Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-530762/24/Re/Sta

Linz, 01.10.2008

 

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Werner Reichenberger über die Berufung der H B- und V GmbH, F, vertreten durch die H-W Rechtsanwälte GmbH, R, G, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Freistadt vom 11. Oktober 2007, Ge20-60-2007, betreffend die Verfügung einer einstweiligen Zwangs- und Sicherheitsmaßnahme gemäß § 360 Abs.1 GewO 1994 für den Standort P, Gst. Nr.  der KG. P, zu Recht erkannt:

 

 

Der bekämpfte Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Freistadt vom
11. Oktober 2007, Ge20-60-2007, wird behoben.

 

 

Rechtsgrundlagen:

§§ 66 Abs.4, 67a Abs.1 und 67d Abs.1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 -  AVG;

§§ 359a und 360 Abs.1 Gewerbeordnung 1994 - GewO 1994.

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

Die Bezirkshauptmannschaft Freistadt als im gegenständlichen Verfahren belangte Behörde hat mit dem Bescheid vom 11. Oktober 2007, Ge20-60-2007, gegenüber der H B- und V GmbH, F, für den Schlachthofbetrieb auf dem Gst. Nr.  der KG. P in P, B, die Anlieferung und Schlachtung von mehr als 600 Schweinen pro Woche untersagt. Dies im Wesentlichen mit der Begründung, es bestehe der Verdacht einer Verwaltungsübertretung nach § 366 Abs.1 Z3 GewO 1994, weil die Anlage vom verantwortlichen Geschäftsführer insofern in genehmigungs­pflichtiger Weise geändert und nach der Änderung betrieben worden sei, als die laut gewerberechtlichem Genehmigungsbescheid zulässige Anzahl von Schweineschlachtungen wesentlich überschritten werde und damit eine Emissionserhöhung bewirkt werde. Ein Verwaltungsstrafverfahren sei bereits eingeleitet worden. Mit Schreiben vom 11. Juli 2007, Ge20-60-2007, sei die Konsensinhaberin bereits aufgefordert worden, gemäß § 360 Abs.1 GewO 1994 den der Rechtsordnung entsprechenden Zustand binnen 2 Wochen herzustellen. Von der Behörde seien für die Monate Oktober 2006 bis Anfang Oktober 2007 wöchentliche Schlachtzahlen ermittelt worden, welche im Bescheid wochenweise angeführt werden und zum großen Teil wöchentliche Schlachtzahlen von deutlich über 600, in den überwiegend angeführten Wochen deutlich über 1.000 und zum Teil sogar über 1.800 bzw. 1.900 darstellen. Die belangte Behörde stellt fest, dass somit die laut Betriebsanlagengenehmigung zulässige Anzahl von 600 Schweineschlachtungen pro Woche laufend wesentlich überschritten worden sei. Die genehmigte Anzahl von 600 Schweinen ergebe sich aus den Betriebs­anlagenverfahrensakten in Bezug auf die gegenständliche Anlage. Das gewerbliche Betriebsanlagengenehmigungsverfahren sei ein Projektsverfahren, dem die in § 353 genannten Einreichunterlagen zu Grunde zu legen sind. Die Behörde sei an den Inhalt des Ansuchens (Antrag) gebunden. Wirtschaftliche Überlegungen seien nicht anzustellen. Die Betriebsbeschreibung müsse die Faktoren enthalten, die für die Beurteilung von zu erwartenden Immissionen von Bedeutung seien. Nachstehende Bescheide lägen der Anlage zu Grunde:

 

-         Bescheid vom 11. Juli 1976, Ge-306-1976: Errichtung der gegenständlichen gewerblichen Betriebsanlage durch G F.

-         Für die Beurteilung des Konsensumfanges wesentliche Änderungen der Betriebsanlage: Bescheide vom 6. August 1984, Ge-06/58-1983, vom
27. August 1985 und vom 30. April 1998 ("Projekt 1998) Ge20-31-1998. Wesentliche Inhalte dieser Genehmigungen und Zitate aus dem Verfahren sind im bekämpften Bescheid angeführt.

 

Hingewiesen wird von der belangten Behörde auch auf die bestehende wasserrechtliche Bewilligung für die Indirekteinleitung aus dem Jahr 1993, die sich in der Verhandlungsschrift und im technischen Bericht darauf bezieht, dass im gegenständlichen Betrieb eine Schlachtung sowie eine Grob- und Feinzerlegung von Schweinen und Rindern erfolge und Schlachttage in der Regel Montag, Mittwoch und Donnerstag seien, wobei max. 200 Schweine oder bis zu 50 Rinder gestochen bzw. geschlachtet würden. Daraus errechne sich eine wöchentliche Kapazität von entweder 600 Schweinen oder 450 Rindern, was auch aus den technischen Unterlagen ableitbar sei.

 

Auch aus den gewerberechtlichen Genehmigungsunterlagen sei davon auszugehen, dass eine Zahl von max. 600 pro Woche angelieferter und geschlachteter Schweine konsensmäßig sei.

 

Zitiert werden auch Aussagen aus Berufungsentscheidungen des Landeshauptmannes von Oberösterreich bzw. des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich.

 

Demnach sei bereits mit Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 10. Mai 2002, Ge-44279/3-2002, begründend festgestellt worden, die Anlagenbetreiberin müsse in einem Änderungsprojekt die neue Emissionssituation, verbunden mit den erhöhten Schlachtzahlen im Rahmen eines Antrages um Erteilung der gewerbebehördlichen Genehmigung der Änderung der Anlage darstellen und in diesem Projekt geeignete Mittel zur Hintanhaltung von unzumutbaren Geruchs- oder Lärmbelästigungen bzw. Gesundheitsgefährdungen vorsehen. Diese Entscheidung sei von der nunmehrigen Berufungswerberin nicht bekämpft worden und in Rechtskraft erwachsen.

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich habe mit Erkenntnis vom 14. Oktober 2004, VwSen-530214/4, eine Entscheidung der belangten Behörde betreffend die max. Schlachtung von 2.400 Schweinen pro Woche behoben und sei hinsichtlich des Konsenses ganz klar von 600 Schweinen bzw.  300 Rindern pro Woche ausgegangen. Wesentliche Passagen dieses Erkenntnisses werden im bekämpften Bescheid zitiert.

 

Weiters sei mit Erkenntnis des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 4. August 2005, VwSen-530260/80, eine Berufung der Konsenswerberin gegen eine einstweilige Zwangsmaßnahme der belangten Behörde vom 7. Dezember 2004, Ge20-61-2001, gemäß § 360 Abs.1 GewO 1994, womit unter anderem die Untersagung der Anlieferung und Schlachtung von mehr als 600 Schweinen ausgesprochen wurde, die Schweineschlachtungen betreffend als unbegründet abgewiesen werden. Wesentliche Passagen auch dieser Berufungsentscheidung des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich werden – soweit sie sich mit der wesentlichen Zahl von 600 Schweinen befasst – im nunmehr bekämpften Bescheid der belangten Behörde zitiert und wird auf dieses Erkenntnis auch im Rahmen dieser Berufungsentscheidung in der Folge einzugehen sein. Bereits in diesem Erkenntnis habe der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich festgestellt:

"Das gegenständliche Berufungsverfahren hat keine Ergebnisse hervorgebracht, die Änderungen dieser Aussagen des Unabhängigen Verwaltungssenates erforderlich machen würden. Der Unabhängige Verwaltungssenat sieht daher keinen Grund, der von der belangten Behörde ausgesprochenen Beschränkung der Schlachtkapazität von mehr als 600 Schweinen pro Woche entgegenzutreten."

 

Die belangte Behörde stellt in der Folge ausdrücklich fest, dass auch auf dieses Erkenntnis des Unabhängigen Verwaltungssenates vom 4. August 2005, VwSen-530260/80/Re/Sta, ausdrücklich verwiesen werde, da keinerlei Änderung des Sachverhaltes zur gegenständlichen einstweiligen Zwangmaße eingetreten sei. Im Verfahren seien umfassende Zeugeneinvernahmen im Rahmen der durchgeführten mündlichen Verhandlungen durchgeführt worden, obwohl schon auf Grund der Aktenlage die genehmigten Kapazitäten zur wöchentlichen Schweineschlachtung klar festgestellt werden konnten. Die umfassenden Zeugeneinvernahmen hätten kein anderes Ergebnis als die beweisfeststehende Aktenlage bringen können. Die Behandlung der dagegen erhobenen Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof wurde von diesem mit Beschluss vom 28. November 2005, B 1268/05, abgelehnt und an den Verwaltungsgerichtshof abgetreten. Der Verwaltungsgerichtshof habe mit Beschluss von 29. März 2006, 2006/04/0003 – 5, das Verfahren eingestellt.

Die Konsensinhaberin habe in der Folge neuerlich mit Schlachtungen begonnen, den bestehenden Konsens überschritten und weder die erforderliche gewerbebehördliche Änderungsgenehmigung für die Kapazitätsausweitung bei der Schweineschlachtung erwirkt, noch einen Antrag auf Erteilung einer solchen Genehmigung bei der Behörde gestellt. Wegen festgestelltem nicht konsensgemäßen Betrieb der Betriebsanlage in Bezug auf die Schweineschlachtung sei daher die das genehmigte Maß von 600 Schweinen pro Woche übersteigende Anzahl von Schweineschlachtungen zu untersagen gewesen.

 

Gegen diesen Bescheid hat die Konsensinhaberin, vertreten durch die H-W Rechtsanwälte GmbH, R, G, mit Schriftsatz vom 16. Oktober 2007, bei der belangten Behörde eingelangt am 17. Oktober 2007 und somit innerhalb offener Frist eingebracht, Berufung erhoben. Dies, auf die Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung ausdrücklich verzichtend und die Aufhebung des angefochtenen Bescheides der belangten Behörde beantragend, im Wesentlichen mit der Begründung, der angefochtene Bescheid übernehme vollinhaltlich die Argumentation des Unabhängigen Verwaltungssenates in seinem Erkenntnis vom 4. August 2005 und sei dieses gravierend mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet. Der bekämpfte Bescheid sei vor dem Hintergrund zu sehen, dass in einem bei der Baubehörde I. Instanz anhängigem baurechtlichen Baubewilligungsverfahren vor dem Bürgermeister der Stadt P von der Berufungswerberin Einwendungen wegen heranrückender Bebauung gemäß § 31 Abs.5 Oö. BauO erhoben worden seien. Es solle versucht werden, unter Zuhilfenahme der Gewerbebehörde das Emissionsverhalten des Schlachthof- und Zerlegebetriebes der Berufungswerberin auf ein dem § 31 Abs.5 Oö. BauO allenfalls noch gerecht werdendes Maß zu reduzieren, um der Bauwerberin eine Baubewilligung erteilen zu können. Dieses Ansinnen sei entschieden zurückzuweisen. Eine Entscheidung des Unabhängigen Verwaltungssenates über eine Maßnahme gemäß § 360 GewO 1994 habe keine Bindungswirkung für die Frage des Konsensumfanges. Die Baubehörde habe aus eigenem den Konsens zu überprüfen. Gegen den Ablehnungsbeschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 7. Dezember 2004 sei eine Beschwerde beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte eingebracht worden und noch anhängig. Als Beweis würden die Akte des Unabhängigen Verwaltungssenates Oö. VwSen-530214/4/Re/Sta (Erkenntnis vom 14. Oktober 2004) sowie VwSen-530260/80/Re/Sta (Erkenntnis vom 4. August 2005) angeboten. Der gewerbebehördliche Konsens sei seit dem Erkenntnis vom 4. August 2005 keiner Veränderung unterzogen worden. Eine Berufungsverhandlung werde ausdrücklich nicht beantragt. Das von der belangten Behörde zitierte Berufungserkenntnis des Unabhängigen Verwaltungssenates vom 4. August 2005, VwSen-530260/80, unterliege drei schweren Subsumtionsfehlern. Dies einerseits auf Grund der erforderlichen Voraussetzung, dass der Verdacht einer Übertretung gemäß § 366 Abs.1 Z1 bis 3 GewO 1994 vorliege. Dieser Verdacht könne nur die Sachverhaltsebene betreffen, nicht jedoch die rechtliche Ebene. § 366 Abs.1 Z3 GewO 1994 stelle nur eine Blankettstrafnorm dar, da sie auf den Genehmigungsbescheid verweise. Die Länge des angefochtenen Berufungsbescheides sei ein gewichtiges Indiz, dass die zahlreichen Betriebsanlagengenehmigungsbescheide nicht den Grundsätzen des § 1 VStG entsprechend bestimmt formuliert worden seien. Der Unabhängige Verwaltungssenat habe sich in seinem Erkenntnis vom 4. August 2005 mit keinem Wort der wesentlichen verwaltungsstrafrechtlichen Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit eines Auftrages beschäftigt. Der Argumentation, es sei ein Verwaltungsstrafverfahren gegen den Geschäftsführer anhängig, sei entgegenzuhalten, dass seit der Aufforderung zur Rechtfertigung vom 5. November 2002 zu Ge96-55-2002 von der Bezirkshauptmannschaft Freistadt als Verwaltungsstrafbehörde keinerlei weiteren rechtlichen Schritte ergriffen worden seien. Das Verwaltungsstrafverfahren stehe seither faktisch still und sei auf Grund der Untätigkeit der Strafbehörde die Strafbarkeitsverjährung eingetreten.

 

Zu Unrecht werte die Berufungsbehörde im zitierten Erkenntnis die Aussage der Betriebsbeschreibung aus dem Jahr 1983, "die geplante Schlachtkapazität soll ca. 600 Schweine pro Woche betragen" als Beschränkung der Schlachtkapazität. Es sei nicht logisch, um die Erweiterung des Schlachtbetriebes anzusuchen und gleichzeitig den Schlachtkonsens massiv zu reduzieren. Es könne in keiner Weise ein Verzicht auf den im Jahr 1976 erteilten Konsens erblickt werden. 1976 seien keine Schlachtzahlbegrenzungen vorgesehen worden. Die Bezugnahme auf die abwasserrechtliche Stellungnahme als Bestandteil des Genehmigungsbescheides sei unrichtig. Beschränkungen aus wasserrechtlicher Sicht seien nicht Gegenstand  des abgeführten Betriebsanlagengenehmigungsverfahrens. Es könne nicht jede Stellungnahme im Rahmen einer gewerbebehördlichen Verhandlung zum Bescheidinhalt werden. Unabhängig davon sei darüber hinaus jedenfalls mit Änderungsbescheid aus dem Jahr 1998 eine Erweiterung der Schlachtzahlen genehmigt worden. In der Betriebsbeschreibung sei von Einförderung der frisch geschlachteten Schweine über die Klassifizierung in den Kühlraum sowie von einer Größe des Kühlraumes Nr. 5 für ca. 950 Hälften die Rede. Der Betriebsbe­schreibung liege daher eine tägliche Schlachtkapazität von zumindest 475 Schweinen zu Grunde. Im zitierten Erkenntnis seien darüber hinaus Zeugenaus­sagen des Amtstierarztes, Herrn Dr. D, an die Stadt P vom 6. Februar 2003 unberücksichtigt gelassen worden. Es sei ausgeführt, dass ein Zubau selbstverständlich eine Produktionssteigerung und damit eine Erhöhung der wöchentlichen Stückzahlen inkludiere. Durch den genehmigten Zubau und dessen Kühlraumkapazität ergebe sich eben ein Limit von 850 Schweinen pro Tag. Diese Stellungnahme sei auch anlässlich der Einvernahme durch den Unabhängigen Verwaltungssenat am 20. Juli 2005 bestätigt worden.

Selbiges gelte für die Aussage von Architekt DI H, welcher auf Seite 17 des Protokolls vom 31. Mai 2005 ausführt, dass kein Betrieb bekannt sei, wo eine Stückzahl von Schlachtungen im Gewerbebescheid vorgeschrieben sei.

Darüber hinaus bestätige der Zeuge F P auf Seite 9 des Protokolls vom 20. Juli 2005, dass in den Zielkühlraum nur selbst geschlachtete Tierhälften eingebracht werden könnten. Eine Erweiterung der Kühlkapazitäten ohne parallel dazu anzuhebende Schlachtkapazitäten wäre wirtschaftlich sinnlos und hätte die Bezirkshauptmannschaft Freistadt das Projekt wegen Unschlüssigkeit abweisen müssen. Der dritte Subsumtionsfehler des Erkenntnisses vom 4. August 2005 bestehe darin, dass eine einstweilige Maßnahme nach § 360 Abs.1 GewO 1994 nur einmal aus dem selben Grund erlassen werden dürfe. Eine andere Auslegung könne dem § 360 Abs.5 vor dem Hintergrund der Effektivität des Rechtsschutzes nicht gerecht werden.

 

In der Folge erläutert die Berufungswerberin zum Umfang des Konsenses, dass sich dieser aus dem Bescheid vom 11. Juni 1976 und aus dem Bescheid vom
30. April 1998 ergebe. 1998 sei die gesamte Anlage genehmigt und frühere Konsense im Umfang der Änderung ersetzt worden. Gemäß dem Bescheid vom 30. April 1998 sei die Berufungswerberin berechtigt,  die Anlage voll auszulasten und zu nutzen. Eine Einschränkung des Konsenses im Sinne der vom Unabhängigen Verwaltungssenat im Bescheid vom 4. August 2005 vertretenen Auffassung lasse sich nicht rechtfertigen. Die weiteren Berufungsvorbringen zu den Bescheiden der Bezirkshauptmannschaft Freistadt vom 11. Juli 1976, vom 6. August 1984, vom 27. August 1985 und vom 30. April 1988 stellt eine im Wesentlichen inhaltsgleiche und über weite Passagen wörtlich idente Wiederholung aus dem Berufungsschriftsatz der Berufungswerberin vom 22. Dezember 2004, verfasst von derselben rechtsfreundlichen Vertretung, dar. Mit dem erwähnenswerten Unterschied, dass die damalige Berufung von der Betriebsvorgängerin, der C F- und E GmbH eingebracht wurde und diese noch im selben Verfahren von der H B- und V GmbH als Konsensinhaberin und Berufungswerberin abgelöst wurde. Diese Berufung wurde mit Erkenntnis des Unabhängigen Verwaltungssenates Oö. vom 4. August 2005, VwSen-530260/80/Re/Sta, behandelt und beschieden und wird auf die diesbezügliche – weiter unten wiedergegebene - Begründung zum Konsensumfang verwiesen.

Ergänzend verweist die Berufungswerberin neuerlich auf die Betriebsbeschreibung des den Änderungsbescheid aus dem Jahr 1998 zu Grunde liegenden Projektes, wonach der Kühlraum Nr. 5 eine Größe für 950 Schweinehälften aufweise und frisch geschlachtete Schweine über die Klassifizierung in den Kühlraum eingefördert würden. Der Betriebsbeschreibung des Änderungsantrages aus dem Jahr 1998 liege daher eine tägliche Schlachtkapazität von zumindest 475 Schweinen zu Grunde. Weiters wird neuerlich auf die Zeugenaussagen des Amtstierarztes Dr. D sowie des F P verwiesen.

 

Weiters verkenne die Behörde I. Instanz Sinn und Zweck der einstweiligen Maßnahmen gemäß § 360 GewO 1994. Voraussetzung sei ein Verdacht einer Übertretung gemäß § 366 Abs.1 Z1, 2 oder 3 GewO 1994. Bestehe dieser Verdacht nicht mehr, sei ein Vorgehen nach § 360 GewO 1994 rechtswidrig. Mit Aufforderung zur Rechtfertigung vom 7. Oktober 2002 sei dem H H zur Last gelegt worden, dass die Betriebsanlage geändert worden sei und eine Erhöhung der Schlachtzahlen erfolgt wäre. Dieses Verwaltungsstrafverfahren sei eingestellt worden. Die Einstellung des Strafverfahrens führe zur Beseitigung des Verdachtes einer Übertretung gemäß § 366 Abs.1 Z1, 2 oder 3 GewO 1994, sodass die Zwangs- und Sicherheitsmaßnahme rechtswidrig gewesen sei. Eine am gleichen Tag, nämlich am 5. November 2002 erfolgte weitere Aufforderung zur Rechtfertigung könne daran nichts ändern. Die seitherige Untätigkeit der Behörde könne jedoch nicht bewirken, nunmehr ein Vorgehen nach § 360 GewO 1994 zu rechtfertigen. Die mit Aufforderung zur Rechtfertigung vom 17. Juli 2007 zu Ge96-44-2007 dem Geschäftsführer H H vorgeworfenen angeblichen Konsensüberschreitungen im Zeitraum 2. Oktober 2006 bis 15. Juli 2007 sollten nur der Rechtfertigung der Maßnahme gemäß § 360 GewO 1994 dienen. Die Berufungswerberin rechne auch in diesem Fall nicht mit einem verurteilenden Erkenntnis, da dies einen Rechtszug eröffnen würde, der unabhängig von der einjährigen Befristung des § 360 GewO 1994 einen effektiven Rechtsschutz gewähren würde. Es wäre die Möglichkeit gegeben, die verwaltungsstrafrechtliche Seite zu prüfen, was die Bezirkshauptmannschaft Freistadt tunlich vermeiden möchte.

 

Überdies dürften Maßnahmen schon auf Grund ihrer Befristung nur vorübergehend gesetzt werden. Eine neuerliche Maßnahme trotz Aufhebung der vorangegangenen Maßnahme durch den Unabhängigen Verwaltungssenat sei daher rechtswidrig. Es werde das Parteiengehör beeinträchtigt und in das Eigentumsrecht, das Recht als Erwerbsausübung und in den Gleichheitsgrundsatz eingegriffen.

 

Zusammenfassend ergebe sich, dass eine Vorgangsweise nach § 360 GewO 1994 wegen Zeitablauf und dem temporären Charakter des § 360 GewO 1994 nicht mehr in Frage komme, allenfalls wäre ein Verfahren nach § 79 GewO 1994 einzuleiten gewesen.

 

Diese Berufung wurde von der belangten Behörde gemeinsam mit dem bezughabenden Verfahrensakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich zur Berufungsentscheidung vorgelegt. Die belangte Behörde hat dabei keine inhaltlichen Äußerungen zum Berufungsvorbringen abgegeben und keinen Widerspruch im Sinne des § 67h Abs.1 AVG erhoben.

 

Die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich durch Einzelmitglied ergibt sich aus § 359a GewO 1994 iVm
§ 67a  Abs.1 AVG.

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in die Akte der belangten Behörde zu  Ge20-60-2007 samt zitierter Vorakte Ge20-61-2001, Ge-306-1976, Ge-2064-1980, Ge-06/58/1983, Ge-06/28/1985, Ge-01/5/73/1996 und Ge20-31-1998 sowie des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich zu VwSen-530260, abgeschlossen mit Erkenntnis vom 4. August 2005, VwSen-530260/80/Re/Sta.

 

Auf die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung wurde von der Berufungswerberin ausdrücklich verzichtet und wird darüber hinaus vom erkennenden Mitglied des Unabhängigen Verwaltungssenates im Grunde des § 67d AVG nicht für erforderlich erachtet.

 

Erwägungen des Unabhängigen Verwaltungssenates:

 

Gemäß § 74 Abs.1 GewO 1994 ist unter einer gewerblichen Betriebsanlage jede örtlich gebundene Einrichtung zu verstehen, die der Entfaltung einer gewerblichen Tätigkeit regelmäßig zu dienen bestimmt ist.

 

Gemäß § 74 Abs.2 GewO 1994 dürfen gewerbliche Betriebsanlagen nur mit Genehmigung der Behörde errichtet oder betrieben werden, wenn sie wegen der Verwendung von Maschinen und Geräten, wegen ihrer Betriebsweise, wegen ihrer Ausstattung oder sonst geeignet sind,

 

1.     das Leben oder die Gesundheit des Gewerbetreibenden, der nicht den Bestimmungen des Arbeitnehmerschutzgesetzes unterliegenden mittätigen Familienangehörigen, der Nachbarn oder der Kunden, die die Betriebsanlage der Art des Betriebes gemäß aufsuchen, oder das Eigentum oder sonstige dingliche Rechte der Nachbarn zu gefährden,

 

2.     die Nachbarn durch Geruch, Lärm, Rauch, Staub, Erschütterung oder in anderer Weise zu belästigen,

 

3.     die Religionsausübung in Kirchen, den Unterricht in Schulen, den Betrieb von Kranken- und Kuranstalten oder die Verwendung oder den Betrieb anderer öffentlichen Interessen dienender benachbarter Anlagen oder Einrichtungen zu beeinträchtigen,

 

4.     die Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs an oder auf Straßen mit öffentlichem Verkehr wesentlich zu beeinträchtigen oder

 

5.     eine nachteilige Einwirkung auf die Beschaffenheit der Gewässer herbeizuführen, sofern nicht ohnedies eine Bewilligung auf Grund wasserrechtlicher Vorschriften vorgeschrieben ist.

 

Gemäß § 77 Abs.1 GewO 1994 ist eine Betriebsanlage zu genehmigen, wenn nach dem Stand der Technik und dem Stand der medizinischen und der sonst in Betracht kommenden Wissenschaften zu erwarten ist, dass überhaupt oder bei Einhaltung der erforderlichenfalls vorzuschreibenden bestimmten geeigneten Auflagen die nach den Umständen des Einzelfalles voraussehbaren Gefährdungen im Sinne des § 74 Abs.2 Z1 vermieden und Belästigungen, Beeinträchtigungen oder nachteilige Einwirkungen im Sinne des § 74 Abs2 Z2 bis 5 auf ein zumutbares Maß beschränkt werden.

 

Gemäß § 77 Abs.2 GewO 1994 ist die Frage, ob Belästigungen der Nachbarn im Sinne des § 74 Abs.2 Z2 zumutbar sind, danach zu beurteilen, wie sich die durch die Betriebsanlage verursachten Änderungen der tatsächlichen örtlichen Verhältnisse auf ein gesundes, normal empfindendes Kind und auf einen gesunden, normal empfindenden Erwachsenen auswirken.

 

Gemäß § 81 Abs.1 GewO 1994 bedarf die Änderung einer genehmigten Betriebsanlage einer Genehmigung im Sinne der Bestimmungen der Gewerbeordnung, wenn dies zur Wahrung der im § 74 Abs.2 umschriebenen Interessen erforderlich ist.

 

Gemäß § 353 Abs.1 GewO 1994 sind dem Ansuchen um Genehmigung einer Betriebsanlage folgende Unterlagen anzuschließen:

1.     in vierfacher Ausfertigung

a)    eine Betriebsbeschreibung einschließlich eines Verzeichnisses der Maschinen und sonstigen Betriebseinrichtungen,

b)    die erforderlichen Pläne und Skizzen,

c)     ein Abfallwirtschaftskonzept; dieses hat zu enthalten:

1.     Angaben über die Branchen und den Zweck der Anlage,

2.     eine verfahrensbezogene Darstellung des Betriebes,

3.     eine abfallrelevante Darstellung des Betriebes,

4.     organisatorische Vorkehrungen zur Einhaltung abfallwirtschaftlicher Rechtsvorschriften und

5.     eine Abschätzung der zukünftigen Entwicklung.

 

Gemäß § 360 Abs.1 GewO 1994 hat die Behörde, wenn der Verdacht einer Übertretung gemäß § 366 Abs.1 Z1, 2 oder 3 besteht, unabhängig von der Einleitung eines Strafverfahrens, den Gewerbeausübenden bzw. den Anlageninhaber mit Verfahrensanordnung zur Herstellung des der Rechtsordnung entsprechenden Zustandes innerhalb einer angemessen, von der Behörde zu bestimmenden Frist aufzufordern; eine solche Aufforderung hat auch dann zu ergehen, wenn der Verdacht einer Übertretung gemäß  § 367 Z25 besteht und nicht bereits ein einschlägiges Verfahren gemäß § 78 Abs.2, § 79c Abs.4 oder
§ 82 Abs.3 anhängig ist. Kommt der Gewerbeausübende bzw. der Anlageninhaber dieser Aufforderung innerhalb der gesetzten Frist nicht nach, so hat die Behörde mit Bescheid die zur Herstellung des der Rechtsordnung entsprechenden Zustandes jeweils notwendigen Maßnahmen, wie die Stilllegung von Maschinen oder die Schließung von Teilen des Betriebes oder die Schließung des gesamten Betriebes, zu verfügen.

 

Gemäß § 366 Abs.1 Z3 GewO 1994 begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe bis zu 3.600 Euro zu bestrafen ist, wer eine genehmigungspflichtige Betriebsanlage ohne die erforderliche Genehmigung  ändert oder nach der Änderung betreibt (§ 81).

 

Mit Erkenntnis des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 5. Juni 2008, wurde diese Berufung gegen den im Grunde des § 360 Abs.1 GewO 1994 ergangenen Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Freistadt vom
11. Oktober 2007, Ge20-60-2007, als unbegründet abgewiesen und der bekämpfte Bescheid bestätigt.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat auf Grund der gegen diese Berufungsentscheidung eingebrachten Beschwerde der H B- und V GmbH, vertreten durch die H-W Rechtsanwälte GmbH, G, mit Erkenntnis vom 3. September 2008, Zl. 2008/04/0085-5, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. Dies im Wesentlichen unter Hinweis auf die dem ursprünglichen Genehmigungsbescheid der Anlage vom 6. August 1984 zu Grunde liegende Betriebsbeschreibung, welche auf die geplante Schlachtkapazität Bezug nimmt und nach der Aktenlage (auszugsweise) lautet:

"3. Betriebsumfang

Die geplante Schlachtkapazität soll ca. 600 Schweine pro Woche betragen."

 

Unter Bezugnahme auf die bestehende Judikatur gehören zweifellos auch die wöchentlichen Schlachtzahlen zu den für das Ausmaß der Immissionen auf die Nachbarliegenschaften bedeutsamen Faktoren bei einem Schlachthof. Die Beschränkung von Schlachtzahlen im Rahmen der Betriebsanlagengenehmigung sei daher jedenfalls zulässig. Sie hat aber nach der dargestellten Judikatur präzise zu erfolgen und müsse daher so klar gefasst sein, dass sie dem Verpflichteten jederzeit die Grenzen seines Verhaltens zweifelsfrei erkennen lasse. Die in der Betriebsbeschreibung enthaltene Formulierung "ca. 600 Schweine" werde nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes diesem Bestimmtheitsgebot nicht gerecht. Es sei daraus für den Betreiber der Anlage nicht klar ersichtlich, ab welcher wöchentlichen Schlachtzahl die bescheidmäßige Grenze überschritten werde. Der Genehmigungsbescheid vom 6. August 1984 biete daher in Verbindung mit der zu Grunde liegenden Betriebsbeschreibung keine Grundlage für eine Bestrafung des im Betrieb der Beschwerdeführerin für die Einhaltung allfälliger Schlachtzahlenbeschränkungen Verantwortlichen gemäß § 366 Abs.1 Z3 GewO wegen einer Änderung der Betriebsanlage durch konsenslose Ausweitung der Zahl der Schweineschlachtungen auf mehr als 600 pro Woche. Es liege daher auch der von § 360 Abs.1 geforderte Verdacht einer derartigen Übertretung nicht vor.

 

An diese Rechtsansicht des Verwaltungsgerichtshofes ist der Unabhängige Verwaltungssenat bei der Erlassung seines Ersatzerkenntnisses gemäß § 63 Abs.1 VwGG gebunden. Es war daher wie im Spruch zu entscheiden und die im Grunde des § 360 Abs.1 GewO 1994 verfügte Maßnahme gegenüber der verfahrensgegenständlichen Betriebsanlage der Beschwerdeführerin zu beheben.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro  zu entrichten.

 

 

 

Dr. Reichenberger

 

 

 

 

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