Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-400965/8/Fi/Wb

Linz, 30.09.2008

 

 

 

E r k e n n t n i s

(Bescheid)

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mit­glied Vizepräsident Mag. Dr. Johannes Fischer über die Be­schwerde des O D, vertreten durch Mag. M R, Diakonie Flüchtlingsdienst, W, wegen Rechtswidrigkeit der Anhaltung in Schubhaft durch den Bezirkshauptmann des Bezirks Vöcklabruck zu Recht erkannt:

I.                  Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen; gleichzeitig wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die Voraussetzungen für die Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft weiterhin vorliegen.

II.              Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Verfahrenspartei: Bezirkshauptmann des Bezirks Vöcklabruck) Kosten in Höhe von 271,80 Euro binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

 

Rechtsgrundlagen:

§§ 82 Abs 1 und 83 Abs 2 und 4 Fremdenpolizeigesetz 2005 – FPG (BGBl. I Nr. 100/2005 zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 4/2008) iVm. §§ 67c und 79a Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG und der UVS-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 334/2003.

 

Entscheidungsgründe:

1. Mit Bescheid des Bezirkshauptmanns des Bezirks Vöcklabruck vom 25. August 2008, Sich 40-2520-2008, wurde über den Beschwerdeführer (in der Folge: Bf) die Schubhaft zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer (durchführbaren) Ausweisung sowie zur Sicherung der Abschiebung gemäß § 76 Abs 2 Zif 2 FPG iVm. § 80 Abs 5 FPG iVm. § 57 AVG verhängt und durch Überstellung in das Polizeianhaltezentrum Wels am selben Tag vollzogen.

Begründend führt die belangte Behörde nach Darstellung der Rechtsgrundlagen im Wesentlichen aus, dass der Bf am 15. Juni 2008 illegal per Bahn – von Frankreich kommend – ins Bundesgebiet der Republik Österreich eingereist sei. Der Bf sei noch am gleichen Tag vor dem Bundesasylamt, Erstaufnahmestelle Ost, vorstellig geworden und habe einen Antrag auf Gewährung von internationalem Schutz gestellt. Im Rahmen der Einbringung seines Asylantrages sei der Bf nicht im Stande gewesen, ein Nationalreisedokument in Vorlage zu bringen.

Gleichgehend sei dem Bf für die Dauer des Asylzulassungsverfahrens eine bundesbetreute Unterkunft in der Erstaufnahmestelle Ost in 2514 Traiskirchen zur Verfügung gestellt worden.

Analog dazu seien dem Bf die Bestimmungen der Hausordnung, darunter insbesondere die Verpflichtung einer vorausgehenden Abmeldung, für den Fall dass der Bf die Erstaufnahmestelle Ost länger als 24 Stunden verlässt, zur Kenntnis gebracht worden. Dazu sei dem Bf auch mitgeteilt worden, dass ein längerfristiges ungerechtfertigtes Fernbleiben eine Unterkunftsaufgabe bedeute und eine unverzügliche polizeiliche Anmeldung des Bf zu Folge haben würde.

Im Zuge der geführten Erhebungen sei mittels Abgleich der Fingerabdrücke des Bf in Erfahrung gebracht worden, dass der Bf – ehe er illegal ins Bundesgebiet der Republik Österreich eingereist sei – bereits am 9. Oktober 2007 in Lublin (Polen), sowie in weiterer Folge am 26. Oktober 2007 in Frankreich und demzufolge in bereits zwei verschiedenen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union, jeweils einen Asylantrag eingebracht habe.

Mit Schriftsatz des Bundesasylamtes, Erstaufnahmestelle Ost, vom 18. Juni 2008, Zl. 08 05.194, sei dem Bf in weiterer Folge gemäß § 29 Abs 3 Z 4 AsylG 2005 mitgeteilt worden, dass beabsichtigt sei, seinen Asylantrag vom 15. Juni 2008 gemäß § 5 AsylG 2005 zurückzuweisen. Gleichgehend sei dem Bf zur Kenntnis gebracht worden, dass Konsultationen gemäß dem Dubliner Abkommen mit Polen seit dem 18. Juni 2008 geführten werden und ein Ausweisungsverfahren aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Polen gegen den Bf eröffnet worden sei. Dieses zitierte Schreiben sei dem Bf am 19. Juni 2008 in der Erstaufnahmestelle Ost nachweislich ausgefolgt worden.

Das seitens der österreichischen Asylbehörde zum Asylantrag des Bf eingeleitete Wiederaufnahmeersuchen an Polen sei von den polnischen Asylbehörden zunächst bis zum 4. Juli 2008 unbeantwortet geblieben. Nach fruchtlosem Verstreichen der im Konsultationsverfahren gemäß den Bestimmungen des Dubliner Übereinkommens streng geregelten Antwort-Frist gehe die Zuständigkeit zur Übernahme des Asylwerbers sowie die Zuständigkeit zur Prüfung des anhängigen Asylantrages an den säumigen Mitgliedsstaat der EU – im Fall des Bf mit Wirkung vom 4. Juli 2008 an den EU-Staat Polen – über.

Polen habe schließlich noch verspätet der Übernahme des Bf zugestimmt und habe sich gemäß den Bestimmungen des Dubliner Abkommens bereit erklärt, zu der Person des Bf ein Asylverfahren durchzuführen.

Der Bf habe jedoch in weiterer Folge am 22. August 2008 um 14.37 Uhr die im Rahmen des Asylzulassungsverfahrens zugewiesene bundesbetreute Unterkunft (Erstaufnahmestelle Ost, Otto-Glöckl-Straße 24, 2514 Traiskirchen) ohne Abmeldung dauerhaft und demzufolge ungerechtfertigt verlassen.

Durch das Verhalten des Bf habe sich dieser sowohl dem weiteren Zugriff der österreichischen Asylbehörde im anhängigen Asyl- und Ausweisungsverfahren als auch dem weiteren Zugriff der österreichischen Fremdenpolizeibehörde für eine darauf folgende Überstellung von Österreich nach Polen entzogen.

Am 24. August 2008, um 7.49 Uhr, sei der Bf als Insasse eines Reisezuges am Bahnhof in Vöcklabruck von Beamten der Polizeiinspektion Vöcklabruck zum Verlassen des Zuges aufgefordert worden, nachdem seitens des Zugbegleiters zur Anzeige gebracht worden sei, dass der Bf in diesem Reisezug zuvor randaliert habe. Nachdem in weiterer Folge die Personalien und der Verfahrensstand im Asyl- und Ausweisungsverfahren des Bf überprüft worden sei, sei der Bf  gegen 8.35 Uhr von Beamten der Polizeiinspektion Vöcklabruck – im fernmündlichen Auftrag der fremdenpolizeilichen Rufbereitschaft der BH Vöcklabruck – auf der Dienststelle der Polizeiinspektion Vöcklabruck zwecks Anordnung der Schubhaft nach den Bestimmungen des FPG festgenommen worden.

Nachdem aufgrund des geschilderten Sachverhalts zu befürchten sei, dass sich der Bf – auf freiem Fuß belassen – dem weiteren Zugriff der Behörde unverzüglich neuerlich entziehen werde, sei zur Sicherung der Erlassung einer Ausweisungsentscheidung sowie zur Sicherung der Durchsetzung dieser – demzufolge zur Sicherung der Abschiebung des Bf nach Polen – die Anhaltung des Bf in der Schubhaft unbedingt erforderlich.

Seitens der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck werde festgehalten, dass der Bf sich gegenwärtig – nachdem er nicht im Besitz eines Aufenthaltsrechtes für Österreich sei – unberechtigt im Bundesgebiet aufhalte.

Mangels eines polizeilich gemeldeten Wohnsitzes sei der gegenwärtige Aufenthalt des Bf zudem nicht nur als unrechtmäßig sondern auch als unstet zu bezeichnen.

Darüber hinaus sei der Bf – abgesehen eines gegenwärtig in seinem Besitz stehenden Bargeldbetrages in der Höhe von 145,- Euro – mittellos.

Seitens der Behörde gelte es weiters festzuhalten, dass gegen den Bf ein gültiges Einreise- und Aufenthaltsverbot im Gebiet der Schengener Staaten – erlassen vom Mitgliedsstaat Polen – vorliege.

Der Bf habe durch sein einschlägiges Verhalten – er sei illegal von Frankreich kommend ins Bundesgebiet der Republik Österreich eingereist und entfernte sich dem Zugriff der österreichischen Asyl- und Fremdenpolizeibehörden indem er die Erstaufnahmestelle Ost nach unbekannt verlassen habe und in die Illegalität abgetaucht sei – bereits zu erkennen gegeben, dass er offensichtlich in keiner Weise gewillt sei, die Rechtsordnung des Gastlandes Österreich im Bereich des Fremdenrechts zu respektieren. Das Verhalten des Bf verdeutliche vielmehr in eindrucksvoller Art und Weise, dass er offensichtlich kein Interesse an einem rechtsstaatlichen Abschluss seines in Österreich angestrengten Asylbegehrens habe. Der Bf bevorzuge stattdessen ein Leben in der Illegalität in Österreich und habe sich durch sein Verhalten dem Zugriff der Asyl- als auch der Fremdenpolizeibehörde entzogen.

Die bisher vom Bf gewählte Verhaltenweise (insbesondere die Reiseroute innerhalb der Europäischen Union: Polen – Frankreich – Österreich) sei jedenfalls als klassischer "Asyltourismus" zu bezeichnen und lasse erkennen, dass der Bf auch zukünftig nicht gewillt sein werde sich zur Verfügung der österreichischen Asyl- und Fremdenpolizeibehörde zu halten. Es sei daher zu befürchten, dass der Bf sich – auf freiem Fuß belassen – dem weiteren Zugriff der Behörde unverzüglich neuerlich entziehen werde. Zur Sicherung des Ausweisungsverfahrens bis zu seiner Durchführbarkeit und Durchführung der Abschiebung sei die Anhaltung des Bf in Schubhaft unbedingt erforderlich.

Nachdem dem Bf nunmehr bekannt sei, dass durch sein angestrengtes Asylverfahren keine entsprechende Hoffnung auf eine Legalisierung seines illegalen Aufenthalts bestehe und eine Ausweisung des Bf von Österreich nach Polen beabsichtigt sei, sei von der Anwendung gelinderer Mittel Abstand zu nehmen und ein konkreter und vor allem sehr akuter Sicherungsbedarf zu bejahen.

Familiäre und/oder soziale Bezugspunkte zu Österreich habe der Bf – abgesehen eines im Bundesgebiet wohnhaften Onkels – nicht ins Treffen gebracht.

Ein gelinderes Mittel würde zudem die Gefahr beinhalten, dass der Bf – nach einem erneuten Abtauchen in die Illegalität – dem österreichischen Staat finanziell weiters zur Last fallen könnte. Da der Bf seinen Unterhalt im Bundesgebiet bestreiten müsste, sei die Gefahr sehr groß, dass er dies – zumindest zum Teil – auf illegale Art und Weise bewerkstelligen und straffällig werden würde.

Abschließend geht die Behörde von einem konkreten und akuten Sicherungsbedarf des Bf aus.

2.1. In der vorliegenden Beschwerde vom 22. September 2008, eingelangt beim Oö. Verwaltungssenat per Telefax am selben Tag, wurde auf eine beiliegende Vollmacht der Mag. M R, Diakonie Flüchtlingsdienst, verwiesen, die jedoch dem Schreiben nicht beigeschlossen war.

2.1.1. Dies stellt einen Mangel gemäß § 13 Abs 3 AVG dar. Nach dieser Bestimmung hat die Behörde von Amts wegen, unverzüglich die Behebung eines Mangels zu veranlassen und kann die Behebung des Mangels mit der Wirkung auftragen werden, dass das Anbringen nach fruchtlosem Ablauf einer gleichzeitig zu bestimmenden, angemessenen Frist zurückgewiesen wird.

Es erging daher seitens des Oö. Verwaltungssenates am 24. September 2008 ein Verbesserungsauftrag gemäß § 13 Abs 3 AVG, in welchem Frau Mag. M R aufgefordert wurde, bis spätestens 1. Oktober 2008 (Einlangen beim Oö. Verwaltungssenat) die Vollmacht im Original dem Oö. Verwaltungssenat vorzulegen.

 

Auf die mit einem Verbesserungsauftrag verbunden Fristfolgen gemäß § 83 Abs 3 FPG wurde hingewiesen.

 

2.1.2. Eine entsprechende Vollmacht für Frau Mag. M R wurde dem Oö. Verwaltungssenat im Rahmen der postalischen Übermittlung der Beschwerde (Eingang beim Oö. Verwaltungssenat am 25. September 2008) vorgelegt bzw. in Beantwortung des Verbesserungsauftrags am 29. September 2008 via Fax nachgereicht.

 

2.2. In der Beschwerde werden die Anträge gestellt, der Unabhängige Verwaltungssenat möge

1. die Festnahme,

2. die Verhängung der Schubhaft und

3. die Anhaltung in Schubhaft seit dem 14.2.2008 (gemeint wohl 24.8.2008) für rechtswidrig erklären sowie, in eventu

4. aussprechen, dass die Voraussetzung für die Fortsetzung der Schubhaft nicht vorliegen sowie

5. den Kostenersatz im Umfang der anzuwendenden Pauschalersatzverordnung zuerkennen.

Begründend wird in der Beschwerde zunächst ausgeführt, dass der Bf am 15. Juni 2008 in Österreich eingereist sei und am selben Tag in Traiskirchen einen Asylantrag gestellt habe. Das Asylverfahren sei derzeit beim Asylgerichtshof anhängig. Bei der Einreise in Österreich sei der Bf noch minderjährig gewesen. Der Bf habe zu seinem Onkel, der in Österreich als Flüchtling anerkannt sei, gewollt. In Polen sei der Bf auch gemeinsam mit diesem Onkel, bei dem er seit seinem 4. Lebensjahr nach dem Tod seines Vater aufgewachsen war, gewesen. Da der Onkel den Bf in Polen rasch in Sicherheit habe bringen wollen, schickte er den Bf zu einem weiteren Onkel in Deutschland vor. Der Schlepper brachte den Bf nach Frankreich, wo er überhaupt keine Verwandten habe. Der in Österreich wohnhafte Onkel sei bis zum Eintritt der Volljährigkeit des Bf am 21. Juli 2008 obsorgeberechtigt gewesen. Die Bescheinigung über die Obsorgeberechtigung sei im Asylverfahren vorgelegt worden.

Der Bf habe am 22. August einen Freund in Salzburg besuchen wollen und habe sich beim Infopoint der Betreuungsstelle in Traiskirchen erkundigt, wie lange er die Betreuungsstelle verlassen dürfe. Dem Bf sei mitgeteilt worden, dass er nach 48 Stunden Abwesenheit abgemeldet werde. Der Bf habe am Freitag, den 22. August 2008 gegen 15.00 Uhr die Betreuungsstelle verlassen und sei mit dem Zug zu einem Freund in Salzburg gefahren. Am Sonntag, den 24. August 2008 sei er um 5.00 Uhr in der Früh aufgestanden, um rechtzeitig die Fahrt zurück nach Traiskirchen anzutreten. Der Bf habe gewusst, dass er spätestens am Sonntag Nachmittag in der Betreuungsstelle in Traiskirchen sein müsse. Unterwegs nach Traiskirchen sei der Bf im Zug festgenommen und gegen ihn die Schubhaft verhängt worden.

Die Feststellung der Behörde, dass der Bf die ihm zugewiesene bundesbetreute Unterkunft ohne Abmeldung dauerhaft und demzufolge ungerechtfertigt verlassen habe, sei nicht richtig. Der Bf habe sich beim Infopoint der Betreuungsstelle erkundigt und sei zum Zeitpunkt seiner Festnahme in der Betreuungsstelle aufrecht gemeldet gewesen. Die Abmeldung sei am Montag, den 25. August 2008 erfolgt. Der Bf hätte auch vorgebracht, dass er auf den Weg dorthin sei.

Weiters lasse die Behörde ganz wesentliche Punkte, die im Sinn der gebotenen Einzelfallprüfung zu berücksichtigen gewesen wären, außer Betracht. So habe der Bf unmittelbar nach seiner Einreise nach Österreich einen Asylantrag gestellt, dabei sei er von sich aus mit den österreichischen Behörden in Kontakt getreten und  habe wahrheitsgemäße Angaben über seine Identität und den Ablauf seiner bisherigen Flucht gemacht. Der Bf sei seit seiner Ankunft in Österreich in der Betreuungsstelle Traiskirchen untergebracht gewesen und habe bis zum Zeitpunkt seiner Festnahme und Schubhaftverhängung noch keinen Bescheid im Asylverfahren erhalten.

Der Bf habe keinesfalls vorgehabt, die ihm zugewiesene Unterbringung des Bundes zu verlassen und in die Anonymität unterzutauchen, sondern wollte die – nach der Information des Infopoint – 48 Stunden bis zur elektronischen Abmeldung nutzen, um einen Freund zu besuchen.

Der Bf habe weiters in Österreich – seinen Onkel – eine Bezugsperson, weshalb der Schluss, dass sich der Bf der Vollstreckung fremdpolizeilicher Maßnahmen entziehen werde, nicht nachvollziehbar sei.

2.2. Die belangte Behörde hat dem Unabhängigen Verwaltungssenat den dort geführten Verwaltungsakt am 23. September 2008 übermittelt und eine kostenpflichtige Abweisung der Schubhaftbeschwerde beantragt.

2.3. Der Asylgerichtshof hat der Beschwerde gegen die Entscheidung des Bundesasylamts aufschiebende Wirkung zuerkannt; eine inhaltliche Entscheidung steht jedoch noch aus.

2.4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich, der zur Entscheidung durch eines seiner Mitglieder berufen ist (§ 83 Abs 2 FPG), hat nach Einsicht in den vorgelegten Verwaltungsakt festgestellt, dass bereits aus der Aktenlage in Verbindung mit der eingebrachten Beschwerde der Sachverhalt (siehe die diesbezüglichen Ausführungen unter den Punkten 1. und 2) hinlänglich geklärt erscheint. Da im Wesentlichen Rechtsfragen zu klären waren, konnte von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden.

3.1. Gemäß § 82 Abs 1 FPG hat der Fremde das Recht, den Unabhängigen Verwaltungssenat mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen,

  1. wenn er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist;
  2. wenn er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz oder das Asylgesetz 2005 angehalten wird oder wurde, oder
  3. wenn gegen ihn die Schubhaft angeordnet wurde.

Gemäß § 83 Abs 1 FPG ist der Unabhängige Verwaltungssenat zur Entscheidung zuständig, in dessen Sprengel der Bf festgenommen wurde.

 

Gemäß § 83 Abs 4 FPG hat der Unabhängige Verwaltungssenat, sofern die Anhaltung noch andauert, jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen. Im Übrigen hat er im Rahmen der geltend gemachten Beschwerdepunkte zu entscheiden.

 

3.2. Es ist unbestritten, dass der Bf aufgrund des Bescheides des Bezirkshauptmannes von Vöcklabruck vom 25. August 2008 bis dato in Schubhaft angehalten wird, weshalb der Oö. Verwaltungssenat binnen einer Woche – im konkreten Fall ab 25. September 2008 (Eingang der Beschwerde samt Vollmacht im Postwege) – zur Entscheidung berufen ist.

 

Nachdem sich der Bf zur Zeit der Entscheidung des Oö. Verwaltungssenates noch in Schubhaft befindet, war gemäß § 83 Abs 4 FPG eine umfassende Prüfung der Anhaltung und des ihr zu Grunde liegenden Bescheides vorzunehmen.

 

3.3. Gemäß § 76 Abs 2 FPG kann die örtlich zuständige Fremdenpolizeibehörde über einen Asylwerber oder einen Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, Schubhaft zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung gemäß § 10 AsylG 2005 oder zur Sicherung der Abschiebung anordnen, wenn

1.     gegen ihn eine durchsetzbare – wenn auch nicht rechtskräftige – Ausweisung (§ 10 AsylG 2005) erlassen wurde;

2.     gegen ihn nach den Bestimmungen des AsylG 2005 ein Ausweisungsverfahren eingeleitet wurde;

3.     gegen ihn vor Stellung des Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare Ausweisung (§§ 53 oder 54) oder ein durchsetzbares Aufenthaltsverbot (§ 60) verhängt worden ist oder

4.     aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung und der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass der Antrag des Fremden auf internationalen Schutz mangels Zuständigkeit Österreichs zur Prüfung zurückgewiesen werden wird.

 

Die Schubhaft ist nach dem § 76 Abs 3 FPG grundsätzlich mit Mandatsbescheid gemäß § 57 AVG anzuordnen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zur Erlassung des Bescheides aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft.

 

Gemäß § 77 Abs 1 FPG kann die Behörde von der Anordnung der Schubhaft Abstand nehmen, wenn sie Grund zur Annahme hat, dass deren Zweck durch die Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden kann. Gegen Minderjährige hat die Behörde gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn, sie hätte Grund zur Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann.

Zum Zeitpunkt der Schubhaftverhängung war der Bf, wie sich unwidersprochen aus der Aktenlage ergibt, Asylwerber. Gemäß § 76 Abs 2 FPG kann Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung über Asylwerber nur verhängt werden, wenn einer der in den Ziffern 1 bis 4 angeführten Fälle gegeben ist.

Im konkreten Fall hat sich die belangte Behörde bei der Schubhaftverhängung auf § 76 Abs 2 Z 2 FPG gestützt und dies im Wesentlichen damit begründet, dass dem Bf mit Schriftsatz des Bundesasylamtes, Erstaufnahmestelle Ost vom 18. Juni 2008, Zl. 08 05.194 mitgeteilt wurde, dass beabsichtigt sei, seinen Asylantrag zurückzuweisen. Gleichgehend wurde dem Bf zur Kenntnis gebracht, dass Konsultationen gemäß dem Dubliner Abkommen mit Polen geführt werden und ein Ausweisungsverfahren aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Polen eingeleitet wurde. Damit lag entsprechend § 76 Abs 2 Z 2 FPG die Voraussetzung des eingeleiteten Ausweisungsverfahrens vor, sodass grundsätzlich eine Schubhaftverhängung rechtlich möglich war.

3.4. Nach der neueren und nunmehr ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs (VwGH) sind allerdings sämtliche Schubhafttatbestände des § 76 Abs 2 FPG final determiniert. Sie rechtfertigen die Verhängung von Schubhaft nur "zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung gemäß § 10 AsylG 2005 oder zur Sicherung der Abschiebung". Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) hat darüber hinaus in seinem Erkenntnis vom 15. Juni 2007, B 1330/06 und B 1331/06, klargestellt, dass die Behörden in allen Fällen des § 76 Abs 2 FPG unter Bedachtnahme auf das verfassungsrechtliche Gebot der Verhältnismäßigkeit verpflichtet sind, eine einzelfallbezogene Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Sicherung des Verfahrens und der Schonung der persönlichen Freiheit des Betroffenen vorzunehmen. Im Ergebnis bedeutet dies, dass die Schubhaft auch dann, wenn sie auf einen der Tatbestände des § 76 Abs 2 FPG gestützt werden soll, stets nur ultima ratio sein darf (vgl. dazu das Erkenntnis des VwGH vom 30. August 2007, Zl. 2007/21/0043).

Die Verhängung der Schubhaft erweist sich als rechtswidrig, wenn diese Maßnahme aus Gründen des Einzelfalls in Abwägung mit insbesondere verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten unverhältnismäßig ist oder an deren Stelle seitens der Fremdenpolizeibehörde gelindere Mittel iSd § 77 Abs 1 hätten angewendet werden können. Diesbezüglich ist das in dieser Bestimmung vom Wortlaut "kann" vorgesehene Ermessen für die Behörde eingeschränkt und muss jeweils einer strengen Verhältnismäßigkeitsprüfung unterzogen werden.

 

3.5. Aus den unbestritten gebliebenen Annahmen der belangen Behörde sowie der Aktenlage sind insbesondere folgende Umstände zu berücksichtigen, die im Sinn der Rechtsprechung der Höchstgerichte bzw. des Unabhängigen Verwaltungssenats den gesetzlich geforderten Sicherungsbedarf im konkreten Fall ergeben:

 

 

-         Der Bf hat sich – wie unter Punkt 1.1. dargestellt – in der Vergangenheit seinem Asylverfahren sowohl in Polen wie auch in Frankreich durch Untertauchen in die Illegalität entzogen.

 

-         Der Bf hat sich im Bewusstsein, dass beabsichtigt ist, seinen Antrag auf internationalen Schutz zurückzuweisen (Verfahrensanordnung des Bundesasylamtes gem. 29 Abs. 3 Z. 4 AsylG 2005; siehe auch die Niederschrift im
Asylverfahren vom Juni 2008) entgegen der Hausordnung der Erstaufnahmestelle Ost (siehe Pkt 9 dieser Hausordnung [Verordnung des Bundesasylamtes zur Erlassung einer Hausordnung für die Betreuungseinrichtungen des Bundes]), ohne entsprechende Abmeldung von der Erstaufnahmestelle für einen 24 Stunden übersteigenden Zeitraum entfernt und sich somit dem Zugriff der Fremdenpolizeibehörde entzogen. Der Oö. Verwaltungssenat folgt daher der Annahme der Behörde, dass sich der Bf dem behördlichen Zugriff entzogen hat bzw. diesen zumindest erschwert hat (vgl. VwGH vom 8. September 2005, 2005/21/0100; so auch VwGH vom 28. Mai 2008, 2007/21/0246).

 

-         Der Bf stellte sich nach Verlassen der Erstaufnahmestelle nicht selbst, sondern wurde im Zuge einer Amtshandlung festgenommen (Beamte der Polizeiinspektion Vöcklabruck wurden ihrem Bericht vom 24. August 2008 zu Folge zum Bahnhof beordert, da sich in einem Zug ein "Randalierer" befinde und sich die Schaffner nicht mehr helfen können – dabei handelte es sich um den Bf). Bei der Behauptung, dass sich der Bf im Zeitpunkt seiner Festnahme auf dem Bahnweg zurück in die EAST Traiskirchen befand, muss von einer Schutzbehauptung ausgegangen werden, wofür insbesondere spricht, dass der Bf keine gültige Zugkarte mit sich führte, aus der sich dieses Reiseziel ergibt.

 

-         Der Bf hat die Bestätigung der Übernahme des Schubhaftbescheides verweigert, was indiziert, dass der Bf nicht mehr gewillt ist, am fremdenpolizeilichen Verfahren entsprechend mitzuwirken.

 

Auch wenn die einzelnen angeführten Punkte für sich allein keinen Sicherungsbedarf erkennen lassen mögen, so liegen im vorliegenden Fall konkrete und stichhaltige Gründe kumuliert vor, welche die Prognose rechtfertigen, dass sich der Bf – trotz oder wegen seiner angegebenen Beziehung zu einem in Österreich befindlichen Onkel – dem weiteren fremdenpolizeilichen Verfahren entziehen werde. Die Prognoseentscheidung seitens der Behörde bezüglich eines drohenden Abtauchens des Bf in die Illegalität ist aufgrund des bisherigen Verhaltens des Bf als schlüssig begründet anzusehen. Auch im aktuellen Fall musste die belangte Behörde davon ausgehen, dass der Bf den Ausgang des Asylverfahrens – erneut – nicht abwarten würde (vgl. VwGH vom 28. Juni 2007, 2006/21/0091)

 

Die In-Haft-Nahme und die Anhaltung des Bf war und ist somit nicht als bloß rein präventive Vorbereitungshandlung für die Abschiebung anzusehen, sondern aufgrund des Verhaltens des Bf zu deren Sicherung notwendig. Angesichts des gegebenen Sachverhalts hatte die belangte Behörde auch keinen Grund zur Annahme, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden kann. Damit scheidet die Anordnung gelinderer Mittel über den Bf gemäß § 77 FPG aus.

3.6. Die Verhängung der Schubhaft wie auch die folgende Anhaltung sind somit im Ergebnis verhältnismäßig, da bei der gegebenen Sachlage, insbesondere dem oben näher geschilderten bisherigen und auf dieser Basis zu prognostizierenden Verhalten des Bf festgestellt und erwartet werden kann, dass in diesem Fall ein überwiegendes Interesse des Staates an einem geordneten Fremdenwesen und damit am Schutz und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung dem Recht des Bf auf Schutz der persönlichen Freiheit gegenüber steht.

Es bestehen aufgrund der gegebenen Sachlage konkrete Anhaltspunkte dafür, dass sich der Bf – wenn ihm dies möglich wäre – unverzüglich den fremdenpolizeilichen Maßnahmen durch Untertauchen in die Illegalität entziehen würde, zumal mittlerweile auch der Asylantrag durch das Bundesasylamt zurückgewiesen wurde. Damit liegen auch im Zeitpunkt der Entscheidung des Unabhängigen Verwaltungssenats die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vor.

3.7. Soweit das asylgerichtliche Verfahren nunmehr insoweit fortgeschritten ist, dass der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuerkannt wurde, ist auf die bisherige Rechtsprechung des erkennenden Senats hinzuweisen, wonach die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung für eine Beschwerde gegen den Asylbescheid durch den Asylgerichtshof zwar die Vollstreckbarkeit der Ausweisung im Wege der Abschiebung sistiert, aber allein deshalb die Fremdenpolizeibehörde nicht hindert, – bei Vorliegen eines Sicherungsbedarfs – den Asylwerber weiterhin in Schubhaft anzuhalten (vgl. VwSen-400955/Gf/Mu/Ga vom 17. Juli 2008).

3.8. Die Anhaltung in Schubhaft erfolgt im Rahmen der nach § 80 FPG festgelegten Fristen. Abgesehen davon, dass die Fristen des § 80 Abs 5 FPG eingehalten sind – es liegt weder eine rechtskräftige Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz, noch eine Entscheidung des Asylgerichtshofs vor – liegt die gegenwärtige Anhaltung auch innerhalb der Frist des § 80 Abs 2 FPG. § 80 Abs 2 FPG normiert, dass die Schubhaft so lange aufrechterhalten werden kann, bis der Grund für ihre Anhaltung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann. Grundsätzlich wird hier eine zweimonatige Höchstgrenze festgelegt. Der Bf wird gegenwärtig erst wenige Wochen in Schubhaft angehalten, weshalb diese gesetzlich normierte zweimonatige Frist – soweit sie in diesem Fall überhaupt Relevanz hat – noch nicht zum Tragen kommt.

Das Ziel der Schubhaft, die Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung und Sicherung der Abschiebung, ist zum Entscheidungszeitpunkt durchaus erreichbar, da Polen zur Rückübernahme des Bf verpflichtet ist.

 

3.9. Es sind keinerlei Umstände bekannt, die einer weiteren Anhaltung des Bf in Schubhaft entgegenstehen würden, weshalb die Beschwerde vom 25. September 2008 als unbegründet abzuweisen und gleichzeitig auszusprechen ist, dass auch die Voraussetzungen für die Anhaltung in Schubhaft weiterhin vorliegen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

4. Bei diesem Verfahrensergebnis war dem Bund als Rechtsträger, für den die belangte Behörde eingeschritten ist, nach § 79a Abs 1, Abs 3 und Abs 4 Z 3 AVG iVm. § 1 Z 3 und 4 der UVS-Aufwandsersatzverordnung (BGBl. II Nr. 334/2003) ein Aufwandersatz in Höhe von insgesamt 271,80 Euro (Vorlageaufwand: 51,50 Euro, Schriftsatzaufwand: 220,30 Euro) zuzusprechen.

Im Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 13,20 Euro angefallen; ein entsprechender Zahlschein liegt bei.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

Johannes Fischer

Rechtssatz:

 

VwSen-400965/8/Fi/Wb vom 30.9.2008

 

Schubhaft

 

FPG § 76 Abs. 2 Z. 2

 

Entfernung aus der Erstaufnahmestelle für einen 24 Stunden übersteigenden Zeitraum – Verstoß gegen die Hausordnung -  ist ein Indiz für einen konkreten Sicherungsbedarf

 

Beschlagwortung:

siehe Rechtssatz

 

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