Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-162564/8/Kei/Ps

Linz, 27.10.2008

 

Mitglied, Berichter/in, Bearbeiter/in:                                                                                                                               Zimmer, Rückfragen:

Michael Keinberger, Dr.                                                                                      2B07, Tel. Kl. 15597

 

 

 

E r k e n n t n i s

 

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Michael Keinberger über die Berufung des G M, vertreten durch den Rechtsanwalt Ing. Mag. K H, S, L, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung vom 26. September 2007, Zl. VerkR96-5239-2005, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 4. März 2008, zu Recht:

 

 

 

I.                 Der Berufung wird mit der Maßgabe, dass der Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses nachstehend berichtigt wird, im Hinblick auf die Schuld keine Folge gegeben. Im Hinblick auf die Strafe wird der Berufung insoferne teilweise Folge gegeben als die Geldstrafe auf 120 Euro und die Ersatzfreiheitsstrafe auf 50 Stunden herabgesetzt wird.

Statt "1) Sie haben" wird gesetzt "Sie haben".

 

 

II.             Der Berufungswerber hat als Beitrag zu den Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens 10 % der verhängten Strafe, das sind 12 Euro, zu leisten. Die Vorschreibung eines Beitrages zu den Kosten des Verfahrens vor dem Oö. Verwaltungssenat hatte hingegen zu entfallen.

 

 

 

Rechtsgrundlagen:

zu I.:  § 66 Abs.4 AVG iVm § 24 VStG, § 51 Abs.1 VStG.

zu II.: § 64 Abs.1 und 2 und § 65 VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

Der Spruch des in der Präambel angeführten Straferkenntnisses lautet (auszugsweise Wiedergabe):

"1) Sie haben zu einem vor Ihnen am gleichen Fahrstreifen fahrenden Fahrzeug nicht einen solchen Abstand eingehalten, dass ein rechtzeitiges Anhalten möglich gewesen wäre. Es wurde mittels Videomessung ein zeitlicher Abstand von 0,47 Sekunden (=15 Meter) festgestellt. Die von Ihnen eingehaltene Fahrgeschwindigkeit betrug 117 km/h.

Tatort: Gemeinde Engerwitzdorf, Autobahn Freiland, Nr. 7 bei km 18.050, Fahrtrichtung Linz.

Tatzeit: 31.10.2005, 08:25 Uhr.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift(en) verletzt:

§ 18 Abs. 1 StVO. 1960

Fahrzeug:

Kennzeichen , Personenkraftwagen, V

Wegen dieser Verwaltungsübertretung wird über Sie folgende Strafe verhängt:

Geldstrafe von      Falls diese uneinbringlich ist,      Gemäß

                            Ersatzfreiheitsstrafe von

150,00 Euro                   60 Stunden                             § 99 Abs. 3 lit. a StVO. 1960

Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes (VStG. 1991) zu zahlen:

15,00 Euro als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, das sind 10 % der Strafe (je ein Tag Freiheitsstrafe wird gleich 15,00 Euro angerechnet);

Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten/Barauslagen) beträgt daher 165,00 Euro."

 

Gegen dieses Straferkenntnis richtet sich die fristgerecht erhobene Berufung.

 

Der Oö. Verwaltungssenat hat in den Verwaltungsakt der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung vom 9. Oktober 2007, Zl. VerkR96-5239-2005-OJ/May, Einsicht genommen und am 4. März 2008 eine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt.

Im Zuge dieser Verhandlung wurden der Berufungswerber (Bw) befragt und der Zeuge BI R S einvernommen und der technische Sachverständige Ing. J L äußerte sich gutachterlich. Auch wurde das die gegenständliche Fahrt betreffende Video angeschaut.

 

Folgender Sachverhalt wurde als erwiesen angenommen und der Entscheidung zu Grunde gelegt:

Der Bw lenkte das Kfz mit dem Kennzeichen  am 31. Oktober 2005 um 08.25 Uhr auf der A7 bei Strkm. 18.050 in Fahrtrichtung Linz. Er hielt dabei zu dem vor ihm am gleichen Fahrstreifen fahrenden Kfz nur einen Abstand von 0,47 sec, das entspricht 15 m, ein.

 

Der Oö. Verwaltungssenat hat erwogen:

§ 18 Abs.1 StVO 1960 lautet:

Der Lenker eines Fahrzeuges hat stets einen solchen Abstand vom nächsten vor ihm fahrenden Fahrzeug einzuhalten, dass ihm jederzeit das rechtzeitige Anhalten möglich ist, auch wenn das vordere Fahrzeug plötzlich abgebremst wird.

 

Der oben angeführte Sachverhalt wurde als erwiesen angenommen auf Grund der in der Verhandlung gemachten Aussagen des Zeugen BI R S und auf Grund der durch den technischen Sachverständigen Ing. J L in der Verhandlung gemachten gutachterlichen Ausführungen und auf Grund des gegenständlichen Videos. Den in der Verhandlung gemachten Aussagen des Zeugen BI R S wird eine hohe Glaubwürdigkeit beigemessen. Diese Beurteilung stützt sich darauf, dass diese Aussagen unter Wahrheitspflicht gemacht wurden (siehe die §§ 49 und 50 AVG iVm § 24 VStG). Das in der Verhandlung gemachte Gutachten des technischen Sachverständigen Ing. J L ist schlüssig.

Es wird hingewiesen auf die Ausführungen im Beitrag "Der Sicherheitsabstand beim Hintereinanderfahren", ZVR 2002/91, S. 355 bis S. 360.

Die Entscheidungszeit ist zeitlich gesehen vor der Reaktionszeit. Im gegenständlichen Zusammenhang ist von Relevanz die Reaktionszeit. Nur die Reaktionszeit kann man messen. Die kleinstmögliche Reaktionszeit wird durch physiologische Gegebenheiten begrenzt.

In Österreich wird bei aufmerksamer Fahrweise und optimalem Gesundheitszustand eine Reaktionszeit von 0,6 bis 0,8 sec zugebilligt.

Umfangreiche und profunde statistische Untersuchungen zeigen, dass 50 % der Bevölkerung eine Reaktionszeit von 0,86 sec nicht unterschreiten können. Setzt man eine bremsbereite Fahrweise voraus, sodass die Umsetzzeit (= Fuß vom Gaspedal auf Bremspedal) wegfällt und geht man weiters davon aus, dass bereits der Fuß auf dem Bremspedal steht, so ergibt sich eine "Restreaktionszeit" von 0,45 sec. Diese "Restreaktionszeit" beträgt bei 98 % der Bevölkerung 0,58 sec (siehe diesbezüglich die Diplomarbeit an der Fachhochschule Köln, "Vergleich statistischer Auswerteverfahren der experimentell ermittelten Reaktionszeiten von PKW-Fahrern im Straßenverkehr" von H D).

Wie der Anzeige zu entnehmen ist, betrug der Tiefenabstand zugunsten des Bw gerechnet 14,6 m. In diesen 14,6 m sind nicht enthalten die Fahrzeugüberhänge der beiden Fahrzeuge, sodass aus technischer Sicht davon ausgegangen werden muss, dass der tatsächliche Tiefenabstand geringer als 14,6 m war.

Wenn man die 14,6 m auf die gefahrene Geschwindigkeit von 117 km/h bezieht, so ergibt sich ein Sekundenabstand von aufgerundet 0,45 sec.. Da der tatsächliche Tiefenabstand geringer gewesen sein muss als 14,6 m, ergibt sich ein tatsächlicher Sekundenabstand, der unter 0,45 sec gelegen sein muss.

Unter Berücksichtigung der Fahrzeugüberhänge der beiden Fahrzeuge ergibt sich ein Sekundenabstand, der unter 0,45 sec liegt und daher ist der eingehaltene Sicherheitsabstand – selbst wenn man von einem bremsbereiten Fahren des Bw ausgeht – nicht ausreichend.

Der Unterschied zwischen der Reaktionszeit von 0,47 sec und 0,45 sec ergibt sich dadurch, dass bei 0,47 sec die Fahrzeugüberhänge der beteiligten Fahrzeuge nicht berücksichtigt worden sind.

Da zugunsten des Bw selbst bei zugestandener bremsbereiter Fahrweise eine Reaktionszeit von unter 0,45 sec nicht zu erwarten ist, ist davon auszugehen, dass der eingehaltene Tiefenabstand nicht ausgereicht hätte, um einen Auffahrunfall sicher zu verhindern, wenn das vordere Fahrzeug eine plötzliche Notbremsung durchgeführt hätte.

Diese theoretische Betrachtung geht davon aus, dass beide Fahrzeuge in der Lage sind, gleich stark zu verzögern. Da Fahrzeuge aber unterschiedliche Vollbremsverzögerungswerte aufweisen können, könnte auch die Möglichkeit bestehen, dass das vorausfahrende Fahrzeug aus technischen Gründen stärker verzögert werden kann als das durch den Bw gelenkte Fahrzeug.

Der objektive Tatbestand der dem Bw vorgeworfenen Übertretung wurde verwirklicht.

Das Verschulden des Bw wird – ein Rechtfertigungsgrund oder ein Schuldausschließungsgrund liegt nicht vor – als Fahrlässigkeit qualifiziert. Die Schuld des Bw ist nicht geringfügig iSd § 21 Abs.1 erster Satz VStG.

 

Zur Strafbemessung:

Dem gegenständlichen Verwaltungsakt ist nicht zu entnehmen, dass eine die Person des Bw betreffende Vormerkung in verwaltungsstrafrechtlicher Hinsicht, die zur gegenständlichen Tatzeit in Rechtskraft erwachsen gewesen ist und die noch nicht getilgt ist, vorliegt. Der Oö. Verwaltungssenat geht davon aus, dass keine solche Vormerkung vorliegt. Diese Beurteilung hat zur Konsequenz, dass der Milderungsgrund des § 34 Abs.1 Z2 StGB iVm § 19 Abs.2 VStG zum Tragen kommt. Mildernd wird auch die lange Verfahrensdauer gewertet. Ein weiterer Milderungsgrund liegt nicht vor. Ein Erschwerungsgrund liegt nicht vor.

Im Hinblick auf die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Bw wird von folgenden Grundlagen ausgegangen: Einkommen: ca. 1.100 Euro netto pro Monat, Vermögen: keines, Sorgepflicht: keine.

Der Unrechtsgehalt der gegenständlichen Übertretung wird wegen der durch die potentielle Gefährdung von Menschen beeinträchtigten Verkehrssicherheit als erheblich qualifiziert.

Auf das Ausmaß des Verschuldens wird Bedacht genommen.

Der Aspekt der Generalprävention wird berücksichtigt. Der Aspekt der Spezialprävention wird nicht berücksichtigt.

Die Strafe wurde herabgesetzt, weil der Oö. Verwaltungssenat bei der Strafbemessung von für den Bw günstigeren Grundlagen ausgegangen ist als dies durch die belangte Behörde erfolgt ist.

Es war spruchgemäß (Spruchpunkt I.) zu entscheiden.

 

Der Ausspruch im Hinblick auf die Verfahrenkostenbeiträge (siehe den Spruchpunkt II.) hat seine Grundlage in den im Spruchpunkt II. angeführten Bestimmungen.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsge­richtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

Dr. Keinberger

 

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum