Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-400964/2/Gf/Mu

Linz, 05.09.2008

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Grof über die Beschwerde des V B (Staatsangehörigkeit: U), derzeit Polizeianhaltezentrum Linz, vertreten durch N B, gegen seine Anhaltung in Schubhaft seit dem 19. August 2008 durch den Bezirkshauptmann von Vöcklabruck zu Recht erkannt:

Die Anhaltung des Beschwerdeführers wird als rechtswidrig festgestellt.

Rechtsgrundlage:

§ 83 FPG; § 67c Abs. 3 AVG; § 79a AVG; § 1 UVS-AufwandsersatzVO.

Entscheidungsgründe:

1.1. Der Beschwerdeführer, ein u Staatsangehöriger, ist im August 2008 neuerlich unter Umgehung der Grenzkontrolle ins Bundesgebiet eingereist und hat hier zum dritten Mal (nach 2002 und 2003) einen Asylantrag gestellt, nachdem er zuvor auch schon in verschiedenen anderen EU-Staaten (Luxemburg, Frankreich) einen entsprechenden Antrag auf internationalen Schutz gestellt hatte.

1.2. Mit Wirkung vom 13. August 2008 wurde ihm, seiner mitgereisten Ehefrau und seinem minderjährigen Sohn für die weitere Dauer des Asylverfahrens eine Unterkunft in der Erstaufnahmestelle West zugewiesen.

1.3. Am 19. August 2008 wurde ihm gemäß § 29 Abs. 3 des Asylgesetzes, BGBl.Nr. I 100/2005 (im Folgenden: AsylG), mitgeteilt, dass beabsichtigt ist, seinen Asylantrag zurückzuweisen, wobei diese Mitteilung ex lege als Einleitung eines Ausweisungsverfahrens galt.

1.4. Mit Bescheid des Bezirkshauptmannes von Vöcklabruck vom selben Tag, Zl. Sich40-2411-2008, wurde über den Beschwerdeführer die Schubhaft verhängt und durch Überstellung in das Polizeianhaltezentrum Linz sofort vollzogen.

Begründend wurde dazu im Wesentlichen ausgeführt, dass der Rechtsmittelwerber völlig mittellos sei und keinerlei soziale Bindungen zu Österreich aufweise. Außerdem würden die mehrfachen illegalen Grenzübertritte in der Vergangenheit zum einen seine offenkundig völlig gleichgültige Einstellung gegenüber den fremdenrechtlichen Ordnungsvorschriften der EU-Staaten, zum anderen aber auch ein erhöhtes aktuelles Sicherungsbedürfnis – nämlich nach seiner tatsächlichen Verfügbarkeit im Zeitpunkt der behördlich durchzuführenden Abschiebung – belegen; Gleiches gilt für den Umstand, dass er im Falle seiner tatsächlichen Abschiebung die nicht unerheblichen Reisekosten nutzlos aufgewändet hätte, weshalb anzunehmen sei, dass er sich der zwangsweisen Außerlandesschaffung auch aus diesem Grund zu entziehen versuchen werde. Hingegen sei hinsichtlich seiner Gattin und seines minderjährigen Sohnes mit gelinderen Mitteln das Auslangen zu finden gewesen.

1.5. Dagegen richtet sich die am 4. September 2009 bei der belangten Behörde eingebrachte, auf § 82 des Fremdenpolizeigesetzes, BGBl.Nr. I 100/2005, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 4/2008 (im Folgenden: FPG), gestützte Beschwerde.

Darin bringt der Rechtsmittelwerber vor, dass es zwar zutreffe, dass er in Österreich bereits drei Asylanträge gestellt habe. Er habe hier jedoch keine Handlungen gesetzt, die die Annahme einer Fluchtgefahr zu begründen vermögen. Vielmehr sei offenkundig, dass er mit seiner Familie zusammenbleiben möchte. Da sowohl er als auch sein minderjähriger Sohn gesundheitlich angeschlagen seien, würden beide sehr unter dieser faktischen Trennung leiden.

Daher wird – erschließbar – die Feststellung der Schubhaftverhängung beantragt.

1.6. Die belangte Behörde hat dem Oö. Verwaltungssenat den Bezug habenden Verwaltungsakt vorgelegt und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Ergänzend wird in diesem Zusammenhang nochmals darauf hingewiesen, dass der Rechtsmittelwerber offensichtlich bewusst in der Absicht nach Österreich eingereist sei, um hier dauerhaft einen illegalen Aufenthalt zu begründen.

2. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Akt der BH Vöcklabruck zu Zl. Sich40-2411-2008; da sich bereits aus diesem der entscheidungswesentliche Sachverhalt klären ließ und die Verfahrensparteien zudem einen entsprechenden Antrag nicht gestellt haben, konnte im Übrigen gemäß § 83 Abs. 2 Z. 1 des Fremdenpolizeigesetzes, BGBl.Nr. I 157/205, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. I 4/2008 (im Folgenden: FPG), von der Durchführung einer öffentlichen Verhandlung abgesehen werden.

3. In der Sache selbst hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

3.1. Nach § 82 Abs. 1 FPG hat ein Fremder, gegen den die Schubhaft ange­ordnet wurde, das Recht, den Unabhängigen Verwaltungssenat u.a. mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit seiner Anhaltung in Schubhaft anzurufen.

Gemäß § 76 Abs. 2 Z. 2 und 3 FPG können auch Asylwerber u.a. zu dem Zweck festgenommen und in Schubhaft angehalten werden, wenn gegen diese nach den Bestimmungen des AsylG bereits ein Ausweisungsverfahren eingeleitet wurde – wobei nach § 29 Abs. 3 Z. 4 und 5 AsylG ein Ausweisungsverfahren ex lege als eingeleitet gilt, wenn dem Asylwerber (formlos) mitgeteilt wurde, dass beabsichtigt ist, seinen Asylantrag entweder  zurück- oder abzuweisen – oder gegen ihn eine durchsetzbare Ausweisung verhängt worden ist.

Nach § 77 Abs. 1 FPG hat die Behörde jedoch von der Anordnung der Schubhaft Abstand zu nehmen, wenn sie Grund zu der Annahme hat, dass deren Zweck durch die Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden kann. Als in diesem Sinne gelinderes Mittel kommt gemäß § 77 Abs. 3 FPG insbesondere die Anordnung in Betracht, in von der Behörde bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen oder sich in perio­dischen Abständen bei einem bestimmten dem Fremden zuvor bekannt gegebenen Polizei­kommando zu melden.

3.2. Im gegenständlichen Fall wird auch vom Beschwerdeführer grundsätzlich nicht in Abrede gestellt, dass die Voraussetzungen für eine Zurückweisung seines Asylantrages vorliegen. Nach der Fiktion des § 29 Abs. 3 AsylG gilt damit ein Ausweisungsverfahren als eingeleitet, sodass auch eine Inschubhaftnahme grundsätzlich zulässig wäre; dies jedoch im Ergebnis nur dann, wenn der mit der Schubhaftverhängung verfolgte Zweck nicht in gleicher Weise auch durch die Anordnung gelinderer Mittel erreicht werden kann.

Als ein in diesem Sinne gelinderes Mittel kommt gemäß § 77 Abs. 3 FPG insbesondere die Verpflichtung des Fremden zur periodischen Meldung bei einem ihm bekannt gegebenen Polizeikommando in Betracht.

3.3. Unter dem Aspekt, dass sich der Rechtsmittelwerber im gegenständlichen Fall nicht allein, sondern in Begleitung seiner Gattin und seines Kindes in Österreich aufhält; dass der gesamten Familie – worauf ihr ein Rechtsanspruch zukommt (vgl. jüngst wieder VfGH v. 11. Juni 2008, B 2024/07) – eine betreute Unterkunft zur Verfügung gestellt wurde; dass er seit seiner Einreise am 13. August 2008 bis zu seiner Inschubhaftnahme am 19. August 2008 keinerlei Aktivitäten in die Richtung, seinen Aufenthaltsort zu verschleiern, gesetzt hat; und dass er schließlich anlässlich des Vollzuges des Schubhaftbescheides problemlos an seinem der Behörde bekannten Aufenthaltsort – nämlich in der betreuten Unterkunft – angetroffen werden konnte, ist aber insgesamt zu konstatieren, dass die Prognose der Behörde, dass sich der Beschwerdeführer seiner zwangsweisen Abschiebung durch ein Untertauchen in die Anonymität zu entziehen oder zumindest versuchen wird, diese zu erschweren, nicht überzeugend ist.

Denn es trifft zwar zu, dass der Rechtsmittelwerber in der Vergangenheit oft ausgedehnte Reisebewegungen unternommen hat; allerdings konnte – weil sich darauf bezügliche Ermittlungsergebnisse dem Akt nicht entnehmen lassen – nicht erwiesen werden, dass er in diesem Zusammenhang gelegentlich oder zumindest einmal auch eine Trennung von seiner Familie in Kauf genommen hat. Gleiches gilt auch für das Argument, dass seine Aufwändungen für die Reise nach Österreich im Falle einer zwangsweisen Abschiebung nutzlos bleiben würden, weil sich – abgesehen davon, dass Derartiges auch dann resultiert, wenn die Abschiebung ohne eine vorangehende Inschubhaftnahme erfolgt – auch für eine solche Gesinnung keine Anhaltspunkte aus dem Akt ergeben.

3.4. Im Ergebnis hätte daher die belangte Behörde unter den gegebenen Umständen vielmehr das gelindere Mittel der Verpflichtung des Beschwerdeführers zur periodischen Meldung bei einem Polizeikommando anzuordnen gehabt und die Schubhaft erst dann verhängen dürfen, wenn der Rechtsmittelwerber dieser Verpflichtung zuwidergehandelt hätte.

3.5. Aus diesen Gründen erweist sich sohin die Schubhaftverhängung als rechtswidrig; dies hatte der Oö. Verwaltungssenat gemäß § 83 FPG i.V.m. § 67c Abs. 3 AVG festzustellen.

4. Eine Kostenentscheidung war ungeachtet des Umstandes, dass der Rechtsmittelwerber bei diesem Verfahrensergebnis als obsiegende Partei anzusehen ist, mangels eines darauf gerichteten Antrages nicht zu treffen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

1.             Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

2.             Für das gegenständliche Verfahren sind Gebühren in einer Höhe von 13,20 Euro entstanden; ein entsprechender Zahlschein liegt bei.

Dr.  G r o f

 

 

Rechtssatz:

 

VwSen-400964/Gf/Mu/Ga vom 4. September 2008

§ 77 FPG

Wenn sich der Fremde in Begleitung seiner Gattin und seines Kindes in Österreich aufhält, der gesamten Familie eine betreute Unterkunft zur Verfügung gestellt wurde, er seit seiner Einreise bis zu seiner Inschubhaftnahme keinerlei Aktivitäten in die Richtung, seinen Aufenthaltsort zu verschleiern, gesetzt hat und er anlässlich des Vollzuges des Schubhaftbescheides problemlos an seinem der Behörde bekannten Aufenthaltsort – nämlich in der betreuten Unterkunft – angetroffen werden konnte, kann daraus nicht ohne weiteres auf ein Untertauchen in die Anonymität geschlossen werden. Dies auch dann nicht, wenn der Rechtsmittelwerber in der Vergangenheit oft ausgedehnte Reisebewegungen unternommen hat, aber nicht zugleich auch erwiesen werden konnte, dass er in diesem Zusammenhang auch eine Trennung von seiner Familie in Kauf genommen hat, oder seine Aufwändungen für die Reise nach Österreich im Falle einer zwangsweisen Abschiebung nutzlos bleiben würden, aber sich – abgesehen davon, dass Derartiges auch dann resultiert, wenn die Abschiebung ohne vorangehende Inschubhaftnahme erfolgt – auch für eine solche Gesinnung keine Anhaltspunkte aus dem Akt ergeben.

 

 

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