Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-400962/2/BP/Se

Linz, 14.08.2008

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Dr. Bernhard Pree über die Beschwerde des M J O, StA von N, derzeit aufhältig in der JA Wels, gegen den Schubhaftbescheid des Bundespolizeidirektors von Wels vom 24. Juni 2008, zu Recht erkannt:

 

Der Beschwerde wird stattgegeben und der bekämpfte Bescheid für rechtswidrig erklärt.

 

 

Rechtsgrundlagen:

§§ 82 Abs. 1 und § 83 Abs 2 und 4 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG (BGBl I Nr. 100/2005 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 4/2008) iVm §§ 67c und 79a AVG 1991 und der UVS-Aufwand­ersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 334/2003.

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

 

1.1. Mit Bescheid des Polizeidirektors von Wels vom 24. Juni 2008 GZ.: 1-1025879/FP/08, wurde über den Beschwerdeführer (im Folgenden: Bf), einem nigerianischen Staatsangehörigen, gemäß § 76 FPG die Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung (§ 46 FPG) angeordnet und gleichzeitig festgestellt, dass die Rechtsfolgen dieses Bescheides nach Entlassung des Bf aus der Gerichtshaft eintreten werden.

 

Begründend führt die belangte Behörde aus, dass der Bf Fremder im Sinne des § 2 Abs.4 Z1 FPG sei, gibt als Rechtsgrundlagen § 76 Abs.1 sowie Abs.3 FPG an und weist darauf hin, dass gemäß letzterer Bestimmung kein Bescheid im Sinne des § 57 AVG zu erlassen gewesen sei, da sich der Bf nicht bloß kurzfristig aus anderem Grund in Haft befinde. Der Bf sei vom LG für Strafsachen Wien zu Zl: 06h wegen §§ 28 Abs.2, 28 Abs.3 1. Fall, 27 Abs.1 SMG und 127 StGB zu 2 Jahren Freiheitsstrafe rechtskräftig mit 2. Oktober 2006 verurteilt worden.

 

Das Verhalten des Bf lasse klar erkennen, dass er nicht gewillt sei, österreichische Rechtsvorschriften einzuhalten. Nach Abwägung der maßgeblichen öffentlichen Interessen gegen die Privatinteressen seien die öffentlichen Interessen erheblich schwerer ins Gewicht gefallen; zumal der Bf keinerlei private oder persönliche Bindungen zum Bundesgebiet habe. Daher sei  die Interessensabwägung zu seinem Nachteil ausgefallen. Die Anordnung eines gelinderen Mittels gemäß § 77 FPG sei nicht in Betracht gekommen, da die belangte Behörde keinen Grund zur Annahme habe, dass der Zweck der Schubhaft auch durch dessen Anwendung erreicht werden könne.

 

1.2. Mit Schriftsatz vom 3. Juli 2007 wendet sich der Bf gegen diesen Bescheid und führt insbesondere ins Treffen, dass er in Österreich sozial und beruflich integriert sei, insbesondere aber, dass verschiedene Familienangehörige (teilweise offensichtlich bereits mit österreichischer Staatsangehörigkeit), darunter auch eigene Kinder, in Österreich aufhältig seien, weshalb er implizit beantragt, den in Rede stehenden Schubhaftbescheid für rechtswidrig zu erklären.

 

2. Mit Schreiben vom 11. August 2008 hat die belangte Behörde den bezughabenden Verwaltungsakt übermittelt und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

 

2.1. In einer kurzen Gegenschrift weist die belangte Behörde darauf hin, dass der Bf seit 17. Juni 2008 in der JA Wels wegen diverser Verbrechen nach dem SMG einsitze. Es sei beabsichtigt, nach Ende der Strafhaft die Schubhaft zu verhängen. Gegen den Bf bestehe ein Aufenthaltsverbot der BPD Wien vom 3. November 2004, gültig bis 3. November 2014. Auch von der belangten Behörde sei am 24. Juni 2008 ein weiteres unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen worden, gegen das jedoch Berufung eingebracht worden sei.

 

2.2. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat nach Einsicht in den vorgelegten Verwaltungsakt festgestellt, dass bereits aus der Aktenlage in Verbindung mit der eingebrachten Beschwerde der Sachverhalt hinlänglich geklärt und unstrittig ist. Diebsbezüglich wird auf den Punkt 1. dieses Erkenntnisses verwiesen. Da im Wesentlichen Rechtsfragen zu klären waren, konnte von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden.

 

 

 

3. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

 

3.1. Nach § 82 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes, BGBl. I Nr. 100/2005, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr.4/2008 (im Folgenden: FPG), hat der Fremde das Recht, den unabhängigen Verwaltungssenat mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn er

1.     nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist;

2.     unter Berufung auf dieses Bundesgesetz oder das Asylgesetz 2005 angehalten wird oder wurde oder

3.     gegen ihn die Schubhaft angeordnet wurde. 

 

Gemäß § 83 Abs. 4 FPG hat der Unabhängige Verwaltungssenat, sofern die Anhaltung noch andauert, jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen. Im Übrigen hat er im Rahmen der geltend gemachten Beschwerdepunkte zu entscheiden.

 

Es ist unbestritten, dass gegen den Bf mit Bescheid vom 24. Juni 2008, Zl. 1-1025879/FP/08, Schubhaft für den Zeitpunkt nach Entlassung aus der Strafhaft (21. August 2008) angeordnet wurde. Die Beschwerde ist daher grundsätzlich zulässig.

 

3.2. Nach § 76 Abs. 1 FPG können Fremde u.a. festgenommen und angehalten werden, sofern dies notwendig ist, um das Verfahren zur Erlassung eines Aufenthalts­verbots oder einer Ausweisung bis zum Eintritt ihrer Durchsetzbarkeit oder um die Abschiebung, die Zurückschiebung oder die Durchbeförderung zu sichern.

 

Die Schubhaft ist nach dem § 76 Abs. 3 FPG grundsätzlich mit Mandatsbescheid gemäß § 57 AVG anzuordnen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zur Erlassung des Bescheides aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft.

 

Gemäß § 77 Abs. 1 FPG kann die Behörde von der Anordnung der Schubhaft Abstand nehmen, wenn sie Grund zur Annahme hat, dass deren Zweck durch die Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden kann. Gegen Minderjährige hat die Behörde gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn, sie hätte Grund zur Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann.

 

 

 

3.3. Zunächst ist festzustellen, dass die belangte Behörde zutreffend davon ausgeht, im konkreten Fall sei die Erlassung eines Mandatsbescheides nach § 57 AVG nicht zulässig, da sich der Bf nicht bloß kurzfristig bei Erlassung des Schubhaftbescheides aus einem anderen Grund in Haft befand, wie in § 76 Abs.3 FPG normiert wird. Allerdings führte die belangte Behörde offensichtlich kein adäquates Ermittlungsverfahren durch, was allein schon daraus ersichtlich wird, dass sie ohne jegliche Begründung im bekämpften Bescheid davon ausgeht, dass der Bf – entgegen der reellen Gegebenheiten – über keinerlei private Bindungen und Anknüpfungspunkte im österreichischen Bundesgebiet verfüge. Der bekämpfte Schubhaftbescheid ist alleine aufgrund dieses Mangels mit Rechtswidrigkeit behaftet. In weiterer Folge konnte die belangte Behörde weder eine entsprechende Verhältnis­mäßigkeits­prüfung, noch eine entsprechende Abwägung des in Art.8 Abs.1 EMRK normierten Grundrechts auf Privat- und Familienleben, wobei hier auch die Interessen der potentiellen Familienangehörigen zu berücksichtigen sind, mit den in Art.8 Abs.2 normierten öffentlichen Interessen anstellen. Daraus ergibt sich aber ein durchaus relevanter Begründungsmangel. Überdies ist die belangte Behörde eine konkrete Begründung, inwieweit das Ziel der Schubhaft, die Abschiebung des Bf in sein Heimatland erreicht werden kann, schuldig geblieben.

 

3.4. Wie bisher ist das zur Entscheidung zuständige Mitglied des Oö. Verwaltungssenates der Auffassung, dass entsprechend der höchstgerichtlichen Judikatur vor der Anordnung der Schubhaft gemäß § 76 Abs. 1 FPG auf § 77 Abs. 5 FPG Bedacht zu nehmen ist und Schubhaft nur bei konkretem Sicherungsbedarf nach einer entsprechenden Einzelfallprüfung angeordnet werden darf. Darüber hinaus ist auch die Verhältnismäßigkeit dieser Maßnahme zu erörtern. Eine derartige konkrete Einzelfallprüfung wurde von der belangten Behörde nur unzureichend vorgenommen. Dabei wird vom erkennenden Mitglied des Oö. Verwaltungssenates keinesfalls die erhebliche Bedeutung von Vergehen gegen das Suchtmittelgesetz oder die Notwendigkeit der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit und die Einhaltung fremdenpolizeilicher Normen außer Acht zu lassen. Im Sinne des Rechtsschutzinteresses muss jedoch gewährleistet sein, dass ein entsprechendes Ermittlungsverfahren vor Erlassung freiheitsbeschränkender Maßnahmen sowie eine ausreichende Begründung angestellt werden.

 

3.5. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

 

4. Der der Bf nicht Kostenersatz im Sinne des § 79a AVG iVm § 67c AVG geltend machte, war ihm keinerlei Ersatz seiner Aufwendungen zuzusprechen.

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweise:

 

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

2. Im gegenständlichen Verfahren sind Eingabe- und Beilagegebühren in Höhe von 13,20 Euro angefallen. Ein entsprechender Zahlschein liegt bei.

 

 

Bernhard Pree

 

Rechtssatz:

VwSen-400962/2/BP/Se vom 14. august 2008

§ 76 Abs.1 FPG

§ 76 Abs.3 FPG

Zunächst ist festzustellen, dass die belangte Behörde zutreffend davon ausgeht, im konkreten Fall sei die Erlassung eines Mandatsbescheides nach § 57 AVG nicht zulässig, da sich der Bf nicht bloß kurzfristig bei Erlassung des Schubhaftbescheides aus einem anderen Grund in Haft befand, wie in § 76 Abs.3 FPG normiert wird. Allerdings führte die belangte Behörde offensichtlich kein adäquates Ermittlungsverfahren durch, was allein schon daraus ersichtlich wird, dass sie ohne jegliche Begründung im bekämpften Bescheid davon ausgeht, dass der Bf – entgegen der reellen Gegebenheiten – über keinerlei private Bindungen und Anknüpfungspunkte im österreichischen Bundesgebiet verfüge.

 

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