Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-281095/19/Kl/RSt

Linz, 20.10.2008

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Ilse Klempt über die Berufung des Herrn H B, W, vertreten durch P Rechtsanwälte, Dr. P P, Dr. I P, W, gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Wels vom 29.5.2008, Pol-09019-2008, wegen Verwaltungsübertretungen nach dem ArbeitnehmerInnenschutzgesetz nach öffentlicher mündlicher Verhandlung am 25. September 2008, zu Recht erkannt:

 

 

I. Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen und das angefochtene Straferkenntnis mit der Maßgabe bestätigt, dass

- bei der verletzten Rechtsvorschrift zu Faktum 1 der Ausdruck "jeweils" voranzustellen ist und hinsichtlich beider Fakten die Zitierung "und § 161" zu entfallen hat und bei Faktum 2 die Zitierung des § 7 um den Ausdruck "Abs.1 und Abs.2 Z1" zu ergänzen ist und

- die Strafnorm im Sinn des § 44a Z3 VStG zu lauten hat: "Jeweils § 130 Abs.5 Einleitung ASchG".

 

 

II. Der Berufungswerber hat zum Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat einen Kostenbeitrag in der Höhe von 20 % der verhängten Geldstrafen, das sind insgesamt 440 Euro zu leisten.

 

 

Rechtsgrundlagen:

Zu I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG iVm §§ 24, 5, 19 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG.

Zu II.: § 64 VStG.

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Wels vom 29.5.2008, BZ-Pol-09019-2008, wurde über den Berufungswerber (Bw) zu 1. in drei Fällen je eine Geldstrafe von 500 Euro, Ersatzfreiheitsstrafe von jeweils 23 Stunden, zu 2. eine Geldstrafe von 700 Euro, Ersatzfreiheitsstrafe von 32 Stunden, wegen Verwaltungsübertretungen zu 1. jeweils gemäß § 130 Abs.5 Z1 iVm § 118 Abs.3 ASchG iVm § 87 Abs.2 und Abs.5 Z2 BauV, und zu 2. § 130 Abs.5 Z1 iVm § 118 Abs.3 ASchG iVm § 7 BauV verhängt, weil er als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit als iSd § 9 Abs.1 VStG zur Vertretung nach außen Berufener der Firma M. R Gesellschaft m.b.H., W (Arbeitgeberin) zu vertreten hat, dass am 1.4.2008 auf der Baustelle Sportanlage in 4212 Neumarkt

 

1. die drei Arbeitnehmer

a)                K A, geb.   

b)                M L, geb.    und

c)                V J, geb.    

 

unmittelbar am nordwestlichen Dachsaum des ca. 2° geneigten Daches des Klubraumes bei einer möglichen Absturzhöhe von ca. 4,5 m bis 5,5 m mit Dacharbeiten beschäftigt waren, wobei weder Absturzsicherungen oder Schutzeinrichtungen vorhanden waren und die Arbeitnehmer auch nicht mittels Sicherheitsgeschirr angeseilt waren, obwohl bei Arbeiten auf Dächern mit einer Neigung bis zu 20° und einer Absturzhöhe von mehr als 3 m Absturzsicherungen oder Schutzeinrichtungen vorhanden sein müssen. Wird gemäß § 87 Abs.5 BauV bei Arbeiten am Dachsaum auf Schutzeinrichtungen verzichtet, müssen die Arbeitnehmer jedenfalls mittels Sicherheitsgeschirr angeseilt sein.

 

2. der Arbeitnehmer F E, geb. 10.5.1980, unmittelbar an einer 0,9 m x 0,9 m großen Lichtkuppelöffnung tätig war, wobei trotz Absturzgefahr ins Gebäudeinnere von ca. 3,5 m keine Absturzsicherungen, Abgrenzungen oder Schutzeinrichtungen angebracht waren und auch keine anderen geeigneten Schutzmaßnahmen wie die Verwendung einer persönlichen Schutzausrüstung getroffen wurden, obwohl bei Absturzgefahr Absturzsicherungen, Abgrenzungen oder Schutzeinrichtungen anzubringen sind. Müssen Absturzsicherungen, Abgrenzungen oder Schutzeinrichtungen entfernt werden, so sind geeignete andere Schutzmaßnahmen zu treffen.

 

2. Dagegen wurde fristgerecht Berufung eingebracht und Rechtswidrigkeit des Inhaltes und unverhältnismäßige Ermessensübung bei der Strafbemessung geltend gemacht. Begründet wurde dies damit, dass den Beschuldigten kein Verschulden und keine Verantwortung treffe, weil er Sorge getragen habe, dass auf der gegenständlichen Baustelle sowohl Sicherheitsgeschirr sowie auch eine Hebebühne zur Verfügung stand. Der Beschuldigte habe davon ausgehen können, dass diese Sicherheitsvorkehrungen von den Arbeitern benutzt werden. Das Kontrollsystem sei dadurch eingerichtet, dass die Arbeiter und der Vorarbeiter angewiesen seien, an der Baustelle sämtliche Sicherheitsvorkehrungen durchzuführen. Diese Anweisung erfolge zweimal jährlich. Der Beschuldigte vergewissere sich in regelmäßigen Abständen von der Einhaltung dieser Anordnungen, indem er dem Baustellenleiter diesbezüglich Überwachungs- und Berichtspflichten überbunden habe. Der Baustellenleiter sei angewiesen, sich zu vergewissern, dass die jeweiligen Arbeiter die notwendigen Sicherheitsvorkehrungen verstanden hätten und einhalten würden. Es sei daher ein hierarchisch lückenloses Berichts- und Anordnungssystem installiert, das dem Beschuldigten eine effektive Kontrolle ermögliche. Darüber hinaus sei für jede Baustelle ein Baustellenkoordinator mit der Wahrnehmung der Schutzmaßnahmen beauftragt und hiefür verantwortlich. Zur Strafbemessung wurde darauf hingewiesen, dass das Dach bloß 2° geneigt gewesen sei, also annähernd flach gewesen sei und die Gefahr für die Arbeiter nur gering gewesen sei im Grunde der Höhe von lediglich etwa vier bis fünf Meter. Der Arbeitnehmer E hätte nur in einer Höhe von 3,5 m gearbeitet. Aus dieser eher geringen Gefahr sei auch erklärbar, dass die Arbeiter die erforderliche Absicherung unterlassen haben, obwohl sie grundsätzlich Anweisung hiezu hätten. Dies müsse strafmildernd gewertet werden. Der Beschuldigte sei auch nicht einschlägig vorbestraft. Auch sei die Anzahl der Teilbestrafungen in ihrer Kumulation zu berücksichtigen, die zu einer erheblichen Bestrafung führe.

 

3. Der Magistrat der Stadt Wels hat die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt vorgelegt und in einer Stellungnahme ausgeführt, dass die Bestellung zum verantwortlichen Beauftragten gemäß § 23 Abs.1 ABG erst mit Einlangen beim zuständigen Arbeitsinspektorat rechtswirksam wäre, weshalb der Beschuldigte als handelsrechtlicher Geschäftsführer zu belangen gewesen wäre. Ein effektives Kontrollsystem im Sinne der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes sei nicht nachgewiesen worden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten seien aufgrund eines Vorwurfes anlässlich der Aufforderung zur Rechtfertigung der Entscheidung zugrunde gelegt worden. Geänderte Umstände habe der Beschuldigte nicht bekannt gegeben. Es wurde daher in Anbetracht der Gefahr für Leben und Gesundheit der Arbeitnehmer und des gesetzlich vorgesehenen Strafrahmens beantragt, das angefochtene Straferkenntnis zu bestätigen.

 

4. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Akteneinsichtnahme sowie durch Anberaumung und Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 25. September 2008, zu welcher die Verfahrensparteien geladen wurden und bei der sie mit Ausnahme der belangten Behörde auch teilgenommen haben. Weiters wurden die Zeugen F E und A K geladen und einvernommen.

 

4.1. Aufgrund des durchgeführten Beweisverfahrens steht als erwiesen fest:

 

Am 1.4.2008 waren auf der Baustelle Sportanlage in 4212 Neumarkt drei namentlich genannte Arbeitnehmer der M. R Ges.m.b.H. mit Sitz in Wels mit Dacharbeiten unmittelbar am nordwestlichen Dachsaum des ca. 2° geneigten Daches des Klubraumes bei einer möglichen Absturzhöhe von ca. 4,5 m bis 5,5 m beschäftigt, wobei keine Absicherungen gegen Absturz vorhanden waren und die Arbeitnehmer auch nicht angeseilt waren. Weiters war der Arbeitnehmer F E unmittelbar an einer 0,9 m x 0,9 m großen Lichtkuppelöffnung tätig, wobei trotz Absturzgefahr ins Gebäudeinnere von ca. 3,5 m keine Absicherungen gegen Absturz vorhanden waren und auch dieser Arbeitnehmer nicht angeseilt war.

 

Der Bw ist handelsrechtlicher Geschäftsführer der M. R Ges.m.b.H. mit Sitz in Wels. Die Bestellung des Bw zum verantwortlichen Beauftragten vom 31.3.2008 für die gegenständliche Baustelle langte beim Arbeitsinspektorat Wels am 31.3.2008 ein, wurde an das zuständige Arbeitsinspektorat Linz weitergeleitet und langte dort am 2. April 2008 ein. Dies war nach dem Tatzeitpunkt.

 

Verantwortlicher Baustellenleiter für die gegenständliche Baustelle war der Bw selbst. Vorarbeiter und unmittelbarer Ansprechpartner vor Ort war Herr A K. Die zu verwendenden Arbeitsmittel und Sicherheitseinrichtungen werden vom Baustellenleiter bestimmt. Es sollte eine Dacheindeckung und die Versetzung der Lichtkuppeln ausgeführt werden. Es handelte sich um eine einfache Baustelle und wurde in der Firma mittels Plan vom Bw mit Herrn K die Baustelle erklärt. Es sollten Material und auch 16 Sekuranten von der Firma zur Baustelle geliefert werden und gab es die Anordnung, zuerst die Anschlagpunkte zu montieren, wobei diese auch zur Verwendung durch andere Firmen dienen sollten. Die Sekuranten wurden aber vom Vorarbeiter in der Firma vergessen und wurde ohne Sekuranten und ohne sich anzuseilen gearbeitet. Es gab die Anweisung Sekuranten zu setzen und sich bei Randarbeiten anzuseilen und ein Schutzgerüst zu verwenden. Das Schutzgerüst hätte ebenfalls von der Firma mitgenommen werden und aufgestellt werden müssen. Die Baustelle wurde bereits am Vortag des 1.4.2008 begonnen. Weder zu Beginn der Baustelle noch am 1.4.2008 war der Bw auf der Baustelle. Dieser kommt abhängig vom Schwierigkeitsgrad auf die Baustelle. Wenn er auf der Baustelle ist, kontrolliert er auch die Einhaltung der Sicherheitsvorkehrungen. In jedem Firmenfahrzeug befindet sich Sicherheitsgeschirr und sind die Dienstnehmer angewiesen, bei Notwendigkeit dieses Sicherheitsgeschirr zu verwenden. Es wurde aber weder ein Schutzgerüst aufgestellt noch wurde ein Sicherheitsgeschirr verwendet noch hat der Vorarbeiter Anweisung gegeben, ein Sicherheitsgeschirr zu verwenden. Der Arbeitnehmer E hat bei den Lichtkuppeln gearbeitet und war ebenfalls nicht gesichert, da er keine diesbezügliche Anweisung von seinem Vorgesetzten, dem Vorarbeiter K, erhalten hat, weil auch die Höhe nicht so groß war. Eine Absturzhöhe von drei Meter empfindet der Arbeitnehmer als nicht hoch. Dieser Arbeitnehmer ist seit Jänner 2008 in der Firma und hat noch nie eine Einschulung hinsichtlich Sicherheitsvorkehrungen in der Firma gehabt. Diese lernt man durch das Mitgehen auf der Baustelle. Allerdings war er schon vor Einstellung in der Firma mit Dacharbeiten beschäftigt.

 

In der Firma werden jährlich Schulungen betreffend Sicherheitsvorkehrungen durchgeführt. In der Firma gibt es auch einen Aushang über die Sicherheitsvorkehrungen.

 

Zu den persönlichen Verhältnissen gibt der Bw ein Einkommen von ca. 3.800 Euro, keine Sorgepflichten, Firmenanteile und ein Einfamilienhaus an.

 

4.2. Dieser Sachverhalt ist aufgrund der Aussagen des Bws sowie der einvernommenen Zeugen erwiesen. Die Zeugen waren glaubwürdig und besteht kein Zweifel an der Richtigkeit ihrer Ausführungen. Der Sachverhalt wurde im Wesentlichen auch nicht vom Bw bestritten.

 

5. Hierüber hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

5.1. Gemäß § 87 Abs.2 Bauarbeiterschutzverordnung – BauV müssen bei Arbeiten auf Dächern mit einer Neigung bis zu 20° und einer Absturzhöhe von mehr als 3,00 m Absturzsicherungen oder Schutzeinrichtungen gemäß §§ 7 bis 10 vorhanden sein.

 

Gemäß § 87 Abs.5 Z2 BauV darf das Anbringen von Schutzeinrichtungen nach Abs.2 und 3 nur entfallen bei Arbeiten am Dachsaum oder im Giebelbereich. In diesen Fällen müssen die Arbeitnehmer mittels Sicherheitsgeschirr angeseilt sein.

 

§ 161 BauV wurde durch BGBl Nr. 540/1994 aufgehoben (§ 118 Abs.3 Z4 ASchG).

 

Gemäß § 118 Abs.3 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz – ASchG gilt die Bauarbeiterschutzverordnung nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen als Verordnung nach diesem Bundesgesetz.

 

Gemäß § 130 Abs.5 Z1 ASchG begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe von 145 Euro bis 7.260 Euro zu bestrafen ist, wer als Arbeitgeber/in den nach dem neunten Abschnitt weiter geltenden Bestimmungen zuwiderhandelt.

 

Im Grunde des erwiesenen Sachverhaltes hat der Bw den objektiven Tatbestand der vorgeworfenen Verwaltungsübertretungen je Arbeitnehmer nach dem in § 22 VStG geregelten Kumulationsprinzip erfüllt. Es waren weder technische Schutzmaßnahmen vorhanden, noch waren die Arbeitnehmer angeseilt. Es wurde daher auch nicht die Ausnahmebestimmung des § 87 Abs.5 Z2 BauV beachtet.

 

5.2. Gemäß § 7 Abs.1 BauV sind bei Absturzgefahr Absturzsicherungen (§ 8), Abgrenzungen (§ 9) oder Schutzeinrichtungen (§ 10) anzubringen.

 

Gemäß § 7 Abs.2 Z1 BauV liegt Absturzgefahr vor u.a. bei Öffnungen in Geschoßdecken, wie Installationsöffnungen, oder in Dächern, wie Lichtkuppel- oder Sheddachöffnungen.

 

Gemäß § 7 Abs.4 BauV kann die Anbringung von Absturzsicherungen oder Schutzeinrichtungen entfallen, wenn der hiefür erforderliche Aufwand unverhältnismäßig hoch gegenüber dem Aufwand für die durchzuführende Arbeit ist. In diesen Fällen müssen die Arbeitnehmer entsprechend § 30 sicher angeseilt sein.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat dazu erkannt, dass § 7 Abs.2 Z1 BauV eine lex.specialis zu § 87 Abs.1 BauV ist. Der angetroffene Arbeitnehmer E hat ohne technische Schutzausrüstungen, aber auch ohne persönliche Schutzausrüstung Arbeiten bei der Lichtkuppelöffnung vorgenommen. Es ist daher auch dieser Tatbestand erfüllt.

 

Der Bw hat als handelsrechtlicher Geschäftsführer der M. R Ges.m.b.H. sämtliche Verwaltungsübertretungen auch gemäß § 9 Abs.1 VStG verwaltungsstrafrechtlich zu verantworten. Die Bestellung zum verantwortlichen Beauftragten ist hingegen nach der Bestimmung des § 23 Abs.1 ArbIG erst dann rechtswirksam, wenn die schriftliche Mitteilung über die Bestellung samt einem Nachweis der Zustimmung beim zuständigen Arbeitsinspektorat eingelangt ist. Zuständiges Arbeitsinspektorat ist in Verwaltungsstrafverfahren jenes Arbeitsinspektorat, das die Strafanzeige erstattet hat (§ 9 iVm § 15 Abs.6 ArbIG). Die Bestellung ist aber erst am 2.4.2008, also am Tag nach dem Tattag beim anzeigenden Arbeitsinspektorat Linz eingelangt.

 

5.3. Der Bw macht mangelndes Verschulden geltend, weil seine Arbeitnehmer in Sicherheitseinrichtungen unterrichtet sind und der Vorarbeiter Anweisung hatte, Sekuranten zu setzen und verantwortlich ist, dass die Sicherheitseinrichtungen auch verwendet werden. Auch können die erforderlichen Sicherheitseinrichtungen wie Schutzgerüst angefordert bzw. aus der Firma mitgenommen werden.

 

Gemäß § 5 Abs.1 VStG genügt zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nichts anderes bestimmt. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.

 

Auch die gegenständliche Verwaltungsübertretung stellt ein Ungehorsamsdelikt dar, wobei zur Strafbarkeit bereits Fahrlässigkeit ausreicht und Fahrlässigkeit im Sinn der zitierten Bestimmung ohne weiteres anzunehmen ist, sofern vom Bw kein Entlastungsnachweis erbracht wird. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hat der Bw initiativ alles darzulegen, was für seine Entlastung spricht. Dies hat in erster Linie durch ein geeignetes Tatsachenvorbringen und durch Beibringen von Beweismittel oder die Stellung konkreter Beweisanträge zu geschehen. Bloßes Leugnen oder allgemein gehaltene Behauptungen reichen für die Glaubhaftmachung nicht aus.

 

Im Sinne der Arbeitnehmerschutzbestimmungen und der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hat der Arbeitgeber dafür Sorge zu tragen, dass die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes sowie der dazu erlassenen Verordnungen eingehalten werden. Ist er selbst nicht anwesend, hat er einen geeigneten Arbeitnehmer zu bestimmen, der auf die Durchführung und Einhaltung der zum Schutz der Arbeitnehmer notwendigen Maßnahmen zu achten hat. Es wird zwar darauf Bedacht genommen, dass die im heutigen Wirtschaftsleben notwendige Arbeitsteilung es nicht zulässt, dass sich der Unternehmer aller Belange und Angelegenheiten persönlich annimmt, es ist ihm vielmehr zuzubilligen, die Besorgung einzelner Angelegenheiten anderen Personen selbstverantwortlich zu überlassen und die eigene Tätigkeit in diesen Belangen auf eine angemessene Kontrolle zu beschränken. Es ist der Unternehmer dann persönlich von der verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortung befreit, wenn er den Nachweis zu erbringen vermag, dass er Maßnahmen getroffen hat, die unter den vorhersehbaren Verhältnissen die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften mit gutem Grund erwarten lassen. Der dem Berufungswerber nach § 5 Abs.1 VStG obliegende Entlastungsnachweis kann aber nicht allein dadurch erbracht werden, dass die ihn betreffende Verantwortung auf eine hiezu taugliche Person übertragen wird. Es bedarf vielmehr des weiteren Beweises, dass auch für eine geeignete Kontrolle der mit der Wahrnehmung dieser Aufgaben beauftragten Person Vorsorge getroffen worden ist (VwGH vom 18.9.1991, 90/19/0177, sowie vom 13.12.1990, 90/09/0141). Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes reichen die bloße Erteilung von Weisungen und die Wahrnehmung einer "Oberaufsicht" nicht aus (VwGH 30.6.1994, 94/09/0049). Entscheidend ist, ob auch eine wirksame Kontrolle über die Einhaltung der vom Verantwortlichen erteilten Weisungen erfolgte. In diesem Sinne führt der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 20.12.2002, 99/02/0220, aus, dass der Hinweis auf die Betrauung Dritter mit Kontrollaufgaben, auf die Erteilung entsprechender Weisungen und auf stichprobenartige Überprüfungen nicht den Anforderungen an ein wirksames Kontrollsystem genügt. Insbesondere bemängelt der Verwaltungsgerichtshof, dass der Beschwerdeführer nicht geltend gemacht hat, dass er etwa die Einhaltung der erteilten Aufträge und Weisungen während deren Ausführung überprüft hätte. "Gerade für den Fall, dass die Arbeitnehmer aus eigenem Antrieb aufgrund eigenmächtiger Handlungen gegen die Arbeitnehmer­schutzvorschriften verstoßen, hat das entsprechende, vom Arbeitgeber eingerichtete Kontrollsystem Platz zu greifen. Im Beschwerdefall zeigt jedoch das eigenmächtige Verhalten des verunfallten Arbeitnehmers zum Tatzeitpunkt, dass kein wirksames Kontrollsystem im Sinn der hg. Judikatur vorhanden war".

 

Im Sinne dieser Judikatur reicht daher das Vorbringen des Bws nicht aus, ihn von dem anlastbaren Verschulden zu befreien. Insbesondere reichen die von ihm angeführten jährlichen Schulungen nicht aus. Es reicht auch nicht aus, dass Sicherheitsseile und Sicherheitsgeschirre im Firmenbus den Arbeitnehmern zur Verfügung stehen. Vielmehr hat der Bw auf die Einhaltung der Sicherheitsvorschriften zu achten, also für die Mitnahme und Benutzung der technischen Sicherheitseinrichtungen wie Sicherheitsgerüst und das Setzen von Sekuranten Sorge zu tragen. Dabei reicht es nach der vorzitierten Judikatur nicht aus, dass entsprechende Sicherheitseinrichtungen angeordnet werden, sondern hat er die ordnungsgemäße Verwendung auch zu kontrollieren. Allerdings hat das Beweisverfahren ergeben, dass es dem Vorarbeiter überlassen war, ob das Schutzgerüst und der Anseilschutz verwendet werden und wo die Anschlagpunkte gesetzt werden. Es wurde der angeordnete Sicherheitsschutz nicht vom Bw selbst kontrolliert, obwohl er auch gleichzeitig der Baustellenleiter war. Es hat das Beweisverfahren erwiesen, dass der Bw weder zu Beginn noch am Tattag auf der Baustelle war. Vielmehr gab er selbst an, dass es sich um eine einfache Baustelle handelte und er nicht alle Baustellen kontrollieren könne. Es fehlte daher schon aus diesem Grund an einem lückenlosen Kontrollsystem. Es konnte daher der Bw nicht darlegen und unter Beweis stellen, welche Maßnahmen er getroffen hat, dass die Einhaltung der Sicherheitsvorschriften mit gutem Grund erwartet werden kann. Das Vorbringen des Bws, dass ihm aufgrund der zahlreichen Baustellen eine ständige Kontrolle nicht zumutbar sei, dient nicht zur Entlastung, weil gerade eine solche Kontrolle bei Einhaltung der Bestimmungen vom Verwaltungsgerichtshof verlangt wird (VwGH vom 19.10.2001, Zl. 2000/02/0228), um sich vom gesetzlich vermuteten Verschulden zu entlasten. Das Kontrollsystem dient genau dazu, dass eigenmächtige Vorgangsweisen der Arbeitnehmer nicht eintreffen und soll das Kontrollsystem verhindern, dass gegen das Wissen und den Willen des Arbeitgebers Arbeitnehmer Handlungen setzen und Arbeitnehmerschutzvorschriften außer Acht lassen. Es war daher vom Verschulden des Bws auszugehen. Nach der jüngsten Judikatur des VwGH (26.9.2008, 2007/02/0317) reicht es nicht aus, dass auf den einzelnen Baustellen Bauleiter bzw. Vorarbeiter und Poliere mit der Überwachung der Einhaltung an Ort und Stelle verantwortlich sind.

 

5.4. Gemäß § 19 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat (Abs.1).

Im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) sind überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des StGB sinngemäß anzuwenden.

Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

 

Laut ständiger Rechtssprechung des Verwaltungsgerichtshofes handelt es sich bei der Strafzumessung innerhalb eines gesetzlichen Strafrahmens um eine Ermessensentscheidung, die nach den Kriterien des § 19 VStG vorzunehmen ist. Die maßgebenden Umstände und Erwägungen für diese Ermessensabwägung sind in der Begründung des Bescheides soweit aufzuzeigen, als dies für die Rechtsverfolgung durch die Parteien des Verwaltungsstrafverfahrens und für die Nachprüfbarkeit des Ermessensaktes erforderlich ist.

 

Die belangte Behörde hat in der Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses keine Strafmilderungsgründe zugrunde gelegt, aber im Hinblick auf den Unrechtsgehalt der Tat auf das hohe Gefährdungspotential für Leben und Gesundheit der Arbeitnehmer hingewiesen. Die Aufforderung zur Rechtfertigung vom 28.4.2008 hat die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse bei einem Nettoeinkommen von 2.500 Euro, keinem Vermögen und keinen Sorgepflichten geschätzt und wurde im Verfahren erster Instanz diesen Ausführungen nichts entgegengehalten.

 

Im Berufungsverfahren legt nunmehr der Bw einen Nachweis über ein monatliches Nettoeinkommen von 3.859,50 Euro vor und gibt an, keine Sorgepflichten zu haben und über Firmenanteile zu verfügen. Weiters kam im Berufungsverfahren hervor, dass der Bw unbescholten ist. Wie die belangte Behörde zurecht ausgeführt hat, ist aber auf die hohe Gefährdung durch die Absturzhöhe sowie durch die besonders gefährlichen Arbeiten am Dachsaum Bedacht zu nehmen. Der Schutzzweck der Norm ist in erheblichem Ausmaß verletzt. Auch verfügt der Bw aufgrund seiner Angaben über überdurchschnittliche Einkommens- und Vermögensverhältnisse. Wenn auch die Unbescholtenheit des Bws als Milderungsgrund zu werten ist, so sind ihm die überdurchschnittlichen persönlichen Verhältnisse entgegenzuhalten. Die je Delikt verhängten Geldstrafen und Ersatzfreiheitsstrafen bewegen sich auch im untersten Bereich des gesetzlichen Strafrahmens und sind daher jedenfalls nicht überhöht. Auch war zu werten, dass der Bw seine Arbeitnehmer auf der Baustelle ganz sich selbst überlässt. Es kann daher nicht gefunden werden, dass die belangte Behörde bei dem ihr zukommenden Ermessen in gesetzwidriger Weise Gebrauch gemacht hat. Entgegen den Ausführungen des Bws kann aber die Kumulation von Strafen nicht eine Herabsetzung der jeweiligen Strafe je Delikt bewirken. Auf die diesbezügliche ständige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes wird hingewiesen (VwGH vom 12.10.1987, 85/10/0090). Es waren daher auch die verhängten Geldstrafen und Ersatzfreiheitsstrafen zu bestätigen.

 

Ein Überwiegen der Milderungsgründe war jedoch nicht festzustellen und daher von einer außerordentlichen Milderung gemäß § 20 VStG nicht Gebrauch zu machen. Auch liegt nicht Geringfügigkeit des Verschuldens vor, da das Verhalten des Beschuldigten nicht weit hinter dem in der Strafdrohung typisierten Unrechts- und Schuldgehalt der Tat zurückbleibt. Mangels dieser Voraussetzungen war daher von einem Absehen von der Strafe gemäß § 21 VStG nicht auszugehen. Vielmehr hat das Verfahren gezeigt, dass der Bw genau jenen Schutzzweck der Norm verletzt hat, der den Bestimmungen zugrunde gelegt wurde und sein Verhalten genau dem Unrechtsgehalt der Verwaltungsübertretung entspricht.

 

6. Weil die Berufung keinen Erfolg hatte, war ein Kostenbeitrag zum Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat gemäß § 64 VStG in der Höhe von 20 % der verhängten Geldstrafen, das sind insgesamt 440 Euro, festzusetzen.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

 

 

 

Dr. Ilse Klempt

 

 

 

Beschlagwortung:

Kontrollsystem

 

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