (zwischen 1         und 3 km von der Donau entfernt), Mauern und gerade durch die        ausschreibungsrelevanten Mobilwände,

-        Ableitung des Oberflächenwassers aus den hochwassergeschützten   Bereichen,

-        Kompensationsmaßnahmen (Audotation, lokale Grabenertüchtigung) als     Ausgleich für nachhaltige Wirkungen durch das geplante Vorhaben.

Es bestehe daher ein besonderes öffentliches Interesse an der raschen Durchführung des Vergabeverfahrens. Jede weitere Verzögerung stelle eine nachhaltige Gefährdung der betroffenen Gemeinden, ihrer Bürger, der baulichen Einrichtungen und der Grundfläche dar. Sollte sich daher ein weiteres Hochwasser ereignen und noch kein ausreichender Hochwasserschutz realisiert sein, wären die damit verbundenen Folgen enorm und bei weitem über jene finanziellen Interessen zu stellen, die auf Seiten der Antragstellerin allenfalls bestünden. Ein effektiver Vergleich sei nicht möglich, weil die Antragstellerin auf eine Bezifferung ihres drohenden Schadens verzichtet habe. Der Schaden, der auf Seiten der Auftraggeberin und den betroffenen Machland-Gemeinden als Gesellschafter der Auftraggeberin durch eine neuerliche Hochwasserkatastrophe drohe, sei mit rund 52 Mio Euro zu beziffern.

Es drohe nicht nur ein bloß wirtschaftlicher Schaden; vielmehr werde durch einen nicht ausreichenden Hochwasserschutz auch Leib und Leben gefährdet. Diesbezüglich verweist die Auftraggeberin auf ein Judikat des BVA vom 11.1.2008, N/0007-BVA/05/2008-EV15, in welchem ausgesprochen wurde, dass der Schutz der körperlichen Sicherheit als höherwertiges Rechtsgut über finanzielle Interessen eines Bieters zu stellen sei und daher in einem solchen Fall die beantragte einstweilige Verfügung nicht erlassen werden dürfe.

 

Die im vorliegenden Fall gebotene Nichterlassung der einstweiligen Verfügung ergebe sich zusätzlich daraus, dass gerade auch die Antragstellerin bereits eine Verzögerung der Projektrealisierung mit verursacht habe. Das vorliegende Beschaffungsvorhaben sei nämlich bereits am 18.4.2008 – in einem nicht verfahrensrelevanten Verhandlungsverfahren – europaweit bekannt gemacht worden. Die Teilnahmefrist für dieses Verfahren habe am 15.5.2008 geendet. Die Antragstellerin habe in diesem Verfahren einen Teilnahmeantrag abgegeben. In diesem Teilnahmeantrag seien jedoch mehrere gravierende unbehebbare Mängel enthalten gewesen. Die Auftraggeberin habe daher den Teilnahmeantrag der Antragstellerin aus zwingenden vergaberechtlichen Gründen ausscheiden müssen; diese Entscheidung sei von der Auftraggeberin nicht angefochten worden. Eine Prüfung der abgegebenen Angebote habe ergeben, dass mit Ausnahme eines einzigen Bewerbers, alle Teilnahmeanträge unbehebbare Mängel enthalten hätten. Da sich die Auftraggeberin bei einem so bedeutenden Projekt sowohl in technischer als auch in wirtschaftlicher Hinsicht nicht einem einzigen Bieter "ausliefern" wollte, sei diese gezwungen gewesen, das Vergabeverfahren gemäß § 139 Abs.1 Z4 und Abs.2 Z3 BVergG zu widerrufen.

Hätte die Antragstellerin einen vergaberechtskonformen Teilnahmeantrag abgegeben, wäre die Auftraggeberin nicht gezwungen gewesen, dieses erste Vergabeverfahren zu widerrufen und hätte die Auftraggeberin bereits zum gegenwärtigen Zeitpunkt das Verhandlungsverfahren abschließen und damit die planmäßige Projektrealisierung sicherstellen können.

 

Eine weitere Verzögerung des Beschaffungsvorhabens habe gravierende terminliche Auswirkungen auf weitere bereits ausgeschriebene Gewerke, nämlich die Elektroinstallationsarbeiten für Pumpanlagen und die Baumeisterarbeiten für die Errichtung von Hochwasserschutzmauern, Tiefgründungen, Drainagen und Kanalisation, Pump- und Trafostationen. Die vorliegenden Bauausführungspläne seien auch darauf ausgerichtet, dass die Errichtungsarbeiten den für die Region äußerst bedeutenden Tourismus nicht beeinträchtigen. In diesem Zusammenhang sei ausdrücklich festgehalten, dass die Bauausführungspläne jeweils mit ausreichenden zeitlichen Reserven erstellt worden seien. Diese Reserven seien nunmehr verbraucht.

 

Sollte der Oö. Verwaltungssenat zu dem Ergebnis kommen, dass die Interessenabwägung die Erlassung einer einstweiligen Verfügung zulasse, seien die beantragten vorläufigen Maßnahmen jedenfalls überschießend, sodass diese keinesfalls erlassen werden dürften.

 

Nach Ansicht der Auftraggeberin sei der in Punkt II.lit.a enthaltene Antrag jedenfalls überschießend, weil es keinesfalls erforderlich sei, die Fortführung des gesamten Vergabeverfahrens zu untersagen. Auch sei der in Punkt II.lit.b enthaltene Antrag überschießend, zumal die Untersagung der Öffnung der eingelangten Teilnahmeanträge ausreichend sei. Ferner entspreche der in Punkt II.lit.c enthaltene Antrag auf Aussetzung des Vergabeverfahrens inhaltlich dem bereits in Punkt II.lit.a enthaltenen Antrag; wie bereits zu lit.a ausgeführt wurde, sei jedoch dieser Antrag überschießend, sodass diesem keinesfalls Folge gegeben werden könne.

 

Sollte daher der Oö. Verwaltungssenat die bereits aufgezeigten gravierenden wirtschaftlichen Folgen sowie die Folgen für Leib und Leben für nicht beachtlich bewerten und dennoch eine einstweilige Verfügung erlassen, wären ausnahmslos die in Punkt II.lit.d enthaltenen Maßnahmen angemessen und nicht überschießend. Lediglich die Öffnung einlangender Teilnahmeanträge stelle von den beantragten Maßnahmen das gelindeste Mittel dar, das im vorliegenden Fall aufgrund der wirtschaftlichen Folgen, der Folgen für Leib und Leben und der dargelegten Terminsituation gerade noch gerechtfertigt werden könne.

 

Es wurde insgesamt die vollinhaltliche Zurückweisung in eventu die vollinhaltliche Abweisung des Antrags auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung beantragt.

 

 

3.  Der Unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

 

3.1. Gemäß § 1 Abs.1 Oö. Vergaberechtsschutzgesetz (Oö. VergRSG) regelt dieses Landesgesetz den Rechtsschutz gegen Entscheidungen der Auftraggeber in Verfahren nach den bundesrechtlichen Vorschriften auf dem Gebiet des öffentlichen Auftragswesen (Vergabeverfahren), die gem. Art.14b Abs.2 Z2 B-VG in den Vollzugsbereich des Landes fallen.

 

Gemäß Art. 14b Abs.2 Z2 lit.c B-VG ist die Vollziehung Landessache hinsichtlich der Vergabe von Aufträgen durch Unternehmungen im Sinne des Art. 126b Abs.2, soweit sie nicht unter die Z1 lit.c fällt, sowie der Vergabe von Aufträgen durch Unternehmungen im Sinne des Art. 127 Abs.3 und Art. 127a Abs.3 und 8.

 

Gemäß Art. 127a Abs.3 B-VG überprüft der Rechnungshof weiter die Gebarung von Unternehmungen, an denen eine Gemeinde mit mindestens 20.000 Einwohnern allein oder gemeinsam mit anderen der Zuständigkeit des Rechnungshofes unterliegenden Rechtsträgern mit mindestens 50 vH des Stamm-, Grund- oder Eigenkapitals beteiligt ist oder die Gemeinde allein oder gemeinsam mit anderen solchen Rechtsträgern betreibt.

 

Gemäß Art. 14b Abs.2 B-VG letzter Satz gelten Gemeinden unabhängig von der Zahl ihrer Einwohner als Rechtsträger, die im Sinne der Z1 lit.b und c und der Z2 lit.b und c der Zuständigkeit des Rechnungshofes unterliegen.

 

Aufgrund des Firmenbuchauszuges besteht die M GmbH ausschließlich aus den Gesellschaftern Marktgemeinde Mauthausen, Markt­gemeinde Naarn im Machlande, Marktgemeinde Mitterkirchen im Machland, Marktgemeinde Baumgartenberg, Marktgemeinde Saxen, Stadtgemeinde Grein und Marktgemeinde St. Nikola an der Donau, die je eine Stammeinlage von 5.000 Euro geleistet haben.

 

Aufgrund der oben zitierten Bestimmungen des B-VG ist ein Unternehmen, an dem eine Gemeinde unabhängig von ihrer Einwohnerzahl allein oder gemeinsam mit anderen Gemeinden mit mindestens 50 vH des Stamm-, Grund- oder Eigenkapitals beteiligt ist, öffentlicher Auftraggeber im Sinne des Art. 14b Abs.2 lit.c B-VG. Da an der M GmbH ausschließlich Gemeinden am Stammkapital beteiligt sind, ist die M GmbH öffentliche Auftraggeberin im Sinne des § 1 Abs.1 Oö. VergRSG und unterliegt daher das gegenständliche Nachprüfungsverfahren den Bestimmungen des Oö. VergRSG.  

 

Gemäß § 2 Abs.1 Oö. VergRSG obliegt dem Unabhängigen Verwaltungssenat die Gewährung von Rechtsschutz gemäß § 1 Abs.1 leg.cit.

 

3.2.  Gemäß § 2 Abs.3 Oö. VergRSG ist der Unabhängige Verwaltungssenat bis zur Zuschlagsentscheidung bzw. bis zum Widerruf eines Vergabeverfahrens zum Zweck der Beseitigung von Verstößen gegen die bundesgesetzlichen Vorschriften auf dem Gebiet des öffentlichen Auftragswesens und die dazu ergangenen Verordnungen oder von Verstößen gegen unmittelbar anwendbares Gemeinschaftsrecht zuständig zur Erlassung einstweiliger Verfügungen sowie zur Nichtigerklärung gesondert anfechtbarer Entscheidungen (§ 2 Z16 lit.a BVergG 2006) des Auftraggebers bzw. der Auftraggeberin im Rahmen der vom Antragsteller bzw. der Antragstellerin geltend gemachten Beschwerdepunkte.

 

3.3.   Gemäß § 8 Abs.1 Oö. VergRSG hat der Unabhängige Verwaltungssenat auf Antrag durch einstweilige Verfügung unverzüglich vorläufige Maßnahmen anzuordnen, die nötig und geeignet scheinen, um eine durch die behauptete Rechtswidrigkeit einer gesondert anfechtbaren Entscheidung entstandene oder unmittelbar drohende Schädigung von Interessen des Antragstellers bzw. der Antragstellerin zu beseitigen oder zu verhindern.

 

Gemäß § 11 Abs.1 leg.cit. hat der Unabhängige Verwaltungssenat vor Erlassung einer einstweiligen Verfügung die voraussehbaren Folgen der zu treffenden Maßnahme für alle möglicherweise geschädigten Interessen des Antragstellers bzw. der Antragstellerin, der sonstigen Bewerber oder Bieter bzw. Bewerberinnen oder Bieterinnen und des Auftraggebers bzw. der Auftraggeberin sowie ein allfälliges besonderes öffentliches Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens gegeneinander abzuwägen. Ergibt diese Abwägung ein Überwiegen der nachteiligen Folgen einer einstweiligen Verfügung, ist der Antrag auf ihre Erlassung abzuweisen.

 

Gemäß § 11 Abs.2 leg.cit können mit der einstweiligen Verfügung das gesamte Vergabeverfahren oder einzelne Entscheidungen des Auftraggebers bzw. der Auftraggeberin  bis zur Entscheidung über eine allfällige Nichtigerklärung vorübergehend ausgesetzt oder sonstige geeignete Maßnahmen angeordnet werden. Dabei ist die jeweils gelindeste noch zum Ziel führende vorläufige Maßnahme zu verfügen.

 

Gemäß § 11 Abs.3 leg.cit. ist in einer einstweiligen Verfügung die Zeit, für welche diese Verfügung getroffen wird, zu bestimmen. Die einstweilige Verfügung tritt nach Ablauf der bestimmten Zeit, spätestens jedoch mit der Entscheidung über den Antrag auf Nichtigerklärung, in dem die betreffende Rechtswidrigkeit geltend gemacht wird, außer Kraft.

 

3.4. Der gegenständliche Antrag ist rechtzeitig und zulässig. Aufgrund der Höhe des Auftragswertes des ausgeschriebenen Bauauftrages sind die Bestimmungen für den Oberschwellenbereich anzuwenden.

 

Zum behaupteten Nichtvorliegen der Mindestanforderungen nach § 8 Abs.2 Oö. VergRSG ist grundsätzlich anzuführen, dass an die Ausführungen zum drohenden Schaden nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes keine allzu hohen Anforderungen zu stellen sind. Dies muss neben dem Hauptverfahren umso mehr für das Provisorialverfahren zur Erlassung einer einstweiligen Verfügung gelten.

Die Antragstellerin brachte dazu vor: Der Zuschlag sei für die Antragstellerin als Referenzprojekt von immenser Bedeutung, handle es sich doch um das größte Hochwasser­schutzprojekt Österreichs mit veranschlagten Gesamtprojektskosten von 144 Mio Euro. Sollte der Zuschlag in diesem Vergabeverfahren zugunsten der Antragstellerin ausfallen, hätte dies immense Außenwirkung.

Die Antragstellerin sei im Bereich Hochwasserschutz tätig. Bei Zuschlagserteilung hätte dies Marketingwirkung für die Zentralstellen und nachgeordnete Dienststellen auf Bundes- und Landesebene im In- und Ausland und wäre dies ein maßgebliches Referenzprojekt für ähnliche Vergabeverfahren. Insbesondere sei zu berücksichtigen, dass gerade entlang der Donau immer mehr Hochwasserschutzprojekte realisiert würden, sodass sich die Wettbewerber­stellung der Antragstellerin durch ein derartiges Referenzprojekt verbessere.

 

Für den Oö. Verwaltungssenat ist es durchaus nachvollziehbar, plausibel und somit glaubhaft, dass die oben angeführten Schäden der Antragstellerin bei Ausscheidung aus dem Vergabeverfahren und somit Nichterlangung des Zuschlages entstehen und diese angesichts der Art und des Umfanges des zu vergebenden Auftrages durchaus auch wertmäßig eine nicht zu vernachlässigende Relevanz haben werden. Überdies wird bei Entfall des Auftrages auch ein entgangener Gewinn drohen. Da ein Schaden somit auf der Hand liegt, ist diese Antrags- und Zulässigkeitsvoraussetzung für den Antrag auf einstweilige Verfügung angesichts der ständigen Judikatur als erfüllt anzusehen und kann auch von etwaigen Bescheinigungen diesbezüglich Abstand genommen werden.

Dieser Schaden könnte durch die Nichterlassung einer einstweiligen Verfügung unmittelbar eintreten. Würde die Antragstellerin keine einstweilige Verfügung beantragen, so könnte ihr vorgeworfen werden, dass sie nicht alle Maßnahmen zur Verhinderung des Schadens gesetzt hätte.  

 

3.5.  Bereits zu der vorausgegangenen sinngemäßen Regelung des Bundes­vergabe­gesetzes 1997 führte Elsner, Vergaberecht (1999), auf Seite 86 aus: Die Entscheidung hängt von einer Abwägung der möglicherweise geschädigten Interessen des Antragstellers und einem allfälligen besonderen öffentlichen Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens ab. Dabei muss es sich um ein "besonderes" öffentliches Interesse handeln. Es wird nämlich (hoffentlich) bei jeder öffentlichen Auftragsvergabe ein öffentliches Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens und Vergabe eines Auftrages bestehen. Aber auch daran, dass Vergabeverfahren fehlerfrei ablaufen, besteht öffentliches Interesse. Eine Nichterlassung einstweiliger Verfügungen wird daher nur bei sonstiger Gefahr für Leib und Leben und besonderer Dringlichkeit zulässig sein. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn besondere Interessen der Daseinsvorsorge gefährdet würden.

 

Art.2 Abs.4 Satz 1 der Rechtsmittelrichtlinie darf nicht fälschlicherweise so ausgelegt werden, dass der vorläufige Rechtsschutz regelmäßig leerläuft. Mit diesem Interesse ist nicht das bei jeder Auftragsvergabe bestehende öffentliche Interesse an der zügigen Abwicklung gemeint. Nach der Beschlusspraxis des EuGH kommt es in der Interessensabwägung maßgeblich darauf an, wer durch sein Verhalten die besondere Dringlichkeit der Auftragsvergabe verursacht hat. Für die öffentlichen Auftraggeber ergibt sich daraus eine echte Obliegenheit zu rechtzeitig geplanten und durchgeführten Beschaffungsvorgängen. Das Rechtsschutzinteresse des diskriminierten Bieters kann insoweit nur vom vorrangigen Schutz überragend wichtiger Rechtsgüter der Allgemeinheit zurückgedrängt werden (vgl. Schenk, Das neue Vergaberecht, 1. Auflage 2001, S. 172f).

 

Auch der Verfassungsgerichtshof hat insbesondere in seiner Entscheidung zu Zl. B 1369/01 vom 15.10.2001 ein öffentliches Interesse im Hinblick auf das Postulat effizienten Einsatzes öffentlicher Mittel in der Sicherstellung einer Auftragserteilung an den tatsächlichen Bestbieter gesehen, dem die Nachprüfung des Vergabe­verfahrens letztlich dienen soll.

 

3.6. Der Oö. Verwaltungssenat verkennt nicht die immense Bedeutung der Errichtung eines effektiven Hochwasserschutzes für die betroffenen Gemeinden. Die von der Auftraggeberin geplanten Hochwasserschutzmaßnahmen schützen zwar auch Leib und Leben neben dem Eigentum, dies allerdings nicht zur Hintanhaltung einer aktuellen Gefährdung, sondern sind längerfristiger vorbeugender Natur. Dies stellt auch eine Abweichung zu dem in diesem Zusammenhang der zitierten Entscheidung des BVA vom 11.1.2008, N/0007-BVA/05/2008-EV15, zugrunde liegenden Sachverhalt dar. Dort ging es um die Beschaffung eines Impfstoffes für Säuglinge gegen eine Durchfallerkrankung an der jährlich tatsächlich zwischen 2900 und 4000 Kleinkinder in Österreich konkret erkranken und die bei ungünstigen Bedingungen wegen des Flüssigkeitsverlustes auch tödlich verlaufen kann. In diesem Falle kann von einer konkreten Gefahr ausgegangen werden, während große Hochwasser­katastrophen, wie die im Jahre 2002 zitierte, statistisch nur alle paar Jahrzehnte oder gar nur alle hundert Jahre auftreten.

 

In einem Telefonat hat der Prokurist der Auftraggeberin zum gegenständlichen Bauauftrag angegeben, dass grundsätzlich der Hochwasserschutz Machland in 7 Baulosen errichtet  werden soll. Dabei sind Dammbauten, Flutmulden und, wo dies räumlich nicht möglich ist, mobile Hochwasserschutzwände geplant.

Der mobile Hochwasserschutz wird vor allem in den Gemeinden Mauthausen, Grein und St. Nikola eingerichtet. Der größte Teil der Anlagen (ca. 3300 m2) bezieht sich auf Mauthausen. Dies stellt auch das erste zur Ausführung gelangende Baulos 5 dar. Damit soll Ende Oktober 2008 begonnen werden. Die Errichtungszeit dafür ist mit 18 Monaten vorgesehen. Die Baulose 6 u. 7 betreffen den Mobilschutz in Grein u. St. Nikola. Diese sollen erst ab 2010 in Angriff genommen werden.

Zur Errichtung der mobilen Elemente sind entsprechende Betonfundament­mauern in Form von Dichtwänden mit Tiefgründungen erforderlich, bei deren Ausführung bereits die Fußplatten des zur Montage kommenden Systems für die Stützen der mobilen Dammbalken miteinbetoniert werden müssen. Die Stützen werden dann im Hochwasserfall dort eingesteckt und verschraubt, dann werden die Dammbalken aus Aluminium in die Stützen eingesteckt.

Je nach System gibt es senkrechte und geneigte Stützen, sodass es hier wirklich darauf ankommt die richtigen Fußplatten, die vom Hersteller des Systems zur Verfügung gestellt werden müssen, einzubetonieren.

Im gesamten Hochwasserschutzgebiet sind auch elektrische Pumpanlagen geplant, um in Hochwasserfall die Niederschlagswässer oder aus anderen Gebieten heranströmenden Wässer in die Donau zu pumpen. Im Bereich der Mobilwände sollen dafür bereits Leerrohre für die Elektroinstallation verlegt werden.

Die Ausschreibungen für die Elektropumpanlagen und die Dichtwände sind bereits erfolgt. Die Angebotseröffnungen sollen am 8. bzw. 11.9.08 erfolgen.

 

Für den Oö. Verwaltungssenat zeigt sich, dass die notwendigen Baumeisterarbeiten (Dichtwände mit Tiefgründungen) für das  Baulos 5 – Mauthausen, die eine Vorleistung für die Errichtung des mobilen Hochwasserschutzes sind, noch nicht einmal vergeben sind. Dieser Bauauftrag wurde offensichtlich erstmals im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Union unter Zl. 2008/S 151-203467 am 1.8.2008 bekannt gemacht. Auch bei diesem Vergabeverfahren sind Nachprüfungsverfahren nicht auszuschließen und ist daher die endgültige Zuschlagserteilung noch nicht absehbar. Es müsste daher von einem umsichtigen Auftraggeber auch hier dafür ein Zeitpolster eingeplant worden sein.

 

Generell ist für das Baulos 5 eine Bauzeit von 18 Monaten vorgesehen. Bei entsprechender Koordination könnte daher eine Verzögerung von maximal zwei Monaten bedingt durch die einstweilige Verfügung zumindest so kompensiert werden, dass der tatsächliche Hochwasserschutz in annähernd der gleichen Zeit zur Verfügung steht, indem zB gewisse Arbeiten vorgezogen und andere nicht so wichtige (z.B Rekultivierung) nachgereiht werden. Dabei kann auch auf touristische Belange Rücksicht genommen werden, sofern dies beim gegebenen Umfang der Maßnahmen überhaupt möglich ist. Zudem ist die Ausführung erst ab Ende Oktober 2008 geplant, einem Zeitraum, in dem die Hochwassergefahr erfahrungsgemäß eher gering ist, da die Hauptzeiten für diese Gefahr während der Schneeschmelze und im Sommer liegen. Die Ausführungen in Grein und St. Nikola sind sogar erst ab 2010 vorgesehen.

Die vorgesehenen Pumpanlagen haben erst nach der Fertigstellung der Hochwasserschutzmaßnahmen eine zweckmäßige Funktion, da sie ja im Hochwasserfall die Niederschlagswässer oder aus anderen Gebieten heranströmenden Wässer in die Donau pumpen sollen und nur bei Bestehen der Hochwasseranlagen ein Zurückströmen verhindert werden kann. Insofern kann auch den Elektroninstallationsarbeiten dafür keine besondere Dringlichkeit zukommen. Überdies können ausreichend dimensionierte Leerrohre für die Elektroinstallation in jedem Fall auch vor der Endmontage der Mobilwände bereits in der Dichtwand verlegt werden.

 

Nach Angaben der Auftraggeberin wurde das vorliegende Beschaffungsvorhaben bereits am 18.4.2008 europaweit kundgemacht und endete in diesem Vergabeverfahren die Teilnahmefrist am 15.5.2008. Alle Teilnahmeanträge, darunter auch der der nunmehrigen Antragstellerin, bis auf einen mussten aber ausgeschieden werden. Da sich die Auftraggeberin bei einem so bedeutenden Projekt sowohl in technischer als auch in wirtschaftlicher Hinsicht nicht einem einzigen Bieter "ausliefern" wollte, sei diese gezwungen gewesen, das Vergabeverfahren gemäß § 139 Abs.1 Z4 und Abs.2 Z3 BVergG zu widerrufen.

Dazu ist festzustellen, dass gemäß § 139 Abs.1 Z4 BVergG 2006 ein zwingender Widerruf nur dann geboten ist, wenn nach dem Ausscheiden kein Angebot im Vergabeverfahren verbleibt. Gemäß § 139 Abs.2 Z3 leg.cit. kann ein Vergabeverfahren widerrufen werden, wenn dafür sachliche Gründe bestehen.

Da ein gültiger Teilnahmeantrag verblieben ist, lag kein zwingender Widerrufsgrund vor und hätte die Auftraggeberin, wenn sie selbst die Dringlichkeit der Auftragsvergabe so hoch eingeschätzt hätte, den Auftrag vermutlich vergeben können. Durch den Widerruf hat sie durch die nochmalige Ausschreibung eine Verzögerung gerechnet von jeweiligen Ende der Teilnahmefristen (15.5 bzw nunmehr 18.8.08) um drei Monate, somit mehr als die zweimonatige Entscheidungsfrist im anhängigen Nachprüfungsverfahren, selbst verursacht.

Die Antragstellerin für diese Verzögerung verantwortlich zu machen, da sie im Erstvergabeverfahren keinen vergaberechtskonformen Teilnahmeantrag abgegeben habe, ist nicht zulässig, da ihr daraus kein Vorwurf gemacht werden kann und sie ja die diesbezüglichen Konsequenzen, nämlich ihr Ausscheiden aus dem Vergabeverfahren, selbst zu tragen hatte. Dies hat auch keine Auswirkung auf die Erlassung der nunmehrigen einstweiligen Verfügung.

 

3.7.   Zusammenfassend kann daher davon ausgegangen werden, dass es sich bei den ausgeschriebenen Hochwasserschutzanlagen um vorbeugende Maßnahmen handelt, jedoch aktuell eine Gefährdung von Leib und Leben nicht gegeben ist. Ein durchaus immanentes besonderes öffentliches Interesse an der raschen Realisierung der Hochwasserschutzmaßnahmen verhindert bei Abwägung  gegenüber der Fortführung des Verfahrens in Anbetracht der oben geschilderten Erwägungen nicht die Erlassung der einstweiligen Verfügung und ergibt sich kein Überwiegen der nachteiligen Folgen, wenn eine solche erlassen wird.

 

Auch trifft die Auftraggeberin im Hinblick auf die Rechtsnatur des Provisorialverfahrens und auf die allgemeine Mitwirkungspflicht der Parteien im Verwaltungsverfahren die Behauptungslast betreffend die gegen die Erlassung einer einstweiligen Verfügung sprechenden Interessen. Die Auftraggeberin hat im Verfahren konkrete darüber hinausgehende, mit der Erlassung der beantragten einstweiligen Verfügung drohende weitere Nachteile nicht dargelegt.

 

Vielmehr ist bei der Interessensabwägung iSd Judikatur des Verfassungsgerichtshofes zu berücksichtigen, dass die Auftraggeberin ein Interesse an einem rechtmäßigen Vergabeverfahren haben muss. Darüber hinaus ist auf die Rechtsprechung der Vergabe­kontrollinstanzen, dass ein öffentlicher Auftraggeber bei der Erstellung des Zeitplanes für eine Auftragsvergabe die Möglichkeit von Nachprüfungsverfahren und die damit einhergehende Verzögerung ins Kalkül zu ziehen hat, zu verweisen. Dass sich durch die Erlassung einer einstweiligen Verfügung eine Verzögerung der Bedarfsdeckung und ein organisatorischer und finanzieller Mehraufwand ergeben können, liegt in der Natur der Sache.

 

Die im Vorbringen der Antragstellerin behaupteten Rechtswidrigkeiten sind zumindest denkmöglich. Eine Überprüfung, ob die behaupteten Rechts­widrig­keiten auch tatsächlich vorliegen, war im Rahmen des Provisorialverfahrens nicht durchzuführen.

 

3.8.   Die Antragstellerin hat somit denkmöglich ausgeführt, dass ihr durch die behauptete Rechtswidrigkeit eine Angebotslegung unmöglich wäre und daher der Entgang des Auftrages droht, sohin ein Schaden, der nur durch die vorübergehende Aussetzung des Vergabeverfahrens abgewendet werden kann.

Dies stellt nach Ansicht des Oö. Verwaltungssenates auch das gelindeste zum Ziel führende Mittel im Sinne des § 11 Abs.2 Oö. VergRSG dar, da nur dadurch sichergestellt werden kann, dass für die Antragstellerin durch das Nachprüfungsverfahren keine Fristen ablaufen, die ihre Teilnahme am Vergabeverfahren verhindern. Ein bloßes Verbot der Öffnung der einlangenden Teilnahmeanträge könnte dies nicht gewährleisten.

 

Die Dauer der Untersagung der Fortsetzung des Vergabeverfahrens ergibt sich aus § 11 Abs.3 Oö. VergRSG iVm § 20 Abs.1 Oö. VergRSG.

Gemäß § 20 Abs.1 Oö. VergRSG ist über Anträge auf Nichtigerklärung von Entscheidungen eines Auftraggebers bzw. einer Auftraggeberin unverzüglich, spätestens aber zwei Monate nach Einlangen des Antrages zu entscheiden.

 

Für den gegenständlichen Fall bedeutet dies, dass für den  Unabhängigen Verwaltungssenat somit die Möglichkeit besteht, die Untersagung der Fortsetzung des Vergabeverfahrens für zwei Monate auszusprechen.

 

Die einstweilige Verfügung ist gemäß § 11 Abs.4 Oö. VergRSG sofort vollstreckbar.

 

 

4. Im gegenständlichen Verfahren sind Stempelgebühren in der Höhe von 13,20 Euro angefallen. Ein entsprechender Zahlschein liegt bei.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichts­hof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro  zu entrichten.

 

 

Dr. Ilse Klempt 

 

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum