Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-110835/7/Wim/Ps

Linz, 30.09.2008

 

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mit­glied Dr. Leopold Wimmer über die Berufung des Herrn O O S, O, vertreten durch F Rechtsanwälte GmbH, H, S, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Schärding vom 14. Jänner 2008, Zl. VerkGe96-117-2006, wegen einer Verwaltungsübertretung nach dem Güterbeförderungsgesetz 1995 zu Recht erkannt:

 

 

I.            Der Berufung wird keine Folge gegeben und das Straferkenntnis bestätigt.

 

II.        Der Berufungswerber hat als Kostenbeitrag zum Berufungs­verfahren den Betrag von 290,60 Euro, das sind 20 % der verhängten Geldstrafe, zu leisten.

 

 

Rechtsgrundlagen:

zu I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG iVm §§ 24, 5, 19 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG.

zu II.: § 64 Abs.1 und 2 VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

 

1.      Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde über den Berufungswerber gemäß § 23 Abs.1 Z8 Güterbeförderungsgesetz 1995 (GütbefG) iVm Art. 3 Abs.1 der Verordnung (EWG) Nr. 881/92 in der Fassung der Verordnung (EG) Nr. 484/2002 eine Geldstrafe in der Höhe von 1.453 Euro, im Nichteinbringungsfall eine Ersatzfreiheitsstrafe von 67 Stunden sowie ein 10%iger Verfahrenskosten­beitrag verhängt.

 

Im Einzelnen wurde ihm vorgeworfen:

 

"Sie haben als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit gemäß § 9 Abs. 1 VStG zur Vertretung nach außen Berufener der B-Transport- und SpeditionsgmbH (Unternehmer) mit dem Sitz in K, S, am 28.06.2006 gegen 08.05 Uhr, auf der Innkreis-Autobahn A8, bei Strkm 75,400, Gemeindegebiet Suben, mit dem Sattelzugfahrzeug mit dem deutschen Kennzeichen und dem Sattelanhänger mit dem deutschen Kennzeichen, deren Summe der höchsten zulässigen Gesamtgewichte insgesamt 3.500 kg überstiegen hat, Zulassungsbesitzer des Zugfahrzeuges: B-Transport- und SpeditionsgmbH, K, S, Lenker: U E, eine gewerbsmäßige Beförderung von Gütern (Sammelgut) von der Türkei durch Österreich mit einem Zielort in Deutschland (grenzüberschreitender gewerblicher Güterkraftverkehr) durchgeführt, ohne dafür gesorgt zu haben, dass die gemäß der Verordnung (EWG) Nr. 881/92 erforderliche Fahrerbescheinigung mitgeführt wurde."

 

 

2.      Dagegen wurde fristgerecht Berufung erhoben, der angefochtene Bescheid seinem ganzen Inhalt nach angefochten und beantragt, dass das Verwaltungsstrafverfahren gegen den Beschuldigten eingestellt wird.

 

Zusammengefasst wurde im Wesentlichen vorgebracht, dass dem erstinstanzlichen Bescheid nicht zu entnehmen sei, warum die Behörde erster Instanz von einem gewerblichen Gütertransport über die Grenze ausgehe. Weiters fehle jegliche Feststellung darüber, wann und wo die Fahrt begonnen wurde und ob der Lenker über eine Fahrerbescheinigung verfügte bzw. verfügen konnte. Weiters fehle die Feststellung, ob der Lenker überhaupt zur Aushändigung der Fahrerbescheinigung aufgefordert worden sei.

 

Überdies habe die Behörde erster Instanz gar nicht versucht, den Meldungsleger, den Lenker oder den Beschuldigten einzuvernehmen.

 

Bei der Strafbemessung sei unklar geblieben, warum den Beschuldigten an der vermeintlichen Verwaltungsübertretung ein Verschulden treffe und warum spezial- oder generalpräventive Gründe eine Bestrafung des Beschuldigten erfordern würden.

 

Überdies bestehe gar keine Verpflichtung, eine Fahrerbescheinigung mit sich zu führen. Der Lenker habe seinen ordentlichen Wohnsitz in der Türkei und sei auch dort beschäftigt und bestehe kein Dienstverhältnis zum Unternehmen des Berufungswerbers.

Bei der Verpflichtung, eine Fahrerbescheinigung mitzuführen, handle es sich um eine neue Beschränkung des Dienstleistungsverkehrs entgegen dem Zusatzprotokoll des zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei im Jahre 1993 abgeschlossenen Assoziationsabkommens. Weiters würden von den deutschen Behörden in solchen Fällen keine Fahrerbescheinigungen ausgestellt werden und könne dies daher auch strafrechtlich nicht sanktioniert werden.

 

Das Mitführen der Fahrerbescheinigung stehe mit dem Einsatz der Fahrer in einem untrennbaren Zusammenhang, sodass aufgrund der Bestellung von Herrn E U zum verantwortlich Beauftragten der Beschuldigte hiefür jedenfalls nicht verwaltungsstrafrechtlich verantwortlich sei.

 

Ein bereits in dieser Sache geführtes Verwaltungsstrafverfahren wegen einer Übertretung gemäß § 7 Abs.1 Z1 iVm § 23 Abs.1 Z3 und Abs.4 GütbefG sei vom Unabhängigen Verwaltungssenat mit Erkenntnis vom 2. Jänner 2008, Zl. VwSen-110768/26, aufgehoben worden mit der Begründung, dass das Tatverhalten unter § 23 Abs.1 Z8 GütbefG zu subsumieren sei. Die Behörde erster Instanz habe ursprünglich mit Aufforderung zur Rechtfertigung am 17. Juni 2006 auch einen entsprechenden Strafvorwurf erhoben. Nachfolgend habe sie allerdings ausdrücklich festgehalten, dass dem Beschuldigten eine Verwaltungsübertretung gemäß § 7 Abs.1 Z1 iVm § 23 Abs.1 Z3 und Abs.4 GütbefG zur Last gelegt werde. Es sei ihr daher verwehrt, nun auf den ursprünglich geltend gemachten Strafvorwurf zurückzugreifen.

 

 

3.1.   Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den erstinstanzlichen Verfahrensakt sowie den Bezugsakt Zl. VwSen-110768. Überdies wurde eine in diesem Bezugsverfahren aufgenommene Verhandlungsschrift dem Berufungswerber übermittelt mit dem Ersuchen bekanntzugeben, da es sich inhaltlich um die selbe Verwaltungs­strafsache handelt, ob gemäß § 51e Abs.5 und § 51g Abs.3 Z4 VStG und dem Grundsatz der Verfahrensökonomie auf eine neuerliche mündliche Verhandlung verzichtet wird und der Verwendung der Niederschrift zugestimmt werde. Der Rechtsvertreter des Berufungswerbers hat mit Stellungnahme vom 8. September 2008 mitgeteilt, dass er auf die Abhaltung einer neuerlichen öffentlichen Verhandlung verzichtet und der Verwendung dieser Niederschrift zustimmt, dies deswegen da zu erwarten sei, dass die beantragten Zeugen E und U nicht zu der Verhandlung anreisen würden. Letzterer habe das Unternehmen zu Anfang dieses Jahres verlassen und sei in die Türkei zurückgekehrt.

 

3.2.   Der Unabhängige Verwaltungssenat geht von dem im Spruch beschriebenen Sachverhalt aus. Der Transport wurde von Istanbul nach Langenbach in Deutschland durchgeführt. Eine gültige beglaubigte Abschrift der Gemeinschaftslizenz wurde mitgeführt und vorgewiesen. Über Aufforderung konnte der Lenker keine Fahrerbescheinigung vorweisen. Der Lenker war bei einer türkischen Firma beschäftigt und hat über einen Agenturvertrag Transporte für die Firma B ausgeführt.

 

 

3.3.   Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus dem erstinstanzlichen Verfahrensakt sowie auch aus den glaubwürdigen Aussagen des einvernommenen Zeugen Insp. J B in der öffentlichen mündlichen Verhandlung vom 5. Juli 2007 im Akt Zl. VwSen-110768. Aus den in Kopie im Akt aufliegenden Frachtpapieren ergibt sich, dass die Firma B als Frachtführer tätig war und somit einen gewerblichen Gütertransport durchgeführt hat. Auch der Anfang und das Ziel des Transportes sind im Frachtbrief festgehalten. Dass der Lenker aufgefordert wurde, eine Fahrerbescheinigung auszuhändigen, ergibt sich aus der Polizeianzeige sowie aus den Aussagen des einvernommenen Inspektors.

 

 

4.      Der Unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

 

4.1.   Gemäß § 23 Abs.1 Z8 GütbefG begeht, abgesehen von gemäß dem V. Hauptstück der GewO 1994 zu ahndenden Verwaltungsübertretungen, eine Verwaltungsübertretung, die mit einer Geldstrafe bis zu 7.267 Euro zu ahnden ist, wer als Unternehmer nicht dafür sorgt, dass die gemäß der Verordnung (EWG) Nr. 881/92 erforderlichen Gemeinschaftslizenzen oder Fahrerbe­scheinigungen mitgeführt werden.

 

Strafbar ist nach Abs.1 Z3, Z6, Z8 oder Z11 ein Unternehmer auch dann, wenn er die in §§ 7 bis 9 genannten Verpflichtungen oder die in der Verordnung (EWG) Nr. 881/92 normierten Gebote und Verbote im Ausland verletzt. Örtlich zuständig ist  diesfalls jene Behörde, in deren Sprengel der Lenker im Zuge einer Straßenkontrolle betreten wird, sonst jene Behörde, in deren Sprengel der Grenzübertritt in das Bundesgebiet erfolgt (§ 23 Abs.3 leg.cit.).

 

Gemäß § 23 Abs.4 leg.cit. hat bei Verwaltungsübertretungen gemäß Abs.1 Z3 und Z8 bis Z11 sowie bei Verwaltungsübertretungen gemäß § 366 Abs.1 Z1 GewO 1994 die Geldstrafe mindestens 1.453 Euro zu betragen.

 

Gemäß § 25 Abs.2 GütbefG ist, soweit in diesem Bundesgesetz auf die Verordnung (EWG) Nr. 881/92 verwiesen wird, diese Verordnung geändert durch die Verordnung (EG) Nr. 484/2002 anzuwenden.

 

Gemäß Art.3 der Verordnung (EWG) Nr. 881/92 idF der Verordnung (EG) Nr. 484/2002 (kurz: EU-VO genannt), unterliegt der grenzüberschreitende Verkehr einer Gemeinschaftslizenz in Verbindung – sofern der Fahrer Staatsangehöriger eines Drittstaates ist – mit einer Fahrerbescheinigung.

 

Gemäß Art.3 Abs.3 EU-VO wird die Fahrerbescheinigung von einem Mitgliedstaat gemäß Art.6 jedem Verkehrsunternehmer ausgestellt, der Inhaber einer Gemeinschaftslizenz ist und der in diesem Mitgliedstaat Fahrer, die Staatsangehörige eines Drittstaates sind, rechtmäßig beschäftigt oder Fahrer rechtmäßig einsetzt, die Staatsangehörige eines Drittstaates sind und ihm als Arbeitskraft gemäß den Bestimmungen zur Verfügung gestellt werden, die in diesem Mitgliedstaat für die Beschäftigung und die Berufsausbildung von Fahrern durch Rechts- und Verwaltungsvorschriften und gegebenenfalls Tarifverträge nach den in diesem Mitgliedstaat geltenden Vorschriften festgelegt wurden.

 

4.2. Im Grunde des erwiesenen Sachverhaltes wurde der gewerbliche Gütertransport unter Verwendung einer gültigen Gemeinschaftslizenz – eine gültige beglaubigte Abschrift der Gemeinschaftslizenz wurde mitgeführt und vorgewiesen – durchgeführt, allerdings wurde die Fahrt durch einen türkischen Staatsangehörigen als Lenker vorgenommen und bestand eine Fahrerbescheinigung für diesen Lenker nicht. Es wurde daher der objektive Tatbestand der vorgeworfenen Verwaltungsübertretung erfüllt, weil nach den obzitierten Bestimmungen bei Verwendung eines Fahrers, welcher Staatsangehöriger eines Drittlandes ist, der grenzüberschreitende Güterverkehr einer Gemeinschaftslizenz in Verbindung mit einer Fahrerbescheinigung unterliegt und sohin der Berufungswerber als Unternehmer dafür zu sorgen gehabt hätte, dass vom eingesetzten Lenker eine Fahrerbescheinigung mitgeführt wird.

 

Diese Übertretung hat der Berufungswerber aber auch in subjektiver Hinsicht zu verantworten. Gemäß § 5 Abs.1 VStG genügt, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nichts anderes bestimmt, zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.

Auch die gegenständliche Verwaltungsübertretung gehört zu den Ungehorsamsdelikten und reicht daher fahrlässige Tatbegehung, die vermutet wird, für eine Strafbarkeit aus. Eine Entlastung ist dem Berufungswerber hingegen nicht gelungen. Insbesondere hat der Berufungswerber kein Vorbringen gemacht, welche Maßnahmen er getroffen hat, die mit gutem Grund die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften erwarten lassen.

Als redlicher Transportunternehmer hätte der Berufungswerber Kenntnis davon haben müssen, dass eine Fahrerbescheinigung vonnöten ist, die auch mitzuführen ist. Er hätte entsprechende rechtliche Schritte, nötigenfalls auch Rechtsmittel in Deutschland zur Ausstellung einer Fahrerbescheinigung ergreifen müssen. Dass er solches angestrebt hat, wird von ihm nicht behauptet, vielmehr begründet er seine diesbezügliche Untätigkeit mit der zu drohenden Erfolglosigkeit. Es hat der Berufungswerber somit auch in subjektiver Hinsicht zu verantworten, dass ein gewerblicher Gütertransport über die Grenze durch einen türkischen Lenker ohne Fahrerbescheinigung vorgenommen wurde.

 

4.3. Wenn der Berufungswerber in seiner Berufung vermeint, dass Firmen mit Agenturverträgen – wie im gegenständlichen Fall nicht unter den Geltungsbereich der Verordnung (EG) Nr. 484/2002 fallen, ist zum einen auf das jüngst ergangene Urteil des Bundesverwaltungsgerichtshofes vom 13. September 2007, BVerwG 3 C 49.06, VGH 2 UE 2037/05, hinzuweisen. Diesem Urteil liegt ein dem Beschwerdefall gleichgelagerter Sachverhalt zugrunde. Unter Hinweis auf die Bestimmung des Art. 3 Abs.3 der Verordnung (EG) Nr. 484/2002 ist Voraussetzung für die Erteilung der Bescheinigung, dass der Fahrer rechtmäßig beschäftigt ist oder rechtmäßig eingesetzt wird, wobei letzteres heißt, dass er gemäß den Bestimmungen zur Verfügung gestellt wird, die in Deutschland für die Beschäftigung solcher Fahrer durch Rechts- und Verwaltungsvorschriften festgelegt wurden. In Randnummer 13ff legt das Bundesverwaltungsgericht ausführlich und nachvollziehbar dar, dass die Erlaubnispflicht für die Überlassung des türkischen Fahrers durch die türkische Tochterfirma nicht wegen der besonderen Stellung entfällt, die türkische Arbeitnehmer im Hinblick auf das Assoziierungsabkommen EWG – Türkei genießen. Ebenso wenig scheidet eine Erlaubnispflicht deswegen aus, weil das dem Einsatz des Fahrers zugrunde liegende Rechtsverhältnis nicht als Arbeitnehmerüberlassung zu qualifizieren wäre. Es wird dargelegt, dass das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz vor der Stillhalteklausel des Zusatzprotokolls in Kraft getreten ist. Auch sieht das Bundesverwaltungsgericht in der Erstattung der Personalkosten und dem durch die Verleihtätigkeit mittelbar zu erzielenden wirtschaftlichen Vorteil Gewerbsmäßigkeit gegeben. Das Konzernprivileg hingegen kommt nicht zum Tragen, weil wesentlicher Inhalt der Arbeitsverhältnisse ist, dauerhaft für die deutsche Firma zu arbeiten, weshalb eine vorübergehende Arbeitnehmerüberlassung zu verneinen ist. Leistet ein Lenker eine Arbeit dauerhaft in einem in Deutschland ansässigen Unternehmen, liegt es nahe, dass mit dieser Gestaltung die inländischen arbeits- und sozialrechtlichen Standards unterlaufen werden sollen, die im Falle einer Anstellung im Inland gelten würde. Gerade dies soll durch die Vorschriften des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes verhindert werden. "Die gewählte Gestaltung läuft auch dem Zweck der EG-Bestimmungen zur Fahrerbescheinigung zuwider, die erklärtermaßen ungesicherten Beschäftigungsverhältnissen und zu niedrigen Löhnen und daraus resultierenden Gefährdungen der Verkehrssicherheit und Wettbewerbs­verzerrungen entgegenwirken sollen (vgl. Erhebungsgründe 6 und 7 zu der Verordnung [EG] Nr. 484/2002)".

Zum anderen hat sich auch der Verwaltungsgerichtshof in seinem jüngst ergangenen Erkenntnis vom 26. März 2008, Zl. 2007/03/0221, zu den vom Berufungswerber erhobenen Einwendungen in einem gleichgelagerten Fall sehr ausführlich und richtungsweisend geäußert. Unter anderem heißt es dort:

"Was 'grenzüberschreitender Verkehr' im Sinne von Art.1 Abs.1 bzw Art.3 Abs.1 VO bedeutet, wird in Art.2 festgelegt. Danach gelten als 'grenzüberschreitender Verkehr' im Sinne dieser Verordnung nicht nur Fahrten eines Fahrzeuges, bei denen sich der Ausgangspunkt und der Bestimmungsort in zwei verschiedenen Mitgliedstaaten befinden, sondern auch Fahrten eines Fahrzeuges, bei denen sich der Ausgangspunkt in einem Mitgliedstaat und der Bestimmungsort in einem Drittland (oder umgekehrt) befindet, sowie auch Fahrten eines Fahrzeugs zwischen Drittländern mit Durchfahrt durch das Gebiet eines oder mehrerer Mitgliedstaaten.

Ausgehend von dieser Begriffsbestimmung ist nächst festzuhalten, dass hinsichtlich der beschwerdegegenständlichen Güterbeförderung (von der Türkei nach Deutschland) ein 'grenzüberschreitender Verkehr' im Sinne von Art.2 VO vorliegt, der somit gemäß Art.1 Abs.1 und 2 leg.cit. jedenfalls hinsichtlich der innerhalb Österreichs zurückgelegten Wegstrecke der genannten Verordnung unterliegt: In Österreich fand keine Be- oder Entladung statt, weshalb die Regelung nach Art.1 Abs.2 leg.cit. diesbezüglich nicht zum Tragen kommt.

 

Die Regelung nach Art.1 Abs.2 VO stellt also insofern die Ausnahme von der durch die Verordnung grundsätzlich zu bewirkenden innergemeinschaftlichen Dienstleistungsfreiheit dar, führt aber nicht dazu, dass bei Transporten, die über mehrere Mitgliedstaaten in ein Drittland führen, entgegen der Regelung des Art.1 Abs.1 VO die genannte Verordnung gar nicht anzuwenden wäre.

Die Richtigkeit dieses Ergebnisses wird schließlich noch dadurch unterstrichen, dass bei anderer Lesart der Anwendungsbereich für die durch die Verordnung (EG) Nr. 484/2002 eingeführte Fahrerbescheinigung ein sehr schmaler wäre, was im Gegensatz zu den dargestellten Erwägungsgründen stehen dürfte: Ziel der zuletzt erwähnten Verordnung sei es doch gewesen, den Einsatz von 'regelwidrig' – 'in ungesicherten Beschäftigungsverhältnissen und zu niedrigen Löhnen' – beschäftigten Fahrern einzudämmen, was nicht nur der Verkehrssicherheit, sondern vor allem auch dem Wettbewerb zwischen den Verkehrsunternehmen zu Gute komme. Wäre nun bei einer Beförderung nach einem Drittland der innergemeinschaftliche Verkehr generell nicht von der Neuregelung erfasst, hätte dies zur Konsequenz, dass gerade für den Einsatz von Fahrern aus Drittländern 'anfällige' Fälle, also Transporte von dem oder in den Heimatstaat des Fahrers nicht erfasst wären; angesichts der dargestellten Erwägungen kann ein solches Ergebnis dem Normsetzer nicht zugesonnen werden.

 

Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) hat in seinem über ein Vorabentscheidungsersuchen des deutschen Bundessozialgerichts ergangenen Urteil vom 21. Oktober 2003, Rs C-317/01, Rs C-369/01, ausgeführt, dass Art.13 des Beschlusses Nr.1/80 auf türkische Staatsangehörige nur dann anzuwenden ist, wenn diese sich im Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats nicht nur ordnungsgemäß, sondern auch während eines hinreichend langen Zeitraumes aufhalten, um sich dort schrittweise integrieren zu können.

Handelt es sich also um Fernfahrer türkischer Staatsangehörigkeit, die bei einem Unternehmen in der Türkei angestellt sind, deren Familien in der Türkei wohnen und die sich nur im Mitgliedstaat aufhalten, um aus der Türkei stammende Waren dorthin einzuführen und dort zu entladen oder dort Waren aufzunehmen, um sie in die Türkei zu befördern und die nach jeder Fahrt in die Türkei zurückkehren, wo sie mit ihrer Familie wohnen und das Unternehmen, bei dem sie beschäftigt sind und von dem sie entlohnt werden, seinen Sitz hat, fehle es an der Absicht, sich in dem Arbeitsmarkt des Mitgliedstaats zu integrieren, weshalb Art.13 des Beschlusses Nr. 1/80 auf eine derartige Situation nicht anzuwenden sei (Rn 89ff).

Hingegen ist nach dem erwähnten Urteil Art.41 Abs.1 des Zusatzprotokolls auf grenzüberschreitende Gütertransporte aus der Türkei auf der Straße anzuwenden, wenn Leistungen im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats erbracht werden. Es können sich auf Art.41 Abs.1 des Zusatzprotokolls nicht nur Unternehmen mit Sitz in der Türkei, die Dienstleistungen in einem Mitgliedstaat erbringen, sondern auch die Beschäftigten solcher Unternehmen berufen, um sich gegen eine neue Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs zu wenden. Art.41 Abs.1 des Zusatzprotokolls verbietet es, im nationalen Recht eines Mitgliedstaats für die Erbringung von Dienstleistungen im Inland durch ein Unternehmen mit Sitz in der Türkei den Besitz einer Arbeitserlaubnis vorzuschreiben, wenn eine solche Arbeitserlaubnis nicht bereits beim Inkrafttreten dieses Zusatzprotokolls erforderlich war.

 

Entscheidend für die Vereinbarkeit mit Art.41 Abs.1 des Zusatzprotokolls ist vielmehr, ob durch die innerstaatlichen Normen ('Rechts- und Verwaltungsvorschriften und gegebenenfalls Tarifverträge', vgl. Art.3 Abs.3 VO) weitergehende Beschränkungen für den Einsatz türkischer Fernfahrer festgelegt wurden, als sie bei Inkrafttreten von Art.41 Abs.1 des Zusatzprotokolls (in Deutschland nach der Ratifizierung durch den Bundestag am 1. Jänner 1973 in Kraft getreten) bestanden haben."

 

Diesbezüglich wird daher auf das oben zitierte Urteil des Bundesverwaltungs­gerichts­hofes vom 13. September 2007, BVerwG 3 C 49.06, VGH 2 UE 2037/05, hingewiesen, wonach das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz vor der Stillhalteklausel des Zusatzprotokolls in Kraft getreten ist.

Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass der Berufungswerber, der für den gegenständlichen Transport einen drittstaatsangehörigen Fahrer eingesetzt hat, gemäß Art.6 Abs.3 und 4 VO verpflichtet war, dem Fahrer die entsprechende Fahrerbescheinigung zur Verfügung zu stellen.

 

4.4.   Die Erstbehörde ist zu Recht davon ausgegangen, dass für die gegenständliche Übertretung eine wirksame Bestellung eines verantwortlich Beauftragten nicht zustande gekommen ist. Aus der Übertragungsurkunde, in der Herr U die Verantwortung für den Einsatz und die Schulung der Fahrer, für den ordnungsgemäßen Zustand der eingesetzten Fahrzeuge sowie für die ordentliche Beladung derselben übernimmt, ist nicht ohne weiteres abzuleiten, dass darunter auch das Mitführen der Fahrerbescheinigungen verstanden werden müsste. Im Sinne der, wie bereits von der Erstbehörde angeführten, Judikatur muss ein klar abgegrenzter sachlicher Verantwortungsbereich bereits aus dem Zustimmungsnachweis ohne weitere Erhebungen durch die Strafbehörde hervorgehen.

Überdies wurde die derartige Vereinbarung erst mit einer Ergänzung der Berufung am 2. Mai 2007 vorgelegt, während die erste Stellungnahme in diesem Strafverfahren vom Berufungswerber bereits am 27. Oktober 2006 erfolgt ist. Somit ist offensichtlich auch der Berufungswerber selbst zunächst nicht davon ausgegangen, dass es hier zu einem Übergang der Verantwortlichkeit gekommen ist.

 

4.5.   Nachdem die Erstbehörde das nunmehrige Verwaltungsstrafverfahren nicht ausdrücklich eingestellt hat, war eine Bestrafung der nunmehrigen Übertretung gemäß § 23 Abs.1 Z8 GütbefG möglich und zulässig, zumal sie noch innerhalb der gesetzlichen Verjährungsfristen erfolgt ist.

 

4.6.   Zur Strafbemessung wird Nachstehendes ausgeführt:

Gemäß § 19 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat (Abs.1).

Im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) sind überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des StGB sinngemäß anzuwenden.

Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

 

Die belangte Behörde ist von einem monatlichen Nettoeinkommen von 1.500 Euro, keinem Vermögen und keinen Sorgepflichten ausgegangen. Die belangte Behörde hat auf den besonderen Unrechtsgehalt der Verwaltungs­übertretung und auf das Verschulden hingewiesen, insbesondere ist darauf Bedacht zu nehmen, dass mangels einer Fahrerbescheinigung eine Kontrollmöglichkeit grenzüber­schreitender Transporte eingeschränkt wird. Es wurde gegen den Berufungswerber die Mindeststrafe verhängt. Angesichts des Unrechts- und Schuldgehalts der Tat ist diese gerechtfertigt und war zu bestätigen. Spezial- und generalpräventive Gründe für diese Bestrafung liegen sehr wohl vor, da sich in der Praxis zeigt, dass diese unzulässige Art der Durchführung von Gütertransporten ohne Fahrer­bescheinigungen regelmäßig und häufig von Transportunternehmern durchgeführt wird und sowohl diese allgemein als auch der Berufungswerber im Besonderen durch die verhängte Strafe davon abgehalten werden sollen.

Eine außerordentliche Milderung nach § 20 VStG kommt nicht in Betracht, da ein Überwiegen der Milderungsgründe nicht vorgelegen ist. Auch liegt kein geringfügiges Verschulden vor, zumal das Verhalten des Berufungswerbers nicht erheblich hinter dem in der jeweiligen Strafdrohung zum Ausdruck kommenden Unrechts- und Schuldgehalt der Tat zurückbleibt. Es war daher die verhängte Geldstrafe und Ersatzfreiheitsstrafe zu bestätigen. 

 

 

5.      Weil die Berufung keinen Erfolg hatte, war ein Kostenbeitrag zum Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat gemäß § 64 VStG in der Höhe von 20 % der verhängten Geldstrafe festzusetzen.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

Dr. Leopold Wimmer

 

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