Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-300792/2/WEI/Ga

Linz, 26.08.2008

 

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Wolfgang Weiß über die Berufung des M W, vertreten durch Mag. K H, Rechtsanwalt in W, gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters von Wels vom 28. Juni 2007, Zl. BZ-Pol-07003-2007, wegen einer Verwaltungsübertretung nach dem Oö. Hunde­halte­gesetz 2002 (LGBl Nr. 147/2002 idF LGBl Nr. 124/2006) zu Recht erkannt:

 

 

I.            Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Strafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 und Z 3 VStG eingestellt.

 

II.        Die Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens entfällt.

 

Rechtsgrundlagen:

§§ 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG iVm § 24 Ver­waltungs­strafgesetz 1991 - VStG; § 66 Abs 1 VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1.1. Mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Wels wurde der Berufungswerber (Bw) wie folgt schuldig erkannt und bestraft:

 

"Sie haben als Hundehalter am 28.01.2007 gegen 15.15 Uhr in Wels, Tiefgarage, Ihren Hund mit der Hundemarken-Nr. … nicht ordnungsgemäß beaufsichtigt bzw. geführt, sodass dieser die Malteser Hündin der Frau E S verletzen konnte."

 

Dadurch erachtete die belangte Behörde § 15 Abs 1 Z 2 und Abs 2 iVm § 3 Abs 2 Z 1 Oö. Hundehaltegesetz 2002 als verletzte Rechtsvorschriften und verhängte wegen dieser Verwaltungsübertretung gemäß "§ 15 Abs. 1 Z 2 Oö. Hunde­halt­gesetz 2002" (gemeint wohl § 15 Abs 2 Oö. Hundehaltegesetz 2002) über den Bw eine Geldstrafe von 150 Euro und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 7 Stunden.

 

1.2. Gegen dieses Straferkenntnis, das dem Bw zu Händen seines Rechtsvertreters am 3. Juli 2007 zugestellt wurde, richtet sich die vorliegende am 17. Juli 2007 – und somit rechtzeitig – bei der belangten Behörde einge­langte Berufung vom 16. Juli 2007, mit der in der Hauptsache die Aufhebung des Straferkenntnisses und Einstellung des Strafverfahrens angestrebt wird.

 

2. Aus der Aktenlage ergibt sich der folgende Gang des Verfahrens und Sachverhalt:

 

2.1. Mit Niederschrift vom 29. Jänner 2007 nahm die belangte Behörde die Anzeige der E S, auf. Diese berichtete über einen Vorfall vom 28. Jänner 2007 gegen 15:15 Uhr in der Tiefgarage des Hauses. Sie hätte mit ihrem Gatten und ihrer Malteser Hündin wegfahren wollen und die Tiefgarage betreten, als sich der Hund des Bw auf ihre Hündin gestürzt und sie gebissen hätte. In der Folge wäre es der Anzeigerin, ihrem Gatten und dem Bw gelungen, die Hündin aus den Fängen zu befreien. Die Malteser Hündin hätte daraufhin in einer Tierklinik beim Lokalbahnhof behandelt werden müssen.

 

2.2. Mit Strafverfügung vom 2. März 2007, Zl. BZ-Pol-07003-2007, zugestellt am 8. März 2007, lastete die belangte Behörde dem Bw schließlich folgende Tat an:

 

"Sie haben als Hundehalter am 28.01.2007 gegen 15.15 Uhr in Wels, Tiefgarage, ihren Hund nicht ordnungsgemäß beaufsichtigt bzw. geführt, sodass dieser einen anderen Hund verletzen konnte."

 

Gegen diese Strafverfügung erhob der Bw durch seinen ausgewiesenen Rechtsvertreter rechtzeitig den Einspruch vom 22. März 2007 und brachte vor, dass der angelastete Sachverhalt unzureichend und unüberprüfbar wäre. Die Tiefgarage des Hauses, W, sei versperrt nur für Berechtigte zugänglich. Es handelte sich daher um keinen öffentlichen Ort. Beide Hunde wären frei gelaufen und man könnte nicht sagen, welches Tier für die Auseinandersetzung verantwortlich war.

Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Erlassung einer Strafverfügung wären auch nicht vorgelegen.

 

2.3. Die belangte Behörde hat in weiterer Folge am 3. Juli 2007 (Zustelldatum) das angefochtene Straferkenntnis vom 28. Juni 2007 erlassen, ohne zuvor ein ordentliches Ermittlungsverfahren durchzuführen. Zur Begründung wird ange­führt, dass die objektive Tatseite der Verwaltungsübertretung erwiesen wäre, weil der Hund des Bw in der Tiefgarage frei herumlaufen und ein anderes Tier gefährden bzw verletzen konnte. Mit seinen Angaben im Einspruch wäre dem Bw die Glaubhaftmachung mangelnden Verschuldens iSd § 5 Abs 1 VStG nicht gelungen.

 

2.4. Die Berufung rügt zunächst, dass die objektive Tatseite nicht ausreichend ermittelt worden sei. Die von der belangten Behörde übernommene Sachver­haltsdarstellung der Anzeigerin beschränke sich auf einen Satz, der nicht hinterfragt worden sei. Die Behörde habe den maßgeblichen Sachverhalt nicht genügend ermittelt, um zu einem Schuldspruch zu gelangen.

 

Der Spruch habe die als erwiesen angenommene Tat in möglichst gedrängter deutlicher Fassung darzustellen. Dieser Vorschrift sei nicht entsprochen worden. Aus der Wortwahl sei ein eindeutiger, deutlicher Vorwurf nicht ersichtlich. Die belangte Behörde stelle Alternativen auf, deren Nachvollziehbarkeit nicht gegeben sei.

 

Die belangte Behörde habe auch keine Beweiswürdigung vorgenommen. Es sei unwidersprochen, dass sich zum Vorfallszeitpunkt beide Hunde in der Tiefgarage des Hauses, W, einem nicht öffentlichen Ort, frei bewegten. Welcher der Hunde für die Auseinandersetzung "verantwortlich" war und Gefährdungscharakter darstelle, könne nicht festgestellt werden. Die Verwahrung des Hundes erfolgte somit in einem nicht allgemein zugänglichen Raum, den die Anzeigerin nach ihrer Darstellung erst zu einem späteren Zeitpunkt betreten hätte, woraufhin es zur unglücklichen Auseinandersetzung zwischen den Tieren gekommen sei. Dem Bw die mangelnde Beaufsichtigung des Hundes vorzuwerfen, sei nicht gerechtfertigt.

 

3. Der Oö. Verwaltungssenat hat nach Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt des Magistrats Wels festgestellt, dass das angefochtene Strafer­kenntnis schon nach der Aktenlage aus rechtlichen Gründen aufzuheben ist.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat erwogen:

 

4.1. Gemäß § 15 Abs 1 Z 2 Oö. Hundehaltegesetz 2002 begeht eine Verwaltungsübertretung und ist nach § 15 Abs 2 leg.cit., sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet  oder durch andere Verwaltungsvorschriften mit strengerer Strafe bedroht ist, von der Bezirksverwaltungsbehörde mit einer Geldstrafe bis zu 7.000 Euro zu bestrafen

 

wer einen Hund entgegen den Bestimmungen des § 3 Abs 1 und 2 hält.

 

Nach § 3 Abs 2 ist ein Hund in einer Weise zu beaufsichtigen, zu verwahren oder zu führen, dass

 

  1. Menschen und Tiere durch den Hund nicht gefährdet werden, oder
  2. Menschen und Tiere nicht über das zumutbare Maß hinaus belästigt werden, oder
  3. er an öffentlichen Orten oder auf fremden Grundstücken nicht unbeauf­sichtigt herumlaufen kann.

 

In ganz ähnlicher Weise begeht nach dem § 5 Abs 1 Satz 1 Oö. Polizeistrafgesetz Oö. PolStG (LGBl Nr. 94/1985, geändert mit LGBl Nr. 147/2002) eine Ver­waltungs­übertretung, wer als Halter eines Tieres dieses in einer Weise beauf­sichtigt oder verwahrt, dass durch das Tier dritte Personen gefährdet oder über das zumutbare Maß hinaus belästigt werden. Die korrespondierende Strafnorm des § 10 Abs 2 lit b) Oö. PolStG sieht für diese Verwaltungsübertretung aber nur eine Geldstrafe bis zu 1.450 Euro vor.

 

Auch wenn der Landesgesetzgeber keine ausdrückliche Subsidiarität des Oö. PolStG im Verhältnis zum Oö. Hundehaltegesetz 2002 angeordnet hat, ist nach Ansicht des erkennenden Mitglieds des Oö. Verwaltungssenats zur Vermeidung von verfassungsrechtlich unzulässigen Doppelbestrafungen nach Art 4 des 7. ZP zur EMRK (dazu allgemein Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Ver­waltungsverfahrens6 [2004], Anm 2 zu § 22 VStG, und jüngst VwGH 18.06.2008; Zl. 2006/11/0222 unter Hinweis auf VfSlg 15.199/1998 und die Pflicht zur ver­fassungskonformen Auslegung auch gegen die Materialien) von bloßer Schein­konkurrenz (in Form der Spezialität) bei Zurücktreten des § 5 Abs 1 iVm § 10 Abs 2 lit b) Oö. PolStG auszugehen, weil § 15 Abs 1 Z 2 iVm § 3 Abs 2 Hunde­haltegesetz 2002 die spezielleren Strafbestimmungen für Hunde darstellen, die überdies noch einer wesentlich strengeren Strafdrohung unterliegen.

 

4.2. Zum Deliktscharakter des § 5 Abs 1 Satz 1 Oö. PolStG hat der Oö. Verwal­tungs­senat schon in der Vergangenheit die Ansicht vertreten (vgl VwSen-300417 vom 25.06.2002, VwSen-300442 vom 5.09.2002; VwSen-300518 vom 30.06.2004), dass es sich bei dieser Verwaltungsübertretung nach der gewählten grammatikalischen Konstruktion mit Hauptsatz und Folgesatz um ein Erfolgsde­likt handelt, bei dem die mangelhafte Haltung des Tieres zu einer in der Außen­welt erkennbaren (konkreten) Gefährdung oder unzumutbaren Belästigung Dritter führen muss. Aus den Gesetzesmaterialien (vgl AB zur Oö. Polizeistrafge­setznovelle 1985, Blg 448/1985 zum kurzschriftlichen Bericht Oö. LT, 22. GP, 3) geht auch hervor, dass nicht jede mangelhafte Tierhaltung, sondern nur eine solche, die Gefährdungen oder Belästigungen dritter Personen zur Folge hat, in Zukunft strafbar sein sollte.

 

§ 3 Abs 2 Z 1 und Z 2 Oö. Hundehaltegesetz 2002 sieht eine Beaufsichtigung, Verwahrung oder Führung des Hundes in bestimmter Weise, nämlich dass Menschen oder Tiere nicht gefährdet oder über das zumutbare Maß belästigt werden, vor. Positiv formuliert, liegt das Tatbild dann vor, wenn die sorglose Beaufsichtigung (Verwahrung) oder Führung des Hundes zur unerwünschten Folge der tatsächlichen Gefährdung oder Belästigung von Menschen oder Tieren führt. Diese grammatikalische Konstruktion entspricht im Wesentlichen der vergleichbaren Regelung des § 5 Abs 1 Satz 1 Oö. PolStG. Deshalb gelten die Ausführungen zum Deliktscharakter auch für das Oö. Hundehaltegesetz 2002, das entweder einen konkreten Gefährdungserfolg (im Sinne eines besonderen Naheverhältnisses zur drohenden Rechtsgutsverletzung) oder eine unzumutbare Belästigung von Menschen oder Tieren durch den Hund als in der Außenwelt erkennbaren Erfolg voraussetzt.

 

Entgegen der rechtsirrigen Ansicht der belangten Behörde handelt es sich demnach nicht um ein bloßes Ungehorsamsdelikt, auf das die Beweisregel des § 5 Abs 1 Satz 2 VStG anwendbar gewesen wäre. Es war daher auch nicht Sache des Bw, sich zu entlasten, vielmehr hatte die Strafbehörde den objektiven und subjektiven Tatbestand zu erheben und durch ausreichende Feststellungen zu untermauern.

 

4.3. Nach den Begriffsbestimmungen des § 1 Abs 2 Oö. Hundehaltegesetz 2002 bedeutet im Sinne dieses Landesgesetzes:

 

"1.   auffälliger Hund: ein Hund, bei dem auf Grund bestimmter Tatsachen von einem erhöhten Gefährdungspotential für Menschen und Tiere ausgegangen werden kann. Als auffällig gilt jedenfalls ein Hund, der

 

a)       einen Menschen oder ein Tier durch Biss schwer verletzt hat, ohne selbst angegriffen oder provoziert worden zu sein, oder

b)       wiederholt Menschen gefährdet hat, ohne selbst angegriffen oder provoziert worden zu sein, oder

c)       wiederholt gezeigt hat, dass er unkontrolliert zum Hetzen oder Reißen von Wild oder Vieh neigt;

 

2.           Hundehalter(in): die Person, die im eigenen Namen darüber zu entscheiden hat, wie der Hund zu verwahren oder zu beaufsichtigen ist;

 

3.           öffentlicher Ort: ein Ort, der für jedermann frei oder unter den gleichen Bedingungen zugänglich ist;

 

4.           Ortsgebiet: die Straßenzüge innerhalb der Hinweiszeichen "Ortstafel" und "Ortsende" gemäß § 53 Z. 17a und 17b StVO und geschlossen bebaute Gebiete mit mindestens fünf Wohnhäusern."

 

Die Legaldefinition des Hundehalters entspricht in etwa der herkömmlichen Auffassung zum Tierhalter in der zivilrechtlichen Judikatur (vgl RV Blg 1145/2001 zum kurzschriftlichen Bericht des Oö. LT, 25. GP, Seite 4 zu § 1). Nach hM ist Tierhalter, wer die tatsächliche Herrschaft über das Verhalten des Tieres ausübt und über Verwahrung und Beaufsichtigung entscheidet (vgl näher mwN Dittrich/Tades, MGA ABGB ³³, E 18 ff zu § 1320; Reischauer in Rummel², Rz 7 f zu § 1320 ABGB). Auf eine bestimmte rechtliche Beziehung zum Tier (etwa das Eigentumsrecht) kommt es dabei nicht an. Wie der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen hat, sind die faktischen Verhältnisse der Herrschaft über das Tier (Aufzucht, Ernährung, Unterbringung, Pflege und gesundheitliche Betreuung) für den Begriff des Haltens entscheidend (vgl VwGH 30.7.1992, 88/17/0149).

 

4.4. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu den Sprucherforder­nissen nach § 44a Z 1 VStG ist die Tat so weit zu konkretisieren, dass eine eindeutige Zuordnung zu den Tatbestandsmerkmalen ermöglicht wird und die Identität der Tat unverwechselbar feststeht (stRsp seit den verst. Senaten VwSlg 11.466 A/1984 und VwSlg 11.894 A/1985). Im Spruch sind alle wesentlichen Tatbestandsmerkmale anzuführen, die zur Individualisierung und Konkretisierung des inkriminierten Verhaltens notwendig sind. Eine Umschreibung bloß in der Begründung reicht im Verwaltungsstrafrecht nicht aus (vgl mwN Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens6 [2004], 1522, Anm 2 zu § 44a VStG).

 

Der Vorschrift des § 44 a Z 1 VStG ist dann entsprochen, wenn im Spruch des Straferkenntnisses dem Beschuldigten die Tat so in konkretisierter Umschreibung vorgeworfen ist, dass er (im ordentlichen Verwaltungsstrafverfahren, gegebenen­falls auch in einem Wiederaufnahmeverfahren) in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen.

 

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat die Rechtsmittelbehörde nach § 66 Abs 4 AVG (iVm § 24 VStG) nicht die Befugnis, dem Beschuldigten eine andere Tat als die Erstbehörde anzulasten und damit die Tat auszuwechseln (vgl allgemein VwGH 25.3.1994, 93/02/0228; VwGH 19.5.1993, 92/09/0360; VwGH 28.2.1997, 95/02/0601). Die Entscheidungs­befugnis der Berufungsbehörde ist durch den Abspruchsgegenstand des angefochtenen Bescheides beschränkt (vgl VwGH 23.11.1993, 93/04/0169). Eine Abänderungsermächtigung besteht nur im Rahmen der Sache iSd § 66 Abs 4 AVG (vgl etwa VwGH 25.9.1992, 92/09/0178; VwGH 8.2.1995, 94/03/0072; VwGH 3.9.1996, 96/04/0080). Dabei ist Sache des Berufungsverfahrens die Angelegenheit, die den Inhalt des Spruchs im Bescheid der Unterbehörde bildet (vgl u.a. VwGH 24.3.1994, 92/18/0356; VwGH 23.10.1995, 94/04/0080; VwGH 29.10.1996, 96/07/0103; VwGH 19.3.1997, 93/11/0107). Ein Austausch wesentlicher Tatbestandsmerkmale führt zur Anlastung einer anderen Tat und ist daher unzulässig (vgl VwGH 20.11.1997, 97/06/0170).

 

4.5. Weder der Strafverfügung vom 2. März 2007 noch dem angefochtenen Straferkenntnis vom 28. Juni 2007 ist ein hinreichend konkretisierter Tatvorwurf zu entnehmen. Der Spruch im angefochtenen Straferkenntnis ist derart mangel­haft formuliert, dass er einer zulässigen Korrektur durch den unabhängigen Verwaltungssenat nicht zugänglich ist. Dieser ist nämlich nach § 66 Abs 4 AVG nicht befugt, den Tatvorwurf auszutauschen. Darüber hinaus ist nach Ablauf von sechs Monaten auch längst Verfolgungsverjährung gemäß § 31 Abs 2 VStG eingetreten.

 

Der Tatvorwurf der belangten Behörde enthält nur verba legalia, die nicht anhand der Umstände des Einzelfalles konkretisiert wurden. Der Spruch be­schränkt sich auf die lapidare Behauptung, der Bw habe seinen Hund "... nicht ordnungs­gemäß beaufsichtigt bzw. geführt ...", ohne auszuführen, mit welcher konkreten Handlung oder Unterlassung der Bw eine Sorgfaltswidrigkeit begangen haben soll. Die belangte Behörde hat keine Aussage darüber getroffen, durch welches bestimmte Verhalten der Bw seiner Aufsichtspflicht nicht nachgekommen sei und somit gegen § 3 Abs 2 Z 1 Oö. Hundehaltegesetz 2002 verstoßen habe. Der unzureichend konkretisierte Tatvorwurf der belangten Behörde geht daher ge­messen am gesetzlichen Wortlaut ins Leere. Es reicht nicht aus, den Geset­zeswortlaut unter Anführung von Tatort und Tatzeit wiederzugeben, sondern die Tat ist entsprechend den Gegebenheiten des jeweiligen Falles zu individualisieren (näher Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens6 [2004], 1522, Anm 2 zu § 44a VStG). Die belangte Behörde hat es demnach verabsäumt, die als erwiesen angenommen Tat mit der gemäß § 44a Z 1 VStG gebotenen Deutlichkeit im Spruch zum Ausdruck zu bringen.

 

Im Ergebnis hat die Berufung daher zutreffend die undeutliche Wortwahl, noch dazu mit einem unzulässigen alternativen Vorwurf "bzw" (vgl Hauer/Leukauf, Handbuch6, E 12c zu § 44a VStG), als mangelhaft kritisiert.

 

4.5. Im Übrigen hat die Berufung auch mit Recht gerügt, dass die objektive Tatseite nicht ausreichend ermittelt worden ist. Die belangte Behörde hat sich nämlich mit der inhaltlich dürftigen Anzeige begnügt und kein ordentliches Ermittlungsverfahren zur Klärung der näheren Umstände des Falles durchgeführt. Die substanzlose Spruchfassung im angefochtenen Straferkenntnis ist wohl auch auf Aufklärungs- und Feststellungsmängel zurückzuführen.

 

Selbst durch den von der belangten Behörde ohnehin nur in der Begründung gebrachten Hinweis, dass der Hund des Bw in der Tiefgarage frei herumlaufen konnte, durfte die belangte Behörde die objektive Tatseite noch nicht als erwiesen betrachten. Denn nach dem Vorbringen des Bw ist die Tiefgarage des Hauses  in W nur für Berechtigte zugänglich und damit kein öffentlicher Ort iSd § 1 Abs 2 Z 3 Oö. Hundehaltegesetz 2002, an dem entweder Leinen- oder Maulkorbzwang gemäß § 6 Abs 1 leg.cit herrscht. Außerdem dürfte sich nach der Anzeigedarstellung der Hund der Frau S ebenfalls frei bewegt und diese erst nach dem Bw mit ihrem Hund die Tiefgarage betreten haben. Die näheren Umstände der weiteren Auseinandersetzung hat die belangte Behörde nicht aufgeklärt, weshalb sie auch nicht in rechtlich schlüssiger Weise dem Bw einen Sorgfalts­verstoß vorwerfen konnte. Der bloße Hinweis auf die Gefährdung bzw Verletzung des anderen Hundes vermag einen tauglichen Verhaltensvorwurf nicht zu ersetzen.

 

5. Im Ergebnis war aus all diesen Gründen das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Strafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 (mangels einer schlüssig angelasteten Verwaltungsübertretung) und Z 3 (wegen Verfolgungsver­jährung) VStG einzustellen.

 

Bei diesem Ergebnis entfällt auch gemäß § 66 Abs 1 VStG die Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungs­ge­richtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

Anlage

 

 

Dr. W e i ß

 

 

 

Rechtssätze

 

VwSen-300792/2/WEI/Ga vom 26. August 2008:

 

§ 3 Abs 2 Z 1 und 2 Oö. Hundehaltegesetz 2002, § 5 Abs 1 Oö. PolStG

 

Bei verfassungskonformer Interpretation (Doppelbestrafungsverbot) tritt § 5 Abs 1 Oö. PolStG im Wege der Scheinkonkurrenz (Spezialität) hinter die Regelung des § 3 Abs 2 Z 1 und 2 Oö. Hundehaltgesetz 2002 zurück.

 

§ 5 Abs 1 Satz 2 VStG:

 

Beim § 3 Abs 2 Z 1 und 2 Oö. Hundehaltegesetz 2002 handelt es sich nach seiner grammatikalischen Konstruktion um eine dem § 5 Abs 1 Satz 1 Oö. PolStG vergleichbare Gebots- bzw Verbotsnorm, die eine konkrete Gefährdung oder unzumutbare Belästigung von Menschen und Tieren als Folge der mangelhaften Hundehaltung (Beaufsichtigung, Verwahrung, Führung) voraussetzt und damit als Erfolgsdelikt und nicht als Ungehorsamsdelikt iSd § 5 Abs 1 Satz 2 VStG anzusehen ist.

 

§ 44a Z 1 VStG:

 

Der Spruch eines Straferkenntnisses darf sich nicht auf die bloßen verba legalia unter Angabe von Tatort und Tatzeit beschränken, sondern hat einen konkretisierten Verhaltensvorwurf zu erheben, dem die angelastete objektive Sorgfaltswidrigkeit in schlüssiger Weise entnommen werden kann.

 

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