Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-281111/25/Kl/RSt

Linz, 20.10.2008

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Ilse Klempt über die Berufung des Herrn H B, W, vertreten durch P Rechtsanwälte, Dr. P P, Dr. I P, W, gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt W vom 20.6.2008, BZ-Pol-09020-2007, wegen Verwaltungsübertretungen nach dem ArbeitnehmerInnenschutzgesetz nach öffentlicher mündlicher Verhandlung am 25. September 2008, zu Recht erkannt:

 

 

I. Der Berufung wird hinsichtlich Faktum 1 (Arbeitnehmer P S) Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

Im Übrigen wird die Berufung als unbegründet abgewiesen und das angefochtene Straferkenntnis mit der Maßgabe bestätigt, dass

-           bei der verletzten Rechtsvorschrift der Ausdruck "jeweils" voranzustellen ist und die Zitierung "und § 161" zu entfallen hat und

-           die Strafnorm im Sinn des § 44a Z3 VStG zu lauten hat: "jeweils
§ 130 Abs.5 Einleitung ASchG".

 

 

II. Der Berufungswerber hat zum Verfahren erster Instanz einen Kostenbeitrag in Höhe von 10 % der verhängten Geldstrafen, das sind insgesamt 200 Euro, zu leisten. Zum Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat entfällt ein Kostenbeitrag hinsichtlich Faktum 1; im Übrigen ist ein Kostenbeitrag in der Höhe von 20 % der verhängten Geldstrafen, das sind 400 Euro, zu leisten.

 

Rechtsgrundlagen:

Zu I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG iVm §§ 24, 5, 19, 45 Abs.1 Z1 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG.

Zu II.: §§ 64 und 66 Abs.1 VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt W vom 20.6.2008, BZ-Pol-09020-2007, wurden über den Berufungswerber (Bw) in drei Fällen eine Geldstrafe von jeweils 1.000 Euro, Ersatzfreiheitsstrafe von jeweils 46 Stunden, wegen jeweils einer Verwaltungsübertretung gemäß § 130 Abs.5 Z1 und § 118 Abs.3 ASchG iVm § 87 Abs.2 und § 161 BauV verhängt, weil er als im Sinn des § 9 Abs.2 VStG verantwortlicher Beauftragter (für den Zuständigkeitsbereich BV-R B, L) der Firma M. R Gesellschaft m.b.H., W (Arbeitgeberin) zu vertreten hat, dass die Arbeitnehmer

 

         1. S P, geb.    

         2. K W, geb.     und

         3. J B, geb.    

 

am 6.7.2007 auf der Baustelle R B, L, K, mit dem Verlegen von Trapezblechprofilen beschäftigt wurden und die Arbeitnehmer diese Arbeit auf einem ca. 30 cm breiten Betonträger bei einer Absturzhöhe von ca. 6,5 m und einer Dachneigung bis 20° verrichteten, ohne dass Absturzsicherungen oder Schutzeinrichtungen vorhanden oder die Arbeitnehmer mittels Sicherheitsgeschirr angeseilt waren, obwohl bei Arbeiten auf Dächern mit einer Neigung von bis zu 20° und einer Absturzhöhe von mehr als 3 m Absturzsicherungen oder Schutzeinrichtungen vorhanden sein müssen. Durch das Fehlen der Absturzsicherungen kam es zu einem Arbeitsunfall, bei dem der Arbeitnehmer P S abstürzte.

 

2. Dagegen wurde fristgerecht Berufung eingebracht und die Aufhebung des Bescheides und Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens beantragt. Es wurde eine Bestätigung für den Erhalt der Arbeitskleidung 2007 inkl. Arbeitskleidung vom Betriebsrat und für Sicherheitsinfo am 20.12.2007 sowie die Sicherheitsinfo beigelegt. Begründend wurde vorgebracht, dass der verantwortliche Beauftragte einer juristischen Person die erforderlichen innerbetrieblichen Vorkehrungen durchzuführen habe, um sicherzustellen, dass die Arbeitnehmerschutzvorschriften eingehalten werden. Dieser Verpflichtung sei der Beschuldigte jedenfalls nachgekommen, weil im Unternehmen der Firma M. R Ges.m.b.H. mehrmals jährlich Sicherheitsbelehrungen durchgeführt werden. Die verantwortlichen Bauleiter werden eingehend geschult. Bei der in Rede stehenden Baustelle in L sei Herr P S örtlicher Bauleiter gewesen und als langjähriger Dienstnehmer der Firma R bestens geschult. Er kenne sämtliche erforderlichen Sicherheitsmaßnahmen genau. Auch handle es sich bei Herrn P S um einen Betriebsrat. Den Auftrag an Herrn P S, die Arbeiten an der Baustelle in L durchzuführen, haben sich ausschließlich auf das Hochregallager bezogen. Vollkommen eigenmächtig und ohne den Beschuldigten oder sonst irgendjemand zu kontaktieren, entschied sich Herr P S die Arbeiten am Hochregallager zu beenden und die Arbeiten bei der kleineren Halle zu beginnen. Er habe niemandem die eigenmächtige Umplanung gemeldet und auch nicht für die erforderlichen Sicherheitsvorkehrungen gesorgt. Die Sicherheitsnetze wären für den 9.7.2007, dem geplanten Arbeitsbeginn auf der kleineren Halle, bestellt gewesen, sodass es zu keinem Absturz hätte kommen können. Es habe daher der Beschuldigte zu keinem Zeitpunkt damit rechnen können, dass an einer ungesicherten Baustelle Arbeiten begonnen würden. Das gerichtliche Strafverfahren gegen den Beschuldigten sei mit Beschluss, mitgeteilt am 13.6.2008, eingestellt worden. Aus der Beilage sei ersichtlich, dass Herr P S über alle Sicherheitsvorschriften belehrt wurde. Er sei ein verlässlicher Mitarbeiter und deswegen auch Mitglied des Betriebsrates. Der Beschuldigte habe alles ihm Mögliche getan. Kein Geschäftsführer sei in der Lage, täglich alle Baustellen seines Unternehmens zu kontrollieren. Schließlich sei auch die Strafhöhe unangemessen. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Beschuldigten hätten zu einer weit geringeren Bestrafung führen müssen. Auch gäbe es keine Feststellungen darüber, dass tatsächlich sämtliche Dienstnehmer S, K und J sich auf dem Dach befunden hätten.

 

3. Der Magistrat der Stadt W hat die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt vorgelegt und in einer Stellungnahme ausgeführt, dass im Sinn der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, welche zitiert wurde, ein effektives Kontrollsystem nicht nachgewiesen werden konnte. Die Strafhöhe sei nicht unangemessen, weil die Vermögensverhältnisse, die der Beschuldigte in der Niederschrift vom 19.10.2007 bekannt gegeben habe, bei der Bemessung berücksichtigt worden seien. Auch seien sie im Hinblick auf den Strafrahmen angemessen. Es wurde daher beantragt, das angefochtene Straferkenntnis zu bestätigen.

 

4. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Akteneinsichtnahme sowie durch Anberaumung und Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 25. September 2008, zu welcher die Verfahrensparteien geladen wurden und bei der sie mit Ausnahme der belangten Behörde auch teilgenommen haben. Weiters wurden die Zeugen Ing. W W, Arbeitsinspektorat Linz, P S und J B geladen und einvernommen. Der weiters geladene Zeuge W K hat sich krankheitshalber entschuldigt.

 

4.1. Aufgrund des durchgeführten Beweisverfahrens steht als erwiesen fest:

 

Am 6.7.2007 waren auf der Baustelle R B, L, K, drei namentlich genannte Arbeitnehmer der M. R Ges.m.b.H. mit dem Sitz in W mit dem Verlegen von Trapezblechprofilen beschäftigt. Es sollten an diesem Tage Dacharbeiten auf dem Hochregallager durchgeführt werden, welche jedoch aufgrund der Witterung (starker Wind) nicht möglich waren, sodass der Vorarbeiter P S, welcher die Baustelle zu leiten hatte, langjährig bei der Firma beschäftigt war und selbst mitarbeitete, entschied, bei dem tiefer gelegenen Bauteil Trapezbleche zu verlegen. Die Absturzhöhe von dem ca. 30 cm breiten Betonträger beträgt ca. 6,5 m. Die Dachneigung beträgt bis zu 20°. Es waren keine Absturzsicherungen bei diesem Gebäudeteil vorhanden und waren die drei Arbeitnehmer nicht angeseilt. Ein Fangnetz befand sich beim Hochregallager, beim niedrigeren Teil befand sich kein Fangnetz, weil dort die Arbeiten erst für 9.7.2007 vorgesehen waren. Erst zu diesem Zeitpunkt sollte ein Sicherheitsnetz angebracht werden. Die Eindeckung dieses Bauteiles war großteils, etwa bis zwei Drittel, vorgenommen worden. Dann erst stürzte der Arbeitnehmer P S ab. Der Vorarbeiter P S ist zwölf Jahre in der Firma und seit einem Jahr Betriebsrat. Er hat die jährlichen Schulungen in der Firma mitgemacht. Bei diesen Schulungen war auch der Arbeitnehmer K. Der weitere Arbeitnehmer J B ist ein Leasingarbeiter und hat keine Einschulung gehabt. Eine Anweisung zum Verwenden von Seilen gab es weder vom Bw noch vom Vorarbeiter für diese Baustelle. Es waren auch keine Anschlagpunkte vorhanden. Vielmehr geht aus der Aussage des Vorarbeiters hervor, dass das Anseilen bei der Arbeit auch hinderlich ist. Der Leasingarbeiter J B hatte keine Einschulung über das Anseilen und über Sicherheitsmaßnahmen bei der Firma, obwohl er schon drei bis vier Monate für diese Firma arbeitete. Auch wurde ihm nicht gesagt, dass er sich anseilen müsse. Auch hat er nicht gewusst, ob und dass sich im Firmenbus Sicherheitsgeschirre bzw. Seile befinden.

 

Der Bw ist mit Bestellungsurkunde vom 25.6.2007 zum verantwortlichen Beauftragten für die Baustelle BV-R B, L, für die Einhaltung der Arbeitnehmerschutzvorschriften zum verantwortlichen Beauftragten bestellt und ist diese Bestellung beim Arbeitsinspektorat Linz am 29. Juni 2007 eingelangt. Er war am Tattag nicht auf der Baustelle. Ob er zu Beginn der Baustelle vor Ort war, konnte nicht festgestellt werden. Weiters gibt der Zeuge S an, dass er mit dem Bw Kontakt hatte und mit seinem Einverständnis die Arbeiten auf dem niedrigeren Hallenteil durch Verlegen der Trapezfläche fortsetzte, während der Bw die Kenntnis bestritt. Jedenfalls war er nicht auf der Baustelle und es gab keine Anweisungen hinsichtlich Sicherheitsvorkehrungen an diesem Tage. Es war der Vorarbeiter auf der Baustelle verantwortlich, auch hinsichtlich der Sicherheitseinrichtungen für die Arbeiter. Der Vorarbeiter war selbständig auf der Baustelle tätig und bestimmte die Arbeiten und Sicherheitsvorkehrungen.

 

Die Arbeitnehmer werden in der Firma jährlich geschult, wobei auch über erforderliche Sicherheitsmaßnahmen gesprochen wird. In jedem Fahrzeug befindet sich das Sicherheitsgeschirr und besteht die Anweisung, bei Notwendigkeit dieses Sicherheitsgeschirr zu verwenden. Abhängig vom Schwierigkeitsgrad besucht der Bw die Baustelle und kontrolliert bei einer Baustellenbegehung auch die Einhaltung der Sicherheitsvorkehrungen.

 

Zu den persönlichen Verhältnissen gibt der Bw ein Einkommen von ca. 3.800 Euro, keine Sorgepflichten, Firmenanteile und ein Einfamilienhaus an.

 

4.2. Dieser Sachverhalt gründet sich einerseits auf die Aussagen des Bws und andererseits auf die Aussagen der einvernommenen Zeugen. Die Zeugen waren glaubwürdig und besteht kein Zweifel an der Richtigkeit ihrer Ausführungen. Insbesondere ist erwiesen, dass die drei namentlich angeführten Arbeitnehmer auf dem Dach zum Tatzeitpunkt beschäftigt waren. Dass keine Sicherheitsvorkehrungen vorhanden waren, wie zum Beispiel Fangnetze, und dass die Arbeitnehmer auch nicht angeseilt waren, wurde auch vom Bw nicht bestritten.

 

4.3. Aufgrund eines Aktenvermerkes im erstbehördlichen Akt vom 20.6.2008 ist erwiesen, dass ein Strafverfahren beim Bezirksgericht Traun, 45BAZ-221/08W, gegen den Bw wegen Körperverletzung des P S am 13.6.2008 gemäß § 190 Z2 StPO eingestellt wurde.

 

5. Hierüber hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

5.1. Gemäß § 87 Abs.2 Bauarbeiterschutzverordnung – BauV müssen bei Arbeiten auf Dächern mit einer Neigung von bis zu 20° und einer Absturzhöhe von mehr als 3,00 m Absturzsicherungen oder Schutzeinrichtungen gemäß §§ 7 bis 10 vorhanden sein.

 

§ 161 BauV wurde durch BGBl Nr. 540/1994 aufgehoben (§ 118 Abs.3 Z4 ASchG).

 

Gemäß § 118 Abs.3 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz – AschG gilt die Bauarbeiterschutzverordnung nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen als Verordnung nach diesem Bundesgesetz.

 

Gemäß § 130 Abs.5 Z1 ASchG begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe von 145 Euro bis 7.260 Euro zu bestrafen ist, wer als Arbeitgeber/in den nach dem 9. Abschnitt weiter geltenden Bestimmungen zuwiderhandelt.

 

Im Grunde des als erwiesen festgestellten Sachverhaltes hat daher der Bw hinsichtlich der Arbeitnehmer K und J den objektiven Tatbestand der vorgeworfenen Verwaltungsübertretungen gemäß dem in § 22 VStG geregelten Kumulationsprinzip erfüllt. Als rechtswirksam bestellter verantwortlicher Beauftragter hat er die Verwaltungsübertretungen auch gemäß § 9 Abs.2 VStG verwaltungsstrafrechtlich zu verantworten.

 

Hinsichtlich des Arbeitnehmers P S, welcher abstürzte, und welcher Sachverhalt auch Gegenstand eines Strafverfahrens vor dem Bezirksgericht Traun war, ist jedoch mit Einstellung des Strafverfahrens gemäß § 45 Abs.1 Z1 VStG vorzugehen.

 

In Walter Thienel, Verwaltungsverfahren, Manz, zweite Auflage, Seite 415ff, wird unter Hinweis auf die Judikatur des Verfassungsgerichtshofes (VfSlg. 14696/1996) zu §§ 22 und 30 Abs.1 VStG ausgeführt: "Die verfassungsrechtliche Grenze, die Art.4 Abs.1 Z7 ZPMRK einer Doppel- oder Mehrfachbestrafung zieht, kann nur darin liegen, dass eine Strafdrohung oder Strafverfolgung wegen einer strafbaren Handlung dann unzulässig ist, wenn sie bereits Gegenstand eines Strafverfahrens war; dies ist der Fall, wenn der herangezogene Deliktstypus den Unrechts- und Schuldgehalt eines Täterverhaltens vollständig erschöpft, sodass ein weitergehendes Strafbedürfnis entfällt, weil das eine Delikt den Unrechtsgehalt des anderen Delikts in jeder Beziehung mit umfasst. Strafverfolgung bzw. Verurteilungen wegen mehrerer Delikte, die auf Straftatbeständen fußen, die einander wegen wechselseitiger Subsidärität, Spezialität oder Konsumption jedenfalls bei eintätigem Zusammentreffen ausschließen, bilden verfassungswidrige Doppelbestrafungen, wenn und weil dadurch ein- und dieselbe strafbare Handlung strafrechtlich mehrfach geahndet wird."

 

"In Fällen, in denen wie hier eine Handlung gesetzt wird, die sowohl unter die Strafdrohung des § 130 Abs.5 Z1 bzw. Abs.1 Z15 oder Z16 ASchG als auch unter die des § 80 bzw. § 88 StGB fällt, wird zwar in der Regel davon auszugehen sein, dass das Delikt der fahrlässigen Körperverletzung bzw. Tötung gemäß § 80 bzw. § 88 StGB den Unrechts- und Schuldgehalt des Delikts des § 130 Abs.5 Z1 bzw. Abs.1 Z15 oder Z16 ASchG vollständig erschöpft. Weder aus dem Wortlaut des § 130 ASchG noch aus dem Wortlaut der übrigen Bestimmungen des ASchG ergibt sich aber, dass bei der Ahndung der Delikte gemäß § 130 ASchG die Annahme einer Scheinkonkurrenz vom Gesetzgeber ausgeschlossen werde; diese ist vielmehr gegebenenfalls aus dem Erfordernis, eine Gesetzesbestimmung einer – soweit möglich – verfassungskonformen Auslegung zuzuführen, geboten. Weder der bloße Wegfall der Subsidäritätsklausel noch die von den UVS ins Treffen geführte offenbar bewusste Bedachtnahme auf mit der Verwaltungsübertretung zugleich auftretende Arbeitsunfälle oder Gesundheitsschäden in den Materialien zum ASchG lassen eindeutig darauf schließen, dass der Gesetzgeber eine Doppelbestrafung normieren wollte (VfGH 7.10.1998, G51/97 und G26/98)."

 

Im Hinblick auf das gegen den Bw angestrebte Strafverfahren vor dem Bezirksgericht Traun zu 45BAZ-221/08W, wurde dem Bw genau jenes Tatverhalten hinsichtlich des verunfallten P S angelastet, welches auch dem Tatvorwurf des gegenständlichen Verwaltungsstrafverfahrens zugrunde liegt. Sowohl das Verfahren vor der Staatsanwaltschaft Linz als auch das nunmehrige Verwaltungsstrafverfahren stellen auf die mit dem Arbeitsunfall des P S in direktem Zusammenhang stehende Verletzungen des § 87 BauV ab. Es ist daher nach der zitierten Judikatur des Verfassungsgerichtshofes davon auszugehen, dass das Delikt der fahrlässigen Körperverletzung den Unrechts- und Schuldgehalt des Deliktes des § 130 Abs.5 Z1 ASchG iVm § 87 Abs.2 BauV vollständig erschöpft. Es hat daher die Staatsanwaltschaft keinen Grund zu einer weiteren Verfolgung und wurde das Verfahren eingestellt. Es darf daher wegen derselben vorgeworfenen strafbaren Handlung, die bereits Gegenstand einer Strafverfolgung war, gemäß Art.4 Abs.1 Z7 ZPMRK keine weitere Strafverfolgung mehr erfolgen. Ein weitergehendes Strafbedürfnis entfällt, zumal das eine Delikt der Körperverletzung den Unrechtsgehalt des anderen Deliktes in jeder Beziehung mit umfasst. Es war daher von der Fortführung des Strafverfahrens im Hinblick auf den Arbeitnehmer P S abzusehen und das Straferkenntnis aufzuheben sowie das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs.1 Z1 VStG einzustellen.

 

5.2. Der Bw macht mangelndes Verschulden geltend, weil sein Arbeitnehmer P S ohne sein Wissen eigenmächtig gehandelt hat, die Arbeiten an diesem Tage geändert hat, und obwohl er in der Verwendung der Sicherheitseinrichtungen unterwiesen und geschult ist, diese nicht verwendet hat. Auch hat er nicht dafür gesorgt, dass die Sicherheitseinrichtungen nämlich Sicherheitsgeschirre durch die anderen Arbeitnehmer verwendet werden.

 

Gemäß § 5 Abs.1 VStG genügt zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nichts anderes bestimmt. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder eine Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulen trifft.

 

Auch die gegenständliche Verwaltungsübertretung stellt ein Ungehorsamsdelikt dar, wobei zur Strafbarkeit bereits Fahrlässigkeit ausreicht und Fahrlässigkeit im Sinn der zitierten Bestimmung ohne weiteres anzunehmen ist, sofern vom Bw kein Entlastungsnachweis erbracht wird. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hat der Bw initiativ alles darzulegen, was für seine Entlastung spricht. Dies hat in erster Linie durch ein geeignetes Tatsachenvorbringen und durch Beibringen von Beweismitteln oder die Stellung konkreter Beweisanträge zu geschehen. Bloßes Leugnen oder allgemein gehaltene Behauptungen reichen für die Glaubhaftmachung nicht aus.

 

Im Sinne der Arbeitnehmerschutzbestimmungen und der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hat der Arbeitgeber dafür Sorge zu tragen, dass die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes sowie der dazu erlassenen Verordnungen eingehalten werden. Ist er selbst nicht anwesend, hat er einen geeigneten Arbeitnehmer zu bestimmen, der auf die Durchführung und Einhaltung der zum Schutz der Arbeitnehmer notwendigen Maßnahmen zu achten hat. Es wird zwar darauf Bedacht genommen, dass die im heutigen Wirtschaftsleben notwendige Arbeitsteilung es nicht zulässt, dass sich der Unternehmer aller Belange und Angelegenheiten persönlich annimmt, es ist ihm vielmehr zuzubilligen, die Besorgung einzelner Angelegenheiten anderen Personen selbstverantwortlich zu überlassen und die eigene Tätigkeit in diesen Belangen auf eine angemessene Kontrolle zu beschränken. Es ist der Unternehmer dann persönlich von der verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortung befreit, wenn er den Nachweis zu erbringen vermag, dass er Maßnahmen getroffen hat, die unter den vorhersehbaren Verhältnissen die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften mit gutem Grund erwarten lassen. Der dem Berufungswerber nach § 5 Abs.1 VStG obliegende Entlastungsnachweis kann aber nicht allein dadurch erbracht werden, dass die ihn betreffende Verantwortung auf eine hiezu taugliche Person übertragen wird. Es bedarf vielmehr des weiteren Beweises, dass auch für eine geeignete Kontrolle der mit der Wahrnehmung dieser Aufgaben beauftragten Person Vorsorge getroffen worden ist (VwGH vom 18.9.1991, 90/19/0177, sowie vom 13.12.1990, 90/09/0141). Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes reichen die bloße Erteilung von Weisungen und die Wahrnehmung einer "Oberaufsicht" nicht aus (VwGH 30.6.1994, 94/09/0049). Entscheidend ist, ob auch eine wirksame Kontrolle über die Einhaltung der vom Verantwortlichen erteilten Weisungen erfolgte. In diesem Sinne führt der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 20.12.2002, 99/02/0220, aus, dass der Hinweis auf die Betrauung Dritter mit Kontrollaufgaben, auf die Erteilung entsprechender Weisungen und auf stichprobenartige Überprüfungen nicht den Anforderungen an ein wirksames Kontrollsystem genügt. Insbesondere bemängelt der Verwaltungsgerichtshof, dass der Beschwerdeführer nicht geltend gemacht hat, dass er etwa die Einhaltung der erteilten Aufträge und Weisungen während deren Ausführung überprüft hätte. "Gerade für den Fall, dass die Arbeitnehmer aus eigenem Antrieb aufgrund eigenmächtiger Handlungen gegen die Arbeitnehmer­schutzvorschriften verstoßen, hat das entsprechende, vom Arbeitgeber eingerichtete Kontrollsystem Platz zu greifen. Im Beschwerdefall zeigt jedoch das eigenmächtige Verhalten des verunfallten Arbeitnehmers zum Tatzeitpunkt, dass kein wirksames Kontrollsystem im Sinn der hg. Judikatur vorhanden war".

 

Im Sinne dieser Judikatur reicht daher das Vorbringen in der Berufung nicht aus, den Bw von dem ihm anlastbaren Verschulden zu befreien. Insbesondere reichen die von ihm angeführten jährlichen Schulungen nicht aus. Es reicht auch nicht aus, dass Sicherheitsseile und Sicherheitsgeschirre im Firmenbus zur Verfügung gestellt werden. Vielmehr hat der Bw für die Einhaltung der Sicherheitsvorschriften also für das Verwenden der erforderlichen technischen Sicherheitseinrichtungen, wie hier Fangnetze, oder zumindest für das Verwenden der Sicherheitsgeschirre Sorge zu tragen. Auch war er am Tattag nicht auf der Baustelle und hat sich nicht über die erforderlichen Sicherheitsvorkehrungen informiert. Vielmehr ist auch nicht erwiesen, ob der Bw überhaupt einmal auf der Baustelle gewesen ist. Jedenfalls wäre auch die Verwendung der ohnehin nur sekundär zulässigen persönlichen Schutzeinrichtung nicht möglich gewesen, da auch Anschlagpunkte nicht gesetzt waren. Der Vorarbeiter war für die Verwendung der Sicherheitseinrichtungen verantwortlich und hatte diese zu bestimmen und auch die Anschlagpunkte zu bestimmen, die Umsetzung wurde vom Bw, zumindest aber auch am Tattag nicht kontrolliert. Vielmehr war der Vorarbeiter selbständig auf der Baustelle tätig und ordnete die Arbeiten auf der Baustelle an. Dieser ordnete keine Sicherheitsvorkehrungen an. Wenn der Bw jedoch einwendet, dass er von der Abänderung der Arbeiten von dem Hochregal hin zu dem niedrigeren Gebäudetrakt nichts gewusst hätte, so ist ihm, vorausgesetzt, dass er wirklich keine Kenntnis erlangt hat, aber anzulasten, dass er eben ein entsprechendes Kontrollnetz hätte aufzubauen gehabt, damit er Kenntnis von solchen geänderten Arbeiten und allenfalls geänderten erforderlichen Sicherheitsmaßnahmen erlangt. Es wäre daher die Installierung einer Meldepflicht erforderlich gewesen. Auch wäre die Einhaltung der Berichtspflichten zu kontrollieren gewesen. Wie nämlich in der bereits zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes verlangt wird, hat gerade dann das Kontrollsystem zu greifen, wenn Arbeitnehmer eigenmächtig vorgehen und soll das Kontrollsystem dazu dienen, dass nicht gegen das Wissen und gegen den Willen des Arbeitgebers Arbeitnehmer Handlungen setzen und Arbeitnehmerschutzvorschriften außer Acht lassen. Wenn hingegen der Bw sich weiters damit verteidigt, dass er zahlreiche Baustellen hätte und nicht ständig jede Baustelle kontrollieren könne, so ist ihm ebenfalls die bereits zitierte Judikatur entgegenzuhalten, weil gerade eine solche Kontrolle die Einhaltung der Bestimmungen vom Verwaltungsgerichtshof verlangt wird (vgl. auch VwGH vom 19.10.2001, Zl. 2000/02/0228). Schließlich hat der Verwaltungsgerichtshof erst jüngst (26.9.2008, 2007/02/0317) darauf hingewiesen, dass es nicht ausreicht, dass auf den einzelnen Baustellen Bauleiter bzw. Vorarbeiter und Poliere mit der Überwachung der Einhaltung an Ort und Stelle verantwortlich sind.

 

Es war daher auch vom Verschulden des Bws, das heißt jedenfalls von fahrlässiger Tatbegehung auszugehen.

 

5.3. Gemäß § 19 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat (Abs.1).

Im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) sind überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des StGB sinngemäß anzuwenden.

Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

 

Laut ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes handelt es sich bei der Strafzumessung innerhalb eines gesetzlichen Strafrahmens um eine Ermessensentscheidung, die nach den Kriterien des § 19 VStG vorzunehmen ist. Die maßgebenden Umstände und Erwägungen für diese Ermessensabwägung sind in der Begründung des Bescheides soweit aufzuzeigen, als dies für die Rechtsverfolgung durch die Parteien des Verwaltungsstrafverfahrens und für die Nachprüfbarkeit des Ermessensaktes erforderlich ist.

 

Die belangte Behörde hat in der Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses die Unbescholtenheit als strafmildernd gewertet, aber im Hinblick auf den Unrechtsgehalt der Tat auf das hohe Gefährdungspotential für Leben und Gesundheit der Arbeitnehmer hingewiesen. Weiters hat sie auf die vom Bw in seiner Niederschrift vom 19.10.2007 angegebenen persönlichen Verhältnisse Bedacht genommen.

 

Im Berufungsverfahren legt nunmehr der Bw einen Nachweis über ein monatliches Nettoeinkommen von 3.859,50 Euro vor und gibt an, keine Sorgepflichten zu haben, über Firmenanteile und über ein Haus zu verfügen.

 

Wie die belangte Behöre zurecht ausgeführt hat, ist auf die hohe Gefährdung im Hinblick auf die hohe Absturzhöhe von 6,5 m Bedacht zu nehmen. Der Schutzzweck der Norm ist in erheblichem Ausmaß verletzt. Auch ist hinsichtlich eines Arbeitnehmers eine nachteilige Folge, nämlich eine Körperverletzung eingetreten. Darüber hinaus verfügt der Bw im Grunde seiner Angaben über überdurchschnittliche Einkommens- und Vermögensverhältnisse. Wenn auch die Unbescholtenheit des Bws als Milderungsgrund zu werten ist, so sind ihm die überdurchschnittlichen persönlichen Verhältnisse entgegenzuhalten und der besondere Unrechtsgehalt der Tat zu werten. Auch war im Hinblick auf das Verschulden zu berücksichtigen, dass offensichtlich ein funktionierendes Melde- und Kontrollsystem nicht eingerichtet ist und hat sich der Bw dies anzulasten. Auch sind in Anbetracht der gesetzlichen Strafhöhe bis zu 7.260 Euro die festgesetzten Geld- und Ersatzfreiheitsstrafen nicht überhöht, machen sie nicht einmal ein Siebtel des gesetzlichen Höchstrahmens aus. Es kann daher nicht gefunden werden, dass die belangte Behörde bei dem ihr zukommenden Ermessen in gesetzwidriger Weise Gebrauch gemacht hat. Entgegen den Ausführungen des Bws kann aber die Kumulation von Strafen nicht eine Herabsetzung der Strafe je Delikt bewirken. Es waren daher hinsichtlich der Fakten zwei und drei die verhängten Geldstrafen und Ersatzfreiheitsstrafen zu bestätigen.

 

Ein Überwiegen der Milderungsgründe war jedoch nicht festzustellen und war daher von einer außerordentlichen Milderung gemäß § 20 VStG nicht Gebrauch zu machen. Auch liegt nicht Geringfügigkeit des Verschuldens vor, da das Verhalten des Beschuldigten nicht weit hinter dem in der Strafdrohung typisierten Unrechts- und Schuldgehalt der Tat zurückbleibt. Mangels dieser Voraussetzung war daher von einem Absehen von der Strafe gemäß § 21 VStG nicht auszugehen. Vielmehr hat das Verfahren gezeigt, dass der Bw genau jenen Schutzzweck der Norm verletzt hat, der den Bestimmungen zugrunde gelegt wurde und sein Verhalten genau dem Unrechtsgehalt der Verwaltungsübertretung entspricht.

 

6. Weil die Berufung hinsichtlich Faktum 1 Erfolg hatte, entfällt ein Kostenbeitrag gemäß § 66 Abs.1 VStG. Hinsichtlich der übrigen Fakten hat die Berufung keinen Erfolg und war daher ein Kostenbeitrag zum Verfahren vor dem
Oö. Verwaltungssenat gemäß § 64 VStG in der Höhe von 20 % der verhängten Geldstrafen, das sind insgesamt 400 Euro, festzusetzen.

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

 

 

Dr. Ilse Klempt

 

 

 

Beschlagwortung:

Doppelbestrafungsverbot, Kontrollsystem

 

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