Linz, 25.08.2008
E R K E N N T N I S
Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Karin Bissenberger über die Berufung des Herrn B R, M, vom 11. Juli 2008 gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Braunau/Inn vom 16. Juni 2008, VerkR96-166-2008, wegen Übertretungen des FSG und des KFG 1967, zu Recht erkannt:
Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis in beiden Punkten behoben und das Verwaltungsstrafverfahren jeweils ohne Vorschreibung von Verfahrenskostenbeiträgen eingestellt.
Rechtsgrundlage:
§ 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 Abs.1 und 45 Abs.1 Z2 und 66 VStG
Entscheidungsgründe:
1. Mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis wurde über den Beschuldigten wegen Verwaltungsübertretungen gemäß 1) §§ 103 Abs.1 Z3 lit.a iVm 134 Abs.1 KFG 1967 und §§ 1 Abs.4 und 23 Abs.1 FSG und § 9 Abs.1 VStG und 2) §§ 103 Abs.1 Z1 iVm 18 Abs.1 und 134 Abs.1 KFG 1967 und § 9 Abs.1 VStG Geldstrafen von 1) 100 Euro (48 Stunden EFS) und 2) 50 Euro (24 Stunden EFS) verhängt, weil er, wie anlässlich einer Lenker- und Fahrzeugkontrolle am 22. Dezember 2007 um 20.45 Uhr des Lkw S-R3 (A) im Ortsgebiet von Munderfing auf der B147 bei km 12.280 festgestellt worden sei, als das zur Vertretung nach außen berufene Organ der R GmbH in S, welche Zulassungsbesitzerin des angeführten Kfz sei,
1) dieses Herrn R D zum Lenken überlassen habe, obwohl dieser nicht im Besitz einer im EWR-Raum ausgestellten Lenkberechtigung gewesen sei, obwohl das Lenken eines Kraftfahrzeuges mit einer nicht im EWR-Raum ausgestellten Lenkberechtigung durch Personen mit Hauptwohnsitz im Bundesland nur zulässig sei, wenn seit dessen Begründung nicht mehr als sechs Monate verstrichen seien – Begründung des Hauptwohnsitzes in Österreich am 20. April 2007;
2) nicht dafür Sorge getragen habe, dass der Zustand des genannten Kraftfahrzeuges den Vorschriften des Kraftfahrgesetzes entspricht. Das Fahrzeug sei zum angeführten Zeitpunkt am angeführten Ort von R D gelenkt worden, wobei festgestellt worden sei, dass beim ggst Lkw die Bremsleuchte links nicht funktioniert habe.
Gleichzeitig wurden ihm Verfahrenskostenbeiträge von gesamt 15 Euro auferlegt.
2. Dagegen hat der Berufungswerber (Bw) fristgerecht Berufung eingebracht, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde. Da keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, war durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden (§ 51c VStG). Die Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung erübrigte sich (§ 51e Abs.2 Z1 VStG).
3. Der Bw macht im Wesentlichen geltend, das Fahrzeug sei ohne Wissen der Mitarbeiter der Fa R und ohne Wissen des Geschäftsführers B R von Herrn D in Betrieb genommen und ihm somit nicht zum Lenken überlassen worden.
Beigelegt war der Berufung eine mit unleserlicher, angeblich von Rade D stammender Unterschrift versehene Erklärung, wonach dieser sich erlaubt habe, den Pkw vom Fuhrpark zur Übersiedlung mitzunehmen. Er sei mit Herrn R jun. befreundet und habe des Fahrzeug genommen, in dem sich die Schlüssel befunden hätten. Er habe gleichzeitig Herrn R jun. auf die Mailbox gesprochen, nachdem dieser nicht erreichbar gewesen sei. Er sei am 24. Dezember 2007 von der Polizei angehalten worden und übernehme für sämtliche Strafen und Ordnungswidrigkeiten die Verantwortung.
4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz.
Aus der Anzeige des Meldungslegers R S, PI Mattighofen, geht hervor, dass der Lkw Citroen MB, , zugelassen auf die R Handels GmbH in S, deren handelsrechtlicher Geschäftsführer der Bw laut Firmenbuch ist, am 22. Dezember 2007 gegen 20.45 Uhr im Ortsgebiet Munderfing auf der B147 bei km 12.280 einer Polizeikontrolle unterzogen wurde, bei der sich herausstellte, dass das Kfz vom R D gelenkt wurde. Die Bremsleuchte links funktionierte beim Lkw nicht und der jugoslawische Führerschein des Lenkers wurde als ungültig qualifiziert, da dieser seit 20. April 2007 den Hauptwohnsitz in Österreich hat.
Die Strafverfügung vom 20. Februar 2008 hat der Bw mit gleicher Begründung wie in der Berufung beeinsprucht und gleichzeitig die oben genannte Erklärung des Lenkers erstmalig vorgelegt.
Der Meldungsleger bestätigte auf telefonische Anfrage gegenüber der Erstinstanz am 26. März 2008, dass ihm der Lenker bei der Anhaltung erklärt habe, er habe das Fahrzeug zum Übersiedeln in Salzburg verwendet und bringe es gerade zurück zur Fa R. Der Lenker sei nicht bei der Fa. R beschäftigt gewesen.
Im Rahmen des Parteiengehörs hat sich der Bw nicht geäußert, obwohl ihm seitens der Erstinstanz vorgehalten wurde, er habe seine Sorgfaltspflicht bei Verwahrung des Fahrzeugschlüssels missachtet und zumindest bedingt vorsätzlich gehandelt, sodass er für die Tathandlungen des Lenkers strafrechtlich verantwortlich sei.
In rechtlicher Hinsicht hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen:
Außer Frage steht, dass der Bw als handelsrechtlicher Geschäftsführer der genannten GmbH, die Zulassungsbesitzerin des in Rede stehenden Kraftfahrzeuges ist, gemäß § 9 VStG verantwortlich ist für die Einhaltung der kraftfahrrechtlichen Bestimmungen, so weit dieses Kraftfahrzeug betroffen ist.
Gemäß § 103 Abs.1 Z3 lit.a KFG 1967 darf der Zulassungsbesitzer das Lenken seines Kraftfahrzeuges ... nur Personen überlassen, die ua die erforderliche Lenkberechtigung besitzen.
Gemäß § 1 Abs.4 letzter Satz FSG ist das Lenken eines Kraftfahrzeuges mit einer in einem Nicht-EWR-Staat erteilten Lenkberechtigung nur im Rahmen der Bestimmungen des § 23 FSG zulässig. Demnach ist das Lenken eines Kraftfahrzeuges auf Grund einer von einer Vertragspartei des Pariser Übereinkommens über den Verkehr von Kraftfahrzeugen, des Genfer Abkommens über den Straßenverkehr oder des Wiener Übereinkommens über den Straßenverkehr – Jugoslawien ist Mitglied des Wiener Übereinkommens – in einem Nicht-EWR-Staat erteilten Lenkberechtigung durch Personen mit Wohnsitz im Bundesgebiet zulässig, wenn seit dessen Begründung nicht mehr als sechs Monate verstrichen sind und der Besitzer der Lenkberechtigung das 18. Lebensjahr vollendet hat.
Gemäß § 103 Abs.1 Z1 KFG 1967 hat der Zulassungsbesitzer ua dafür zu sorgen, dass das Fahrzeug den Vorschriften dieses Bundesgesetzes entspricht.
Zu den Einwendungen des Bw, er habe dem Lenker das Fahrzeug nicht überlassen, sondern dieser habe ohne sein Wissen das Fahrzeug "ausgeborgt", ist zu sagen, dass das "Überlassen des Lenkens" bezogen auf die konkrete Person zumindest mit bedingtem Vorsatz erfolgt sein musste, dh der Zulassungsbesitzer muss zumindest ernsthaft mit der Möglichkeit gerechnet und diese billigend in Kauf genommen haben, dass sich diese Person, die nicht über die erforderliche Lenkberechtigung verfügt, die Verfügung über das Kraftfahrzeug insoweit verschafft, als sie das Kraftfahrzeug auf Straßen mit öffentlichem Verkehr zum Lenken verwendet, wobei danach als "Tatplan" auch das Lenken durch einen hiezu nicht Berechtigten umfasst ist (vgl VwGH 20.5.2003, 2003/02/0055; 12.9.2006, 2006/02/0211, beide unter Bezugnahme auf OGH 12.9.1989, 2 Ob 49/89: Gegenstand dieses Verfahrens waren Haftungsfragen nach dem EKHG nach einem Verkehrsunfall mit Personenschaden verursacht durch einen nicht berechtigten Lenker nach pflichtwidriger Verwahrung der Fahrzeugschlüssel durch den Zulassungsbesitzer; nach dem EKHG haftet der Halter neben dem Schwarzfahrer für den Ersatz des Schadens, wenn die Benützung des Fahrzeuges durch sein Verschulden ermöglicht wurde.)
Auf das ggst Verwaltungsstrafverfahren ist die Judikatur des OGH deshalb nicht anwendbar, weil schon die Tatbestandsmäßigkeit, bezogen auf den dem Bw unbekannten Lenker, insofern nicht gegeben ist, als beim Tatbestandsmerkmal des "Überlassens" – bei einer Übertretung gemäß § 103 Abs.1 Z3 KFG handelt es sich um ein Ungehorsamsdelikt (vgl VwGH 17.11.1982, 83/03/0255, 0261) – Fahrlässigkeit bezogen auf die konkrete Person gegeben sein muss. Allein der Umstand, dass der Bw sein Fahrzeug unversperrt mit darin befindlichem Schlüssel, dh sozusagen fast "allgemein zugänglich", auf einer Straße mit öffentlichem Verkehr abstellt – anders wäre es dem tatsächlichen Lenker wohl nicht zugänglich gewesen – bedeutet nicht, dass er es jeder (auch ihm unbekannten) Person "zum Lenken überlässt" (gegebenenfalls wäre ein Vorliegen einer Übertretung nach § 102 Abs.6 KFG zu prüfen gewesen). In den Fällen der oben zitierten VwGH-Rechtsprechung handelte es sich bei den Lenkern jeweils um Familienmitglieder im Haushalt des Zulassungsbesitzers, dh hier waren konkrete Personen vorhanden, von denen der Zulassungsbesitzer damit rechnen musste, dass sie das Fahrzeug, wenn auch unberechtigt, lenken würden. Dass der Freund seines Sohnes das Kraftfahrzeug am 22. Dezember 2007 lenken würde, war dem Bw hingegen offensichtlich unbekannt und er musste auch nicht damit rechnen, dass dieser ohne sein Wissen das Fahrzeug zum Tatzeitpunkt mit defektem Bremslicht und mit ungültiger Lenkberechtigung lenken würde. Es kann daher keine Rede davon sein, dass er es diesem zum Lenken überlassen hätte.
Das Verfahren war daher bereits aus dieser Überlegungen in beiden Punkten auf der Grundlage des § 45 Abs.1 Z2 1.Alt. VStG einzustellen, wobei naturgemäß Verfahrenskostenbeiträge nicht anfallen.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.
Hinweis:
Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.
Mag. Bissenberger
Beschlagwortung:
Zulassungsbesitzer lässt PKW unversperrt mit Schlüssel stehen + zum Lenken überlassen, wenn Freund des Sohns PKW "ausborgt", der keine gültige Lenkberechtigung hat.