Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-281036/17/Kl/RSt

Linz, 22.08.2008

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Ilse Klempt über die Berufung des Herrn Ing. J H, S, gegen das Straferkenntnis der Bezirks­hauptmannschaft Linz-Land vom 20. August 2007, Ge96-168-2006/Hw/Ep, wegen einer Verwaltungsübertretung nach dem Arbeitnehmer­Innen­schutz­­gesetz nach öffentlicher mündlicher Verhandlung am 10. Juli 2008 zu Recht erkannt:

 

 

I.       Der Berufung wird keine Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis mit der Maßgabe bestätigt, dass die verletzte Rechtsvorschrift gemäß § 44a Z2 VStG zu lauten hat: "§§ 130 Abs.5 Z1 iVm 118 Abs.3 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz – ASchG, BGBl Nr. 450/1994 idF BGBl I Nr. 113/2006 iVm § 6 Abs.2 erster Satz Bauarbeiterschutzverordnung – BauV, BGBl Nr. 340/1994 idF BGBl II Nr. 242/2006".

 

II.     Der Berufungswerber hat zum Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat einen Kostenbeitrag in der Höhe von 20 % der verhängten Strafe, das sind 200 Euro, zu leisten.

 

 

Rechtsgrundlagen:

zu  I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG iVm
§§ 24, 5, 19 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG.

zu II.: § 64 Abs.1 und 2 VStG.

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 20. August 2007, Ge96-168-2006/Hw/Ep, wurde über den Berufungswerber (Bw) eine Geldstrafe von 1.000 Euro, Ersatzfreiheitsstrafe von 48 Stunden, wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß §§ 130 Abs.5 Z1 und 118 Abs.3 ASchG iVm § 6 Abs.2 erster Satz und § 161 BauV verhängt, weil er als vom zur Vertretung nach außen berufenen handelsrechtlichen Geschäftsführer der Arbeitgeberin P S- und F GmbH, Geschäftsanschrift in L, Herrn G P, gemäß § 9 Abs.2 VStG bestellter verantwortlicher Beauftragter für die Einhaltung aller Arbeitnehmerschutzvorschriften [räumlicher Zuständigkeitsbereich: Alle P Baustellen, bei denen nicht Fremdfirmen mit der Montage beauftragt wurden; Fertigung Stahlbau], folgende Übertretung (wie vom Arbeitsinspektorat Linz aufgrund einer Unfallerhebung auf der Baustelle T – D der P, P, angezeigt wurde) der Bauarbeiterschutzverordnung zu verantworten hat:

 

Der Arbeitnehmer, Herr G T, Arbeitnehmer der Firma W P GmbH, K, überlassen an den Beschäftiger, Firma P Stahl- und Fahrzeugbau GmbH, L, war am 14.07.2006 auf der Baustelle T – D der P, P, mit Montagearbeiten beschäftigt. Diese Arbeiten wurden auf einem Arbeitsplatz ausgeführt, dessen Trittbelag aus nicht tragfähigen Rigipsplatten bestand. Der Arbeitnehmer befand sich während dieser Arbeit auf einem Stahlträger, wobei er im Zuge der Arbeiten neben den Stahlträger trat. Da die Tragfähigkeit der Rigipsplatten für einen derartigen Standplatz nicht gegeben war, brach der Arbeitnehmer durch die Platten und stürzte 3 m ab.

 

Dies stellt eine Übertretung des § 6 Abs.2 erster Satz BauV dar, wonach geeignete Standflächen tragsicher sein müssen.

 

2. Dagegen wurde fristgerecht Berufung eingebracht und die Aufhebung der Strafe beantragt. Begründend wurde ausgeführt, dass weder ein Trittbelag hergestellt, noch Stahlträger im Standbereich vorhanden gewesen seien. Die beiden Arbeitnehmer seien schon einige Tage vor dem Unfall unter gleichen Bedingungen zu ähnlichen Arbeiten herangezogen worden und schon vor dem Arbeitseinsatz über diese Situation durch den Montageleiter, Herrn Ing. A. S angewiesen worden, die freigelegte Gipsdecke weder zu betreten noch zu beschädigen. Es wurde wie angewiesen der Standplatz aus trittsicherem Pfostenbelag hergestellt. Auch einen Tag vor dem Unfall fand durch den eingesetzten Bauleiter, Herrn Ing. R, vor Ort eine mündliche Arbeitsunterweisung statt, bei der nochmals explizit auf die nicht begehbare bzw. tragfähige Gipsdecke hingewiesen worden sei und die Arbeiten laut Sicherheitsunterweisung durchzuführen seien. Der verunfallte Arbeitnehmer sei zu dieser Besprechung unabgemeldet nicht erschienen, wohl aber sein Arbeitskollege R. Es werde auf die schriftliche Arbeitsunterweisung hingewiesen, wonach erhöhte Standplätze nur gesichert mittels Sicherheitsgurt betreten werden dürfen und Decken- und Dachdurchbrüche mittels Schaltafel oder Pfostenbelag, was einem Schaltafelbelag nachkommt, inkl. Befestigung herzustellen seien. Wenige Tage zuvor seien die beiden Arbeitnehmer an einem unmittelbar daneben gelegenen Einbauplatz mit gleicher Tätigkeit beschäftigt gewesen und sei bei diesem Einsatz wie angewiesen und vereinbart ein Pfostenbelag hergestellt gewesen. Es könne nicht beantwortet werden, warum die Arbeitsanweisung von den beiden Arbeitnehmern einige Tage später nicht befolgt worden sei und liege offensichtlich eigenmächtiges Handeln und die Verantwortung der beiden Arbeitnehmer vor. Wären die beiden Arbeitnehmer ohne Sicherung und Herstellung eines begehbaren Belages angetroffen worden, wären sie laut Mitarbeiterunterweisung von der Baustelle zu verweisen gewesen. Da es weder dem Beschuldigten noch dem Montageleiter möglich sei, die Einhaltung der bei den Montagetätigkeiten zu beachtenden Sicherheitsbestimmungen auf den bis zu ca. 20 verschiedenen Baustellen, welche zur selben Zeit auszuführen und in ganz Oberösterreich verteilt seien, gleichzeitig zu überwachen, sei vor etlichen Jahren ein externes Arbeitssicherheitsbüro mit der Ausarbeitung eines Sicherheit- und Gesundheitsschutzdokumentes beauftragt worden. Darin werden alle Arbeiten detailliert angeführt und die Zuständigkeit für die Durchführung und Kontrolle geregelt. Das beauftragte Sicherheitsbüro werde auch bei der Evaluierung und Inangriffnahme von Großbaustellen beigezogen. Der Beschuldigte habe sich zum Unfallszeitpunkt auf einer anderen Baustelle befunden, es könne nicht gesagt werden, wo der beauftragte Montageleiter unterwegs gewesen sei. Ein Kontrollsystem sei vor Jahren implementiert worden. Es liege daher keine Fahrlässigkeit vor.

 

3. Die Bezirkshauptmannschaft Linz-Land als belangte Behörde hat die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt vorgelegt.

 

4. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Akteneinsichtnahme sowie durch Anberaumung und Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 10. Juli 2008, zu welcher die Verfahrensparteien geladen wurden. Der Bw und ein Vertreter des Arbeitsinspektorates haben an der Verhandlung teilgenommen; die belangte Behörde hat sich entschuldigt. Weiters wurden die Zeugen, Arbeitsinspektor Ing. Mag. P H, AI Linz, Ing. A S, Ing. W R sowie G T als Zeugen geladen und einvernommen.

 

4.1. Im Grunde des durchgeführten Beweisverfahrens steht als erwiesen fest, dass am 14.7.2006 auf der Baustelle T-D der P in P der Arbeitnehmer G T der P S- und F GmbH mit dem Sitz in Leonding, zu deren verantwortlichen Beauftragten der Bw bestellt ist, mit der Montage einer Konsole mit ca. 60 kg in einer Zwischendecke beauftragt war. Die Arbeit wurde mit seinem Kollegen R durchgeführt. Die Zwischendecke (Rigipsdecke) war nicht begehbar und nicht trittsicher. Die Zwischenelemente wurden auf Stahlträger montiert. Der Arbeitnehmer T wusste nicht, aus welchem Material die Zwischendecke war. Er wusste nicht, dass die Zwischendecke nicht trittsicher ist. Der Arbeitnehmer T ist zum Unfallszeitpunkt auf der linken Seite gestanden, wo alles hohl war, sein Kollege stand auf der rechten Seite, wo sich darunter ein Unterträger befand. Es stand kein Kran zur Verfügung. Es war kein trittsicherer Pfostenbelag vorhanden. Die Arbeitnehmer waren nicht angeseilt. Der verunfallte Arbeitnehmer befand sich im nicht trittsicheren Bereich, wo eine Deckenöffnung gegeben war. Der Arbeitnehmer stürzte in das darunter liegende Stockwerk ca. 3 m ab.

 

Eine Unterweisung, die mit Unterschrift bestätigt wurde, erhielt der Arbeitnehmer T am 15.5.2006, wobei er sich an diese Unterweisung nicht mehr erinnern konnte. Eine Anweisung, einen Pfostenbelag auszuführen, gab es nicht. Die Arbeiten wurden dem Arbeitnehmer von seinem Kollegen R mitgeteilt.

 

Der Kollege R erhielt am Vortag durch den Bauleiter Ing. W R, welcher der Bauleiter der gegenständlichen Baustelle war, eine ausführliche Anweisung und Unterweisung für die Montage der Konsole. Bei dieser Unterweisung war der Arbeitnehmer T nicht anwesend. Die Verwendung von Pfosten wurde nicht angeordnet, allerdings bestand die Anordnung, sich hinten bei einem Querträger mit Sicherheitsgeschirr anzuhängen, wobei dieser Querträger über einen begehbaren Dachbereich zu erreichen gewesen wäre.

 

Die Arbeitnehmer haben aber generell die Anweisung, wenn ein Bereich nicht begehbar ist, einen Pfostenbelag anzubringen, wobei diesen Pfostenbelag die Arbeitnehmer selbst herzustellen haben.

 

Für die Baustelle verantwortlich ist der Montageleiter Ing. Andreas S. Dieser hat die Unterweisungen durchzuführen und die Einhaltung der Schutzvorschriften zu kontrollieren. Er bestimmt auch die zu verwendenden Arbeitsmittel und Schutzeinrichtungen. Die Rekrutierung, Personaleinteilung und Unterweisung obliegt dem Montageleiter. Er ist selbständig für die Baustelle tätig. Er ist auch verantwortlich, dass die Sicherheitseinrichtungen umgesetzt werden. Er wird von dem Bauleiter und dem Bw kontrolliert. Der Bauleiter ist für die Abwicklung der Baustelle mit dem Bauherrn, Architekten, Statikern usw. zuständig.

 

Die Unterweisung für die Baustelle im Mai 2006 hat der Montageleiter Ing. S durchgeführt. Die konkrete Unterweisung an Herrn R am Vortag des Tattages erfolgte durch den Bauleiter, weil der Montageleiter nicht auf der Baustelle war. Dabei wurden die Arbeiten für den nächsten Tag durchbesprochen und es sollten Schaltafeln angebracht werden.

 

Vor Beginn der Montagearbeiten am Tattag wurde der Arbeitsplatz vom Montageleiter nicht mehr angesehen. Der Bw ist nach der vom Arbeitsinspektorat vorgelegten Bestellungsurkunde vom 14.10.2005 zum verantwortlichen Beauftragten für die Einhaltung aller Arbeitnehmerschutzvorschriften für alle P Baustellen, bei denen nicht Fremdfirmen mit der Montage beauftragt wurden, Fertig- und Stahlbau, bestellt und hat dieser Bestellung nachweislich zugestimmt.

 

4.2. Diese Feststellungen gründen sich auf die Angaben des Bws sowie die glaubwürdigen Aussagen der einvernommenen Zeugen. Insbesondere wurden von sämtlichen Zeugen der Arbeitsplatz und die Vorgesetztenstruktur einhellig dargelegt.

 

Ob der Montageleiter am Unfalltag vor Beginn der Arbeiten noch die Arbeiten mit den beiden Arbeitnehmern R und T durchgesprochen hat und auf Sicherheitsvorkehrungen hingewiesen hat oder an diesem Tag mit den Arbeitnehmern keinen Kontakt mehr hatte, konnte nicht einwandfrei erwiesen werden. Hier steht die Aussage des Arbeitnehmers T, dass der Montageleiter zu Arbeitsbeginn nicht auf der Baustelle gewesen sei, der Aussage des Montageleiters gegenüber, welcher sich zu erinnern glaubt, dass er am selben Tage vor Beginn der Arbeiten noch mit den Arbeitnehmern besprochen hätte, dass sie den Sicherheitsgurt verwenden sollten.

 

Jedenfalls ist erwiesen, dass der Montageleiter den Arbeitsplatz und die Sicherheitsvorkehrungen vor Beginn der Arbeiten nicht kontrolliert hat. Zur Kontrolle seiner Person führt er aus, dass er für die Umsetzung der Sicherheitseinrichtungen vor Ort verantwortlich ist und grundsätzlich die Kontrolle durch Gespräche mit dem Bw stattfindet, wobei dies einmal, eventuell auch mehrmals in der Woche der Fall ist. Der Bw sei auch mehrmals pro Woche auf der Baustelle gewesen. Bei den Gesprächen ging es beim normalen Arbeitsablauf um den Arbeitsfortschritt, wobei die gegenständlichen Arbeiten normale Montagetätigkeiten seien.

 

Schließlich steht aus dem Akt als erwiesen fest, dass ein Strafverfahren gegen den Montageleiter Ing. S gemäß § 90 Abs.1 StPO eingestellt wurde.

 

5. Hierüber hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

5.1. Gemäß § 130 Abs.5 Z1 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz – ASchG, BGBl Nr. 450/1994 idF BGBl I Nr. 113/2006, begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe von 145 Euro bis 7.260 Euro, im Wiederholungsfall mit Geldstrafe von 290 Euro bis 14.530 Euro zu bestrafen ist, wer als Arbeitgeber/in den nach dem 9. Abschnitt weiter geltenden Bestimmungen zuwider handelt.

 

Gemäß § 118 Abs.3 ASchG gilt die Bauarbeiterschutzverordnung (BauV) als Verordnung nach diesem Bundesgesetz.

 

Gemäß § 6 Abs.2 Satz 1 Bauarbeiterschutzverordnung – BauV, BGBl Nr. 340/1994 idF BGBl II Nr. 242/2006 sind Standflächen unter Berücksichtigung der Art der auszuführenden Arbeiten ausreichend groß und tragsicher zu gestalten.

 

Gemäß § 6 Abs.1 BauV sind Arbeitsplätze und die Zugänge zu diesen sowie sonstige Verkehrswege im Bereich der Baustelle ordnungsgemäß anzulegen und in einem solchen Zustand zu erhalten.

 

Aufgrund des erwiesenen Sachverhaltes steht fest, dass für den Arbeitnehmer G T am 14.7.2006 auf der näher bezeichneten Baustelle keine tragsichere Standfläche für seine Montagearbeiten der Konsole vorhanden war und der Arbeitnehmer auch nicht angeseit war, sondern der Trittbelag aus nicht tragfähigen Rigipsplatten bestand, sodass dieser bei Betreten durchbrach und 3 m in das darunterliegende Stockwerk abstürzte. Ein Pfostenbelag war nicht angeordnet und nicht vorgesehen. Das Anbringen von Schaltafeln ist hingegen nicht als trittsicher anzusehen.

 

Es wurde daher der objektive Tatbestand der Verwaltungsübertretung einwandfrei erfüllt.

 

Es entspricht daher schon die vom Bw vorgelegte Mitarbeiter-Unterweisung, wonach "Decken- und Dachdurchbrüche mittels Schaltafeln, jedenfalls begehbar, gesichert werden müssen" nicht den gesetzlichen Bestimmungen eines trittfesten Standplatzes.

 

Wenn hingegen der Bw einwendet, dass Sicherheitsgeschirre anzuwenden gewesen wären, so wird ihm die Bestimmung des § 22 Abs.1 BauV entgegengehalten, dass, wenn der Schutz der Arbeitnehmer während der Arbeit nicht durch entsprechend technische und organisatorische Maßnahmen, Methoden oder Verfahren erreicht wird, persönliche Schutzausrüstungen kostenlos zur Verfügung gestellt werden müssen. Die zweckentsprechende Verwendung der Schutzausrüstung ist zu überwachen. Auch § 30 Abs.1 BauV regelt, sofern bei Arbeiten an absturzgefährlichen Stellen durch technische Schutzmaßnahmen ein ausreichender Schutz nicht erreicht wird, dass den Arbeitnehmern Sicherheitsgeschirre oder Sicherheitsgürtel einschließlich der dazugehörigen Ausrüstungen, Sicherheitsseile (Fangseile), Karabinerhaken, Falldämpfer, Seilkürzer und Höhensicherungsgeräte, zur Verfügung zu stellen sind. Diesen Bestimmungen ist zu entnehmen, dass nur subsidiär eine Sicherung mit Sicherheitsgeschirren stattfinden soll, allerdings den technischen Schutzmaßnahmen der Vorzug zu geben ist. Technische Schutzvorkehrungen wären auch durch das Anbringen eines Pfostenbelages möglich gewesen. Es hätte daher in erster Linie ein Pfostenbelag durchgeführt werden müssen. Es wird aber auch angemerkt, dass Sicherheitsgeschirre nicht verwendet wurden, obwohl gemäß § 22 Abs.1 zweiter Satz BauV die zweckentsprechende Verwendung der Schutzausrüstung zu überwachen ist. Es ist daher die Tatbestandsmäßigkeit gegeben.

 

5.2. Gemäß § 5 Abs.1 VStG genügt zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nichts anderes bestimmt. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.

 

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hat der Berufungswerber initiativ alles darzulegen, was für seine Entlastung spricht. Dies hat in erster Linie durch ein geeignetes Tatsachenvorbringen und durch Beibringen von Beweismitteln oder die Stellung konkreter Beweisanträge zu geschehen. Bloßes Leugnen oder allgemein gehaltene Behauptungen reichen für die „Glaubhaftmachung“ nicht.

 

Auch die gegenständliche Verwaltungsübertretung stellt ein Ungehorsamsdelikt dar, wobei zur Strafbarkeit bereits Fahrlässigkeit ausreicht und Fahrlässigkeit im Sinne der zitierten Bestimmung ohne weiteres anzunehmen ist, sofern vom Berufungswerber kein Entlastungsnachweis erbracht wird.

 

Im Sinne der Arbeitnehmerschutzbestimmungen und der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hat der Arbeitgeber dafür Sorge zu tragen, dass die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes sowie der dazu erlassenen Verordnungen eingehalten werden. Ist er selbst nicht anwesend, hat er einen geeigneten Arbeitnehmer zu bestimmen, der auf die Durchführung und Einhaltung der zum Schutz der Arbeitnehmer notwendigen Maßnahmen zu achten hat. Dieser Pflicht ist der Berufungswerber nicht ausreichend nachgekommen. Es wird zwar darauf Bedacht genommen, dass die im heutigen Wirtschaftsleben notwendige Arbeitsteilung es nicht zulässt, dass sich der Unternehmer aller Belange und Angelegenheiten persönlich annimmt, es ist ihm vielmehr zuzubilligen, die Besorgung einzelner Angelegenheiten anderen Personen selbstverantwortlich zu überlassen und die eigene Tätigkeit in diesen Belangen auf eine angemessene Kontrolle zu beschränken. Es ist der Unternehmer dann persönlich von der verwaltungsstraf­rechtlichen Verantwortung befreit, wenn er den Nachweis zu erbringen vermag, dass er Maßnahmen getroffen hat, die unter den vorhersehbaren Verhältnissen die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften mit gutem Grund erwarten lassen. Der dem Berufungswerber nach § 5 Abs.1 VStG obliegende Entlastungsnachweis kann aber nicht allein dadurch erbracht werden, dass die ihn betreffende Verantwortung auf eine hiezu taugliche Person übertragen wird. Es bedarf vielmehr des weiteren Beweises, dass auch für eine geeignete Kontrolle der mit der Wahrnehmung dieser Aufgaben beauftragten Person Vorsorge getroffen worden ist (VwGH vom 18.9.1991, 90/19/0177, sowie vom 13.12.1990, 90/09/0141). Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes reichen die bloße Erteilung von Weisungen und die Wahrnehmung einer „Oberaufsicht“ nicht aus (VwGH 30.6.1994, 94/09/0049). Entscheidend ist, ob auch eine wirksame Kontrolle über die Einhaltung der vom Verantwortlichen erteilten Weisungen erfolgte. In diesem Sinne führt der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 20.12.2002, 99/02/0220, aus, dass der Hinweis auf die Betrauung Dritter mit Kontrollaufgaben, auf die Erteilung entsprechender Weisungen und auf stichprobenartige Überprüfungen nicht den Anforderungen an ein wirksames Kontrollsystem genügt.

 

Insbesondere bemängelt der Verwaltungsgerichtshof, dass der Beschwerdeführer nicht geltend gemacht hat, dass er etwa die Einhaltung der erteilten Aufträge und Weisungen während deren Ausführung überprüft hätte. „Gerade für den Fall, dass die Arbeitnehmer aus eigenem Antrieb aufgrund eigenmächtiger Handlungen gegen die Arbeitnehmer­schutzvorschriften verstoßen, hat das entsprechende, vom Arbeitgeber eingerichtete Kontrollsystem Platz zu greifen. Im Beschwerdefall zeigt jedoch das eigenmächtige Verhalten des verunfallten Arbeitnehmers zum Tatzeitpunkt, dass kein wirksames Kontrollsystem im Sinn der hg. Judikatur vorhanden war“.

 

Die belangte Behörde hat in der Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses Fahrlässigkeit angenommen und ausgeführt, dass ein ausreichendes funktionierendes Kontrollsystem nicht eingerichtet war. Diesen Ausführungen ist zuzustimmen. Wie auch das Berufungsverfahren, insbesondere die mündliche Verhandlung gezeigt hat, ist der betroffene Arbeitnehmer konkret zur Arbeit und den Sicherheitsvorkehrungen für den 14.7.2006 nicht belehrt worden, nur sein Arbeitskollege, wobei dieser diese Informationen nicht weitergegeben hat. Auch die Anordnung sich anzuseilen, wurde dem verunfallten Arbeitnehmer nicht weitergegeben. Es führt der Montageleiter selbst aus, dass er am Unfallstag in einem anderen Ort der Baustelle, jedenfalls nicht an der Unfallsstelle war. Der Bauleiter war am Unfallstag überhaupt nicht auf der Baustelle und konnte auch nicht kontrollieren. Auch der Montageleiter führte ausdrücklich aus, dass er am Tag des Unfalls den Arbeitsplatz auf der Baustelle nicht kontrollierte. Der Bw, der gelegentlich auf die Baustelle kam, kontrolliert den Montageleiter nach dessen Angaben durch Gespräche, welche in der Regel den Arbeitsfortschritt betrafen. Eine Kontrolle der Sicherheitsvorrichtungen konkret an der Baustelle durch den Bw gab es daher nicht. Es ist daher ein lückenloses Kontrollsystem nicht nachgewiesen und war daher zumindest von fahrlässiger Tatbegehung des Bws auszugehen. Die Unterweisung der Arbeitnehmer, welche aber insbesondere hinsichtlich des angetroffenen Arbeitnehmers G T hinsichtlich des konkreten Arbeitsplatzes nicht stattfand, kann aber ein funktionierendes Kontrollsystem nicht ersetzen. Vielmehr hat der Arbeitgeber die Einhaltung der Anweisungen auch tatsächlich zu kontrollieren bzw. Maßnahmen zu setzen, die gewährleisten, dass die Verwaltungsvorschriften eingehalten werden. Solche Maßnahmen wurden nicht nachgewiesen. Auch der Einsatz eines Sicherheitsbüros bzw. eines Sicherheitsbeauftragten reicht hiefür nicht aus, zumal dieses nicht eine lückenlose Kontrolle an den konkreten Baustellen durchführt und ein Sicherheitsbeauftragter schon nach dem Gesetz nach den arbeitnehmerschutzrechtlichen Bestimmungen und dort geregelten Aufgaben zu betrauen ist. Der Sicherheitsbeauftragte allerdings ersetzt nicht die Kontrolle des Arbeitgebers. Schließlich führt der Bw selbst aus, dass eine ständige Kontrolle in der Praxis nicht bei der gegebenen Anzahl von Baustellen möglich ist. Es ist daher auch vom Verschulden des Bws auszugehen.

 

5.3. Gemäß § 19 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat (Abs.1).

Im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) sind überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des StGB sinngemäß anzuwenden.

Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

 

Die belangte Behörde hat bei der Strafbemessung auf den Unrechtsgehalt der Tat hingewiesen, insbesondere die Gefährdung des Lebens des Arbeitnehmers und die eintretenden nachteiligen Folgen. Strafmildernd hat sie die Unbescholtenheit des Bws zum Tatzeitpunkt gewertet. Straferschwerende Umstände lagen nicht vor. Die persönlichen Verhältnisse wurden mit einem monatlichen Nettoeinkommen von 2.000 Euro, keinem Vermögen und keinen Sorgepflichten geschätzt.

 

Der Bw hat diesen Ausführungen keine Umstände entgegengesetzt und anderen Nachweise erbracht. Auch traten im Berufungsverfahren keine geänderten Umstände hervor. Es konnten daher die Ausführungen der belangten Behörde der Berufungsentscheidung zugrunde gelegt werden. Die verhängte Geldstrafe ist im Hinblick auf den gesetzlich vorgesehenen Strafrahmen nicht einmal ein Siebtel und daher nicht überhöht. Sie ist tat- und schuldangemessen und war insbesondere im Hinblick auf die nachteiligen Folgen, nämlich den tatsächlichen Eintritt eines Arbeitsunfalles, erforderlich. Sie ist auch erforderlich den Bw von einer weiteren Tatbegehung abzuhalten. Die verhängte Geldstrafe ist auch den persönlichen Verhältnissen des Bws angepasst. Es konnte daher die verhängte Geldstrafe und Ersatzfreiheitsstrafe bestätigt werden.

 

Der alleinige Milderungsgrund der Unbescholtenheit kann die Herabsetzung nicht bewirken, da kein erhebliches Überwiegen der Milderungsgründe gemäß § 20 VStG gegeben ist. Auch liegt die Voraussetzung der Geringfügigkeit des Verschuldens gemäß § 21 VStG für ein Absehen von der Strafe nicht vor, weil das tatbildmäßige Verhalten des Bws nicht weit hinter dem in der Strafdrohung typisierten Unrechts- und Schuldgehalt der Tat zurückbleibt.

 

6. Weil die Berufung keinen Erfolg hatte, war ein Kostenbeitrag zum Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat gemäß § 64 VStG in der Höhe von 20 % der verhängten Geldstrafe, das sind insgesamt 200 Euro, aufzuerlegen.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

Dr. Ilse Klempt

 

 

Beschlagwortung:

Kontrollsystem, trittsicherer Standplatz, keine Schalplatten

 

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