Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-281017/35/Wim/Ps

Linz, 29.09.2008

 

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mit­glied Dr. Leopold Wimmer über die Berufung des Herrn Ing. W S, vertreten durch W Rechtsanwälte OG, L, vom 11. Juli 2007, gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 11. Juni 2007, Zl. 0009063/2006, wegen Übertretung des ArbeitnehmerInnenschutz­gesetzes, nach Durchführung von öffentlichen mündlichen Verhandlungen am 17. Juni und 2. September 2008, zu Recht erkannt:

 

 

I.            Der Berufung wird keine Folge gegeben und das erstinstanzliche Straferkenntnis mit der Maßgabe bestätigt, dass im erstinstanzlichen Spruch im Absatz 2 die Formulierung: "... Herstellung eines Gerüstes für die ..." entfällt.

 

 

II.        Der Berufungswerber hat zusätzlich als Kostenbeitrag zum Berufungsverfahren 140 Euro zu leisten, das sind 20 % der verhängten Strafe.

 

 

Rechtsgrundlagen:

zu I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG iVm §§ 19, 24 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG.

zu II.: § 64 Abs.1 und 2 VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1.      Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde über den Berufungswerber gemäß § 130 Abs.5 des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes (ASchG) eine Geldstrafe in der Höhe von 700 Euro, im Nichteinbringungsfall eine Ersatzfreiheitsstrafe von 16 Stunden sowie ein 10%iger Verfahrenskostenbeitrag verhängt.

 

Im Einzelnen wurde ihm vorgeworfen:

 

"Der Beschuldigte, Herr Ing. W S, geboren am 16.5.1946, wohnhaft: Z, L, hat folgende Verwaltungsübertretung als verwaltungsstrafrechtlich verantwortlicher handelsrechtlicher Geschäftsführer der Ing. W. S Stukkateurunternehmen GmbH mit dem Sitz in L, K, zu vertreten:

 

Am 9.3.2006 war auf der von der Ing. W. S Stukkateurunternehmen GmbH betriebenen Baustelle 'Ö AG' ein Arbeitnehmer der o.a. Gesellschaft, Herr W B, mit der Herstellung eines Gerüstes für die Herstellung der Gipskartonbeplankung auf einer nicht tragsicher gestalteten Standfläche beschäftigt. Als Standfläche wurde eine nicht tragsichere ca. 0,44 m breite und ca. 1,80 m lange Schaltafel verwendet, die auf zwei Mauern (lichte Weite ca. 1,20 m) aufgelegt worden ist. Die Schaltafel brach durch und der Arbeitnehmer stürzte ca. 2,95 m ab."

 

 

2.      Dagegen hat der Berufungswerber rechtzeitig Berufung erhoben und darin zusammengefasst im Wesentlichen vorgebracht, dass beim Arbeitsunfall erst die Einrichtung eines Arbeitsplatzes erfolgte und es sich keineswegs um eine Standfläche im Sinne des § 6 Abs.2 BauV gehandelt habe. Der Berufungswerber sei seinen Schulungs- und Instruktionspflichten sowie seinen Sicherheits­unterweisungspflichten vollständig nachgekommen. Es sei ein funktionierendes Kontroll- und Überwachungssystem auf allen Baustellen eingerichtet. Der Verunfallte sei ein langjähriger erfahrener Mitarbeiter gewesen, der eigenverantwortlich gehandelt habe. Den Berufungswerber treffe keine Schuld bzw. nur ein extrem geringes Ausmaß der Schuld, welches gegebenenfalls bei der Strafbemessung berücksichtigt werden müsse. Es werde auf § 21 VStG (Absehen von der Strafe) verwiesen.

 

 

3.1.   Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den erstinstanzlichen Verfahrensakt sowie Anforderung des gerichtlichen Strafaktes und Durchführung von öffentlichen mündlichen Verhandlungen am 17. Juni und 2. September 2008, bei denen der verletzte Arbeitnehmer und der für die Baustelle verantwortliche Vorarbeiter sowie der den gegenständlichen Arbeitsunfall aufnehmende Arbeitsinspektor als Zeugen sowie der zuständige Bauleiter als Auskunftsperson einvernommen wurden.

 

3.2.   In diesen mündlichen Verhandlungen wurde von der Rechtsvertretung des Berufungswerbers noch weiters zusammengefasst vorgebracht, dass die Schalungsplatte nie als Standfläche oder Teil des Gerüstes gedacht war, sondern lediglich im Zuge der Errichtung des Gerüstes zusätzlich zur Absicherung über die offene WC-Kabine bzw. dessen Mauer gelegt worden sei.

Weiters, dass es klare Dienstanweisungen des Beschuldigten bzw. dessen Personals gebe, die Schaltafel keinesfalls zu begehen sowie ein Zuwiderhandeln von Dienstnehmern gegen diese klare und wiederholte Dienstanweisung, nicht dem Berufungswerber als Verschulden angelastet werden könne. Es gebe im Betrieb regelmäßige Sicherheitsunterweisungen und befände sich auch in jedem Baustellenfahrzeug eine Broschüre Fachunterweisung für Baustellen, die auch Ausführungen zu Leitern, zur Absturzsicherung und zu Gerüsten enthalte.

Der Berufungswerber sei in das Kontrollsystem sehr wohl eingebunden und würde dieses aufgrund seiner Anweisung bzw. der Unternehmensstruktur durch Kontrollen der Sicherheits­vorschriften durch die Bauleiter vollzogen. Es würde eine Überspannung seiner Sorgfaltspflicht darstellen, ihm die persönliche Kontrolle jeder Baustelle aufzuerlegen. Im konkreten Fall sei er insofern entschuldigt, als er durch die Unternehmensstruktur, konkrete Sicherheitsunter­weisungen auf den Baustellen und die Kontrolle durch die jeweiligen Vorarbeiter sowie schriftliche Sicherheitsunterweisungen in jedem Baustellenfahrzeug alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen habe und sei ihm kein wie auch immer geartetes Verschulden anzulasten.

 

3.3.   Der Unabhängige Verwaltungssenat geht von folgendem entscheidungs­wesentlichen Sachverhalt aus:

 

Die Firma Ing. W. S Stukkateurunternehmen GmbH hatte auf der Baustelle Ö AG Gipskartonverkleidungen durchzuführen. Die Gesamtarbeiten waren für einen Zeitraum über zwei Tage vorgesehen. Am ersten Tag wurde auf der Baustelle durch den Vorarbeiter F L und einen weiteren Mitarbeiter gearbeitet. Am zweiten Tag, den 9. März 2006, wurde der Arbeitnehmer Herr B gemeinsam mit einem zweiten Arbeiter, Herrn K, als Verstärkung dieser Baustelle zugewiesen. Herr L wurde vor Beginn der Baustelle vom zuständigen Bauleiter der Firma S, Herrn Ing. P, in die Baustelle eingewiesen. Herr L hat schließlich Herrn B, der grundsätzlich selbst im Unternehmen als Vorarbeiter beschäftigt war, jedoch bei der zugewiesenen Arbeit nur als Verstärkung gedacht war, am zweiten Tag die Arbeit zugewiesen, einen ca. 30 cm breiten senkrechten Schlitz an der Dachverschalung zu verkleiden. Es wurde ihm von Herrn L die zu verrichtende Arbeit erklärt. Ihm wurde dazu von Herrn L gesagt, wo das notwendige Arbeitsmaterial und auch das Material für das Gerüst war. Nähere Anweisungen über die konkrete Durchführung der Arbeit und auch über die Gerüstung wurden Herrn B nicht gegeben und er hat diese Arbeiten selbständig in Angriff genommen. Nachdem bereits eine Giebelseite vollständig verkleidet war, wurde die Verkleidung des zweiten Schlitzes auf der anderen Giebelseite beginnend in etwa über einer bestehenden WC-Mauer begonnen. Dazu wurde von Herrn B eine vorhandene WC-Box mit einer Breite von ca. 1,20 m mittels Schaltafeln abgedeckt und von ihm anschließend diese Schaltafeln betreten, wobei eine Schaltafel durchbrach und er sich daraufhin schwer verletzte. Die Abdeckung wurde deshalb errichtet, um von dort aus den unteren Teil des Schlitzes in der Dachverschalung zu verkleiden.

 

Weder der Berufungswerber noch der zuständige Bauleiter haben die Baustelle nach der erfolgten Einweisung und Übergabe kontrolliert.

 

Im Betrieb S gab es zu dieser Zeit regelmäßig Besprechungen über das Thema Arbeitnehmersicherheit. Zudem existiert im Betrieb eine Fachunterweisung für Baustellen, erstellt von der Sicherheitsfachkraft Ing. W H. Auch von Herrn B und Herrn K sowie Herrn L wurde schriftlich bestätigt, dass die Fachunterweisung übergeben, besprochen und verstanden wurde, allerdings findet sich hier kein Datumseintrag. Bei den übrigen Arbeitsnehmern, die mit Datumseintrag diese Belehrung unterschrieben haben, stammt dieses Datum aus der ersten Jahreshälfte 2006. Herr H K, der Mitarbeiter von Herrn B, hatte im Unfallszeitpunkt eine Ausbildung zur Sicherheitsvertrauensperson und zum Evaluierungsbeauftragten.

Bei der Übergabe der Baustellen erfolgen auch konkrete Sicherheitsbelehrungen von den Bauleitern an die Vorarbeiter bzw. bei größeren Baustellen auch an alle dort tätigen Arbeitnehmer.

 

3.4.   Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus einer Zusammenschau der Aussagen der auf der Baustelle tätigen einvernommenen Arbeitnehmer B und L und der Feststellungen bzw. Einvernahmeprotokolle der Polizeiinspektion E und des Arbeitsinspektorates.

 

So hat Herr B in einer Niederschrift am 17. März 2006 vor der Polizeiinspektion E selbst angegeben, dass er vor dem Unfall damit beschäftigt war, auf einer 3 m hohen Zwischenmauer eine Arbeitsfläche zu errichten. Dabei wurden von ihm insgesamt drei Schaltafeln aufgelegt, wobei er beim Betreten der zweiten Schaltafel durchbrach. Dies war die zeitnäheste Einvernahme des verletzten Arbeitnehmers zum Unfallereignis und ist eine solche nach allgemeiner Lebenserfahrung in der Regel auch am authentischsten. Auch aus den örtlichen Gegebenheiten ist es für den Unabhängigen Verwaltungssenat durchaus nachvollziehbar, dass die Verkleidung eines bloß 30 cm breiten Schlitzes, für die – nach Angaben auch des Herrn B – im Bereich über den Schaltafeln nur in etwa 10 min gebraucht worden wäre, hier kein eigenes gesondertes Gerüst errichtet worden wäre, sondern dies von den Schaltafeln aus erfolgte. Auch durch das Arbeitsinspektorat wurde anhand der Darlegung der angenommenen Dachschräge durchaus nachgewiesen, dass dies von diesen Schaltafeln auch möglich gewesen wäre, da im unteren Bereich die Arbeit zwar nur kniend erledigt hätte werden können, jedoch im Eingangsbereich des überdachten WC's, das ca. 3 m lang war, durchaus eine Arbeitshöhe von in etwa 2 m bestanden hat, bei der aufrecht gearbeitet werden konnte. Auch hat Herr B selbst angegeben, dass er früher schon öfter auf Schaltafeln gestanden wäre.

 

Die Einvernahme des Zeugen K war entbehrlich, da dieser auch nach Angaben der sonstigen Beteiligten den Unfallhergang nicht gesehen hat und zum Kontrollsystem von den übrigen Beteiligten, insbesondere von der beigezogenen Auskunftsperson, Herrn Ing. P, umfassende Aussagen gemacht wurden.

 

Auch die Einholung eines bautechnischen Sachverständigengutachtens aus dem Bereich Bausicherheitstechnik zum Beweis dafür, dass die aufgelegte Broschüre hinsichtlich der Sicherheitsanweisungen für den Gerüstbau vollständig sei, war nicht erforderlich, da sich der Inhalt der Broschüre an und für sich aus dieser selbst ergibt und es sich bei der Frage des Kontrollsystems um die Beurteilung einer Rechtsfrage handelt.

 

 

4.      Der Unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

 

4.1.   Zu den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen kann grundsätzlich auf die Ausführungen im erstinstanzlichen Straferkenntnis verwiesen werden.

 

§ 6 Abs.2 Bauarbeitenschutzverordnung (BauV) verlangt, dass Standflächen unter Berücksichtigung der Art der auszuführenden Arbeiten ausreichend groß und tragsicher zu gestalten sind.

 

4.2.   Ob auf der Standfläche tatsächlich ein Gerüst weiter aufgebaut werden sollte, konnte im Verfahren nicht erwiesen werden und ist aber für die Strafbarkeit auch nicht relevant, weshalb dieser Teil aus dem erstinstanzlichen Spruch gestrichen wurde. Dabei handelt es sich lediglich um einen eingeschränkten Tatvorwurf, der den Berufungswerber in der Wahrnehmung seiner Rechte nicht beeinträchtigt und auch eine Doppelbe­strafung ausschließt.

 

Aufgrund der Ergebnisse der Sachverhaltsermittlung ist eindeutig davon auszugehen, dass die Abdeckung mittels Schaltafeln als Standfläche und Arbeitsfläche gedacht war und vom Arbeitnehmer B auch betreten wurde, sonst wäre auch der Arbeitsunfall nicht passiert. Der objektive Tatbestand ist somit als erfüllt anzusehen.

 

4.3.   Hinsichtlich des Verschuldens ist zunächst auszuführen, dass es sich bei der angeführten Übertretung um ein sogenanntes Ungehorsamsdelikt gemäß § 5 Abs.1 VStG handelt, bei dem Fahrlässigkeit dann ohne weiteres anzunehmen ist, wenn der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.

 

Um ein Verschulden auszuschließen, muss der Berufungswerber ein entsprechend wirksames Kontrollsystem eingerichtet haben. Dazu hat er initiativ von sich aus darzulegen, dass er alle Maßnahmen getroffen hat, die unter den vorhersehbaren Verhältnissen die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften mit gutem Grund erwarten lassen. Die bloße Erteilung von Weisungen reicht nicht aus, sondern entscheidend ist deren wirksame Kontrolle.

 

Grundsätzlich ist dem Berufungswerber vorzuwerfen, dass er durch seinen Bauleiter, Herrn Ing. P, zwar eine Einweisung des ersten Arbeitsteams unter Leitung von Herrn L gemacht hat, die Verstärkungsmannschaft durch Herrn B und Herrn K wurde jedoch nicht unterwiesen, insbesondere hat auch der Zeuge L ausgesagt, dass er dem Herrn B nur gesagt hat, wo das Arbeitsmaterial und das Gerüst zu finden ist, er aber keine näheren Anweisungen gegeben hat. Der Berufungswerber hat somit verabsäumt, dafür zu sorgen, dass auch bei der Verstärkung eine entsprechende Belehrung und Sicherheits­unterweisung auf der Baustelle durchgeführt wird und insbesondere hat er auch nicht einmal den dort anwesenden (Haupt-)Vorarbeiter Herrn L diesbezüglich angewiesen und natürlich auch nicht kontrolliert, ob eine solche ausreichende Sicherheitsunterweisung erfolgt ist.

 

Der Berufungswerber hat die Übertretung daher auch in subjektiver Hinsicht zu verantworten.

 

4.4.   Zur Strafbemessung ist anzuführen, dass dabei keine Mängel festgestellt werden können. Die Erstinstanz hat strafmildernd die verwaltungsstrafrechtliche Unbescholtenheit gewertet. Weiters wurde zu Recht mangels Angaben von geschätzten Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnissen ausgegangen. In Anbetracht des Umstandes, dass sich als Folge der Übertretung ein schwerer Arbeitsunfall ereignete, kann die verhängte Strafe von 700 Euro bei einem Strafrahmen von 145 Euro bis 7.260 Euro keinesfalls überhöht angesehen werden. Sie bewegt sich mit nicht einmal 10 % der Strafobergrenze hier durchaus in einem angemessenen Bereich.

 

Ein beträchtliches Überwiegen der Milderungsgründe gegenüber den Erschwerungsgründen gemäß § 20 VStG liegt nicht vor. Angesichts der Umstände der Übertretung und der sich sogar realisierten Gefahr des Eintritts eines schweren Arbeitsunfalls gelangt auch die Bestimmung des § 21 VStG nicht zur Anwendung. Anhaltspunkte für die Annahme eines bloß geringfügigen Verschuldens, das deutlich unterhalb der gewöhnlichen Fahrlässigkeit liegt, waren aus dem Verhalten des Berufungswerbers nicht ableitbar.

 

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

 

 

5.      Der Kostenspruch ist in der zitierten Gesetzesstelle begründet.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

Dr. Leopold Wimmer

 

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum