Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-300848/2/Gf/Mu/Ga

Linz, 24.09.2008

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mit­glied Dr. Grof aus Anlass der Berufung des M E N, gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmanns von Kirchdorf vom 22. August 2008, GZ Pol96-66-2008, wegen einer Übertretung des Oö. Tierschutzgesetzes zu Recht erkannt:

I.     Der Berufung wird insoweit stattgegeben, als das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben wird.

II.   Der Berufungswerber hat weder einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde noch einen Kosten­beitrag zum Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat zu leisten.

Rechtsgrundlage:

§ 24 VStG i.V.m. § 66 Abs. 4 AVG; § 66 Abs. 1 VStG.

Entscheidungsgründe:

1.1. Mit Straferkenntnis des Bezirkshauptmanns von Kirchdorf vom 22. August 2008, GZ Pol96-66-2008, wurde über den Rechtsmittelwerber eine Geldstrafe in der Höhe von 700 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe: 72 Stunden) verhängt, weil er am 16. Juni 2008 ab 9.00 Uhr in P seinen Schäferhund an einem Zaun angebunden völlig unbeaufsichtigt zurückgelassen habe. Dadurch habe er eine Übertretung des § 5 Abs. 1 und Abs. 2 (gemeint wohl: Abs. 3) Z. 10 i.V.m. § 16 Abs. 5 und § 38 Abs. 1 Z. 1 des Tierschutzgesetzes, BGBl.Nr. I 118/2004, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. I 35/2008 (im Folgenden: TierSchG) begangen, weshalb er nach § 38 Abs. 1 TierSchG zu bestrafen gewesen sei.

Begründend wurde dazu ausgeführt, dass der Rechtsmittelwerber ohnehin nie in Abrede gestellt habe, dass er seinen Hund am Vormittag an einem fremden Gartenzaun angebunden hat und ihn dort nach einem Besuch bei Bekannten in Gmunden wieder abholen wollte.

Im Zuge der Strafbemessung seien Milderungsgründe nicht hervorgekommen, während seine tatspezifische Uneinsichtigkeit sowie seine in Form von zahlreichen andersartigen Vormerkungen evidente allgemeine Gleichgültigkeit gegenüber Verbotsvorschriften als erschwerend zu werten gewesen sei. Dabei seien die von ihm angegebenen Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse entsprechend berücksichtigt worden.

1.2. Gegen dieses ihm am 26. August 2008 durch Hinterlegung zugestellte Straferkenntnis richtet sich die vorliegende, am 3. September 2008 – und damit rechtzeitig – zur Post gegebene Berufung.

Darin bezweifelt der Rechtsmittelwerber, dass seinem Hund tatsächlich Schmerzen oder Leiden zugefügt wurden bzw. dieser in schwere Angst versetzt worden sei. Selbst wenn dies tatsächlich zugetroffen haben sollte, hätte die belangte Behörde prüfen müssen, ob dies während seiner Abwesenheit oder nicht vielmehr während des Transportes und Aufenthaltes im Tierheim geschehen sei. Außerdem habe der Hund auch sicher nicht an Sauerstoffmangel, Bewegungsfreiheit oder ungünstigen Temperatureinflüssen gelitten. Schließlich sei er durch das bloße Anbinden an einem Zaun auch nicht im Sinne des § 16 Abs. 5 TierSchG "gehalten" worden.

Aus allen diesen Gründen wird daher die Aufhebung des angefochtenen Straferkenntnisses beantragt.

2.1. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Akt der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf zu GZ Pol96-66-2008; da sich bereits aus diesem der entscheidungswesentliche Sachverhalt klären ließ, konnte im Übrigen im Hinblick auf § 51e Abs. 2 Z. 1 VStG von der Durchführung einer öffentlichen Verhandlung abgesehen werden.

2.2. Nach § 51c VStG hatte der Oö. Verwaltungssenat im gegenständlichen Fall – nachdem hier eine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe nicht verhängt wurde – nicht durch eine Kammer, sondern durch ein Einzelmitglied zu entscheiden.

3. In der Sache selbst hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

3.1. Gemäß § 38 Abs. 1 Z. 1 TierSchG begeht u.a. derjenige eine Verwaltungs­übertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu 7.500 Euro zu bestrafen, der einem Tier entgegen § 5 Schmerzen, Leiden, Schäden oder schwere Angst zufügt.

Nach § 16 Abs. 5 TierSchG dürfen Hunde keinesfalls – auch nicht vorübergehend – an der Kette oder in sonst einem angebundenen Zustand gehalten werden.

3.2. Im gegenständlichen Fall hat der Rechtsmittelwerber selbst niederschriftlich angegeben, seinen Schäferhund, den er erst drei Tage zuvor geschenkt erhalten habe, am 16. Juni 2008 gegen 9.00 Uhr in P an einem Zaun angebunden zu haben, weil er kurz Freunde in Gmunden besuchen wollte, von denen er wusste, dass sich diese vor Hunden fürchten. Da er aber den Hund auch nicht alleine zu Hause lassen wollte, hätte er ihn gegen 11.00 wieder in P abholen wollen. Dort habe er ihn jedoch nicht mehr vorgefunden, weil er zwischenzeitlich in ein Tierheim verbracht worden sei (vgl. die im Akt der belangten Behörde erliegenden Niederschriften der BH Gmunden vom 18. Juni 2008, Zl. Pol20-50-2008, und der BH Kirchdorf vom 7. Juli 2008, Zl. Pol96-66-2008).

3.2.1. Aus dem von der belangten Behörde vorgelegten Akt lässt sich insgesamt jedenfalls nicht nachvollziehen, wann der Hund des Beschwerdeführers tatsächlich ins Tierheim Altmünster verbracht wurde. Dass das Verhalten des Rechtsmittelwerbers für den Hund – wie die Tierschutzombudsstelle in ihrer Stellungnahme vom 17. Juli 2008 ausführt – "mit hohem Stress und mit ungerechtfertigten Schmerzen, Leiden und Schäden verbunden" war, ist daher wohl bis zu einem gewissen Grade wahrscheinlich (im Sinne von: nicht gänzlich von der Hand zu weisen), aus beweisrechtlicher Sicht jedoch lediglich als eine Vermutung zu qualifizieren. Um dem Rechtsmittelwerber dieses Verhalten aber in Form eines Deliktes verwaltungsstrafrechtlich stichhaltig anlasten zu können, hätte die Behörde vielmehr sowohl den genauen Zeitpunkt als auch den tatsächlichen Zustand, in dem sich der Hund befand, als er in das Tierheim Altmünster überstellt wurde, ermitteln müssen. Beides ist jedoch offenkundig unterblieben, sodass es objektiv besehen schon auf der Tatbestandsebene an entsprechenden Nachweisen für einen Verstoß gegen § 5 Abs. 1 bzw. § 5 Abs. 3 Z. 10 TierSchG fehlt.

3.2.2. Dem gegenüber besteht der Vorwurf der Verletzung des § 16 Abs. 5 TierSchG im Ergebnis grundsätzlich zu Recht.

Abgesehen davon, dass der Beschwerdeführer selbst kein Argument dafür vorzubringen vermag, weshalb das Anbinden eines Hundes an einem Zaun nicht unter die vorgenannte Bestimmung zu subsumieren ist, könnte man dagegen allenfalls nur einwenden, dass unter "Haltung" eine bestimmte Form der Erziehung eines Tieres zu verstehen ist. Gegen eine derart einschränkende Interpretation spricht jedoch zum einen die Begriffsbestimmung des § 4 Z. 1 TierSchG, wonach als "Halter" allgemein jede Person anzusehen ist, die ständig oder vorübergehend für ein Tier verantwortlich ist oder ein solches in ihrer Obsorge hat; dieser weite Begriff der "Haltung" als ständige oder vorübergehende Verantwortung bzw. als Obsorge für ein Tier findet zum anderen gerade in § 16 Abs. 5 TierSchG seine Entsprechung, wonach es u.a. ausdrücklich verboten ist, Hunde auch bloß vorübergehend in einem angebundenen Zustand zu halten. Im Ergebnis verstößt somit jedes Anbinden eines Hundes – ausgenommen in jenen Fällen, in denen dies durch besondere bundesgesetzliche oder auch durch [infolge des sog. bundesstaatlich-kompetenzrechtlichen Rücksichtnahmegebotes zulässige] landesgesetzliche Ausnahmevorschriften explizit so angeordnet ist, wie z.B. die Leinenpflicht an öffentlichen Orten gemäß § 6 Abs. 1 und 2 des Oö. Hundehaltegesetzes, LGBl.Nr. 147/2002 i.d.F. LGBl.Nr. 124/2006 – gegen diese Bestimmung.

Da eine Ausnahmevorschrift wie die gerade erwähnte aber im gegenständlichen Fall nicht zum Tragen kommt, ist die Strafbarkeit des Rechtsmittelwerbers wegen eines Verstoßes gegen § 16 Abs. 5 TierSchG offensichtlich gegeben.

Allerdings findet sich die darauf bezügliche Strafnorm nicht – wie im Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses angegeben – in § 38 Abs. 1 Z. 1 TierSchG, sondern in § 38 Abs. 3 TierSchG, und zwar mit der daraus resultierenden wesentlichen Konsequenz, dass letztere Bestimmung einen erheblich geringeren Strafrahmen vorsieht.

3.3. Da seitens des Oö. Verwaltungssenates sowohl Ermittlungen dahin, wann und in welchem Zustand der Hund ins Tierheim verbracht wurde, als auch eine (Neu‑)Festsetzung des Strafausmaßes unter dem Aspekt, dass zum einen ein essentieller Teil der Tatanlastung gegenwärtig nicht als objektiv erwiesen angesehen werden kann und somit wegfällt und dass zum anderen der verbleibende Teil der Tatanlastung unter eine wesentlich geringere Strafdrohung als von der Behörde angenommen fällt, jeweils deshalb nicht in Betracht kommen, weil er ansonsten die von den Art. 129 ff B-VG festgelegte Funktion einer unabhängigen Entscheidungsinstanz verlassen und stattdessen in jene der anklagenden Partei wechseln würde – was mit Art. 6 Abs. 1 EMRK unvereinbar wäre -, kam sohin im Ergebnis nur die Aufhebung des angefochtenen Straferkenntnisses in Betracht.    

3.4. Insoweit war daher der gegenständlichen Berufung gemäß § 24 VStG i.V.m. § 66 Abs. 4 AVG stattzugeben.

Eine Einstellung hatte hingegen im Hinblick auf die derzeit noch offene Verfolgungsverjährungsfrist nicht zu erfolgen; ob bzw. in welchem Umfang das Verwaltungsstrafverfahren weitergeführt wird, hat vielmehr die belangte Behörde aus eigenem zu beurteilen.

4. Bei diesem Verfahrensergebnis war der Beschwerdeführerin nach § 66 Abs. 1 VStG weder ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde noch ein Kostenbeitrag zum Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat vorzuschreiben.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

Dr.  G r o f

Rechtssatz:

VwSen-300848/2/Gf/Mu/Ga vom 24. September 2008

§ 5 TierSchG; § 16 Abs. 5 TierSchG; § 38 TierSchG; § 6 Oö. HundehalteG;

Art. 129 ff B-VG; Art. 6 Abs. 1 EMRK

– Bloße Vermutung in diese Richtung, jedoch kein tauglicher Beweis dafür, dass der an einem Zaun angebundene Hund tatsächlich einem der in § 5 Abs. 1 TierSchG beschriebenen Zustände ausgesetzt war, wenn Ermittlungen darüber, zu welchem Zeitpunkt und in welchem Zustand der Hund nach diesem Anbinden ins Tierheim verbracht wurde, vollständig fehlen;

– Keine Hinweise darauf, dass der Begriff der "Haltung" i.S.d. § 16 Abs. 5 TierSchG eng dahin auszulegen wäre, dass darunter nur bestimmte Erziehungsmaßnahmen zu verstehen sind; daher verstößt jedes Anbinden eines Hundes – ausgenommen in jenen Fällen, in denen dies durch besondere bundesgesetzliche oder auch durch [infolge des bundesstaatlichen Rücksichtnahmegebotes zulässige] landesgesetzliche Ausnahmevorschriften explizit angeordnet ist, wie z.B. die Leinenpflicht an öffentlichen Orten gemäß § 6 Abs. 1 und 2 Oö. Hundehaltegesetz – gegen diese Bestimmung und ist gemäß § 38 Abs. 3 TierSchG (und nicht nach § 38 Abs. 1 Z. 1 TierSchG) strafbar;

Art. 129 ff B-VG, Art. 6 Abs. 1 EMRK: UVS als richterliches Organ, keine Funktion als Anklagebehörde; keine Kompetenz des UVS zur Nachholung fehlender, für die Beurteilung der Frage der Erfüllung des objektiven Tatbestandes jedoch unerlässlicher Ermittlungen bei noch offener Verfolgungsverjährungsfrist; keine Kompetenz zur (Neu‑)Festsetzung des Strafausmaßes bei Nichterwiesenheit eines wesentlichen Teiles der Tatanlastung und Notwendigkeit der Subsumtion des verbleibenden Teiles unter eine Strafbestimmung mit einem erheblich geringeren als von der belangten Behörde zu Grunde gelegten Strafrahmen.

 

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