Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-231012/2/BP/Wb

Linz, 22.09.2008

 

E r k e n n t n i s

(Bescheid)

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Dr. Bernhard Pree über die Berufung der M H, G, gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes des Bezirks Vöcklabruck vom 26. August 2008, GZ. Sich96-1020-2008, wegen Übertretung des Fremdenpolizeigesetzes 2005, zu Recht erkannt:

 

 

I.                  Der Berufung wird stattgegeben, das bekämpfte Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

 

II.              Die Berufungswerberin hat keinen Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem Oö. Verwaltungssenat zu leisten.

 

 

Rechtsgrundlagen:

Zu I.: §§ 24 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG iVm. § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG.

Zu II.: § 64 Abs. 1 und 2 iVm § 65 VStG

 

Entscheidungsgründe:

 

1.1.  Mit Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Vöcklabruck vom 26. August 2008, GZ.: Sich96-1020-2008, wurde über die Berufungswerberin (im Folgenden Bw) gemäß § 121 Abs. 2 Z. 2 iVm. § 32 Abs. 2 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG) eine Geldstrafe in Höhe von 40 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe 48 Stunden) verhängt, weil sie als Staatsbürgerin der Republik Kosovo trotz Aufforderung durch die zuständige Fremdenpolizeibehörde ihr Reisedokument nicht habe vorlegen können, da sie dieses nicht mit sich geführt habe bzw. da sie dieses nicht in einer solchen Entfernung von ihrem Aufenthaltsort verwahrt habe, dass seine Einholung ohne unverhältnismäßige Verzögerung erfolgen könne.

Begründend führt die belangte Behörde unter Darstellung der Rechtsgrundlagen im Wesentlichen aus, dass die Bw am 29. November 2006 illegal zu Fuß über Ungarn kommend in das Bundesgebiet eingereist sei und in der Folge für sich und ihre Tochter E H, geb.   , beim Bundesasylamt Außenstelle Eisenstadt einen Antrag auf Gewährung von Asyl gestellt habe. Die Bw habe dabei im besonderen angeführt, M H zu heißen, am 28. Oktober 1973 in Kopiliq i Eperm geboren zu sein und Staatsbürgerin von Serbien (Provinz Kosovo) zu sein. Zu diesem Zeitpunkt sei der Ehegatte der Bw bereits in Österreich aufhältig und im laufenden Asylverfahren gewesen. Die von der Bw behauptete Identität habe sie mangels eines Reisedokumentes oder eines entsprechenden Identitätsdokumentes nicht nachweisen können.

Der Asylantrag der Bw sei mit Bescheid des Bundesasylamtes Außenstelle Eisenstadt, Zl. 06 12.937 vom 23. April 2007, gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 abgewiesen und der Bw der Status der Asylberechtigten nicht zuerkannt worden. Darüber hinaus sei festgestellt worden, dass der Bw gem. § 8 Abs. 1 Z. 1 AsylG der Status der subsidär Schutzberechtigten im Bezug auf ihren Herkunftsstaat Serbien, Provinz Kosovo, nicht zuerkannt werde. Gleichgehend sei die Bw gemäß § 10 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet ausgewiesen worden. Die gegen diesen Bescheid eingebrachte Berufung sei mit Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 20. Mai 2008 rechtskräftig negativ finalisiert worden. Mit Schreiben der Bezirkshauptmannschaft Amstetten vom 20. Juni 2008 sei der Bw die Möglichkeit eingeräumt worden, ihrem somit illegalen Aufenthalt in Österreich zu beenden und in ihr Heimatland auszureisen. In der Folge habe die Bw die zugewiesene Unterkunft verlassen und sei mit ihrer Familie in die Illegalität abgetaucht.

Am 7. August 2008 sei die Bw gemäß dem Dublinabkommen von der Bundesrepublik Deutschland nach Österreich rücküberstellt worden. Sie sei in Folge am 7. August 2008 aufgefordert worden, ein Reisedokument vorzulegen; dieser Aufforderung sei sie nicht nachgekommen. Dies begründe die von der Bw begangene Verwaltungsübertretung nach dem FPG.

Die Strafverfügung der belangten Behörde vom 8. August 2008, GZ. Sich96-1020-2008 sei der Bw durch persönliche Übernahme am 8. August 2008 ordnungsgemäß zugestellt worden.

Gegen diese Strafverfügung der belangten Behörde vom 8. August 2008 habe die Bw persönlich am 21. August 2008 einen schriftlich verfassten Einspruch eingebracht.

In der Folge habe die Behörde gemäß § 49 Abs. 2 VStG das ordentliche Verfahren eingeleitet und mit Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Vöcklabruck am 26. August 2008, GZ.: Sich96-1020-2008, über die Bw gemäß § 121 Abs. 2 Z. 2 iVm. § 32 Abs. 2 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG) eine Geldstrafe in Höhe von 40 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe 48 Stunden) verhängt.

 

1.2. Mit Schriftsatz vom 8. September 2008 übermittelte die Bw eine Berufung an die belangte Behörde. Darin beantragte die Bw die Aufhebung des Straferkenntnisses, die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens sowie die Rückzahlung der von ihr bereits einbezahlten 40,- Euro in bar; in eventu die Reduktion der Strafhöhe auf die Mindeststrafe und die Rückzahlung der Differenz.

 

Zunächst führt die Bw aus, dass der Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet sei, da entgegen der einschlägigen Verwaltungsvorschriften dem Spruch des Straferkenntnisses die Identität der ihr zu Last gelegten Tat nicht feststellbar sei.

 

Darüber hinaus wird angeführt, dass es ihr unmöglich gewesen sei ein Reisedokument mit sich zu führen oder es so zu verwahren, dass es ohne Verzögerung eingeholt werden könne, da sie kein Reisedokument besitzen würde.

 

Sie habe aber die Ihr zur Verfügung stehenden maßgeblichen Dokumente, die Verfahrenskarte gem. § 50 AsylG, zur Feststellung der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts und der Identität ausgehändigt.

 

Abschließend wendet sich die Bw, in eventu, gegen die Strafhöhe, da diese unangemessen hoch sei.

 

 

2.1. Mit Schreiben vom 12. September 2008 übermittelte die belangte Behörde den bezughabenden Verwaltungsakt und erstattete eine umfangreiche Gegenschrift in welcher die Abweisung der Berufung, allenfalls die Durchführung einer mündlichen Verhandlung, beantragt wurde.

 

2.2. Der Oö. Verwaltungssenat erhob Beweis durch Einsichtnahme in den bezughabenden Verwaltungsakt. Nachdem sich daraus bereits ergibt, dass der angefochtene Bescheid aufzuheben war, war gemäß § 51e Abs.2 Z1 VStG von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung abstand zu nehmen.

 

2.3. Der entscheidungswesentliche Sachverhalt erist den Punkten 1.1 und 1.2. dieses Erkenntnisses zu entnehmen.

 

2.4. Da im angefochtenen Straferkenntnis im Einzelnen keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, ist der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich zur Entscheidung durch eines seiner Mitglieder berufen (§ 51c VStG).

 

 

3. Der Oö. Verwaltungssenat hat erwogen:

 

3.1.  Gemäß § 121 Abs. 2 Z. 2 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 begeht, wer sein Reisedokument nicht mit sich führt oder gemäß § 32 Abs. 2 verwahrt eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe bis zu 218 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu einer Woche, zu bestrafen.

 

Gemäß § 32 Abs. 2 leg cit sind Fremde verpflichtet, ihr Reisedokument mit sich zu führen oder in einer solchen Entfernung von ihrem jeweiligen Aufenthaltsort zu verwahren, dass seine Einholung (Abs. 1) ohne unverhältnismäßige Verzögerung erfolgen kann. Die Verzögerung ist noch verhältnismäßig, wenn

1. das Reisedokument innerhalb des Sprengels der Fremdenpolizeibehörde erster Instanz seines Aufenthaltes verwahrt wird oder

2.  die Einholung des Reisepasses voraussichtlich nicht länger als eine Stunde in Anspruch nehmen würde.

 

3.2. Gemäß § 44a des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 – VStG hat der Spruch, wenn er nicht auf Einstellung lautet, zu enthalten:

1. die als erwiesen angenommene Tat;

2. die Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist;

3. die verhängte Strafe und die angewendete Gesetzesbestimmung;

4. den etwaigen Ausspruch über privatrechtliche Ansprüche;

5.  im Fall eines Straferkenntnisses die Entscheidung über die Kosten.

 

Nach der vom Verwaltungsgerichtshof zu § 44a Z. 1 VStG entwickelten Judikatur ist die dem Beschuldigten angelastete Tat im Spruch des Straferkenntnisses so weit zu konkretisieren, dass eine eindeutige Zuordnung zu den Tatbestandsmerkmalen ermöglicht wird und die Identität der Tat unverwechselbar feststeht (vgl. VwSlg 11.466A/1984 und VwSlg 11.894A/1985, jeweils verstärkter Senat). Im Spruch sind alle wesentlichen Tatbestandsmerkmale anzuführen, die zur Individualisierung und Konkretisierung des inkriminierten Verhaltens notwendig sind. Insbesondere ist dabei die Identität der Tat (Ort, Zeit und die näheren Umstände) möglichst genau zu beschreiben. Das an Tatort- und Tatzeitumschreibung zu stellende Erfordernis ist daher nicht nur von Delikt zu Delikt (vgl. z.B. VwGH vom 14. Februar 1985, Zl. 85/02/0013), sondern auch nach den jeweils gegebenen Begleitumständen in jedem einzelnen Fall ein verschiedenes, weil an Rechtschutzüberlegungen zu messendes Erfordernis.

 

3.3. Im vorliegenden Fall finden sich im Spruch des angefochtenen Bescheides keinerlei Hinweise, die eine Konkretisierung der vorgeworfenen Tat in zeitlicher Hinsicht ermöglichen würde. Eine solche wäre aber zur näheren Konkretisierung des inkriminierten Verhaltens unbedingt erforderlich, da – betrachtet man nur den Spruch, die normative Anordnung – nicht feststellen kann, wann die Tat gesetzt wurde, was unter dem Aspekt der Verfolgungsverjährung aber entscheidend sein könnte. Die Spezifizierung "trotz Aufforderung der zuständigen Fremdenpolizeibehörde" gibt ebenfalls über die zeitliche Komponente des Vorwurfs keinen ausreichenden Aufschluss, da diese Aufforderung nicht näher ausgeführt wird.

 

Allerdings ist festzustellen, dass der Vorwurf der Tat in der Strafverfügung vom 8. August entsprechend konkretisiert wurde. Dort lautet dieser:

"Sie sind Staatsbürger d. Kosovo und wurden Sie am 07.08.2008 gemäß dem Dublinabkommen von der Bundesrepublik Deutschland nach Österreich rücküberstellt. Sie wurden in Folge im Zuge Ihrer Fremdenkontrolle am 07.08.2008 aufgefordert ein Reisedokument vorzulegen, welchem Sie nicht nachgekommen sind. Sie sind Fremder im Bundesgebiet der Republik Österreich und unterliegen Sie als Staatsbürger des Kosovo der Ausweispflicht in der europäischen Union, so auch im Bundesgebiet der Republik Österreich. Erneut wurden Sie seitens der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck am 08.08.2008 aufgefordert ein Reisedokument vorzulegen, wessen Sie ebenso nicht nachgekommen sind."

 

Da sich das Verwaltungsstrafverfahren noch innerhalb der sechsmonatigen Verfolgungsverjährungsfrist befindet, wäre nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine Berichtigung des Spruches zulässig, zumal die Tat in der ersten Verfolgungshandlung, der Strafverfügung – rechtskonform vorgeworfen wurde.

 

Es ist somit eine materielle Prüfung des Verhaltens der Bw vorzunehmen.

 

3.4. Unbestritten ist, dass die Bw während ihres gesamten Aufenhalts in Österreich über kein Reisedokument verfügte. Die belangte Behörde sieht nun insbesondere ein strafbares Verhalten darin, dass sich die Bw während ihres Aufenthalts in Österreich keinerlei "Ersatzreisedokument" besorgte, um ihrer Pflicht der Vorlage eines Reisedokumentes gemäß § 32 Abs. 2 FPG genüge zu tun. Es wird der belangten Behörde zugebilligt, dass eine Verfahrenskarte nach dem Asylgesetz kein Reisedokument iSd FPG darstellt. § 32 Abs. 2 FPG setzt allein schon aufgrund seiner Formulierung "ihr Reisedokument" voraus, dass es sich dabei um ein Reisedokument handelt, in dessen Besitz sich ein Fremder befindet. Es soll damit zweifelsfrei und berechtigt unterbunden werden, dass ein Fremder ein ihm zur Verfügung stehendes Dokument den österreichischen Behörden vorenthält.

 

Grundsätzlich könnte darauf der Schluss gezogen werden, dass Fremde die Verpflichtung haben, alles in ihr Macht stehende zu tun, um in den Besitz solcher Reisedokumente zu gelangen. Aus den Grundsätzen des Verwaltungsstrafverfahrens ergibt sich, dass ein inkriminiertes Verhalten klar umschrieben sein muss, um einer Strafbestimmung zu unterliegen. Im vorliegenden Fall fehlt jedoch eine Tatumschreibung, die ein mutwilliges Nichteinholen eines "Ersatzreisedokumentes" unter Strafe stellt. Daraus folgt, dass der Wortlaut des § 32 Abs. 2 FPG nicht dahingehend teleologisch erweitert werden kann, dass ein mutwilliges Verabsäumen der Einholung eines "Ersatzreisedokumentes" unter dieser Bestimmung subsumieren wäre.

 

Die Tatsache, dass sowohl der Ehegatte der Bw als auch sie selbst, die mit der Strafverfügung verhängte Geldstrafe bezahlten, kann grundsätzlich kein

Schuldeingeständnis geschlossen werden, da dies keinen Berufungsverzicht im Sinne des Verwaltungsvorschriften darstellt.

 

3.5. Aus den o.a. Gründen war der Berufung stattzugeben, das bekämpfte Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.

 

 

4. Bei diesem Ergebnis war der Bw weder ein Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor der belangten Behörde, noch vor dem Oö. Verwaltungssenat aufzuerlegen.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

 

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

 

Bernhard Pree

 

Rechtssatz:

 

VwSen-321012/2/BP/Wb

 

Straferkenntnis nach dem Fremdenpolizeigesetz

 

FPG § 121 Abs. 2 Z. 2 iVm § 32 Abs. 2;

 

Aus den Grundsätzen des Verwaltungsstrafverfahrens ergibt sich, dass ein inkriminiertes Verhalten klar umschrieben sein muss, um einer Strafbestimmung zu unterliegen. Im vorliegenden Fall fehlt jedoch eine Tatumschreibung, die ein mutwilliges Nichteinholen eines "Ersatzreisedokumentes" unter Strafe stellt.

 

Beschlagwortung:

siehe Rechtssatz

 

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