Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-300817/3/WEI/Ga

Linz, 16.09.2008

 

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Wolfgang Weiß über die Berufung des M W, vertreten durch Mag. K H, Rechtsanwalt in W, gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters von W vom 21. Jänner 2008, Zl. BZ-Pol-07027-2007, wegen einer Verwaltungsübertretung nach dem Oö. Hundehaltegesetz 2002 (LGBl Nr. 147/2002 idF LGBl Nr. 124/2006) zu Recht erkannt:

 

 

I.            Aus Anlass der Berufung wird das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Strafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG eingestellt.

 

II.        Die Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens entfällt.

 

Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG iVm § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 - VStG; § 66 Abs 1 VStG.

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1.1. Mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt W wurde der Berufungswerber (Bw) wie folgt schuldig erkannt und bestraft:

 

"Sie haben als Hundehalter am 04.05.2007 um 23.55 Uhr ihren Hund (Deutsch Kurzhaar) an einem öffentlichen Ort, nämlich in W, weder an der Leine  noch mit Maulkorb geführt und auch nicht derart beaufsichtigt, dass Menschen und Tiere durch den Hund nicht gefährdet werden, sodass dieser den Hund von Frau B (Dackelmischling) verletzen konnte."

 

Dadurch erachtete die belangte Behörde § 15 Abs 1 Z 2 und Abs 2 iVm § 3 Abs 2 Z 1 und 6 Abs 1 Oö. Hundehaltegesetz 2002 als verletzte Rechtsvorschriften und verhängte wegen dieser Verwaltungsübertretung gemäß "§ 15 Abs. 1 Z 2 und Abs. 2 Oö. Hundehaltgesetz 2002" (gemeint: Strafrahmen des § 15 Abs 2 Oö. Hundehaltegesetz 2002) über den Bw eine Geldstrafe von 300 Euro und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 15 Stunden.

 

1.2. Gegen dieses Straferkenntnis, das dem Bw zu Händen seines Rechtsvertreters am 24. Jänner 2008 zugestellt wurde, richtet sich die vorliegende am 7. Jänner 2008 – und somit rechtzeitig – zur Post gegebene und bei der belangten Behörde am 11. Februar 2008 eingelangte Berufung vom 7. Jänner 2008, mit der in der Hauptsache die Aufhebung des Straferkenntnisses und Einstellung des Strafverfahrens angestrebt wird.

 

2. Aus der Aktenlage ergibt sich der folgende Gang des Verfahrens und Sachverhalt:

 

2.1. Mit Schreiben vom 12. Juli 2007, Zl. S-10910/07, übermittelte das Strafamt der Bundespolizeidirektion (BPD) W zuständigkeitshalber die Anzeige der PI D vom 6. Juli 2007 gegen den Bw wegen des Verdachts einer Übertretung des Oö. Hundehaltegesetzes 2002, weil er seinen Jagdhund nicht an der Leine führte bzw sein freilaufender Hund keinen Beißkorb hatte. Die Tat wurde wie folgt dargestellt:

 

Am 04.05.2007 um 23.55 Uhr ging R B mit ihrem Dackelmischling im Bereich W,
H spazieren. Plötzlich stand ein fremder Hund (Jagdhund) vor ihr und fiel über ihren Dackel her. Der Hund von B wurde durch den Jagdhund des M W verletzt und hatte eine blutende Wunde.

 

B kam beim Versuch die raufenden Hunde zu trennen zu Sturz und verletzte sich dabei. Es wurde eine gesonderte Anzeige wegen fahrlässiger Körperverletzung vorgelegt.

 

Der beigelegten Niederschrift mit Frau R B vom 8. Mai 2007 ist zu entnehmen, dass ihr der Regenschirm aus der Hand fiel und sie zu Sturz kam, als der Jagdhund des Bw sich auf ihren Hund stürzte. Als sie sich wieder aufgerichtet hatte, versuchte sie den Jagdhund von ihrem Hund herunterzuziehen. Dessen mittlerweile eingetroffener Besitzer hätte nichts unternommen. Schließlich hätte sie den Jagdhund am Halsband ergreifen und herunterziehen können. Dann endlich habe der Besitzer nach seinem Hund gegriffen. Ihr Hund hätte stark geblutet und sie suchte sofort die Kleintierklinik in W auf. Ihre eigenen Verletzungen habe sie im Klinikum W untersuchen lassen.

 

Die Kleintierklinik W, W, bestätigte durch Dr. C S mit tierärztlichem Zeugnis vom 6. Mai 2007, dass der Hund der Frau B am 5. Mai 2007 um 00:50 Uhr mit diversen Bissverletzungen an Kopf, Hals und Nase notversorgt wurde.

 

Nach dem Kurzbericht der Klinikum Kreuzschwestern W GmbH, Unfallambulanz AZ, war Frau R B, , am 5. Mai 2007 in ambulanter Behandlung und hatte nach der Diagnose "Cont. antebrachi dext. und Dist. column. vert. lumb." demnach Verletzungen durch Kontusion des rechten Unterarms und Verstauchung (Zerrung) der Lendenwirbelsäule erlitten.

 

2.2. Mit Strafverfügung vom 23. Juli 2007, Zl. BZ-Pol-07027-2007, eigenhändig zugestellt am 24. Juli 2007, lastete die belangte Behörde dem Bw die Tat wie im angefochtenen Straferkenntnis vom 21. Jänner 2008 an. Gegen diese Strafverfügung erhob der Bw rechtzeitig den Einspruch vom 3. August 2007.

 

Die ausführliche Strafanzeige des Stadtpolizeikommandos W, Polizeiinspektion D (Sicherheitsbehörde BPD W), vom 4. September 2007, Zl. B1/6937/2007, samt Beilagen wegen Verdachts auf fahrlässige Körperverletzung langte am 16. Oktober 2007 bei der belangten Behörde ein. In der nunmehr angeschlossenen polizeilichen Niederschrift vom 9. Mai 2007 schilderte der Bw den Vorfall aus seiner Sicht. Er hätte seinen Jagdhund, einen Deutsch-Kurzhaar mit dem Rufnamen "D" (lt. Impfpass), am 5. Mai 2007 um ca. 00:15 Uhr in der H in die Wiese des Landesgerichts laufen lassen, damit er sich dort "lösen" konnte. Während dessen wäre ein anderer nicht angeleinter Hund gekommen, der seinen Hund außerhalb der Wiese verbellte. Auf diesen kleine Hund und seine Besitzerin sei der Bw schon öfter getroffen. Sein Hund sei dann auf diesen Hund zugelaufen und habe den kleinen Hund mit seinem "Fang" (Maul) geschnappt. Sein Jagdhund sei abgerichtet und hätte den kleinen Hund lediglich apportieren wollen. Die Besitzerin des kleinen Hundes hätte versuchte ihren Hund aus dem Fang zu befreien. Der Hund des Bw hätte aber nicht losgelassen, weil er nur auf den Bw höre. Er hätte den Biss nicht mehr verhindern können. Er hätte auf den kleinen Hund gegriffen und ihn herunterziehen wollen, worauf ihn dieser an der rechten Hand biss. Darauf packte er seinen Hund am "Behang" (Ohr) und hätte ihm das Kommando "Aus" gegeben, worauf dieser den Kleinen sofort losgelassen hätte. Die Frau hätte daraufhin ihren Hund angeleint, nach dem Namen des Bw gefragt und wäre einfach gegangen. Dass sie zu Sturz gekommen ist, hätte er nicht bemerkt.

Mit dem ärztlichen Befundbericht des Allgemeinmediziners Dr. R W vom 15. Mai 2007 werden Bisswunden am rechten Unterarm des Bw bestätigt.

Der Hund "B" (Dackelmix) der Frau B wurde am 10. Mai 2007 in der Kleintierklinik W auf Wutkrankheit untersucht und war frei von klinischen Anzeichen (vgl tierärztliche Bescheinigung vom 10.05.2007).

 

2.3. Im ordentlichen Ermittlungsverfahren hat die belangte Behörde am 7. November 2007 Frau R B einvernommen. Ihr Hund hätte entlang des Gehsteigs geschnuppert und wäre einen Meter vor dem Parkplatz des Landesgerichts W stehen geblieben. Sie hörte das Laufgeräusch eines herannahenden Hundes, der dann plötzlich ihren Hund angefallen und sich im Bereich des
Nackens verbissen hätte. Ihr Hund hätte den Hund des Bw weder angebellt noch provoziert. Nach längerer Zeit wäre es ihr gelungen, den fremden Hund wegzuziehen, den sie dem Bw übergeben hätte. Dieser wäre nur daneben gestanden und hätte keine Anstalten gemacht einzugreifen. Zum Beweis dafür nannte sie auch die Zeugin B B, H, W.

Schon in der Vergangenheit hätte sie zwei Begegnungen mit dem Hund des Bw gehabt, bei denen sie ihren Hund vor Bissverletzungen nur schützen konnte, indem sie ihn auf den Arm nahm. Der Hund des Bw wäre in beiden Fällen frei
herumgelaufen.

 

Die durch Schreie um Mitternacht geweckte B B (Niederschrift vom 15.11.2007) sah vom Balkon zur H den kleineren Hund auf die Straße taumeln und eine Frau hinterherlaufen, die ihn anleinte. Der Mann hätte mit seinem Hund geschimpft und ihn mit der Leine geschlagen. Am nächsten Tag hätte man noch eine Blutlache am Leistenstein des Gehsteiges vor dem Gerichtsparkplatz sehen können.

 

In der rechtsfreundlich vertretenen Stellungnahme vom 5. Dezember 2007 verwies der Bw auf seine Angaben bei der polizeilichen Einvernahme vom 9. Mai 2007. Zur ergänzenden Befragung der Zeugin B wird ausgeführt, dass der Vorfall nicht auf dem Gehsteig vor dem Gerichtsparkplatz sondern auf diesem selbst stattgefunden hätte. Der Hund des Bw wäre erst auf Grund des Gebells auf den Hund der Frau B aufmerksam geworden und hätte die Gerichtswiese in Richtung Gerichtsparkplatz verlassen. Dort hätte sich der nicht angeleinte Hund der Zeugin B aufgehalten. Den Umstand der Nichtanleinung hätte auch die Zeugin B bestätigt. Der Gerichtsparkplatz wäre abgeschrankt und nicht allgemein zugänglich. Es handle sich nicht um einen öffentlichen Ort.

 

Auch die Aussage der Zeugin B werde angezweifelt, weil sie keine exakte Sicht hätte haben können. Die H wäre ab 22:00 Uhr nicht beleuchtet gewesen und die Zeugin wohne im vierten Stock. Es wäre auch unrichtig, dass der Bw seinen Hund geschlagen hätte. Ebenso wenig hätte man eine Blutlache am Leistenstein des Gehsteiges sehen können. Dies wäre nicht möglich, weil sich aus den tiermedizinischen Unterlagen keinerlei Näharbeiten ergäben.

 

Die Zeugin R B wurde daraufhin am 12. Dezember 2007 zur Stellungnahme des Bw vom 5. Dezember 2007 neuerlich einvernommen. Sie gab an, dass ihr Hund sehr wohl angeleint gewesen wäre. Bei der Attacke des Hundes des Bw wäre die Leine durchgebissen worden. Sie hätte das andere Ende der Leine fallen lassen, um die Hunde zu trennen. Ihr Hund lief Richtung M-T-Straße und sie knüpfte die Leine notdürftig zusammen, um den Hund wieder anzuleinen und zum Tierarzt bringen zu können. Die Blutlache stammte sehr wohl von ihrem Hund, der stark blutende Bissverletzungen im Bereich der Schnauze erlitt. Die Bestätigung vom 20. Dezember 2007 des Dr. S von der Tierklinik W brachte die Zeugin nach (vgl ON 16). Die Bissverletzungen wären laut Dr. S nicht genäht worden, um Ent­zündungen zu vermeiden (Aktenvermerk vom 15.01.2008) Auch von der zusammen geknüpften Hundeleine befinden sich Kopien von Fotografien im Akt der belangten Behörde (vgl ON 13a und 13b).

 

Wegen der Straßenbeleuchtung in der H beim Landesgericht W erhob die belangte Behörde, dass diese nicht abgeschaltet, sondern nur die Lichtstärke in der Zeit zwischen 21:30 Uhr und 05:00 Uhr reduziert war (vgl ON 15 und 17).

 

2.4. Die belangte Behörde hat in weiterer Folge am 24. Jänner 2008 (Zustelldatum) das angefochtene Straferkenntnis vom 21. Jänner 2008 erlassen, wobei sie den oben dargestellten Sachverhalt und Gang des Verfahrens wiedergab. Zur Begründung wird angeführt, dass die objektive Tatseite der Verwaltungsübertretung nach § 15 Abs 1 Z 2 iVm § 3 Abs 2 Z 1 Oö. Hundehaltegesetz 2002 als erwiesen anzusehen sei. Der Bw habe seinen Hund in der Gerichtswiese unangeleint laufen lassen und auch die Attacke seines Hundes nicht bestritten.

 

Zum Einwand des nicht öffentlichen Ortes wird auf das Erkenntnis des Oö. Verwaltungssenats vom 27. April 2007, VwSen-300778/4/Gf/Mu/Ga, verwiesen, wonach der Begriff "öffentlich" iSd § 6 Oö. Hundehaltegesetz 2002 nicht auf die Eigentumsverhältnisse, sondern auf den Umstand abziele, ob eine Liegenschaft faktisch von jedermann betreten werden kann, ohne ein nennenswertes Hindernis überwinden zu müssen. Durch die Verantwortung, sein Hund hätte den anderen Hund nur apportieren wollen, und weil er keinen Versuch unternahm dies zu unterbinden, habe der Bw nicht nur seine Aufsichtspflicht verletzt, sondern auch die Verletzung des Hundes der Frau B vorsätzlich in Kauf genommen.

 

2.5. Die Berufung macht Rechtswidrigkeit durch Verletzung von Verfahrensvorschriften und des Bescheidinhaltes geltend. Zunächst wird die Nichtaufnahme der beantragten Beweise durch Einholung eines tiermedizinischen Sachverständigengutachten sowie Durchführung eines Ortsaugenscheins gerügt. Dadurch wären dem Bw wesentliche Verteidigungsrechte vorenthalten worden, die erst eine umfassende Klärung des Geschehens ermöglicht hätten. Dabei wird als neuer Gesichtspunkt auch ins Treffen geführt, dass der Hund des Bw seit mehr als einem Jahr an einem Tumor leide, der nur eine bedingte Öffnung des Maules zulasse. Die tierärztliche Behandlung hätte zwar die Schwellung gebremst, aber die Situation nicht verbessert. Der Hund könne sein Maul nur bedingt öffnen und daher keinesfalls so wie beschrieben zubeißen.

 

Die Behörde habe in der Begründung zwar alles aufgezählt, aber nicht festgehalten, welchen Sachverhalt sie als gegeben annehme. Ebenso fehle auch eine nachvollziehbare Begründung, warum einzelne Umstände für richtig befunden werden. Der Bescheid sei daher ebenfalls mangelhaft und rechtswidrig. Der Spruch umschreibe auch die Örtlichkeit nicht deutlich genug. Der Gerichtsparkplatz sei abgeschrankt und im Sinne eines Betretungsverbotes beschildert. Auch die Gerichtswiese sei durch einen Zaun abgegrenzt und nicht frei zugänglich. Es handle sich um keine öffentlichen Orte. Die Umschreibung, der Vorfall habe sich in W Höhe H 1 zugetragen, genüge nicht den notwendigen Konkretisierungen des Tatvorwurfes. Weiters werden die Behauptungen der Zeugin B und die Möglichkeit der Beobachtung durch die Zeugin B bestritten.

 

Der Schluss der belangten Behörde, der Bw habe nicht nur seine Aufsichtspflicht verletzt, sondern auch vorsätzlich die Verletzung des Hundes der Frau B in Kauf genommen, sei unrichtig. Die Behörde habe dafür keine nachvollzieh­baren Gründe angegeben und damit die subjektive Tatseite nicht ausreichend begründet. Die weiteren Ausführungen bekämpfen die Höhe der verhängten Strafe.

 

Zum Beweis für den Tumor im Gesicht des Hundes werden zwei Farblichtbilder vorgelegt, aus denen eine geschwollene Veränderung unter dem linken Auge des Hundes erkennbar ist.

 

3.1. Der Oö. Verwaltungssenat hat nach Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsstrafakt des Magistrats W und einer ergänzenden Erhebung festgestellt, dass das angefochtene Straferkenntnis schon nach der Aktenlage aus rechtlichen Gründen aufzuheben ist. Die in der Berufung geltend gemachten Verfahrens- und Begründungsmängel konnten daher auf sich beruhen.

 

3.2. Auf Grund des Umstandes der aktenkundigen Strafanzeige gegen den Bw wegen fahrlässiger Körperverletzung der Zeugin R B aus dem gegenständlichen Vorfall hat das erkennende Mitglied am 10. September 2008 tele­fonisch mit der Staatsanwaltschaft W bzw dem zuständigen Bezirksanwalt beim Bezirksgericht W Kontakt aufgenommen, um den Stand des Verfahrens zu erheben. Herr Bezirksanwalt E W teilte mit, dass die Anzeige gegen den Bw nach Zahlung einer Geldbuße in Raten am 6. Juni 2008 endgültig zurückgelegt wurde. Über Ersuchen
übermittelte der Bezirksanwalt dem Oö. Verwaltungssenat die entsprechenden Unterlagen aus seinem Akt per Telefax.

 

3.3. Aus den übersendeten Unterlagen des Bezirksanwalts beim Bezirksgericht W ergibt sich Folgendes:

 

Mit Mitteilung vom 25. Oktober 2007, Zl. 18 BAZ 1567/07i-1, an den Beschuldigten vom möglichen Rücktritt von der Verfolgung nach Zahlung eines Geldbetrages (§ 200 Abs 4 StPO neu idF BGBl I Nr. 19/2004 und BGBl I Nr. 93/2007) wurde dem Bw unter Bezugnahme auf die Anzeige der Stadtpolizei W vom 4. September 2007, Zl. 6937/07 (vgl oben unter 2.2.), angelastet, dass er am 4. Mai 2007 in W das Vergehen der fahrlässigen Körperverletzung begangen habe, indem er den Jagdhund "D" nicht ausreichend verwahrte, wodurch R
B zur Sturz gekommen und fahrlässig am Körper verletzt worden sei. Es sei beabsichtigt die gerichtliche Anklage einzubringen, wenn der Bw nicht den Geldbetrag von 350 Euro binnen 14 Tagen bezahle.

 

Mit Mitteilung des Bezirksanwalts vom 20. November 2007 an den Beschuldigten betreffend Gewährung von Teilzahlungen wurde dem Bw auf seinen Antrag die Zahlung von fünf monatlichen Raten zu je 70 Euro beginnend mit 10. Dezember 2007 gewährt.

 

Schließlich teilte der Bezirksanwalt beim Bezirksgericht W (Staatsanwaltschaft W) mit Verständigung vom 6. Juni 2008, Zl. 18 BAZ 1567/07i-2, dem Bw mit, dass von seiner Verfolgung gemäß § 200 Abs 5 StPO zurückgetreten wurde, weil die Voraussetzungen des § 198 StPO vorliegen und er einen Geldbetrag zu­gunsten des Bundes geleistet habe.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat erwogen:

 

4.1. Gemäß § 15 Abs 1 Z 2 Oö. Hundehaltegesetz 2002 begeht eine Verwaltungsübertretung und ist nach § 15 Abs 2 leg.cit., sofern die Tat nicht den Tat­bestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet  oder durch andere Verwaltungsvorschriften mit strengerer Strafe bedroht ist, von der Bezirksverwaltungsbehörde mit einer Geldstrafe bis zu 7.000 Euro zu bestrafen

 

wer einen Hund entgegen den Bestimmungen des § 3 Abs 1 und 2 hält.

 

Nach § 3 Abs 2 ist ein Hund in einer Weise zu beaufsichtigen, zu verwahren oder zu führen, dass

 

  1. Menschen und Tiere durch den Hund nicht gefährdet werden, oder
  2. Menschen und Tiere nicht über das zumutbare Maß hinaus belästigt werden, oder
  3. er an öffentlichen Orten oder auf fremden Grundstücken nicht unbeaufsichtigt herumlaufen kann.

 

4.2. Nach der Begriffsbestimmung des § 1 Abs 2 Z 2 Oö. Hundehaltegesetz 2002 bedeutet Hundehalter(in): die Person, die im eigenen Namen darüber zu entscheiden hat, wie der Hund zu verwahren oder zu beaufsichtigen ist. Diese
Legaldefinition des Hundehalters entspricht in etwa der herkömmlichen Auffassung zum Tierhalter in der zivilrechtlichen Judikatur (vgl RV Blg 1145/2001 zum kurzschriftlichen Bericht des Oö. LT, 25. GP, Seite 4 zu § 1). Nach hM ist Tierhalter, wer die tatsächliche Herrschaft über das Verhalten des Tieres ausübt und über Verwahrung und Beaufsichtigung entscheidet (vgl näher mwN Dittrich/Tades, MGA ABGB ³³, E 18 ff zu § 1320; Reischauer in Rummel², Rz 7 f zu § 1320 ABGB). Auf eine bestimmte rechtliche Beziehung zum Tier (etwa das
Eigentumsrecht) kommt es dabei nicht an. Wie der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen hat, sind die faktischen Verhältnisse der Herrschaft über das Tier (Aufzucht, Ernährung, Unterbringung, Pflege und gesundheitliche Betreuung) für den Begriff des Haltens entscheidend (vgl VwGH 30.7.1992, 88/17/0149).

 

Gemäß dem § 6 Abs 1 Oö. Hundehaltegesetz 2002 müssen Hunde an öffentlichen Orten im Ortsgebiet an der Leine oder mit Maulkorb geführt werden. Nach der Begriffsbestimmung des § 1 Abs 2 Z 3 Oö. Hundehaltegesetz 2002 bedeutet
öffentlicher Ort: ein Ort, der für jedermann frei oder unter den gleichen Be­dingungen zugänglich ist.

 

4.3. Die Frage der mangelhaften Verwahrung oder Führung des Jagdhundes
"D" durch den Bw am 4. Mai 2007 um etwa 23:55 Uhr im Bereich H beim Gerichtsparkplatz in W war Gegenstand der Anzeige der Stadtpolizei W, PI D, vom 4. September 2007, Zl. B1/6937/2007, an die Staatsanwaltschaft W bzw den Bezirksanwalt beim Bezirksgericht W. Die gleiche Anzeige wegen fahrlässiger Körperverletzung der R B erhielt auch der Magistrat der Stadt W.

 

Nach der Erhebung des Oö. Verwaltungssenats beim zuständigen Bezirksanwalt der Staatsanwaltschaft W ist davon auszugehen, dass die dem Bw angelastete Tat eine in die Zuständigkeit der Gerichte fallende strafbare Handlung bildet. Denn gemäß der Subsidiaritätsklausel des § 15 Abs 2 Oö. Hundehaltegesetz 2002 sind Verwaltungsübertretungen u.A. nur dann zu bestrafen, sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet.

 

Frau R B kam durch die Attacke des frei laufenden Jagdhundes "D" auf ihren Hund zu Sturz und zog sich leichte Verletzungen zu, die im Klinikum der Kreuzschwestern W ambulant behandelt wurden (vgl unter Punkt 2.1.). Nach Ansicht des Bezirksanwalts beim Bezirksgericht W hatte der Bw fahrlässig gehandelt, indem er seinen offenbar nicht ungefährlichen Jagdhund "D" im Ortsgebiet von W frei laufen ließ und damit nicht ausreichend verwahrte bzw ordnungsgemäß kontrollierte. Der erkennende Verwaltungssenat teilt diese schon durch die erste Aussage des Bw (vgl polizeiliche Niederschrift vom 09.05.2007) begründbare Ansicht und geht auch davon aus, dass der Bw gegen den Leinen oder Maulkorbzwang nach § 6 Abs 1 Oö. Hundehaltegesetz 2002 verstoßen hat. Die erst im Rahmen der rechtsfreundlichen Vertretung vorgebrachte Behauptung, der Gerichtsparkplatz wäre wegen eines Schrankens und einer allfälligen Verbotstafel nicht frei zugänglich, verkennt nach Ansicht des erkennenden Verwaltungssenats, dass es nach dem Sinn des landesgesetzlichen Leinen- oder Maulkorbzwangs an öffentlichen Orten im Ortsgebiet darum geht, Gefährdungen für Menschen und Tiere durch frei laufende Hunde zu vermeiden. Es kann daher für die Frage der freien Zugänglichkeit eines Ortes nicht auf rechtliche, das Verhalten des Hundes nicht beeinflussende Schranken für die Benutzung eines Grundstückes (wie zB Eigentum, dingliche oder vertragliche Nutzungsrechte), sondern nur auf tatsächliche Hindernisse ankommen (vgl idS bereits das h. Erk. VwSen-300778/4/Gf/Mu/Ga vom 27. April 2007). Einen entsprechenden Sachverhalt, dass man etwa den Gerichtsparkplatz oder die Gerichtswiese nicht ohne Überwindung einer vollständigen Umschließung durch Zaun oder Mauer hätte betreten können, hat der Bw aber nicht vorgebracht.

 

Durch die Umstände des vorliegenden Falles war jedenfalls vom gerichtlich strafbaren Tatbestand der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs 1 StGB auszugehen. Aus der Aktenlage geht hervor, dass der Bezirksanwalt auf Grund der polizeilichen Strafanzeige Zl. 6937/07 vom 4. September 2007 ein gerichtlich strafbares Verhalten des Bw angenommen und diesem eine sog. diversionelle Erledigung des Strafverfahrens (vgl §§ 198 ff StPO neu) durch Rücktritt von der Verfolgung nach Zahlung eines Geldbetrages von 350 Euro vorschlug, widrigenfalls eine Anklage bei Gericht erhoben werden würde. Dieses Angebot nahm der Bw an, um ein bezirksgerichtliches Strafverfahren wegen fahrlässiger Körperverletzung zu vermeiden, in dem er sich offenbar keine guten Chancen auf einen Freispruch ausrechnete. Bei dieser Vorgangsweise, die gemäß § 198 Abs 2 StPO neu u.A. voraussetzt, dass eine Einstellung des Verfahrens gemäß § 190 StPO neu (früher § 90 StPO alt) mangels einer strafbaren Handlung oder Schuld des Täters nicht in Betracht kommt, machte der Bezirksanwalt dem Bw den Vorwurf eines fahrlässigen Verhaltens und bejahte damit grundsätzlich auch die strafgerichtliche Zuständigkeit wegen des Vorliegens einer gerichtlich strafbaren Handlung.

 

Ginge man mit der belangten Behörde überdies davon aus, dass der sich passiv verhalten habende Bw die Verletzung des Hundes der Zeugin B durch seinen Jagdhund auch noch billigend in Kauf nahm, wäre an eine weitere gerichtlich strafbare Handlung zu denken. Da dem Bw durch sein gefahrenbegründendes Vorverhalten, nämlich das sorgfaltswidrige unkontrollierte Laufenlassen seines Hundes an einem öffentlichen Ort, eine Garantenstellung zukäme (näher zum sog. Ingerenzprinzip bspw Leukauf/Steininger, Kommentar zum StGB3 Rz 24 ff zu § 2), hätte er auch vorsätzliche Sachbeschädigung durch Unterlassen nach § 2 iVm § 125 StGB zu verantworten.

 

Im Hinblick auf die eindeutige Aussage der Subsidiaritätsklausel des § 15 Abs 2 Oö. Hundehaltegesetz 2002 liegt beim gegebenen Befund keine strafbare Verwaltungsübertretung vor. Nach dem Wortlaut dieser Klausel kommt es für die verwaltungsrechtliche Strafbarkeit weder auf die Gerichtsanhängigkeit noch auf ein bestimmtes Verfolgungsverhalten des Staatsanwaltes, sondern nur darauf an, dass die Tat nicht auch den Tatbestand einer gerichtlich strafbaren Handlung bildet, was die Strafbehörde mangels eines bindenden Gerichtsurteils oder Gerichtsbeschlusses selbständig zu beurteilen gehabt hätte.

 

Durch eine Subsidiaritätsklausel vermeidet der Landesgesetzgeber auch die spätestens seit dem Urteil des EGMR im Fall G (vgl ÖJZ 1995, 954 MRK ENr. 51 = NL 95/5/10) verfassungsrechtlich unzulässige mehrfache Strafverfolgung aus demselben Grund (dazu näher VfGH 5.12.1996, G 9/96 ua Zlen, veröffentlicht in JBl 1997, 447 ff oder EuGRZ 1997, 169 ff und weiter VfSlg 15.199/1998).

 

5. Es war daher aus Anlass der Berufung das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Strafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG mangels einer strafbaren Verwaltungsübertretung einzustellen.

 

Bei diesem Ergebnis entfällt auch gemäß § 66 Abs 1 VStG die Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens.

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

Anlage

 

Dr. W e i ß

 

 

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