Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-163214/4/Bi/Se

Linz, 04.09.2008

 

 

                                              

E R K E N N T N I S

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Karin Bissenberger über die Berufung des Herrn E P, F, vertreten durch RAe Dr. M L und Mag. M R, F, vom 28. April 2008 gegen das Straferkenntnis des Bezirkshaupt­mannes von Freistadt vom 1. April 2008, VerkR96-2163-2006, wegen Übertretung der StVO 1960, zu Recht erkannt:

 

    Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren ohne Vorschreibung von Verfahrenskostenbeiträgen eingestellt. 

 

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 Abs.1, 45 Abs.1 Z1 1.Alt. und 66 VStG

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis wurde über den Beschuldigten wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß §§ 4 Abs.5 iVm 99 Abs.3 lit.b StVO 1960 eine Geldstrafe von 110 Euro (23 Stunden EFS) verhängt, weil er am 6. Mai 2006, 17.15 Uhr, im Stadtgebiet Linz, Untere Donaulände nächst dem Haus Nr   , Fahrzeug    , mit einem Verkehrsunfall mit Sachschaden in ursäch­lichem Zusammenhang gestanden sei und weder ohne unnötigen Aufschub die nächste Polizeidienststelle verständigt noch den anderen Beteiligten bzw dem Geschädigten seinen Namen und seine Anschrift nachgewiesen habe.

Gleichzeitig wurde ihm ein Verfahrenskostenbeitrag von 11 Euro auferlegt.

 

2. Dagegen hat der Berufungswerber (Bw) fristgerecht Berufung eingebracht, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem Unabhängigen Ver­wal­tungs­senat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde. Da keine 2.000 Euro über­steigende Geldstrafe verhängt wurde, war durch das nach der Geschäftsver­teilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden (§ 51c VStG). Die Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung erübrigte sich (§ 51e Abs.2 Z1 VStG). 

 

3. Der Bw macht im Wesentlichen geltend, die Richtigkeit des SV-Gutachtens von Ing. Josef Lehner vom 5. Dezember 2007 werde ausdrücklich bestritten. Es lasse eine genaue Höhenangabe, wonach eindeutig belegt werden könne, dass der Schaden von seinem Fahrzeug stammen könne, vermissen. Der SV spreche nur von "möglichen Anstoßstellen", die miteinander korrespondieren könnten. Er habe aber beträchtliche Vorschäden an seinem Fahrzeug und eine konkrete Stellprobe beider Fahrzeuge sei nie gemacht worden. Aus den Lichtbildern ergebe sich, dass der Höhenvergleich hinke; die Behörde habe sei gar keine Mühe gemacht, seinen Einwänden nachzugehen. Der SV habe Höhenangaben gemacht, die um 5 cm differieren. Beantragt wird ein neuerliches kfztechnisches SV-Gutachten samt Stellprobe.

In rechtlicher Hinsicht fehle ihm jegliches Wissen vom Eintritt eines Schadens – sogar die Unfallgegnerin habe die Unfallstelle verlassen, obwohl sie angeblich einen Kontakt wahrgenommen habe – eine ev. Erkennbarkeit einer Kontak­tierung ergebe sich aus dem SV-Gutachten nicht.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz sowie Einholung eines neuerlichen SV-Gutachtens.

Aus dem Verfahrensakt der Erstinstanz geht hervor, dass S K bei der PI Traun am 6. Mai 2006 um 18.20 Uhr Anzeige gegen den Lenker des Pkw FR- erstattet hat. Sie habe den Pkw    , einen schwarzen VW Golf, am 6. Mai 2006 zwischen 17.00 Uhr und 17.15 Uhr in Linz auf der Unteren Donau­lände in Richtung Nibelungenbrücke gelenkt, als auf Höhe der Oberbank­zentrale der Lenker des weißen Renault verkehrt in eine Parklücke einzuparken versucht habe. Sie habe stehenbleiben und zurücksetzen müssen und der Lenker habe beim Einparken ihr Fahrzeug gestreift. Da sie den nachkommenden Verkehr nicht behindern wollte, sei sie ein Stück weitergefahren, habe aber dann ange­halten und beim Nachschauen einen Schaden insofern entdeckt, als die Stoß­stange ihres Pkw rechts vorne abgeschürft gewesen sei. Als sie zur Unfallstelle zurück­gefahren sei, sei der Pkw nicht mehr da gewesen. Laut Anzeige des Meldungs­legers BI F sei die Stoßstange bei der Besichtigung in einer Höhe von 50 cm abgeschürft bzw zerkratzt gewesen mit einem weißen Farbabrieb.

Der Bw habe sich damit verantwortet, er habe auf der Unteren Donaulände rück­wärts eingeparkt und eine Streifung eines anderen Fahrzeuges nicht bemerkt. Laut Ml habe der Pkw des Bw an der Stoßstange links vorne in einer Höhe von 55 cm Kratz- und Schürfspuren aufgewiesen. Die Schäden an beiden Fahrzeugen wurden fotografiert. Die gegen den Bw ergangene Strafverfügung der Erstinstanz vom 28. Juli 2007 wurde fristgerecht beeinsprucht. Ing J L hat in seinem Gutachten vom 5. Dezember 2007 ausgeführt, die Gegenüberstellung typen­gleicher Fahrzeuge habe ergeben, dass die möglichen Anstoßstellen mitein­ander korrespondierten und der Bw die Streifung zumindest visuell aufgrund der engen Verkehrssituation bemerken hätte müssen.

Aufgrund des Berufungsvorbringens wurde ein neuerlichen kfztechnisches SV-Gutachten eingeholt.

 

Dipl.-HTL-Ing. R H führt in seinem Gutachten von 1. September 2008, Verk-210002/38-2008-Hag, aus:

"Aufgrund der vorliegenden Schadensfotos des VW Golf beträgt der Abstand der Streifspur am rechten vorderen Stoßstangeneck in Bezug auf die Fahrbahn 48-52 cm. Diese Streifspur zeigt horizontal verlaufende Abriebspuren, die sich flächig ab­bilden.  

Beim Renault ist im Bereich des linken vorderen Stoßstangenecks eine Abrieb­spur erkennbar. In Bezug auf die Fahrbahn liegt diese Spur lt. Aktenunterlagen ca 55 cm über der Fahrbahn. Diese Spur besteht aus zwei parallel verlaufenden, von einander getrennt liegenden Streifspuren. Die Recherchen an einem typen­gleichen Fahrzeug haben ergeben, dass der Schadensbereich in Bezug auf die Fahr­bahn mit hoher Wahrscheinlichkeit zwischen 55-58 cm liegt. Für dieses Fahrzeug liegen keine Fotos mit Maßstab vor, sodass die Einschätzung augen­scheinlich unter Zugrundelegung des beiliegenden Fotos durchzuführen war.

Über eine maßstäbliche CAD-Zeichnung des Renault wurde der Schadensbereich zusätzlich eingegrenzt.

Aufgrund der unterschiedlichen Höhen der Streifspuren sowie aufgrund des am vorliegenden Foto des Renault erkennbaren Spurenbildes ist eine Korrespondenz der Schäden statisch nicht gegeben.

Fahrdynamische Einflüsse beim Einparken (kurzes Einnicken des Fahrzeuges durch eine Abbremsung – Ruck) sowie Unebenheiten oder Beladung können theore­tisch zu einer ausreichenden Korrespondenz der Schäden führen. Derartige Einflüsse sind laut Aktenunterlagen nicht sicher nachweisbar.

Ob das Schadensbild des Renault durch einen möglichen Vorschaden verzerrt wird, kann weder ausgeschlossen noch bestätigt werden.

Im Hinblick auf die erforderliche Genauigkeit der Übereinstimmung der Schäden ist unter Zugrundelegung der vorliegenden Unterlagen festzustellen, dass eine ausreichende Eingrenzung der höhenmäßigen Korrespondenz der Schäden nicht nachweisbar erscheint."

 

In rechtlicher Hinsicht hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

Gemäß § 4 Abs.5 StVO haben, wenn bei einem Verkehrsunfall nur Sachschaden entstanden ist, die im Abs.1 genannten Personen – das sind alle Personen, deren Verhalten am Unfalls­ort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammen­hang steht – die nächste Polizeidienststelle vom Verkehrsunfall ohne unnötigen Aufschub zu verständigen. Eine solche Verständigung darf jedoch unterbleiben, wenn die im Abs.1 genannten Personen oder jene, in deren Vermögen der Schaden eingetreten ist, einander ihren Namen und ihre Anschrift nachgewiesen haben.

Voraussetzung für die Anhalte- und Meldepflicht der lit.a und des Abs.5 ist als objektives Tatbestandsmerkmal der Eintritt eines Sachschadens und in objektiver Hinsicht das Wissen vom Eintritt eines derartigen Schadens, wobei der Tatbe­stand schon dann gegeben ist, wenn dem Täter objektive Umstände zu Bewusst­sein gekommen sind oder bei gehöriger Aufmerksamkeit zu Bewusstsein hätten kommen müssen, aus denen er die Möglichkeit eines Verkehrsunfalls mit Sach­schaden zu erkennen vermocht hätte (vgl ua VwGH 23.5.2002, 2001/03/0417).

 

Im ggst Fall ergeben sich somit wesentliche Unklarheiten in Bezug auf die Korres­pon­denz der Schäden, wobei für weiterführende Reflexionen zum nun­mehrigen SV-Gutachten nicht einmal der genaue Unfallsort (zB zur Prüfung ev. Bodenunebenheiten) ausreichend feststeht – "auf Höhe der Oberbankzentrale" ist ein Bereich zwischen Einmündung der Kaisergasse in die Untere Donaulände fast bis zur Zufahrt zum Lentos. Abgesehen davon, dass die Fortsetzung der Fahrt durch die Anzeigerin, wenn sie tatsächlich eine Kollision bemerkt hat, unlogisch ist, weil durch ihr möglicherweise vom Bw sogar erzwungenes Anhalten auf der Unteren Donaulände, um diesem ein Rückwärtseinparken zu ermög­lichen, ohne­hin schon den Verkehr behindert war, geht aus dem Verfahrensakt nicht hervor, dass sie den Bw, wenn dessen Aufmerksamkeit beim Rückwärtseinparken auf den Bereich hinter seinem Fahrzeug gerichtet war, auf eine ev. Berührung mit ihrem Fahrzeug hingewiesen hätte. Da jedoch laut SV-Gutachten die höhen­mäßige Korrespondenz der Schäden statisch nicht gegeben ist und die Nachweis­bar­keit fahrdynamischer Einflüsse wahrscheinlich nur im Fall einer sofortigen polizeilichen Unfallaufnahme – zu der es nach der Sachlage nicht mehr kommen hätte können, weil die Anzeigerin sich entfernt hat und bei ihrem Wieder­erscheinen am Unfallort auch der Pkw des Bw nicht mehr da war – überhaupt zu klären gewesen wäre, war in rechtlicher Hinsicht schon wegen Nichterweisbarkeit der Korrespondenz angeblich bei einer Berührung entstandener Schäden spruchgemäß zu entscheiden. Auch Verfahrenskostenbeiträge fallen auf dieser Grundlage nicht an.

Am Rande zu bemerken ist, dass auch der Alternativvorwurf im Spruch des Straferkenntnisses nicht greift, weil keine Verpflichtung zum Identitätsnach­weis besteht, sondern nur eine solche zur raschen Unfallmeldung für den Fall, dass kein Identitätsnachweis erfolgte.     

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungs­ge­richtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

Mag. Bissenberger

 

 

Beschlagwortung:

Korrespondenz der Schänden an den "Unfallfahrzeugen" nicht erweisbar -> Einstellung

 

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