Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-281049/5/Kl/RSt

Linz, 26.08.2008

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Ilse Klempt über die Berufung des A St. P gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Steyr-Land vom 17. Oktober 2007, Ge96-94-2007-Fux, betreffend die Einstellung eines Verwaltungs­straf­verfahrens wegen einer Verwaltungsübertretung nach dem ArbeitnehmerInnen­schutz­gesetz, zu Recht erkannt:

 

 

Der Berufung wird keine Folge gegeben und der angefochtene Bescheid mit der Maßgabe bestätigt, dass die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens gemäß § 45 Abs.1 Z3 VStG erfolgt.

 

 

Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG iVm §§ 24, 44a, 45 Abs.1 Z3 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG.

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Steyr-Land vom 17. Oktober 2007, Ge96-94-2007-Fux, wurde das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs.1 Z2 VStG eingestellt. Zum Verwaltungsstrafverfahren wurde ausgeführt:

 

"Vom A St. P wurde bei uns am 9. Mai 2007 folgende Strafanzeige erstattet und an uns der Antrag gestellt, Ihnen folgenden Straftatbestand zur Last zu legen:

Sie haben als gem. § 9 VStG für die Einhaltung der Arbeitnehmerschutzvorschriften der Gebrüder H, Bauunternehmung Gesellschaft m.b.H. mit dem Sitz in G, verantwortlicher Beauftragter für die Bauarbeiten der A E T P in K, wie bei der vom Arbeitsinspektionsorgan Ing. P S vom A St. P am 22. März 2007 auf der Baustelle T P "Brücke   " bei M J, durchgeführten Unfallerhebung festgestellt wurde, nachstehende Bestimmungen des Arbeitnehmerschutzgesetzes (ASchG) iVm der Bauarbeitenschutzverordnung, BGBl. Nr. 340/1994 i.d.g.F., (BauV) nicht eingehalten:

 

Sachverhalt:

Am 22. März gegen 11.00 Uhr wurden von Arbeitnehmern der Gebrüder H Bauunternehmung Ges.m.b.H., G, als Arge-Partner der "A E T P" bei der Brücke   " bei M J, W B, Erdarbeiten im Zuge von Steinschlichtungsarbeiten zur Errichtung einer Steinmauer durchgeführt.

Beim Abgraben von Erdreich im Bereich des genannten Widerlagers lösten sich ca. 4 m3 Erdreich und verschütteten den Arbeitnehmer Josef Meister, der in unmittelbarer Nähe des Baggers stand, fast zur Gänze.

 

Übertretungsnorm:

§ 17 Abs.2 der Bauarbeiterschutzverordnung (BauV), BGBl. Nr. 340/1994, wonach die Vorbereitung, Gestaltung und Durchführung von Arbeitsvorgängen derart zu erfolgen hat, dass unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere der technischen Möglichkeiten und der besonderen betrieblichen Verhältnisse, Arbeitsbedingungen gegeben sind, durch die bei umsichtiger Verrichtung der beruflichen Tätigkeit ein möglichst wirksamer Schutz des Lebens und der Gesundheit der Arbeitnehmer erreicht wird. "

 

2. Dagegen wurde fristgerecht Berufung durch das A eingebracht und beantragt, den angefochtenen Bescheid aufzuheben und in der Sache nach der Antragstellung der Strafanzeige vom 9. Mai 2007 zu entscheiden. Begründend führte die Berufung aus, dass die Behörde die Rechtslage bezogen auf die ständige Rechtssprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu ähnlich gelagerten Fällen verkennt. Der konkrete Sachverhalt, angeführt in der Strafanzeige vom 9. Mai 2007, ist unter die Rechtsnorm des § 17 Abs.2 der Bauarbeiterschutzverordnung zu subsumieren. Keinesfalls kann der geforderte Schutz für Sicherheit und Gesundheit der ArbeitnehmerInnen durch eine umsichtige Verrichtung der beruflichen Tätigkeit, also durch verantwortungsbewusste Tätigkeit erreicht werden. Vielmehr hat der/die ArbeitgeberIn gerade für den Fall eigenmächtiger Handlungen von ArbeitnehmerInnen gegen ArbeitnehmerInnenschutzvorschriften zu sorgen, dass ein entsprechendes Kontrollsystem greift. Unter Anführung entsprechender Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes wird darauf hingewiesen, dass sich der Beschuldigte darauf zu berufen hat, dass er Maßnahmen getroffen habe, die unter den vorhersehbaren Verhältnissen die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften mit gutem Grund erwarten lassen. Die bloße Erteilung von Weisungen reiche nicht hin, entscheidend sei deren wirksame Kontrolle, wobei vom Arbeitgeber das bezügliche Kontrollsystem darzulegen sei.

 

3. Die Bezirkshauptmannschaft Steyr-Land hat die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt vorgelegt.

 

3.1. Der Oö. Verwaltungssenat hat den Beschuldigten am Verfahren beteiligt und hat dieser in einer Gegenausführung beantragt, der Berufung keine Folge zugeben. Es sei richtig, dass der vorliegende Sachverhalt nach der Bestimmung des § 17 Abs.2 BauV zu prüfen sei, allerdings habe der Anordnungsbefugte Arbeitsbedingungen zu gewährleisten, welche die Gesundheit eines Mitarbeiters vor Gefahren schützen, die bei umsichtiger Verrichtung der beruflichen Tätigkeit diesem drohen. Gegen ein Dienstnehmerverhalten, welches mit der geforderten umsichtigen Verrichtung der beruflichen Tätigkeit von vornherein nicht im Einklang steht und das aus einem Verhalten des Dienstnehmers folgt, womit er sich aus eigenem Entschluss, ohne Anordnung des Dienstgebers und ohne sachliche Notwendigkeit, in eine evidente Gefahr begibt, hat der Verantwortliche nichts vorzukehren. Bei umsichtiger Verrichtung der dem betroffenen Mitarbeiter aufgetragenen Tätigkeit bestand von vornherein überhaupt keine Gefahrensituation, welche vorbeugende Maßnahmen gegen ein Verschüttetwerden dieses Dienstnehmers erforderlich gemacht hätten.

 

3.2. Da der Sachverhalt unstrittig ist und nur unrichtige rechtliche Beurteilung behauptet wird und im Übrigen von keiner der Parteien eine mündliche Verhandlung verlangt wurde, konnte eine öffentliche mündliche Verhandlung gemäß § 51e Abs.2 und Abs.3 VStG unterbleiben.

 

4. Hierüber hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

4.1. Gemäß § 17 Abs.2 Bauarbeiterschutzverordnung – BauV, BGBl Nr. 340/1994 i.d.F. BGBl II Nr. 13/2007, hat die Vorbereitung, Gestaltung und Durchführung von Arbeitsvorgängen und Arbeitsverfahren derart zu erfolgen, dass unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere der technischen Möglichkeiten und der besonderen betrieblichen Verhältnisse, Arbeitsbedingungen gegeben sind, durch die bei umsichtiger Verrichtung der beruflichen Tätigkeit ein möglichst wirksamer Schutz des Lebens und der Gesundheit der Arbeitnehmer erreicht wird. Dementsprechend sind die hiefür notwendigen und geeigneten Betriebseinrichtungen, sonstigen mechanischen Einrichtungen und Betriebsmittel mit den notwendigen Schutzvorrichtungen zur Verfügung zu stellen oder geeignete Schutzmaßnahmen anderer Art zu treffen.

 

Gemäß § 44a Z1 VStG hat der Spruch eines Straferkenntnisses, wenn er nicht auf Einstellung lautet, die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten. Danach ist es rechtlich geboten, die Tat hinsichtlich des Täters und der Tatumstände so genau zu umschreiben, dass

1) die Zuordnung des Tatverhaltens zur Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, in Ansehung aller Tatbestandsmerkmale ermöglicht wird und

2) die Identität der Tat (zB nach Ort und Zeit) unverwechselbar feststeht. Was den vorstehenden Punkt 1) anlangt, sind entsprechende, dh, in Beziehung zum vorgeworfenen Straftatbestand stehende wörtliche Anführungen erforderlich, die nicht etwa durch bloße paragraphenmäßige Zitierung von Gebots- oder Verbotsnormen ersetzt werden können. Was den vorstehenden Punkt 2) anlangt (unverwechselbares Festhalten der Identität der Tat) muss im Spruch des Straferkenntnisses dem Beschuldigten die Tat insoweit in konkretisierter Umschreibung zum Vorwurf gemacht werden, dass  er in die Lage versetzt wird, im ordentlichen Verwaltungsstrafverfahren und gegebenenfalls im außerordentlichen Verfahren auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen, und es muss ferner der Spruch geeignet sein, den Beschuldigten rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden.

 

Gemäß  § 31 Abs.1 und 2 VStG ist die Verfolgung einer Person unzulässig, wenn gegen sie binnen der Verjährungsfrist von sechs Monaten von der Behörde keine Verfolgungshandlung vorgenommen worden ist. Verfolgungshandlung iSd § 32 Abs.2 VStG ist jede von einer Behörde gegen eine bestimmte Person als Beschuldigten gerichtete Amtshandlung.

 

Es muss  daher die Tat unter Anführung aller wesentlicher Tatbestandsmerkmale dem Beschuldigten innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist vorgeworfen werden. Eine Umschreibung der Tatbestandsmerkmale lediglich in der Bescheidbegründung reicht im Bereich des Verwaltungsstrafrechtes nicht aus (vgl. Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, Seite 937 ff).

 

Diesen  Anforderungen entspricht der von der belangten Behörde erhobene Tatvorwurf nicht.

 

Mit Aufforderung zur Rechtfertigung vom 4. Juni 2007 wurde eine dem nunmehrigen Bescheid zu entnehmende gleichlautende Tatanlastung getroffen. Damit wurden dem Bw als Sachverhalt die Durchführung von Erdarbeiten am 22. März (gemeint: 2007) im Zuge von Steinschlichtungsarbeiten zur Errichtung einer Steinmauer vorgeworfen, wobei sich beim Abgraben von Erdreich im Bereich des genannten Widerlagers ca. 4 m3 Erdreich lösten und einen näher bezeichneten Arbeitnehmer fast zur Gänze verschütteten. Weiters wurde § 17 Abs.2 BauV als Übertretungsnorm wörtlich zitiert. Eine Zuordnung des vorgeworfenen Sachverhalts zur genannten Übertretungsnorm des § 17 Abs.2 BauV, also eine Subsumtion dahingehend, welches Verhalten konkret nach § 17 Abs.2 BauV dem Bw nach dem vorgehaltenen Unfallshergang vorgeworfen wird, ist dem Tatvorwurf nicht zu entnehmen. So ist insbesondere nach dem Tatvorwurf eine konkrete Tatanlastung im Sinn des § 17 Abs.2 BauV nicht erfolgt, dass entweder die Vorbereitung, die Gestaltung oder die Durchführung eines näher umschriebenen Arbeitsvorganges nicht durch den Bw so erfolgt ist, dass näher konkretisierte Arbeitsbedingungen gegeben sind, durch die bei umsichtiger Verrichtung der beruflichen Tätigkeit ein möglichst wirksamer Schutz des Lebens und der Gesundheit des Arbeitnehmers erreicht wird.

 

Es ist daher im Sinn der oben zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes eine Zuordnung des Tatverhaltens zur Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, in Ansehung aller Tatbestandsmerkmale nicht möglich, weil ein bestimmtes Tatverhalten gar nicht vorgeworfen wurde. Vielmehr ist dem Sachverhalt im Tatvorwurf die aus dem rechtswidrigen Verhalten resultierende Folge zu entnehmen, nicht das Verhalten selbst. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bedeutet dies, dass es im Bescheidspruch zufolge der Z1 der Anführung aller wesentlichen Tatbestandsmerkmale, die zur Individualisierung und Konkretisierung des inkriminierten Verhaltens und damit für die Subsumtion der als erwiesen angenommenen Tat und die dadurch verletzte Verwaltungsvorschrift erforderlich sind, bedarf, und dass es nicht ausreicht, den bloßen Gesetzeswortlaut unter Anführung der Tatzeit und des Tatortes wiederzugeben, sondern dass die Tat entsprechend den Gegebenheiten des jeweiligen Falls zu individualisieren ist, wobei der Umfang der notwendigen Konkretisierung vom einzelnen Tatbild abhängt (vgl. Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 6. Auflage, Seite 1522 mit Judikaturnachweisen).

 

Da innerhalb der sechsmonatigen Verfolgungsverjährungsfrist gemäß § 31 VStG dem Beschuldigten ein über den Wortlaut des § 17 Abs.2 BauV hinausgehendes konkretisiertes unter Strafe gestelltes Tatverhalten nicht zur Last gelegt wurde, ist Verfolgungsverjährung eingetreten und war daher gemäß § 45 Abs.1 Z3 VStG wegen eingetretener Verfolgungsverjährung das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen. Der Spruch des angefochtenen Bescheides war daher entsprechend § 45 Abs.1 Z3 VStG richtig zu stellen. Es war daher der Berufung keine Folge zu geben.

 

5. Gemäß § 64 VStG war kein Kostenbeitrag zum Berufungsverfahren vorzuschreiben, weil ein Straferkenntnis nicht bestätigt wurde.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

Dr. Ilse Klempt

 

 

Beschlagwortung:

Tatverhalten, Tatkonkretisierung, wörtliche Anführung des Gesetzestextes nicht ausreichend

 

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