Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-222221/2/Kl/RSt

Linz, 09.10.2008

 

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch das Mitglied Dr. Ilse Klempt über die Berufung des Herrn P R, vertreten durch Rechtsanwälte Dr. N, Dr. K, W, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Gmunden vom 30. April 2008, Ge96-53-2006, wegen Verwaltungsübertretungen nach der Gewerbeordnung 1994, zu Recht erkannt:

 

 

I. Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

 

 

II. Es entfallen jegliche Verfahrenskostenbeiträge.

 

 

Rechtsgrundlagen:

Zu I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG iVm §§ 24, 22, 45 Abs.1 Z1 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG.

Zu II.: § 66 Abs.1 VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Gmunden vom 30. April 2008, Ge96-53-2006, wurden über den Berufungswerber (Bw) fünf Geldstrafen zu je 200 Euro, Ersatzfreiheitsstrafen von jeweils 48 Stunden, wegen Verwaltungsübertretungen gemäß § 366 Abs.1 Z1 GewO verhängt, weil er zumindest im Zeitraum 8.3.2006 bis zuletzt 27.3.2006 im Standort G, die Gewerbe

a) Bodenleger

b) Maler und Anstreicher

c) Wärme-, Kälte-, Schall- und Branddämmer

d) Stukkateur und Trockenausbauer

e) Gärtner

 

gewerbsmäßig ausgeübt hat, indem er auf seiner Homepage obige Tätigkeiten angeboten hat, ohne die dafür erforderlichen Gewerbeberechtigungen erlangt zu haben, obwohl jede Gewerbeausübung der dafür erforderlichen Gewerbeberechtigung bedarf.

 

Gemäß § 1 Abs.4 der Gewerbeordnung 1994 wird das Anbieten einer den Gegenstand eines Gewerbes bildenden Tätigkeit an einen größeren Kreis von Personen oder bei Ausschreibung des Gewerbes gleichgehalten.

 

2. Dagegen wurde fristgerecht Berufung eingebracht und die Aufhebung des Straferkenntnisses beantragt. Begründend wurde dargelegt, dass der Bw die Tätigkeiten nicht selbst verrichte, sondern im Internet lediglich Kontaktadresse für andere gewerbeberechtigte Firmen gewesen sei und sohin Interessenten nur an andere Firmen verwiesen habe. Es komme nicht ausschließlich darauf an, ob bereits in der Homepage darauf hingewiesen werde, dass es sich um eine Vermittlungstätigkeit handle. Entgegen der Ansicht der Behörde stelle gerade die Verwendung der Worte "wir" und "uns" einen möglichen Hinweis darauf dar, dass die angebotenen Tätigkeiten von jemand anderem (berechtigten Firmen) durchgeführt werden. Entsprechende Ermittlungen seien nicht durchgeführt worden. Auch sei nicht gerechtfertigt, dass die Behörde zwei Straferkenntnisse über einen identen Sachverhalt, lediglich über verschiedene Zeiträume (1.12.2005 bis 15.2.2006 und 8.3.2006 bis 27.3.2006) erlässt. Die Zeiträume hätten auch zusammengefasst und eine Gesamtstrafe verhängt werden können. Auch sei die Verhängung von fünf Einzelstrafen für je fünf gewerbliche Tätigkeiten nicht angemessen, da es sich nur um die Sanktionierung einer einzigen Homepage handle, in der eben zusammenfassend verschiedene Tätigkeiten ohne spezifische Differenzierung aufscheinen.

 

3. Die Bezirkshauptmannschaft Gmunden als belangte Behörde hat die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt vorgelegt.

 

Weil bereits aus der Aktenlage ersichtlich ist, dass der mit Berufung angefochtene Bescheid aufzuheben ist, entfällt eine mündliche Verhandlung gemäß § 51e Abs.2 Z1 VStG.

 

4. Hierüber hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

4.1. Gemäß § 366 Abs.1 Z1 GewO 1994 begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe bis zu 3.600 Euro zu bestrafen ist, wer ein Gewerbe ausübt, ohne die erforderliche Gewerbeberechtigung erlangt zu haben.

 

Nach der ständigen Rechtssprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist unter der strafrechtlichen Figur des fortgesetzten Deliktes eine Reihe von gesetzwidrigen Einzelhandlungen zu verstehen, die vermöge der Gleichartigkeit der Begehungsform sowie der äußeren Begleitumstände im Rahmen eines noch erkennbaren zeitlichen Zusammenhanges sowie eines diesbezüglichen Gesamtkonzeptes des Täters zu einer Einheit zusammentreten. Auszugehen ist davon, dass die unbefugte Gewerbeausübung ein fortgesetztes Delikt darstellt, das die Anwendung des in § 22 VStG normierten Kumulationsprinzips ausschließt. Aus dem Wesen einer Straftat als fortgesetztes Delikt folgt, dass die Bestrafung für einen bestimmten Tatzeitraum auch die in diesem gelegenen, wenn auch allenfalls erst später bekannt gewordenen Einzeltathandlungen erfasst. Dies bedeutet, dass ungeachtet einer im Spruch des Strafbescheides der Behörde erster Instanz angeführten Tatzeit alle Einzeltathandlungen bis zu der mit seiner Zustellung erfolgten Fällung des Strafbescheides erster Instanz erfasst sind und daher wegen solcher Einzeltathandlungen nicht neuerlich gegen denselben Täter eine Strafe verhängt werden darf. Ein Straferkenntnis ist erst zum Zeitpunkt der Zustellung als gefällt anzusehen, weshalb eine Bestrafung – im Zusammenhang mit dem Vorliegen eines fortgesetzten Deliktes – ungeachtet der Anführung eines vorher endenden Tatzeitraumes im Spruch des Straferkenntnisses auch die bis dahin erfolgten Einzeltathandlungen erfasst (vgl. Hauer/Leukauf – Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 6. Auflage, Seite 1383f mit Judikaturnachweisen).

 

Wurde daher mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Gmunden vom 30. April 2008, Ge96-9-2006 die unbefugte Gewerbeausübung für den Zeitraum 1.12.2005 bis 15.2.2006 unter Strafe gestellt, so ist doch im Grunde dieses Straferkenntnisses auch jenes weitere strafbare Verhalten bis zur Erlassung des Straferkenntnisses, also bis zum 5. Mai 2008 mit umfasst. Es darf daher für ein Verhalten bis zum 5.5.2008 nicht noch einmal ein Straferkenntnis mit demselben Tatvorwurf ergehen. Dieser Judikatur betreffend das Verbot der Doppelbestrafung wurde allerdings mit dem nunmehr angefochtenen Straferkenntnis vom 30. April 2008 zu Ge96-53-2006 zuwidergehandelt. Es war daher dieses Straferkenntnis ersatzlos aufzuheben und das diesbezügliche Strafverfahren gemäß § 45 Abs.1 Z1 VStG einzustellen.

 

5. Weil die Berufung Erfolg hatte, entfallen gemäß § 66 Abs.1 VStG sämtliche Verfahrenskostenbeiträge.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

 

Dr. Ilse Klempt

 

 

 

Beschlagwortung:

 

fortgesetztes Delikt, Erfassungswirkung, Doppelbestrafung

 

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