Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-300833/2/BMa/Se

Linz, 20.10.2008

 

Mitglied, Berichter/in, Bearbeiter/in:                                                                                                                               Zimmer, Rückfragen:

Mag. Gerda Bergmayr-Mann                                                                              3A02, Tel. Kl. 15585

 

 

 

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Gerda Bergmayr-Mann über die Berufung des J G vom 24. April 2008, gegen das Straferkenntnis des Polizeidirektors der Bundespolizeidirektion Linz vom 8. April 2008, Zl. II/S-17.936/07-2 SE, wegen einer Verwaltungsübertretung nach dem § 1 Abs.1 Oö. Polizeistrafgesetz – Oö. PolStG (LGBl. Nr. 36/1979 idF LGBl. Nr. 77/2007) zu Recht erkannt:

 

      I.      Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Strafverfahren gemäß § 45 Abs.1 Z1 und Z3 VStG eingestellt.

 

  II.      Die Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens entfällt.

Rechtsgrundlagen:

zu I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (im Folgenden: AVG), BGBl. Nr. 51/1991 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 5/2008, iVm § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (im Folgenden: VStG), BGBl.Nr.52/1991, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 5/2008

zu II.: §§ 66 Abs.1 VStG

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1.1. Mit dem bezeichneten Straferkenntnis der belangten Behörde wurde der Berufungswerber (im Folgenden: Bw) wie folgt schuldig erkannt und bestraft:

 

"Sie haben am 14.5.2007 um 23.30 Uhr in L, durch Beschimpfen der einschreitenden Polizeibeamten mit folgenden Worten: "Ich scheiß auf diesen Wisch!" und "Ihr seids a Bruat, die sie hinterm Kapperl versteckt!", den öffentlichen Anstand verletzt."

 

Dadurch erachtete die belangte Behörde § 1 Abs.1 iVm § 10 Abs.1 lit.a Oö. PolStG als verletzte Rechtsvorschrift und verhängte wegen dieser Verwaltungs­übertretung nach dem Strafrahmen des § 10 Abs.1 lit.a PolStG eine Geldstrafe in Höhe von 60 Euro und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 36 Stunden. Als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens wurde der Betrag von 6 Euro vorgeschrieben. Der zu zahlende Gesamtbetrag ist damit 66 Euro.

 

1.2. Gegen dieses Straferkenntnis, das dem Bw am 16. April 2008 durch Hinterlegung zugestellt wurde, richtet sich die rechtzeitige Berufung vom 24. April 2008, die am 28. April 2008 zur Post gegeben wurde.

 

1.3. Die belangte Behörde hat ihren Verwaltungsstrafakt zur Entscheidung vorgelegt. Eine Gegenschrift wurde nicht erstattet.

 

2. Aus der Aktenlage ergibt sich der folgende wesentliche Sachverhalt:

 

Am 14. Mai 2007 um 23.30 Uhr wurde J G in der Dinghoferstraße 38 in 4020 Linz mittels Organstrafverfügung abgestraft. Die Aushändigung der Bestätigung verweigerte er mit den Worten "Ich scheiß auf diesen Wisch!" und beschimpfte die beiden Polizeibeamten mit den Worten "Ihr seids a Bruat, die sie hinterm Kapperl versteckt!". Gegen die Strafverfügung vom 12.7.2007 erhob der Bw mit Schreiben vom 4.8.2007 (gesendet an die BPD Linz am 5.8.2007) Einspruch. In diesem gab der Bw auf Seite 2 u.a. an, als er den Ablauf der Verhängung der Strafverfügung aus seiner Sicht schilderte, dass "auf den Straßen absolut tote Hose" gewesen sei.

Mit Schreiben vom 24. September 2007 teilte der Bw mit, dass er das Verfahren einstellen würde. In seiner Einvernahme am 5. Oktober 2007 gab der Bw an, er habe die Äußerung "Ich scheiß auf diesen Wisch!" nicht gemacht, wohl aber jene "Ihr seids a Bruat, die sie hinterm Kapperl versteckt!".

Vom zeugenschaftlich einvernommenen Polizisten wurden im Wesentlichen die selben Angaben gemacht, die der Anzeige zugrunde liegen.

 

Mit Ladung vom 19.Dezember 2007 wurde der Bw in der Sache vorgeladen. Mit Schreiben vom 3. Jänner 2008 teilte der Bw u.a. mit, er wolle mit der ganzen Angelegenheit nichts mehr zu tun haben.

Mit Ladungsbescheid vom 10. Jänner 2008 wurde der Bw neuerlich persönlich geladen.

Der für diesen Fall zuständige Bearbeiter der BPD Linz, OR Mag. R, wurde mit Eingabe vom 21. Jänner 2008 vom Bw als Sachbearbeiter abgelehnt.

Daraufhin erließ die belangte Behörde ohne Aufnahme weiterer Beweise das bekämpfte Straferkenntnis.

Es bestehe kein Zweifel daran, dass der Bw die einschreitenden Polizeibeamten mit den im Spruch angeführten Worten beschimpft habe.

 

3. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat nach Einsicht in den vorgelegten Verwaltungsakt unter Berücksichtigung der Berufung festgestellt, dass das angefochtene Straferkenntnis bereits nach der Aktenlage aufzuheben war.

 

4. In rechtlicher Hinsicht hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

4.1. Gemäß § 1 Abs.1 Oö. PolStG begeht, außer in Fällen sonstiger strafbarer Handlungen, eine Verwaltungsübertretung, wer den öffentlichen Anstand verletzt.

 

Nach § 1 Abs.2 Oö. PolStG ist als Anstandsverletzung jedes Verhalten in der Öffentlichkeit anzusehen, das einen groben Verstoß gegen die allgemein anerkannten Grundsätze der guten Sitte bildet.

 

In diesem Sinne wird der Tatbestand der Verletzung des öffentlichen Anstandes nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes erfüllt, wenn ein Verhalten mit den allgemeinen Grundsätzen der Schicklichkeit nicht im Einklang steht und einen groben Verstoß gegen die Pflichten darstellt, die jedermann in der Öffentlichkeit zu beachten hat. Zur Beurteilung der Verhaltensformen, die beim Heraustreten aus dem Privatleben zu beachten sind, ist ein objektiver Maßstab anzulegen.

 

Wie der VwGH bereits in seinem Erkenntnis vom 25. November 1991, 91/10/0207, ausgeführt hat, ist das Tatbild der "Ordnungsstörung" durch zwei Elemente gekennzeichnet:

Zum ersten muss der Täter ein Verhalten gesetzt haben, das objektiv geeignet ist, Ärgernis zu erregen.

Zum zweiten muss durch dieses Verhalten die Ordnung an einem öffentlichen Ort gestört worden sein. Die Beurteilung, ob einem Verhalten die objektive Eignung zur Ärgerniserregung zukommt, ist nicht nach dem Empfinden der durch das Verhalten besonders betroffenen Personen vorzunehmen, sondern unter der Vorstellung, wie unbefangene Menschen auf ein solches Verhalten reagieren würden; von einem Ärgernis wird man dann sprechen können, wenn eine Handlung bei anderen die lebhafte Empfindung des unerlaubten und schändlichen (dem Täter zur Schande Gereichenden) hervorzurufen geeignet ist. Dafür, dass durch das Verhalten die Ordnung an einem öffentlichen Ort tatsächlich gestört ist, ist es erforderlich, dass dieses unmittelbar oder mittelbar die Schaffung eines Zustandes zur Folge hat, der geordneten Verhältnissen an einem öffentlichen Ort widerspricht, also eines Zustandes, der die gewöhnlichen Verhältnisse in wahrnehmbarer Weise negativ verändert. Dafür, dass durch das Verhalten die Ordnung an einem öffentlichen Ort tatsächlich gestört worden ist, ist es nicht erforderlich, dass das Verhalten zu Aufsehen oder zu einem Zusammenlauf von Menschen führt. Es genügt viel mehr, dass etwa mehrere Personen an dem Verhalten Ärgernis genommen haben. Das Tatbestandselement der tatsächlichen Störung der öffentlichen Ordnung ist nur verwirklicht, wenn das Verhalten des Beschuldigten und seine Äußerungen von anderen Personen als den unmittelbar betroffenen und dem intervenierenden Gendarmeriebeamten wahrgenommen werden konnten. Dieses Element der Straftat ist sodann im Spruch des Erkenntnisses ebenso anzuführen, wie die Tatsache, dass diese Personen daran Ärgernis genommen haben.

 

Im Spruch des angefochtenen Erkenntnisses wurde in keiner Weise darauf eingegangen, ob der Vorfall von weiteren Personen wahrgenommen werden konnte und es wurden weitere Personen auch nicht in der Begründung angeführt. Vielmehr wurde nach den Feststellungen der belangten Behörde das dem Bw zur Last gelegte Verhalten nur von den Gendarmeriebeamten wahrgenommen. Dies entspricht auch dem Vorbringen des Bw, wonach an diesem Abend auf den Straßen "tote Hose" gewesen sei, woraus geschlossen werden kann, dass sich keine Personen in unmittelbarer Nähe des Tatorts befunden haben, die an dem Vorfall Ärgernis nehmen konnten.

 

Zwar ist die vorzitierte Judikatur zur alten Rechtsvorschrift des Art.IX Abs.1 Z1 EGVG ergangen, diese ist aber auch auf den Gesetzestext des § 1 Abs.1 Oö. PolStG anwendbar.

 

4.3. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu den Sprucherfordernissen nach § 44 Z1 VStG ist die Tat soweit zu konkretisieren, dass eine eindeutige Zuordnung zu den Tatbestandsmerkmalen ermöglicht wird und die Identität der Tat unverwechselbar feststeht. Im Spruch sind alle wesentlichen Tatbestandsmerkmale anzuführen, die zur Individualisierung und Konkretisierung des inkriminierten Verhaltens notwendig sind. Eine Umschreibung bloß in der Begründung reicht im Verwaltungsstrafrecht nicht aus (vgl. nwN Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungs­verfahrens6 [2003], 1522, Anm 2 zu § 44a VStG).

 

Die belangte Behörde hat den Sachverhalt, der für die Subsumtion unter die einschlägigen Tatbestandsmerkmale des § 1 Oö. PolStG erforderlich ist, nicht im Sinne des § 44a Z1 VStG anhand der Umstände des Einzelfalles ausreichend konkretisiert. In Bezug auf das wesentliche Kriterium der Öffentlichkeit werden nur die verba legalia (arg.: "den öffentlichen Anstand verletzt") angeführt, ohne die öffentliche Art und Weise der Begehung, die nicht schon alleine aus dem Umstand eines – möglicherweise leeren – Autobahnparkplatzes folgt, nachvollziehbar zu umschreiben.

 

Es reicht nicht aus, den bloßen Gesetzeswortlaut unter Anführung von Tatzeit und Tatort wiederzugeben, sondern die Tat ist entsprechend den Gegebenheiten des jeweiligen Falles zu individualisieren (vgl. dazu näher Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungs­verfahrens6 [2003], 1522, mwN).

 

Dem vorgelegten Verwaltungsakt kann auch keine taugliche Verfolgungshandlung entnommen werden. Die Strafverfügung vom 12. Juli 2007 enthält den gleichen mangelhaften Spruch wie das angefochtene Straferkenntnis. Es ist demnach in Bezug auf die Öffentlichkeit der Begehung nach Ablauf von 6 Monaten längst Verfolgungsverjährung gemäß § 31 Abs.2 VStG eingetreten.

 

5. Im Ergebnis war daher das angefochtene Straferkenntnis mangels zutreffend angelasteter und hinreichend erwiesener Anstandsverletzung aufzuheben und das Strafverfahren gemäß § 45 Abs.1 Z1 und 3 VStG einzustellen. Bei diesem Ergebnis entfällt gemäß § 66 Abs.1 VStG auch die Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungs­gerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

Mag. Bergmayr-Mann

VwSen-300833/2/BMa/Se vom 15. Oktober 2008

 

Oö. PolStG §1 Abs.1

Das Tatbestandselement der tatsächlichen Störung der öffentlichen Ordnung ist nur verwirklicht, wenn das Verhalten des Beschuldigten und seine Äußerungen von anderen Personen als den unmittelbar betroffenen und dem intervenierenden Gendarmeriebeamten wahrgenommen werden konnten. Dieses Element der Straftat ist sodann im Spruch des Erkenntnisses ebenso anzuführen, wie die Tatsache, dass diese Personen daran Ärgernis genommen haben (VwGH vom 25. November 1991, 91/10/0207).

 

 

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