Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-240615/2/WEI/Ga

Linz, 31.07.2008

Mitglied Dr. Wolfgang Weiß über die Berufung des Ing. M K, vertreten durch Dr. J H und Mag. Dr. T H, Rechtsanwälte in W, gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmanns von Steyr-Land vom 11. Juni 2007, Zl. VetR 96-5-2007-Lec/Bi, wegen Verwaltungsübertretungen nach dem § 90 Abs 3 Z 1 LMSVG iVm der Verordnung (EG) Nr. 853/2004 vom 29. April 2004 zu Recht erkannt:

 

 

I.            Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und die Strafverfahren werden gemäß § 45 Abs 1 Z 1 und Z 3 VStG eingestellt.

 

II.        Die Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten der Strafverfahren entfällt.

 

Rechtsgrundlagen:

§§ 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG iVm § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 - VStG; § 66 Abs 1 VStG;

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1.1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde der Berufungswerber (Bw) wie folgt schuldig erkannt und bestraft:

 

"Mit rechtkräftigem Bescheid der Abteilung Sanitäts- und Veterinärrecht des Landes Oö., Zl. VetR-330767/11-2006-A vom 19.01.2006, wurde dem Betrieb J Z GmbH & Co KG, Schlachthof und Zerlegebetrieb in A, Veterinär­kontrollnummer  eine maximale Schlacht- bzw Kühlkapazität von 615 Schweinen pro Tag festgesetzt.

Laut Anzeige des Amtstierarztes der Bezirkshauptmannschaft Steyr-Land vom 20.02.2007 haben Sie es als verwaltungsstrafrechtlich Verantwortlicher zu vertreten dass diese Schlachtzahlen am

1.            08.01.2007 um 80 Schweine (Gesamtschlachtzahl: 695 Schweine)

2.            10.01.2007 um 41 Schweine (Gesamtschlachtzahl: 656 Schweine)

3.            16.01.2007 um 23 Schweine (Gesamtschlachtzahl: 638 Schweine)

4.            19.01.2007 um 62 Schweine (Gesamtschlachtzahl: 677 Schweine)

5.            22.01.2007 um 115 Schweine (Gesamtschlachtzahl: 730 Schweine)

6.            26.01.2007 um 126 Schweine (Gesamtschlachtzahl: 741 Schweine)

7.            29.01.2007 um 41 Schweine (Gesamtschlachtzahl: 656 Schweine)

8.            31.01.2007 um 61 Schweine (Gesamtschlachtzahl: 676 Schweine) und

9.            12.02.2007 um 96 Schweine (Gesamtschlachtzahl: 711 Schweine) überschritten wurden,

sodass für die über die Maximalkapazität hinausgehende Anzahl der geschlachteten Tiere eine ordnungsgemäße (Ab)Kühlung nicht sichergestellt war."

 

Dadurch erachtete die belangte Behörde folgende Rechtsvorschriften als verletzt:

 

"Anhang III, Abschnitt I, Kapitel VII, Z. 1a und 2 der Verordnung (EG) Nr. 853/2004 vom 29. April 2004 mit speziellen Hygienevorschriften für Lebensmittel tierischen Ursprungs, ABl.Nr. L 139 vom 30. April 2004, geändert durch Verordnung (EG) Nr. 1791/2006, ABl.Nr. L 363 vom 20.12.2006"

 

Wegen dieser Verwaltungsübertretungen verhängte die belangte Behörde zu 1. bis 9 gemäß § 90 Abs 3 Z 1 LMSVG je eine Geldstrafe von 100 Euro (insgesamt 900 Euro) und für den Fall der Uneinbringlichkeit je eine Ersatzfreiheitsstrafe von 12 Stunden. Als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens wurde der einheitliche Betrag von 90 Euro (10 % der Geldstrafen) vorgeschrieben.

 

1.2. Gegen dieses Straferkenntnis, das dem Bw zu Händen seiner Rechtsvertreter am 12. Juni 2007 zugestellt wurde, richtet sich die am 26. Juni 2007 rechtzeitig zur Post gegebene Berufung gleichen Datums, mit der die Auf­hebung des Straferkenntnisses und Einstellung des Strafverfahrens angestrebt wird.

 

2. Aus der Aktenlage ergibt sich der folgende Gang des Verfahrens und wesent­liche S a c h v e r h a l t:

 

2.1. Der Amtstierarzt der belangten Behörde übermittelte mit Schreiben vom 20. Februar 2007, Zl. Vet50-18/3-2007-Dor/Bi, eine Schlachtzahlenerhebung für den Zeitraum 2. Jänner bis 13. Februar 2007 betreffend den Betrieb "V N" in A. Abschließend wird darauf hingewiesen, dass aus der Aufstellung hervorgehe, dass die Schlachtzahlen "im Hinblick auf die Kühlkapazität (VetR-Erlass des Landes )" an etlichen Tagen überschritten worden sei.

 

Mit Strafverfügung vom 27. Februar 2007 lastete die belangte Behörde dem Bw die Verwaltungsübertretungen wie im angefochtenen Straferkenntnis an. Dagegen erhob er fristgerecht durch seinen Rechtsvertreter Einspruch und bestritt den angelasteten Sachverhalt.

 

Die belangte Behörde hat daraufhin den Amtstierarzt Dr. W D am 21. März 2007 als Zeugen einvernommen und folgende Aussage protokolliert:

 

"Über Befragen gebe ich an, dass die von mir in den Anzeigen vom 24.10.2006 bzw. vom 20.2.2007 festgehaltenen Schlachtzahlen durch Einsichtnahme in das Protokollbuch Schlachttier- und Fleischuntersuchung der Firma J Z GmbH & Co KG,  A,  erhoben wurden. Aus diesem Grund ist davon auszugehen, dass in meinen Anzeigen die tatsächlichen Schlachtzahlen angeführt wurden."

 

2.2. Mit Schreiben vom 23. März 2007 übermittelte die belangte Behörde dem Rechtsvertreter die Niederschrift dieser Zeugenaussage und räumte die Möglich­keit zur Stellungnahme binnen 14 Tagen ein. Eine Stellungnahme wurde nicht erstattet. Die belangte Behörde erhob dann noch die Einkommens- und Vermögensverhältnisse und erließ gegen den Bw in der Folge das angefochtene Straferkenntnis vom 11. Juni 2007.

 

In der Begründung betont die belangte Behörde, dass der Bw von der Möglichkeit zur Stellungnahme keinen Gebrauch machte. Somit wäre für die belangte Behörde erwiesen, dass an allen im Spruch angeführten Schlachttagen die Maxi­malkapazität überschritten und eine ordnungsgemäße Kühlung nicht sicherge­stellt gewesen wäre. Das lapidare Bestreiten des Sachverhaltes sei nicht geeignet gewesen, schuldausschließend zu wirken.

 

2.3. In der Berufung vom 26. Juni 2007 werden die im Spruch angeführten Gesamtschlachtzahlen nicht bestritten. Allerdings wird der Umstand bestritten, dass die ordnungsgemäße "(Ab)Kühlung" nicht sichergestellt gewesen wäre. Der Bw habe gegen die Bestimmung der Verordnung (EG) Nr. 853/2004 im Anhang III. Abschnitt 1, Kapitel VII, Z 1a und 2, nicht verletzt.

 

Die Behörde unterlasse es, die zulässigen Gesamtschlachtzahlen anzuführen. Sie habe offenbar die Betriebsanlagengenehmigung im Auge, deren Bestandteil das eingereichte Projekt mit den angegebenen gewerberechtlich verbindlichen Schlacht­zahlen sei. Deren Überschreitung bedeute aber nicht, dass eine ordnungsgemäße (Ab)Kühlung nicht sichergestellt gewesen sei.

 

Der Spruch sei auch undeutlich formuliert. Die gemeinschaftsrechtliche Bestimmung besage, dass die Temperatur von 7°C bei kontinuierlicher Temperatur­senkung erreicht und dann beibehalten werden müsse.  Dem Spruch könne nicht entnommen werden, ob nun eine unzureichende Abkühlung oder ob die Kühlung während der Lagerung nicht dem vorgeschriebenen wert entsprochen habe.

 

Der Bescheid der belangten Behörde lasse auch eine nachvollziehbare Beweiswürdigung vermissen. Der Zeuge Dr. D bestätigte bloß die tat­sächlichen Schlachtzahlen. Zur Frage der Abkühlung oder Kühlung gab er keine Stellungnahme ab. Darüber gebe es keine Beweisergebnisse. Es sei dem Akt auch kein technischer Zusammenhang zwischen der Überschreitung der Schlacht­zahl und der Kühlkapazität zu entnehmen. Die belangte Behörde sei selbst nicht in der Lage, einen solchen Zusammenhang herzustellen. Der Sach­ver­halt sei daher keineswegs lapidar bestritten worden, sondern die Vorwürfe enthielten bisher kein Substrat.

 

Die Berufung bringt vor, dass sämtliche Kühlprotokolle im Betrieb existieren und zwei Jahre lang aufbewahrt werden. Der Amtsarzt hätte diese kontrollieren können. Außerdem wäre die Ware verladen worden und hätte der Empfänger, in diesen Fällen die N M GmbH in V, bei Anlieferung Temperaturkontrollen vorgenommen. Der Kunde hätte die Annahme der Ware verweigert, solange die Kerntemperatur von 7°C überschritten worden wäre. Aus den Kühlprotokollen ergäbe sich eine Abkühlungskurve, welche eine kontinuier­liche Abkühlungskurve gewährleiste. Ebenso ergäbe sich daraus eine Abkühlung auf 7°C und eine Kühlung während der Lagerung mit dieser Temperatur. Somit könne empirisch festgestellt werden, dass die Kühlkapazität ausreichend und die ordnungsgemäße Abkühlung und Kühlung sichergestellt gewesen sei.

 

3. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat nach Einsicht in den vorgelegten Verwaltungsstrafakt festgestellt, dass der wesentliche Sachverhalt unbestritten feststeht und nur Rechtsfragen zu beurteilen sind.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat erwogen:

 

4.1. Gemäß § 90 Abs 3 Z 1 LMSVG begeht eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde mit Geldstrafe bis zu 20.000 Euro, im Wiederholungsfall bis zu 40.000 Euro, und im Fall der Uneinbringlichkeit mit Ersatzfreiheitsstrafe bis zu sechs Wochen zu bestrafen,

 

werden in der Anlage genannten unmittelbar anwendbaren Rechtsakten der Europäischen Gemeinschaft oder den näheren Vorschriften zur Durchführung dieser Rechtsakte gemäß § 4 Abs 3 oder § 15 zuwider­handelt.

 

In der Anlage zum LMSVG werden Verordnungen der Europäischen Gemeinschaft aufgelistet. Gemäß § 4 Abs 1 LMSVG sind die in der Anlage genannten unmittelbar anwendbaren Rechtsakte der Europäischen Gemeinschaft samt Änderungsverordnungen und Durchführungsvorschriften im Rahmen dieses Bundesgesetzes zu vollziehen, wobei das BMGF die Anlage mit Verordnung zu aktualisieren hat (§ 4 Abs 2 LMSVG). § 4 Abs 3 leg.cit enthält eine Ver­ordnungsermächtigung für die Durchführung der in der Anlage genannten unmittelbar anwendbaren Rechtsakte der Europäischen Gemeinschaft in sinnge­mäßer Anwendung der §§ 6, 19 und 20 leg.cit. und § 15 leg.cit. sieht eine Verordnungsermächtigung zur Erlassung näherer Vorschriften zur Durchführung der Bestimmungen von Anhang I der Verordnung (EG) Nr. 852/2004 vor.

 

Im Teil 2 Ziffer 2 der Anlage zum LMSVG wird die Verordnung (EG) Nr. 853/2004 vom 29. April 2004 mit spezifischen Hygienevorschriften für Lebensmittel tierischer Ursprungs (ABl Nr. L 139 vom 30. April 2004, berichtigt durch ABl Nr. L 226 vom 25. Juni 2004) genannt.

 

Der von der belangten Behörde herangezogene Anh III, Abschn I, Kap VII der Verordnung (EG) Nr. 853/2004, die nach ihrem Art 1 Hygienevorschriften für Lebensmittelunternehmer enthält, regelt die Lagerung und Beförderung wie folgt:

 

"Lebensmittelunternehmer müssen sicherstellen, dass die Lagerung und Beförderung von Fleisch von als Haustieren gehaltenen Huftieren nach folgenden Vorschriften erfolgen:

         1. a) Sofern in anderen spezifischen Vorschriften nichts anderes bestimmt ist, muss das Fleisch unverzüglich nach der Fleischuntersuchung im Schlachthof in allen Teilen abgekühlt werden, um eine Temperatur sicherzustellen, die im Fall von Nebenprodukten der Schlachtung 3°C und im Falle von sonstigem Fleisch 7°C nicht übersteigt, und zwar nach einer Abkühlungskurve, die eine kontinuierliche Temperatursenkung gewährleistet. Fleisch darf jedoch währen des Abkühlens gemäß Kapitel V Nummer 4 zerlegt und entbeint werden.

         b) Während der Kühlung muss eine angemessene Belüftung gewährleistet sein, um die Bildung von Kondenswasser auf der Fleischoberfläche zu verhindern.

         2. Fleisch muss auf die in Nummer 1 angegebene Temperatur abgekühlt werden, die während der Lagerung beibehalten werden muss.

..."

 

4.2. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu den Sprucher­fordernissen nach § 44a Z 1 VStG ist die Tat so weit zu konkretisieren, dass eine eindeutige Zuordnung zu den Tatbestandsmerkmalen ermöglicht wird und die Identität der Tat unverwechselbar feststeht (stRsp seit verst Senaten VwSlg 11.466 A/1984 und VwSlg 11.894 A/1985). Im Spruch sind alle wesentlichen Tatbestandsmerkmale anzuführen, die zur Individualisierung und Konkretisierung des inkriminierten Verhaltens notwendig sind. Eine Umschreibung bloß in der Begründung reicht im Verwaltungsstrafrecht nicht aus (vgl mwN Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens6 [2004], 1522, Anm 2 zu § 44a VStG).

 

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs hat die Rechts­mittelbehörde nach § 66 Abs 4 AVG (iVm § 24 VStG) nicht die Befugnis, dem Beschuldigten eine andere Tat als die Erstbehörde anzulasten und damit die Tat auszuwechseln (vgl allgemein VwGH 19.5.1993, Zl. 92/09/0360; VwGH 25.3.1994, Zl. 93/02/0228; VwGH 28.2.1997, 95/02/0601). Die Ent­scheidungs­befugnis der Berufungsbehörde ist durch den Abspruchs­gegenstand des angefochtenen Bescheids beschränkt. Eine Abänderungs­ermächtigung besteht nur im Rahmen der Sache iSd § 66 Abs 4 AVG (vgl etwa VwGH 25.9.1992, Zl. 92/09/0178; VwGH 23.11.1993, Zl. 93/04/0169; VwGH 8.2.1995, Zl. 94/03/0072; VwGH 3.9.1996, Zl. 96/04/0080). Dabei ist Sache des Berufungsverfahrens die Angelegenheit, die den Inhalt des Spruchs im Bescheid der Unterbehörde bildet (vgl u.A. VwGH 24.3.1994, Zl. 92/18/0356; VwGH 23.10.1995, Zl. 94/04/0080; VwGH 29.10.1996, Zl. 96/07/0103; VwGH 19.3.1997, Zl. 93/11/0107). Ein Austausch wesentlicher Tatbestandsmerkmale führt zur Anlastung einer anderen Tat und ist daher unzulässig (vgl VwGH 20.11.1997, Zl. 97/06/0170).

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat schon vor längerer Zeit klargestellt, dass eine Blankettstrafnorm nicht zu Lasten des Grundsatzes "nullum crimen sine lege" ausgelegt werden darf und aus dem Tatbestand die Verpflichtung zu einem bestimmtem Handeln (Gebot) oder Unterlassen (Verbot) in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise ablesbar sein muss (vgl mwN VwSlg 8316 A/1972). Auch der Verfassungsgerichtshof geht vom Klarheitsgebot aus und verlangt, dass der Tatbestand einer Blankettstrafnorm mit solcher Deutlichkeit gekennzeichnet sein muss, dass jedermann ihn als solchen zu verstehen vermag (vgl VfSlg 12.947/1991 unter Hinweis auf Vorjudikatur).

 

4.3. Beim Tatbestand des § 90 Abs 3 Z 1 LMSVG handelt sich um eine Blankettstrafnorm, deren konkreter Inhalt sich erst im Zusammenhang mit dem Verweis auf die jeweils anzuwendende Vorschrift aus den unmittelbar anwend­baren Rechtsakten der Europäischen Gemeinschaft ergibt. Die maßgebliche Bestimmung ist daher in ihrem Wortlaut im Tatbestand anzuführen und ent­sprechend den Umständen des Falles zu konkretisieren. Nur so kann die Bestimmt­heit iSd § 44a Z 1 VStG erreicht und dem Klarheitsgebot nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs Rechnung getragen werden.

 

Die belangte Behörde hat nicht einmal den Inhalt der zitierten Bestimmungen im Anh III, Abschn I, Kap VII Z 1a und 2 der Verordnung (EG) Nr. 853/2004 dargestellt, geschweige denn eine Konkretisierung mit Sachverhaltsmerkmalen vorgenommen. Sie hat sich vielmehr damit begnügt, aus festgestellten Über­schreitungen der Schlachtzahlen den Schluss zu ziehen, dass eine ordnungsgemäße "(Ab)Kühlung" nicht sichergestellt gewesen wäre. Dieser Tatsachenschluss, der schon in tatsächlicher Hinsicht zweifelhaft ist, entspricht als Vorwurf jedenfalls nicht den oben dargestellten Hygienevorschriften in der zitierten Verordnung der Europäischen Gemeinschaft. Schon deshalb liegt eine rechtliche Unschlüssigkeit und damit ein so wesentlicher Spruchmangel vor, der zur Aufhebung des angefochtenen Straferkenntnisses führen muss.

 

Schon die ursprünglich auf Grund des Fleischuntersuchungsgesetzes erlassene (BGBl Nr. 396/1994 idF BGBl II Nr. 401/2003) Frischfleisch-Hygieneverordnung, die gemäß § 98 Abs 1 LMSVG nunmehr als auf Grund des LMSVG erlassen gilt, sieht im § 11 Abs 1 Satz 1 vor, dass frisches Fleisch nach der Fleisch­unter­suchung unverzüglich zu kühlen ist, womit im Hinblick auf § 12 Abs 3 (arg. "im Anschluss an die Abkühlung auf + 7 Grad C") die Abkühlung auf 7°C gemeint ist. Aus dem § 11 Abs 1 Satz 2 folgt, dass die Innentemperatur der Tierkörper und Teilstücke konstant auf wenigstens 7°C und jene der Nebenprodukte der Schlachtung konstant auf 3°C zu halten ist.

 

Die oben unter Punkt 4.1. zitierten Bestimmungen der Verordnung (EG) Nr. 85372004 haben im Wesentlichen den gleichen Inhalt. Sie enthalten wie die Frischfleisch-Hygieneverordnung zwei wechselbezügliche Gebote, nämlich das der kontinuierlichen Abkühlung des Frischfleisches auf eine Temperatur von 7°C (für Nebenprodukte der Schlachtung 3°C) und das der Beibehaltung dieser Temperatur während der Lagerung.

Die Berufung hat den Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses zutreffend als undeutlich und damit mangelhaft bezeichnet, weil ihm nicht entnommen werden kann, ob (nur) eine unzureichende Abkühlung vorgelegen oder auch die Kühltemperatur während der Lagerung nicht ordnungsgemäß eingehalten worden sein soll. Die bloß auf die Überschreitung von Schlachtzahlen abstellende Formulierung der belangten Behörde verkennt offenbar die oben umschriebenen Gebote. Schon aus den dargestellten Rechtsgrundlagen ist daher ersichtlich, dass der erhobene Tatvorwurf unschlüssig ist und nicht richtig sein kann.

 

4.4. Die Berufung hat auch mit Recht gerügt, dass keine konkreten Beweisergebnisse zur Frage der Abkühlung oder Kühlung während der Lagerung aktenkundig sind. Ein zwingender technischer Zusammenhang zwischen den genehmigten Schlachtzahlen und der Kühlkapazität in der Weise, dass eine Überschreitung der Schlachtzahlen in jedem Fall automatisch auch eine kontinuierliche Abkühlung auf 7°C und anschließend die gekühlte Lagerung bei dieser Temperatur verhinderte, kann entgegen der undifferenzierten Ansicht der belangten Behörde nicht angenommen werden. In dem von der belangten Behörde zitierten Bescheid der Veterinärbehörde vom 19. Jänner 2006, der nicht einmal aktenkundig ist, wurden die Schlachtzahlen wohl so festgesetzt, dass die Gefahr einer Überschreitung der Kühlkapazität auszuschließen ist. Daraus aber den Umkehrschluss zu ziehen, dass jede Überschreitung der Schlachtzahlen eine unzureichend Kühlung zur Folge hat, ist schon sachlogisch unzulässig. Diese Überschreitung ist nur ein Indiz, aber noch kein Beweis für die nicht ordnungsgemäße Abkühlung. Diese hätte durch konkrete Nachforschungen erhoben und in der Folge auch dokumentiert werden müssen. Der Amtstierarzt hat allerdings in die im Betrieb aufliegenden Kühlprotokolle offenbar nicht einmal Einsicht genommen. Im Ergebnis kritisiert die Berufung mit Recht, dass schon kein Vorwurf auf der Grundlage eines ausreichenden Tatsachensubstrats erhoben wurde, dem der Beschuldigte konkrete Einwände entgegenhalten hätte können.

 

Schließlich bringt die Berufung auch unwiderlegt vor, dass Ware zur Abkühlung unmittelbar auf Kühlwägen verladen worden wäre, die für einen Kunden in V bestimmt gewesen und dort auch mit der ordnungsgemäßen Kern­temperatur der Schweinehälften von 7°C angeliefert worden wäre. Durch die Verwendung von nicht ortsfester Kühleinrichtungen (Kühlwägen) könnte die Kühlkapazität insgesamt erhöht worden sein.

 

5. Im Ergebnis war daher der Berufung Folge zu geben, das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und waren die Strafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 und Z 3 VStG mangels erwiesener Verwaltungsübertretungen und mangels eines schlüssigen Tatvorwurfes innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist (§ 90 Abs 7 LMSVG) einzustellen. Bei diesem Ergebnis entfällt gemäß § 66 Abs 1 VStG auch die Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten der Strafverfahren.

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

   

 

Dr. W e i ß

 

 

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