Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-163601/2/Bi/Se

Linz, 28.10.2008

 

 

 

E R K E N N T N I S

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Karin Bissenberger über die Berufung des Herrn E F P, W, vom 22. September 2008 gegen das Straferkenntnis des Bezirkshaupt­mannes von Perg vom 12. September 2008, VerkR96-1864-2008, wegen Übertretung der StVO 1960, zu Recht erkannt:

 

Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straf­erkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren ohne Vorschreibung von Verfahrenskostenbeiträgen eingestellt.

 

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 Abs.1, 45 Abs.1 Z1 und 66 VStG

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis wurde über den Beschuldigten wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß §§ 84 Abs.2 iVm 99 Abs.3 lit.j StVO 1960 eine Geldstrafe von 50 Euro (18 Stunden EFS) verhängt, weil er in der Gemeinde W – dieser Ort liege außerhalb des Orts­ge­bietes – eine Ankündigung (Werbeeinrichtung) errichtet habe, obwohl außer­halb von Ortsgebieten an Straßen innerhalb einer Entfernung von 100 m vom Fahrbahnrand die Anbringung von Ankündigungen verboten sei. Am 4. Mai 2008 um 10.00 Uhr sei folgende Ankündigung (Werbung) angebracht gewesen: Wer­be­tafel der IG Milch: "A faire Milch ... von mir und 10 Cent mehr für meinen Bauern. 100% fair = 100% Zukunft; GUAT – FAIR".    

Gleichzeitig wurde ihm ein Verfahrenskostenbeitrag von 5 Euro auferlegt.

 

2. Dagegen hat der Berufungswerber (Bw) fristgerecht Berufung eingebracht, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem Unabhängigen Ver­wal­tungs­senat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde. Da keine 2.000 Euro über­steigende Geldstrafe verhängt wurde, war durch das nach der Geschäftsver­teilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden (§ 51c VStG). Die Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung erübrigte sich (§ 51e Abs.2 Z1 VStG). 

 

3. Der Bw macht im Wesentlichen geltend, die Tafel sei am eigenen Wirtschafts­gebäude an­ge­bracht und es handle sich dabei um interne Werbung. So wie jeder andere Unternehmer auf seinem Betrieb auf seine Produkte hinweisen könne, sollte es auch das Recht des Milchbauern sein. Seine Mitgliedschaft bei der IG Milch und die Teilnahme am Projekt "A faire Milch" sei für ihn von existentieller Bedeutung.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz. Daraus geht hervor, dass der Meldungs­leger H R (Ml), PI P, am 4. Mai 2008 am Wirtschaftsge­bäude A in W bei P, dem Anwesen des Bw, die genannte Tafel sowie eine Werbetafel "www.   .xx – Bauern brauchen einen fairen Preis – 40 Cent pro Liter Milch" auf der Westseite unmittelbar neben der   M Straße angebracht vorgefunden hat. Ebenfalls am Wirtschaftsge­bäude war laut Anzeige eine "Info-Tafel" "Wir sind so frei" für eine genfreie Land­wirt­schaft angebracht. Der Bw habe ihm gegenüber geäußert, er sehe das nicht als verbotene Werbung an, da er Mitglied der IG Milch sei.

 

Der Bw hat in seinem umfangreichen schriftlichen Einspruch vom 10. Juni 2008 gegen die Strafverfügung der Erstinstanz vom 27. Mai 2008 ausgeführt, er sehe die genannte Tafel am eigenen Wirtschaftsgebäude als klassische Form der Innen­werbung an, so wie jeder Unternehmer auf seinem Betrieb auf seine Pro­dukte hinweisen könne. Interessant sei für ihn, dass die unmittelbar neben der beanstandeten Tafel befindliche, vom Agrar-Landesrat ausgegebene "Wir sind so frei"-Gentechnik-Tafel niemanden störe, obwohl hier der direkte Bezug zu seinem Betrieb wesentlich geringer sei. Interessant sei auch, wie man der jetzigen Aktion einer Gruppierung, die Teil einer staatstragenden Partei sei, die auch den Bezirk Perg (noch) fest im Griff habe, umgehen werde – als Beilage waren dem Einspruch dazu Zeitungsartikel beigelegt, die sich auf eine Imagekampagne des Bauernbundes "Hier sorgen die Bauern für sauberes Wasser" bezogen. Der Bw weist außerdem darauf hin, es wäre interessant, wen jetzt diese Tafeln störten, die seit Jahren und früher in noch größerer Anzahl gestanden seien.  Das Projekt "A faire Milch" werde von der offiziellen Standesvertretung und von prominenten Politikern unverständlicherweise hinter den Kulissen auf heftigste be­kämpft. Es gebe Interventionen bei Handelsketten, die Produkte aus den Re­ga­len zu brin­gen, und es sei durch Druck auf die Jury versucht worden, die Verleihung des Staatspreises für innovative Werbung zu verhindern – das lasse gewisse Schlüsse zu. Der Gang durch die Instanzen möge von der Erstinstanz nicht als "Aufsässig­keit" betrachtet werden, er wisse die "korrekte und bürgerfreund­liche Vorgangs­weise des Ml", der mit ihm Kontakt aufgenommen habe, zu schätzen. Aber er wolle, dass die Sache, wenn notwendig, irgendwann beim Herr Landeshaupt­mann lande.

Im ergänzenden Schreiben vom 17. Juni 2008 weist der Bw unter Vorlage von Fotos auf die  Alkoholwer­bung auf der Rückseite von Geisterfahrerwarntafeln bei der Autobahnabfahrt Enns hin, obwohl doch im Ortsgebiet Enns weit und breit keine Brauerei sei – alles sei bei entsprechender Lobby möglich. Ein wegen einer Milchtafel am Scheu­nen­tor Abgestrafter bekomme da ein richtig reines Gewissen. Zugleich hoffe man aber, es möge einem nie jemand begegnen, der auf die Auto­bahn falsch aufgefahren sei, weil er etwas zu viel Gösser getrunken habe, anstatt zB "A faire Milch"...

 

Seitens der Erstinstanz wurde dem Bw ein an alle Polizeiinspektionen des Bezir­kes P und das Bezirkspolizeikommando P ergangener Erlass des Bezirks­hauptmannes von P vom 25. März 2008, VerkR01-14-2008, zur Kenntnis gebracht, aus dem auszugsweise hervorgeht, dass Milchwerbung außerhalb des Ortsgebietes in einer Entfernung von 100 m von Fahrbahnrand verboten sei und Ausnahmegenehmigungen nicht erteilt werden könnten, da eine solche Werbung weder einem vordringlichen Bedürfnis der Straßenbenützer diene noch für diese von erheblichem Interesse sei. Nicht erfasst würde von diesem Verbot Eigen­werbung – der Hinweis im Bereich des eigenen Bauernhofes über eigene Produk­te sei zulässig, wenn ein Landwirt seine eigenen Produkte vermarkte und einen Ab-Hof-Verkauf eingerichtet habe. Die Polizeiorgane werden im Erlass "ein­gela­den, daran mitzuwirken, dass Werbungen und Ankündigungen für die Milch au­ßer­­halb des Ortgebietes innerhalb einer Entfernung von 100 m vom Fahrbahn­rand in Hinkunft unterbleiben und bereits vorhandene Werbeeinrichtun­gen ent­fernt werden." Bei Verstößen sei Anzeige zu erstatten.

Der Bw äußerte sich dazu, er habe keinen Ab-Hof-Verkauf, er verkaufe die Milch an die Fa B.

 

In rechtlicher Hinsicht hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

Gemäß § 84 Abs.2 StVO 1960 sind (ansonsten) außerhalb von Ortsgebieten Werbungen und Ankündigungen an Straßen innerhalb einer Entfernung von 100 m vom Fahrbahnrand verboten. Dies gilt jedoch nicht für die Nutzung zu Werbezwecken gemäß § 82 Abs.3 lit.f StVO 1960 (- darunter fällt zB die vom Bw gerügte Bierwerbung an der Rückseite von Verkehrszeichen).

 

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sollte Innenwer­bung einen Gewerbetreibenden in die Lage versetzen, auf seinen eigenen Betrieb in räumlichem Naheverhältnis in geeigneter Weise hinzuweisen (vgl E 27.5.2004, 2002/03/0172; 20.12.2002, 2002/02/0134 unter Hinweis auf E 7.3.1990, 89/703/0212; ua).

Nach der Rechtsprechung des VwGH besteht der Zweck der Vorschriften des § 84 StVO darin, eine Beeinträchtigung der Aufmerksamkeit der Straßenbenützer, vor allem der Lenker von Kraftfahrzeugen, durch Werbungen und Ankündigungen am Fahrbahnrand zu verhindern. Eine sog. Innenwerbung, die im Bereich einer bestimmten, wenn auch innerhalb von 100 m vom Fahrbahnrand gelegenen, behördlich genehmigten Betriebsstätte oder Verkaufsstelle erfolgt mit welchen Werbemitteln auch immer – sofern diese die einer Innenwerbung entsprechende Ausmaße nicht überschreiten – kann daher keinesfalls unter das Verbot des Abs.2 fallen. Als derartige Innenwerbung kommen Warenzeichen (zB von Miner­al­öl­pro­dukten an Tankstellen), Reklameschil­der (zB für Getränke) oder sonstige Plakate an Gasthäusern, die auf eine Empfehlung (zB eines Automobilklubs) auf­merk­sam machen, in Betracht (vgl E 27.1.1966, 786/65).

Es steht jedem Gastgewerbetreibenden frei, in dem zur Betriebsstätte zählenden Bereich (zu dem auch ein Kundenparkplatz gehört) zusätzlich zu der nach der Gewer­be­ordnung vorgeschriebenen Bezeichnung in mehr oder weniger auffallen­der Aufmachung auf den Betrieb, die Betriebsarten sowie die angebotenen Dienst­leistungen aufmerksam zu machen, sofern dabei die einer Innenwerbung ent­­sprechenden Ausmaße nicht überschritten werden. Eine Tafel im Ausmaß von 2,5 m x 1,3 m, mit Blech überdacht und der Aufschrift " Gasthof X, Hausmusik, Cafe und Parkplatz", in unmittelbarer Nähe des Betriebes auf dem Parkplatz aufge­stellt, stellt eine nach Abs.2 zulässige Innenwerbung dar und fällt damit nicht unter diese Gesetzesstelle (vgl E 13.2.1991, 90/03/0265).

 

Im ggst Fall ist der Bw Milchbauer mit eigener Landwirtschaft und hat die genannte Tafel am eigenen Wirtschaftsgebäude angebracht, wie schon vom Ml  in der Anzeige bestätigt wurde. Das für die Qualifikation als Innenwerbung erforderliche Naheverhältnis war somit ohne jeden Zweifel gegeben. Der Bw produziert Milch und verkauft sie zwar nicht selbst unmittelbar ab Hof (was auch an sich nicht der allgemein übliche Weg ist), sondern vermarktet sie über einen Verarbeitungsbetrieb, die B GenmbH. Dass der Bw ein berechtigtes "existentielles" Interesse hat, seine Milch als "A faire Milch" im Sinne der dort um­schriebenen Unternehmensphilosophie anzupreisen, liegt auf der Hand. Die Tafel dient damit einerseits der Imagepflege, dh sie liegt im Interesse des Bw, ander­erseits aber auch nicht unwesentlich der Konsumenten­information bzw -be­wusst­seinsbildung und liegt damit sehr wohl in grund­sätzlichem Interesse jedes Stra­ßen­benützers, der in irgendeiner Form Milch­produkte zu sich nimmt. Damit ist der Begriff "Innenwerbung" nach Auffassung des Unabhängigen Verwaltungs­senates unter einem größeren Blick­winkel zu sehen als reduziert auf eine bloße Direktvermarktung im Sinne eines Ab-Hof-Verkaufs.

Der Bauernhof des Bw ist eine auf Milchproduktion ausgerichtete Betriebsstätte und schon daher die genannte, am Wirtschaftgebäude angebrachte Tafel, deren Maße in der Anzeige nicht festge­halten sind – im gesamten Verfah­rens­akt ist davon keine Rede ist, sodass davon auszugehen ist, dass die Tafel keine exor­bitante Größe aufweist (vgl dazu VwGH 13.2.1991, 90/03/0265) – als Innen­werbung zu sehen. Auch Unternehmen, die ausschließlich den Großhandel beliefern, dürfen über Tafeln an ihren Gebäuden im Rahmen der Innenwerbung für sich selbst werben.

 

Gemäß § 45 Abs.1 Z1 VStG hat die Behörde von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat keine Verwaltungsübertretung bildet.

Unter Hinweis auf die obigen Ausführungen war somit spruchgemäß zu entscheiden, wobei naturgemäß Verfahrenskostenbeiträge nicht anfallen.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungs­ge­richtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

Mag. Bissenberger

 

Beschlagwortung:
"A faire Milche"-Tafel am Wirtschaftsgebäude eines Mildbauernhofes, der IG-Milch-Mitglied ist, = Aufhebung

 

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