VwSen-541148/2/BMa/Mu/Se

Linz, 29.08.2008

 

 

 

 

B E S C H L U S S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Gerda Bergmayr-Mann über die Berufung der Firma M F J, P, vertreten durch Dr. J H und Dr. T H, Rechtsanwälte, W, gegen die Bescheide des Landes­hauptmannes von Oberösterreich jeweils vom 19. Juni 2008, 1.) GZ 220006/1,  2.) GZ 220006/2 und 3.) GZ 220006/3 wegen der Vorschreibung von Gebühren für die Schlachttier- und Fleischuntersuchung, beschlossen:

Der Berufung wird stattgegeben und die angefochtenen Bescheide

aufgehoben.

Rechtsgrundlagen:

§ 212 Oö. Landesabgabenordnung 1996 – Oö. LAO 1996.

Entscheidungsgründe:

1.1. Mit Bescheiden des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom jeweils vom 19. Juni 2008, 1.) GZ 220006/1,  2.) GZ 220006/2 und 3.) GZ 220006/3 , wurden der Beschwerdeführerin für die Durchführung von Schlachttier- und Fleischuntersuchungen sowie von Hygienekontrollen im Zeitraum vom zu 1.) 2. Jänner 2008 bis zum 31. Jänner 2008, zu 2.) 1. Februar 2008 bis 29. Februar 2008 und zu 3.) 3. März 2008 bis 31. März 2008, Gebühren in Höhe von insgesamt zu 1.) 11.928,25 Euro, zu 2.) 12.594,15 Euro und zu 3.) 11.577,15 Euro (Zeitgebühr, Zuschläge für Untersuchungen zu besonderen Zeiten, Verwaltungsaufwand, Zuschläge nach Stück, Zuschlag für Trichinenuntersuchung und Zuschläge für Entnahme, Versand und Untersuchung von Proben) gemäß dem Oö. Fleischuntersuchungsgebührengesetz, LGBl. Nr. 6/2008 (im Folgenden: OöFlUGG), iVm den §§ 61 und 64 des Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetzes, BGBl.Nr. I 13/2006, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. I 112/2007 (im Folgenden: LMSVG), und iVm der LMSVG-Kontroll­gebührenverordnung, BGBl.Nr. II 361/2007 (im Folgenden: LMSVG-KoGeV), vorgeschrieben.

Begründend wurde dazu ausgeführt, dass die Gebühren gemäß der LMSVG-KoGeV verrechnet worden seien.

1.2. Gegen diese Bescheide richtet sich die vorliegende, am 4. Juli 2008 – und damit rechtzeitig (vgl. § 190 Abs. 1 OöLAO) – zur Post gegebene Berufung.

Darin bringt die Rechtsmittelwerberin zunächst vor, dass die Bescheide nicht von der Oö. Landesregierung, sondern vom Landeshauptmann als Organ der mittelbaren Bundesverwaltung – und damit von einer unzuständigen Behörde – erlassen worden seien. Außerdem komme für das Verfahren die OöLAO zur Anwendung, weshalb die Berufungsfrist ein Monat betrage und diese bei der Abgabenbehörde, die die Bescheide erlassen hat, einzubringen sei. Darüber hinaus seien in den Bescheiden die Gebührentatbestände gemäß § 3 Abs. 2 OöFlUGG nicht konkretisiert; insbesondere fehle eine detaillierte Aufschlüsselung. Zudem wird darauf hingewiesen, dass aus den Bescheiden keine Rechtsgrundlage für die Gebührenbemessung hervorgehe, sodass diese für die Rechtsmittelwerberin nicht überprüfbar sei.

Daher wird die Aufhebung der angefochtenen Bescheide bzw. deren Abänderung dahin, dass bloß die Mindestgebühren nach dem Gemeinschaftsrecht, in eventu bei Schweinen die Gebühr entsprechend der ständigen Rechtsprechung des Oö. Verwaltungssenats und bei Rindern nach der OöFlUGV festgesetzt wird, beantragt; zudem wurde ein Antrag auf Aussetzung der Einhebung gestellt.

2.1. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Akt des Amtes der Oö. Landesregierung, aus dem sich der entscheidungswesent­liche Sachverhalt bereits umfassend klären ließ.

2.2. Von der Durchführung einer öffentlichen Verhandlung konnte aber gemäß § 69a Abs. 2 Z. 1 OöLAO auch deshalb abgesehen werden, weil schon die Akten erkennen lassen, dass die angefochtenen Bescheide aufzuheben sind.

3. Über die vorliegende Berufung hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

3.1.1. Nach § 64 Abs. 1 LMSVG hat der Unternehmer für die Schlachttier- und Fleischuntersuchung der in der Verordnung Nr. 854/2004 der EG genannten Tierarten und für die amtlichen Hygienekontrollen in Schlacht-, Zerlegungs- und Wildbearbeitungsbetrieben gemäß Abschnitt 4 des 2. Hauptstückes des LMSVG Gebühren zu entrichten.

3.1.2. Nach § 64 Abs. 2 LMSVG sind solche Gebühren Landes- bzw. Gemeindeabgaben.

3.1.3. Gemäß der Grundsatzbestimmung des § 64 Abs. 3 LMSVG ist die Höhe der Gebühren prinzipiell – soweit diese nicht ausnahmsweise nach § 64 Abs. 4 von der Bundesministerin für Gesundheit und Frauen festzulegen ist – unter Bedachtnahme auf die Art der Tiere und die Rechtsakte der Europäischen Gemeinschaft unter Beachtung des Kapitels VI und der Anhänge IV und VI der Verordnung Nr. 882/2004 der EG festzusetzen. Aus dem Umstand, dass es sich hiebei um eine Grundsatzbestimmung iSd Art. 12 B‑VG (iVm § 7 Abs. 3 F‑VG) handelt, folgt, dass der Bund nur die Grundsätze der Regelung festlegt und die Ausführungen dieser Grundsätze auf gesetzlicher Ebene sowie die gesamte Voll­ziehung (in genereller [Verordnungen u.ä.] und individueller Form [Bescheide u.ä.]) dem Land zukommt. Demzufolge konnte daher der Bundesgesetzgeber in § 64 Abs. 3 LMSVG die Zuständigkeit (und das Verfahren) der Behörde nicht selbst festlegen; konsequenterweise ergibt sich diese aus dem OöFlUGG (vgl. § 4 OöFlUGG).

3.1.4. Von dieser Regel abweichend wird gemäß der lex specialis des § 64 Abs. 4 LMSVG – nur – die Höhe der Gebühren u.a. dann von der Bundesministerin für Gesundheit und Frauen festgelegt, wenn Betriebe jährlich mehr als 1.000 Großvieheinheiten Säugetiere schlachten oder Zerlegungsbetriebe jährlich mehr als 250 Tonnen Fleisch zerlegen.

3.1.5. Daraus ergibt sich insgesamt, dass die Vollziehung der Gebührenfest­legung und –einhebung keine Akte der mittelbaren Bundesverwaltung, sondern solche der (unmittelbaren) Landesverwaltung darstellen.

Nach § 4 Abs. 1 OöFIUGG ist daher als Abgabenbehörde in erster Instanz die Oö. Landesregierung und in zweiter Instanz der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich eingerichtet (wobei Letzterer durch Einzelmitglied zu entscheiden hat) und für das hiebei anzuwendende Verfahren jeweils die OöLAO festgelegt.

Dies deckt sich auch mit der subsidiären Regelung des § 48 Abs. 1 Z. 1 OöLAO, wonach als sachlich zuständige Behörden in den Angelegenheiten der Landesabgaben generell in erster Instanz die Oö. Landesregierung und in zweiter Instanz der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vorgesehen sind.

3.1.6. Aus allen diesen Bestimmungen geht somit zweifelsfrei hervor, dass das Hilfsorgan "Amt der Oö. Landesregierung" in Angelegenheiten der Fleischuntersuchungsgebührenkontrolle für die Oö. Landesregierung tätig zu werden hat.

3.2. Im gegenständlichen Fall wurden die angefochtenen Bescheide – wie sich aus deren Spruch und der Fertigungsklausel ergibt – allerdings nicht von der Oö. Landesregierung, sondern vom "Landeshauptmann als Organ der mittelbaren Bundesverwaltung in erster Instanz" erlassen.

Damit stammen die angefochtenen Bescheide von einer unzuständigen Behörde.

3.3. Ungeachtet des allfälligen Zutreffens der sonstigen Einwände der Berufungs­werberin waren daher die angefochtenen Bescheide schon aus diesem Grund gemäß § 212 OöLAO aufzuheben.

4. Zur Entscheidung über den Antrag auf Aussetzung der Einhebung der festgesetzten Gebührenbeträge ist nicht der Oö. Verwaltungssenat, sondern auch die Oö. Landesregierung als Abgabenbehörde erster Instanz zuständig.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

1.   Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

2.   Im Verfahren sind Gebühren in Höhe von 13,20 Euro angefallen.

 

Mag. Bergmayr-Mann

Rechtssatz:

VwSen-541148/2/BMa/Mu/Se vom 29. August 2008:

im Ergebnis wie VwSen-541152/Gf/Mu/Ga vom 5. August 2008