Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-110709/20/Kl/RSt

Linz, 06.08.2008

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Ilse Klempt über die Berufung des O K, H, vertreten durch Rechtsanwälte H S und S D, O, 22 H-S, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen vom 4. April 2006, VerkGe96-75-2006, wegen einer Verwaltungsübertretung nach dem Güterbeförderungsgesetz, zu Recht erkannt:

 

 

I.       Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

 

II.     Es entfallen jegliche Verfahrenskostenbeiträge.

 

 

Rechtsgrundlagen:

zu  I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG iVm
§§ 24, 44a, 45 Abs.1 Z1 und 3 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 - VStG.

zu II.: § 66 Abs.1 VStG.

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen vom 4. April 2006, VerkGe96-75-2006, wurde über den Berufungswerber (Bw) eine Geldstrafe von 1.453 Euro, Ersatzfreiheitsstrafe von 67 Stunden wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß § 7 Abs.1 Z1 iVm § 23 Abs.1 Z3 Güterbeförderungsgesetz 1995 verhängt, weil er als Inhaber des Güterbeförderungsbetriebes in H, R, zu verantworten habe, dass am 21.2.2006, 16.50 Uhr durch sein Unternehmen auf der A8 – Innkreisautobahn bei Straßenkilometer 38.500 im Gemeindegebiet von W, Oberösterreich, mit dem Lastkraftwagen mit dem deutschen Kennzeichen HH sowie dem Anhänger mit dem deutschen Kennzeichen HH eine gewerbsmößige grenzüberschreitende Beförderung von Gütern (Textilien) von Istanbul (Türkei) nach Mönchengladbach (Deutschland) durch den türkischen Fahrer E K ohne Fahrerbescheinigung durchgeführt wurde, obwohl der grenzüberschreitende Verkehr einer Gemeinschaftslizenz in Verbindung – sofern der Fahrer Staatsangehöriger eines Drittstaates  ist – mit einer Fahrerbescheinigung unterliegt.

 

2. Dagegen wurde fristgerecht Berufung eingebracht und begründend ausgeführt, dass nach der Auskunft der Freien und Hansestadt H, Behörde für Bau und Verkehr vom 9.5.2003, Fahrerbescheinigungen nicht ausgestellt werden, wenn Firmen mit Agenturverträgen und/oder bilateralen Verkehren nicht unter den Geltungsbereich der Verordnung fallen. Auch sind EU-Fahrerbescheinigungen nicht auszustellen, wenn die grenzüberschreitenden Beförderungen unter Einsatz von CEMT oder bilateralen Genehmigungen durchgeführt werden. Der gewerbliche Güterkraftverkehr der Firma K wird in Richtung Ost- Südosteuropa bzw. in die Türkei und zurück unter Verwendung der vorgelegten Gemeinschaftslizenz gemäß der Verordnung (EWG) Nr. 881/92 vorgenommen. Der gewerbliche Güterverkehr wird nicht im Bereich der europäischen Gemeinschaft abgewickelt. Der genannte Fahrer des genannten LKW hat unstreitig bei der Kontrolle eine Gemeinschaftslizenz vorgelegt. Der Fahrer E K ist Angestellter der Firma K, die mit der Firma O K, H, einen Agenturvertrag unterhält.

 

3. Die Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen als belangte Behörde hat die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt vorgelegt.

 

4. Der Oö. Verwaltungssenat hat mit Erkenntnis vom 29. August 2006, VwSen-110709/10/Kl/Rd/Pe, die Berufung als verspätet eingebracht zurückgewiesen. Die dagegen erhobene Beschwerde bei dem Verwaltungsgerichtshof wurde mit Erkenntnis vom 23. April 2008, Zl. 2006/03/0152-8, aufgehoben. Im nunmehr fortgesetzten Verfahren war mangels des Nachweises einer Verspätung im Sinne der Judikatur des VwGH – die Zustellung ist mit tatsächlichem Zukommen der Sendung bewirkt – die Berufung zu behandeln.

Da bereits aus der Aktenlage ersichtlich ist, dass der Bescheid aufzuheben ist, konnte eine mündliche Verhandlung gemäß § 51e Abs.2 Z1 VStG unterbleiben.

 

5. Hierüber hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

5.1. Gemäß § 7 Abs.1 Güterbeförderungsgesetz 1995 – GütbefG, BGBl Nr.593/1995 idF BGBl I Nr.23/2006, ist die gewerbsmäßige Beförderung von Gütern mit Kraftfahrzeugen von Orten, die außerhalb des Bundesgebietes liegen, in das Bundesgebiet oder durch das Bundesgebiet hindurch, oder von innerhalb des Bundesgebietes liegenden Orten in das Ausland außer Inhabern von Konzessionen nach § 2 auch Unternehmern gestattet, die nach den im Staat des Standortes ihres Unternehmens geltenden Vorschriften zur Beförderung von Gütern mit Kraftfahrzeugen befugt sind und Inhaber einer der folgenden Berechtigungen sind:

 

1. Gemeinschaftslizenz gemäß der Verordnung (EWG) Nr.881/92

2. Genehmigung aufgrund der Resolution des Rates der europäischen Konferenz der Verkehrsminister (CEMT) vom 14.6.1973,

3. Bewilligung des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie für den Verkehr nach, durch oder aus Österreich,

4. aufgrund zwischenstaatlicher Abkommen vergebene Genehmigung des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie.

 

Gemäß Art.3 Abs.1 der Verordnung (EWG) Nr.881/92 idF der Verordnung (EG) Nr.484/2002 (kurz: EU-VO) unterliegt der grenzüberschreitende Verkehr einer Gemeinschaftslizenz in Verbindung – sofern der Fahrer Staatsangehöriger eines Drittstaates ist – mit einer Fahrerbescheinigung.

 

Gemäß Art.3 Abs.3 der EU-VO wird die Fahrerbescheinigung von einem Mitgliedsstaat gemäß Art.6 jedem Verkehrsunternehmer ausgestellt, der Inhaber einer Gemeinschaftslizenz ist und der in diesem Mitgliedstaat Fahrer, die Angehörige eines Drittlandes sind, rechtmäßig beschäftigt oder Fahrer rechtmäßig einsetzt, die Staatsangehörige eines Drittstaates sind und ihm als Arbeitskraft gemäß den Bestimmungen zur Verfügung gestellt werden, die in diesem Mitgliedstaat für die Beschäftigung und die Berufsausbildung von Fahrern durch Rechts- und Verwaltungsvorschriften und gegebenenfalls Tarifverträge nach den in diesem Mitgliedsstaat geltenden Vorschriften festgelegt wurden.

 

Gemäß Art.6 Abs.4 der EU-VO ist die Fahrerbescheinigung Eigentum des Verkehrsunternehmers, der sie dem darin genannten Fahrer zur Verfügung stellt, wenn dieser Fahrer ein Fahrzeug im Verkehr mit einer dem Verkehrsunternehmer erteilten Gemeinschaftslizenz führt. Eine beglaubigte Abschrift der Fahrerbescheinigung ist in den Geschäftsräumen des Verkehrsunternehmers aufzubewahren. Die Fahrerbescheinigung ist dem Kontrollberechtigten auf Verlangen vorzuzeigen.

 

Gemäß § 23 Abs.1 GütbefG begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit einer Geldstrafe bis zu 7.267 Euro zu ahnden ist, wer als Unternehmer

Z3. Beförderungen gemäß §§ 7 bis 9 ohne die hiefür erforderliche Berechtigung durchführt oder Gebote oder Verbote von zwischenstaatlichen Vereinbarungen nicht einhält;

Z8 nicht dafür sorgt, dass die gemäß der Verordnung (EWG) Nr.881/92 erforderlichen Gemeinschaftslizenzen oder Fahrerbescheinigungen mitgeführt werden.

 

Strafbar nach Abs.1 Z3, Z6, Z8 oder Z11 ist ein Unternehmer auch dann, wenn er die in §§ 7 bis 9 genannten Verpflichtungen oder die in der Verordnung (EWG) Nr.881/92 normierten Gebote oder Verbote im Ausland verletzt. Örtlich zuständig ist diesfalls jene Behörde, in deren Sprengel der Lenker im Zuge einer Straßenkontrolle betreten wird, sonst jene Behörde, in derem Sprengel der Grenzübertritt in das Bundesgebiet erfolgt (§ 23 Abs.3 GütbefG).

 

Gemäß § 23 Abs.4 GütbefG hat bei Verwaltungsübertretungen gemäß Abs.1 Z3 und Z8 bis Z11 die Geldstrafe mindestens 1.453 Euro zu betragen.

 

5.2. Der Verwaltungsgerichtshof hat sich in seinem Erkenntnis vom 15.11.2007, Zl. 2007/03/0127-7, dahingehend festgelegt, dass eine Fahrerbescheinigung keine Gemeinschaftslizenz darstellt und sich daher die Rechtsansicht des Oö. Verwaltungssenates, wonach die Durchführung einer der Gemeinschaftslizenz unterliegenden Güterbeförderung, ohne dass – obgleich der Fahrer Drittstaatsangehöriger ist – eine Fahrerbescheinigung vorliegt, unter § 23 Abs.1 Z3 in Verbindung mit § 7 Abs.1 GütbefG zu subsumieren sei, als nicht zutreffend erweist. Auch der Umstand, dass in § 25 Abs.2 GütbefG nunmehr die geänderte Fassung der Verordnung (EWG) Nr. 881/2002 ausdrücklich zitiert ist, vermag daran nichts zu ändern, dass bereits vor dieser Novelle des GütbefG mit der Bezugnahme auf die Verordnung (EWG) Nr. 881/92 (ohne einzelne Änderungen ausdrücklich anzuführen) eine im Hinblick auf den Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechts zulässige dynamische Verweisung auf die jeweils gültige Fassung dieser Verordnung gegeben war, wie sich auch aus dem zitierten Erkenntnis vom 19.10.2004, Zl. 2004/03/0087, ergibt.

 

Weiters vertritt der Verwaltungsgerichtshof die Ansicht, dass sich aus dem klaren Wortlaut der Bestimmungen des § 23 Abs.1 Z8 GütbefG ergibt, dass der Unternehmer der ihn treffenden Verpflichtung auch dann nicht nachkommt, wenn er eine erforderliche Fahrerbescheinigung gar nicht besorgt hat, sodass er sie dem Fahrer bei der Güterbeförderung auch nicht übergeben kann. Auch in diesem Fall hat er nicht dafür gesorgt, dass eine erforderliche Fahrerbescheinigung mitgeführt wird. Zwar trifft es zu, dass für die Durchführung einer der Gemeinschaftslizenz unterliegenden grenzüberschreitenden Güterbeförderung, ohne dass der Unternehmer über eine Gemeinschaftslizenz verfügt, eine gesonderte Strafnorm in § 23 Abs.1 Z3 in Verbindung mit § 7 Abs.1 Z1 GütbefG vorgesehen ist; da jedoch im Hinblick auf die Fahrerbescheinigung keine dieser Bestimmung entsprechende Spezialnorm vorliegt, ist eine Bestrafung nach § 23 Abs.1 Z8 GütbefG nicht ausgeschlossen.

 

5.3. Im Grunde der vorhin zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes war daher die dem Bw angelastete Tat unter § 23 Abs.1 Z8 GütbefG zu subsumieren und ihm vorzuhalten, dass er nicht dafür gesorgt hat, dass eine Fahrerbescheinigung mitgeführt wird. Eine solche Tatanlastung ist aber innerhalb der sechsmonatigen Verfolgungsverjährungsfrist gemäß § 31 VStG nicht erfolgt.

 

Da die dem Bw im Straferkenntnis angelastete Tat keine Verwaltungsübertretung bildet, eine Tat nach § 23 Abs.1 Z8 GütbefG aber dem Bw nicht fristgerecht vorgeworfen wurde, war das Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs.1 Z1 und 3 VStG einzustellen.

 

6. Weil die Berufung Erfolg hatte, entfallen jegliche Verfahrenskostenbeiträge gemäß § 66 Abs.1 VStG.

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

Dr. Ilse Klempt

 

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