Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-200272/63/BMa/Eg/Ga

Linz, 12.09.2008

 

Mitglied, Berichter/in, Bearbeiter/in:                                                                                                                               Zimmer, Rückfragen:

Mag. Gerda Bergmayr-Mann                                                                              3A02, Tel. Kl. 15585

 

 

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Gerda Bergmayr-Mann über die Berufung des Mag. K F, H, vertreten durch die Rechtsanwälte Dr. H H, Mag. W B, Dr. G L, M, gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmanns von Eferding vom 4. Juli 2007, Zl. Agrar96-16-2006-Wg/Am, betreffend Übertretung des Pflanzenschutzmittelgesetzes 1997 zu Recht erkannt:

 

 

 

I.            Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

 

II.        Die Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens entfällt.

 

 

 

Rechtsgrundlagen:

zu I .: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz  1991 (im Folgenden: AVG), BGBl. Nr. 51/1991, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 5/2008, iVm §§ 24, 51c und 51e Verwaltungsstrafgesetz 1991 (im Folgenden: VStG), BGBl. Nr. 52/1991, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 5/2008

 

zu II.: § 66 Abs.1 VStG

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1.1. Mit dem in der Präambel angeführten Straferkenntnis hat die belangte Behörde den Berufungswerber (Bw) wie folgt schuldig erkannt und bestraft:

 

"Sehr geehrter Herr Mag. F!

 

Wie Kontrollorgane des Bundesamtes für Ernährungssicherheit bei einer am 1. Juni 2006 um 16.16 Uhr durchgeführten Kontrolle feststellten, haben Sie als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit nach außen zur Vertretung befugtes Organ der F A GmbH mit Sitz in H, gemäß § 9 Abs.1 VStG folgende Verwaltungs­über­tretungen zu verantworten:

 

Die F A GmbH hat in ihrem Betrieb an der Adresse F, zum Kontrollzeitpunkt entgegen § 3 Abs.1 Pflanzenschutzmittelgesetz 1997 folgende Pflanzenschutzmittel, welche nicht nach dem Pflanzenschutzmittelgesetz 1997 zugelassen sind, zum Verkauf vorrätig gehalten und damit in Verkehr gebracht im Sinne des § 2 Abs.10 Pflanzenschutzmittelgesetz:

 

11 x 5 Liter des Präparates Fluroxypyr 180 EC unter Angabe der deutschen Zulassungsnummer 3721-00. Diese Zulassungsnummer ist dem deutschen Pflanzenschutzmittel Starane 180 zugeordnet. Das Pflanzenschutzmittel Fluroxypyr 180 EC ist weder in Deutschland noch in Österreich zugelassen.

 

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:

§ 3 Abs.1 in Verbindung mit § 34 Abs.1 Z1 lit.a Pflanzenschutzmittelgesetz 1997, BGBl. I Nr. 60/1997 idgF iVm § 9 Abs.1 Verwaltungsstrafgesetz – VStG

 

Wegen dieser Verwaltungsübertretung wird über Sie folgende Strafe verhängt:

 

Geldstrafe von:     2.000 Euro

 

Falls diese uneinbringlich ist, Ersatzfreiheitsstrafe von 96 Stunden

 

gemäß § 34 Abs.1 PMG.

 

Ferner haben Sie gemäß § 64 Verwaltungsstrafgesetz 1991, BGBl. Nr. 52/1991 idgF (VStG) zu zahlen:

200 Euro (als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, das sind 10% der Strafe)

Ferner haben Sie gemäß § 6 Abs.1 Ziff. 4 iVm Abs.6 Gesundheits- und Ernährungssicherheitsgesetz (GESG) zu zahlen:

·         393,68 Euro für die Kosten für die Bearbeitung vor Ort, das Kontrollverfahren und die Beschlagnahme am 1. Juni 2006 (Code Nr. 12010, 12011 und 12012 des Gebührentarifes des Bundesamtes für Ernährungssicherheit für die Tätig­keiten im Rahmen der Vollziehung des Pflanzenschutzmittelgesetzes 1997)

·         310,80 Euro für die Kosten des Gutachtens der Überprüfung der Anforderungen für Stellungnahmen zu Anzeigen (Stellungnahme des BAES vom 23.10.2006, Code Nr. 12014 des oben zitierten Gebührentarifes).

 

Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten) beträgt daher 2.904,48 Euro.

 

Außerdem sind die Kosten des Strafvollzuges zu ersetzen (§ 54d VStG)."

 

1.2. Begründend wurde dazu im Wesentlichen ausgeführt, das Pflanzen­schutz­mittel sei weder in den Niederlanden noch in Deutschland zugelassen, daher sei die Bestimmung des § 12 Abs. 10 PMG nicht anwendbar. Das Präparat Fluroxypyr 180 EC hätte nur dann in Verkehr gebracht werden dürfen, wenn eine Zulassung gemäß § 3 Abs. 1 Pflanzenschutzmittelgesetz vorgelegen wäre.

Nach Ausführungen zur Strafbemessung wurden die nach dem Bundesgesetz, mit dem die Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit GmbH errichtet und das Bundesamt für Ernährungssicherheit sowie das Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen eingerichtet werden (Gesundheits- und Ernährungs­sicher­heitsgesetz – GESG, BGBl. I Nr. 63/2002 idF BGBl. I Nr. 25/2007), vorgeschriebenen Gebühren begründet. 

 

1.3. Gegen dieses Straferkenntnis, das dem Berufungswerber zu Handen seines Rechtsvertreters am 10. Juli 2007 zugestellt worden ist, richtet sich die vorliegende am 24. Juli 2007 – und somit rechtzeitig – mittels Telefax eingebrachte und am gleichen Tag zur Post gegebene Berufung.

 

1.4. Die Berufung beantragt die Aufhebung des angefochtenen Straf­er­kennt­nisses und die Einstellung des anhängigen Verwaltungsstrafverfahrens.

Begründend stützt sich der Berufungswerber auf die Bestimmungen der Artikel 28, 29 und 30 EG-Vertrag, auf die Urteile des EuGH vom 20. Mai 1976, RS 104-75, vom 12.11.1996, RS C-201/94, sowie vom 11.3.1999, RS C-100/96.

Die von der Erstinstanz geforderten Nachweispflichten seien dem Gesetz nicht zu entnehmen und würden dem Erfordernis der EU-rechtskonformen Interpretation des Pflanzenschutzmittelgesetzes widersprechen. Der Beschuldigte habe sich stets darauf berufen, dass die Präparate nicht für den Vertrieb in Österreich vorgesehen waren, gesondert gelagert und entsprechend gekennzeichnet gewesen seien. Das beschlagnahmte Präparat mit der Handelsbezeichnung "Starane 180" sei in der BRD zu Reg.Nr. 3721-00 registriert und in Österreich gemeldet (Nr. 900198). Die Firma F A GmbH dürfe nicht gehindert werden, die Pflanzenschutzmittel nach Deutschland zu verkaufen. 

Die Erstbehörde gehe zu Unrecht davon aus, dass die beschlagnahmten Pflanzenschutzmittel in Verkehr gebracht worden wären. Allein die festgestellte Lagerung sei nicht strafbar und schon aus diesem Grund scheide eine Bestrafung des Beschuldigten aus.

Sowohl die Handelsbezeichnung "Starane 180" als auch der Wirkstoff und der Wirkstoffgehalt seien ersichtlich, es handle sich bei dem beschlagnahmten Präparat um das Pflanzenschutzmittel "Starane 180". Der Wirkstoffgehalt von 180 g/l Fluroxypyr sei ident mit jenem von "Starane 180". 

Im Übrigen habe der Beschuldigte stets eingewendet, dass die Fa. F A GmbH nicht in erster Vertriebsstufe tätig sei und die Anmeldepflicht gemäß § 3 Abs. 4 Pflanzenschutzmittelgesetz den Lieferanten der Firma treffe.

Der von der Erstbehörde angeführte Tatzeitpunkt wurde angezweifelt und diesbezüglich Verjährung geltend gemacht.

 

2. Die Bezirkshauptmannschaft Eferding hat die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsakt zur Berufungsentscheidung vorgelegt.

Der Unabhängige Verwaltungssenat hatte durch ein Einzelmitglied zu entscheiden, weil weder eine primäre Freiheitsstrafe noch eine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde (§ 51c erster Satz VStG).

Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Akt der Bezirkshauptmannschaft Eferding zu Agrar96-18-2006, die Berufungsschrift und am 17. Juni 2008 eine mündliche Verhandlung in Anwesenheit der rechtsfreundlichen Vertretung des Berufungswerbers RA Dr. G L und des Vertreters der Legalpartei, des Bundesamts für Ernährungssicherheit, Ing. C L durchgeführt. Als Zeuge wurde B S einvernommen. Ergänzend wurde ein Gutachten des allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen DI Dr. M L  eingeholt, das mit 22. Juli 2008 datiert, und in der fortgesetzten Verhandlung am 26. August 2008 wurden das Kontrollorgan Lorenz Macher und der Sachverständige in Anwesenheit des Vertreters der Legalpartei befragt.

 

3. In der Sache selbst hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

 

3.1. Folgender entscheidungswesentlicher Sachverhalt ergibt sich aus dem vorgelegten Akt in Zusammenhang mit dem Berufungsvorbringen, dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung vom 17. Juni 2008 und vom 26. August 2008, dem Gutachten des Sachverständigen DI Dr. M L und dessen ergänzen­den Ausführungen in der mündlichen Verhandlung sowie den hiezu ergangenen Stellungnahmen:

 

Der Berufungswerber ist handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit nach außen zur Vertretung befugtes Organ der F A GmbH mit Sitz in H.

Bei einer Kontrolle der F A GmbH in 4070 Fraham am 1. Juni 2006 wurden in diesem Betrieb 11 x 5 Liter Fluroxypyr 180 EC mit deutscher Zulassungsnummer vorgefunden. Dieses Produkt war zum Inverkehr­bringen (für den Verkauf) in Österreich bestimmt. Bei dem Vermerk " Fluroxypyr 180 EC " auf der Verpackung handelt es sich um die Handelsbezeichnung und nicht um eine bloße Bezeichnung des Wirkstoffes. Eine Anmeldung des Pflanzenschutzmittels Fluroxypyr 180 EC gemäß § 3 Abs. 4 PMG ist nicht erfolgt. Es kann nicht festgestellt werden, dass das  Pflanzenschutzmittel Fluroxypyr 180 EC am 1. Juni 2006 in Deutschland nicht zugelassen war und damit in Österreich nicht nach § 12 Abs. 10 PMG als zugelassen gegolten hat.

 

3.2. Die Feststellungen ergeben sich aus dem Akteninhalt, der glaubwürdigen Zeugenaussage des B S in der mündlichen Verhandlung vom 17. Juni 2008 und den ergänzenden Ermittlungen durch den Unabhängigen Verwaltungssenat, insbesondere aus dem Gutachten des Sachverständigen und dessen Stellungnahme in der mündlichen Verhandlung am 26. August 2008.

Im Gutachten wurde auch die deutsche Rechtslage zum 1. Juni 2006 nachvollziehbar darlegt.

In einer Stellungnahme des BVL zu einem beim unabhängigen Verwaltungssenat anhängigen Parallelverfahren (die allen Parteien bekannt ist) wurde zur  deutschen Rechtslage am 1. Juni 2006 ausgeführt:

"Nach der am 1. Juni 2006 in Deutschland geltenden Rechtslage durfte ein Pflanzenschutzmittel im Wege des Parallelimports eingeführt und in Verkehr gebracht werden, wenn dieses Pflanzenschutzmittel in einem anderen Mitglied- oder EWR- Staat zugelassen war und in stofflicher Hinsicht mit einem bereits in Deutschland zugelassenen Pflanzenschutzmittel, dem sogenannten Referenz­mittel, übereinstimmte. Für den Importeur bestand keine rechtliche Verpflichtung, die Rechtmäßigkeit des Imports vorab in einem behördlichen Zulassungs- oder Genehmigungsverfahren prüfen zu lassen."

 

Nun bestand zwar für ein Pflanzenschutzmittel mit der Handelsbezeichnung Fluroxypyr 180 EC in Deutschland zum Zeitpunkt 1. Juni 2006 keine Original­zulassung. Es liegt auch keine amtliche Bestätigung zum Nachweis der Identität des angeblich aus einem EU- Mitgliedstaat nach Deutschland importierten Pflanzenschutzmittels Fluroxypyr 180 EC mit dem in Deutschland unter der Zulassungsnummer 3721-00 zugelassenen Pflanzenschutzmittel mit der Handels­bezeichnung "Starane 180" vor.

Von der Firma F A GmbH erfolgte aber eine Anmeldung des deutschen Pflanzenschutzmittels "Starane 180" mit der deutschen Zulassungs­nummer 3721-00 gemäß § 3 Abs 4 PMG.

 

Ergänzend zu seinem Gutachten wurde vom Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung angegeben, von der in Deutschland befragten Stelle (Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit – BLV) sei die Auskunft erteilt worden, es könne nicht festgestellt werden, ob das Mittel zum 1. Juni 2006 in Deutschland zugelassen gewesen sei, weil die stoffliche Identität mit dem Mittel Starane 180 nicht festgestellt worden sei und nach der damaligen Rechtslage, die bis 29. Juni 2006 gegolten hatte, bei stofflicher Identität das Mittel zugelassen gewesen wäre. Eine diesbezügliche Feststellung hätten die deutschen Gerichte zu treffen gehabt.

 

Weil die stoffliche Identität des Pflanzenschutzmittels und dessen allfällige Übereinstimmung mit einem Referenzprodukt zum Zeitpunkt 1. Juni 2006 nicht geklärt ist, war zugunsten des Berufungswerbers davon auszugehen, dass das Produkt ein in Deutschland zugelassenes war.

 

Dass das vorgefundene  Fluroxypyr 180 EC zum Inverkehrbringen in Österreich bestimmt war, ergibt sich aus der glaubwürdigen Aussage des Zeugen Bernhard Silber.

So unterschied der Zeuge in der mündlichen Verhandlung, wie bereits während der Kontrolle, zwischen Produkten, die für den österreichischen Markt und jenen, die für den Parallelimport nach Deutschland bestimmt waren. Ausdrücklich gab er auf Seite 9 der Verhandlungsschrift vom 17. Juni 2008 an, dass das Produkt auch für den österreichischen Markt bestimmt war.

Das entgegenstehende Berufungsvorbringen, die Pflanzenschutzmittel seien nicht für einen Verkauf in Österreich bestimmt gewesen, wird als Schutzbehauptung gewertet.

 

3.3. In rechtlicher Hinsicht hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

Gem.  § 34 Abs. 1 Z 1 lit. a) des Pflanzenschutzmittelgesetzes 1997, BGBl. I Nr. 60/1997 idF BGBl. I Nr. 83/2004 (im Folgenden: PMG) begeht, sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet oder nach anderen Bestimmungen mit strengerer Strafe bedroht ist, eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde mit Geldstrafe bis zu 14.530 Euro, im Wiederholungsfall bis 29.070 Euro, zu bestrafen, wer Pflanzenschutzmittel entgegen § 3 Abs. 1, 2 oder 4 in Verkehr bringt.

 

Gemäß § 3 Abs.1 des Pflanzenschutzmittelgesetzes 1997 dürfen nur die Pflanzenschutzmittel, die nach diesem Bundesgesetz zugelassen sind, in Verkehr gebracht werden.

 

Nach § 3 Abs 4 leg.cit hat, wer beabsichtigt, gewerbsmäßig in erster Vertriebsstufe gemäß § 12 Abs. 10 zugelassene Pflanzenschutzmittel in Österreich in Verkehr zu bringen, dies vor Aufnahme der Tätigkeit dem Bundesamt für Ernährungssicherheit unter Bekanntgabe der Kennzeichnung der Pflanzenschutzmittel und seiner Anschrift oder gegebenenfalls des Firmensitzes sowie gegebenenfalls unter Nachweis des rechtmäßigen In-Verkehr-Bringens anzumelden (Meldepflichtiger).

 

Pflanzenschutzmittel, die in einem Mitgliedstaat, der seit zwei Jahren in einer Verordnung gemäß Abs. 9 angeführt ist, zum In-Verkehr-Bringen zugelassen sind, sind zugelassene Pflanzenschutzmittel nach diesem Bundesgesetz, soweit sie in der Originalverpackung und mit der Originalkennzeichnung einschließlich der Gebrauchsanweisung in deutscher Sprache in Verkehr gebracht werden (§ 12 Abs. 10 leg.cit).

 

„Inverkehrbringen” ist das Vorrätighalten zum Verkauf, das Feilhalten, das Verkaufen und jedes sonstige Überlassen an andere - insbesondere auch die Abgabe in Genossenschaften, Vereinen oder sonstigen Vereinigungen an deren Mitglieder - sowie die Einfuhr aus Drittländern (§ 2 Abs.10 leg.cit).

 

Gem. § 11 Abs 1 PMG bedarf das In-Verkehr-Bringen eines Pflanzenschutz­mittels, das

1.     mit einem im Inland - ausgenommen nach § 11, § 12 Abs. 10 oder § 13 - zugelassenen Pflanzenschutzmittel (Referenzprodukt) identisch ist und

2.     in einem anderen Staat, der Vertragspartei des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum ist, zugelassen ist,

einer vereinfachten Zulassung durch das Bundesamt für Ernährungssicherheit.

 

Wie sich aus den Feststellungen ergibt, war das Pflanzenschutzmittel Fluroxypyr 180 EC in der Betriebsstätte der F A GmbH, dessen handelsrechtlicher Geschäftsführer der Rechtsmittelwerber ist, in F zum Verkauf  in Österreich vorrätig gehalten und daher in Österreich in Verkehr gebracht.

 

Die konkrete Prüfung der Rechtmäßigkeit des In-Verkehr-Bringens konnte sich damit darauf beschränken, ob das Inverkehrbringen in Österreich zulässig war.

 

Wie sich aus den Feststellungen ergibt, konnte nicht nachgewiesen werden, dass das Pflanzenschutzmittel in Deutschland nicht zugelassen war.

 

Deutschland ist, neben dem Königreich der Niederlande, einer der beiden Mitgliedstaaten, der seit zwei Jahren in einer Verordnung gem. § 12 Abs. 9 PMG 1997 angeführt war. Damit ist das Pflanzenschutzmittel ein gem. § 12 Abs. 10 PMG in Österreich (ex lege) zugelassenes.

 

Damit aber hat der Rechtsmittelwerber den Tatbestand des § 34 Abs.1 Z 1 PMG iVm § 3 Abs. 1 PMG wonach das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln, die nicht nach diesem Bundesgesetz zugelassen sind, strafbar ist, nicht erfüllt.

 

Der Rechtsauffassung des Bundesamts für Ernährungssicherheit und des Sachverständigen, der über die Beweisfrage hinausgehende rechtliche Ausführungen getätigt hat, wonach auch ein bereits gem. § 12 Abs. 10 PMG als zugelassen geltendes Pflanzenschutzmittel erst dann als zugelassen gilt, wenn eine Anmeldung nach § 3 Abs. 4 PMG erfolgt ist oder das Pflanzenschutzmittel der vereinfachten Zulassung gem. § 11 Abs. 1 PMG unterzogen wurde, ist nicht zu folgen. So werden bei dieser Gesetzesinterpretation die Tatbestände des § 3 Abs. 1 und § 3 Abs 4 PMG in unzulässiger Weise vermengt.

Vielmehr sind nach Meinung des erkennenden Mitglieds § 3 Abs. 1 und Abs. 4 PMG unterschiedliche Tatbestände, die unterschiedliche Lebenssachverhalte, nämlich im Fall des Abs. 1 das Inverkehrbringen von nicht zugelassenen Pflanzenschutzmitteln und im Fall des Abs. 4 einen Verstoß gegen (eine Ordnungsvorschrift) die Meldepflicht, regeln und die auch gesondert jeweils gem. § 34 Abs. 1 Z 1 lit. a) PMG unter Strafe gestellt wurden.

 

Nach Meinung des erkennenden Mitglieds würde auch die Forderung einer vereinfachten Zulassung gem. § 11 Abs. 1 PMG eines bereits ex lege gem. § 10 Abs. 12 PMG zugelassenen Pflanzenschutzmittels vor dessen Inverkehrbringen dem Verhältnismäßigkeitsgebot der Warenverkehrsfreiheit widersprechen. Vielmehr ist eine bloße Anmeldung des Produkts, wie in § 3 Abs. 4 PMG festgelegt, ein geeignetes, weniger beschränkendes Mittel, dem Telos des Gesetzes, nämlich dem geordneten Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln, zu entsprechen.

 

Im Spruch des bekämpften Straferkenntnisses wurde aber nicht der  Verstoß gegen die Ordnungsvorschrift, die Anmeldepflicht des § 3 Abs. 4 PMG des gem.

§ 12 Abs. 10 PMG in Österreich als (ex lege) zugelassen geltenden Pflanzenschutzmittels vorgeworfen, sondern das Inverkehrbringen eines nicht in Österreich zugelassenen Pflanzenschutzmittels gem. § 3 Abs. 1 PMG.

 

Gem. § 44a VStG hat der Spruch eines Straferkenntnisses, wenn er nicht auf Einstellung lautet, unter anderem die als erwiesen angenommene Tat konkretisiert mit allen rechtserheblichen Merkmalen und die Verwaltungs­vor­schrift, die durch die Tat verletzt worden ist, zu beinhalten.

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu den Sprucherfordernissen nach § 44a Z.1 VStG ist die Tat soweit zu konkretisieren, dass eine eindeutige Zuordnung zu den Tatbestandsmerkmalen ermöglicht wird und die Identität der Tat unverwechselbar feststeht (stRsp seit verst. Sen. VwSlg 11.466A/1984 und VwSlg 11.894A/1985). Im Spruch sind alle wesentlichen Tatbestandsmerkmale anzuführen, die zur Individualisierung und Konkretisierung des inkriminierten Verhaltens notwendig sind. Eine Umschreibung bloß in der Begründung reicht im Verwaltungsstrafrecht nicht aus (vgl mwN Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens6 [2003], 1522, Anm. 2 zu § 44a VStG).

 

Ein Auswechseln der Tatanlastung ist wegen Ablaufs der Verfolgungs­ver­jährungsfrist nicht mehr möglich. Der Berufungswerber hat damit nicht das inkriminierte Verhalten getätigt, das Straferkenntnis war daher aufzuheben und das Verfahren einzustellen.

 

Ergänzend wird angemerkt, dass das erkennende Mitglied an der EU – Konformität der Regelungen des PMG hinsichtlich des Inverkehrbringens von Pflanzenschutzmitteln entgegen dem Berufungsvorbringen, wonach auf die bloße stoffliche Identität eines Produkts abzustellen sei, keine Zweifel hegt.

Diesbezüglich wird auf das Erkenntnis des EuGH vom 21. Februar 2008, C-201/06, Kommission der Europäischen Gemeinschaften gegen die Französische Republik, verwiesen. Dort heißt es ua:

" Art. 17 Abs. 1 der Richtlinie 91/414 lautet:

Die Mitgliedstaaten treffen die notwendigen Vorkehrungen dafür, dass amtlich überprüft wird, ob die in den Verkehr gebrachten Pflanzenschutzmittel und deren Anwendung den in dieser Richtlinie festgelegten Anforderungen und insbesondere den auf dem Etikett aufgeführten Zulassungsbedingungen und Angaben entsprechen.

 

Die Richtlinie enthält jedoch keine Bestimmung, die die Voraussetzungen für die Zulassung bei Paralleleinfuhren regelt.

......

Für ein Pflanzenschutzmittel, das im Wege der Paralleleinfuhr in das Hoheits­gebiet eines Mitgliedstaats gelangt ist, kann nämlich die für ein bereits auf dem Markt dieses Staates befindliches Pflanzenschutzmittel erteilte Zulassung weder automatisch noch absolut und bedingungslos gelten.

......

Es obliegt daher den zuständigen Behörden dieses Mitgliedstaats, zu prüfen, ob die Einfuhr dieses Erzeugnisses eine Paralleleinfuhr darstellt und ob für das betreffende Erzeugnis die Zulassung gelten kann, die für ein bereits auf dem Markt dieses Staates befindliches Pflanzenschutzmittel erteilt worden ist."

 

Daraus geht hervor, dass die Anmeldepflicht eines parallel importierten Pflanzen­schutzmittels, die es den Behörden erst ermöglicht, Kenntnis von einem eingeführten Pflanzenschutzmittel zu erlangen, nicht als EU – widrig angesehen werden kann, sondern ein geeignetes Mittel darstellt, die Ziele der Richtlinie 91/414 im Zusammenhang mit dem Schutz der Gesundheit von Mensch und Tier sowie der Umwelt zu erreichen. Das bloße Vorliegen einer stofflichen Identität eines Produkts mit einem Referenzprodukt, ohne der Behörde die Möglichkeit der Kenntnisnahme einzuräumen, ist bei EU - konformer Interpretation des innerstaatlichen Rechts nicht ausreichend.

 

3.4.  Gemäß § 6 Abs.6 des Bundesgesetzes, mit dem die österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit GmbH errichtet und das Bundesamt für Ernährungssicherheit sowie das Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen eingerichtet werden (Gesundheits- und Ernährungssicherheitsgesetzt – GESG, BGBl. I Nr. 63/2002 idF BGBl. I Nr. 49/2008), ist für Tätigkeiten des Bundesamtes für Ernährungssicherheit anlässlich der Vollziehung der in Abs.1 angeführten hoheitlichen Aufgaben (das ist gemäß § 6 Abs.1 Z4 die Vollziehung des Pflanzenschutzmittelgesetzes 1997, soweit nach den bestehenden gesetz­lichen Bestimmungen die Vollziehung am 1. Juni 2002 durch das Bundes­amt und Forschungszentrum für Landwirtschaft zu erfolgen hätte) eine Gebühr nach Maßgabe des Tarifs (§ 57 AVG) zu entrichten, den das Bundesamt für Ernährungssicherheit mit Zustimmung des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft und des Bundesministeriums für Finanzen kostendeckend festzusetzen hat.

Gebühren für Tätigkeiten anlässlich der Kontrolle, ausgenommen solcher, welche nach gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften vorgeschrieben sind, fallen jedoch nur dann an, wenn Zuwiderhandlungen gegen Bestimmungen der in Abs.1 angeführten Bundesgesetze festgestellt werden. Im Verwaltungsstrafverfahren sind im Straferkenntnis den Beschuldigten neben einer Verwaltungsstrafe die Gebühren vorzuschreiben; diese sind unmittelbar an das Bundesamt für Ernährungssicherheit zu entrichten.

 

Da der Bw die ihm vorgeworfene Übertretung des Pflanzenschutzmittels nicht begangen hat, hat er auch eine Gebühr nach § 6 Abs.6 GESG nicht zu entrichten.

 

3.5. Bei diesem Verfahrensergebnis entfallen für den Berufungswerber gemäß § 66 Abs. 1 VStG sämtliche Verfahrenskostenbeiträge.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss  - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

Mag. Bergmayr-Mann

 

 

 

Rechtssatz:

 

VwSen-200272/63/BMa/Eg/Ga vom 12. September 2008

 

§ 3 Abs1 und Abs 4 PMG sind unterschiedliche Tatbestände, die unterschiedliche Lebenssachverhalte, nämlich im Fall des Abs. 1 das Inverkehrbringen von nicht zugelassenen Pflanzenschutzmitteln und im Fall des Abs. 4 einen Verstoß gegen (eine Ordnungsvorschrift) die Meldepflicht eines gem. § 12 Abs. 10 (ex lege) zugelassenen Pflanzenschutzmittel, regeln und die auch gesondert jeweils gem. § 34 Abs. 1 Z 1 lit. a) PMG unter Strafe gestellt wurden.

 

Die Forderung einer vereinfachten Zulassung gem. § 11 Abs. 1 PMG eines bereits ex lege gem. § 10 Abs. 12 PMG zugelassenen Pflanzen­schutz­mittels vor dessen Inverkehrbringen in Österreich würde dem Verhältnismäßigkeitsgebot der Warenverkehrsfreiheit widersprechen. Vielmehr ist eine bloße Anmeldung des Produkts, wie in § 3 Abs. 4 PMG festgelegt, ein geeignetes, weniger beschränkendes Mittel, dem Telos des Gesetzes, nämlich dem geordneten Inverkehrbringen von Pflanzen­schutzmitteln, zu entsprechen.

 

Die Anmeldepflicht eines parallel importierten Pflanzenschutzmittels, die es den Behörden erst ermöglicht, Kenntnis von einem eingeführten Pflanzenschutzmittel zu erlangen kann nicht als EU – widrig angesehen werden, sondern ist ein geeignetes Mittel, die Ziele der Richtlinie 91/414 im Zusammenhang mit dem Schutz der Gesundheit von Mensch und Tier sowie der Umwelt zu erreichen. Das bloße Vorliegen einer stofflichen Identität eines Produkts mit einem Referenzprodukt, ohne der Behörde die Möglichkeit der Kenntnisnahme einzuräumen, ist bei EU - konformer Interpretation des innerstaatlichen Rechts nicht ausreichend.  

 

§ 3 Abs. 1 und 4 PMG

§ 12 Abs. 10 PMG

§ 11 Abs. 1 PMG

§ 34 Abs. 1 PMG

Richtlinie 91/414 des Rates vom 15. Juli 1991 über das Inverkehr-bringen von Pflanzenschutzmittel

 

 

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