Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-300811/2/WEI/Ga

Linz, 24.10.2008

 

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Wolfgang Weiß über die Berufung des R K, vertreten J Rechtsanwälte D & P OG, gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Grieskirchen vom 6. November 2007, Zl. Pol 96-55-2007, wegen einer Verwaltungsübertretung nach dem Oö. Hundehaltegesetz 2002 (LGBl Nr. 147/2002 idF LGBl Nr. 124/2006) zu Recht erkannt:

 

 

I.            Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Strafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 bis 3 VStG eingestellt.

 

II.        Die Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens entfällt.

 

Rechtsgrundlagen:

§§ 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG iVm § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 - VStG; § 66 Abs 1 VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1.1. Mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis wurde der Berufungswerber (Bw) wie folgt schuldig erkannt und bestraft:

 

"Sie haben es am 16.06.2007 gegen 08:00 Uhr 8 im Garten des R G senior, als Besitzer der Mischlingshündin mit dem Rufnamen 'P' unterlassen, den Hund in einer Weise zu beaufsichtigen, zu verwahren oder zu führen, dass Menschen und Tiere durch den Hund nicht gefährdet werden, indem Ihr Hund beim Anwesen des Herrn G R senior, 3 Hühner gerissen hat."

 

Dadurch erachtete die belangte Behörde § 15 Abs 1 Z 2 iVm § 3 Abs 2 Z 1 Oö. Hundehaltegesetz 2002 als verletzte Rechtsvorschriften und verhängte wegen dieser Verwaltungsübertretung gemäß "§ 15 Abs. 1 Zi. 2 Oö. Hundehaltgesetz 2002" (gemeint wohl § 15 Abs 2 Oö. Hundehaltegesetz 2002) über den Bw eine Geldstrafe von 100 Euro und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 5 Stunden.

 

1.2. Gegen dieses Straferkenntnis, das dem Bw am 8. November 2007 zugestellt wurde, richtet sich die durch die Rechtsfreunde des Bw am 20. November 2007 per Telefax rechtzeitig bei der belangten Behörde eingebrachte Berufung vom
20. November 2007, mit der in der Hauptsache die Aufhebung des Straferkenntnisses und Einstellung des Strafverfahrens, hilfsweise die Anwendung des § 21 VStG angestrebt wird.

 

2. Aus der Aktenlage ergibt sich der folgende Gang des Verfahrens und Sachverhalt:

 

2.1. Mit Bericht vom 17. Juni 2007, Zl. A2/5195/2007-Wal, meldete die Polizeiinspektion (PI) G der belangte Behörde eine Anzeige des R G sen. aus G, der am 16. Juni 2007 um 09:00 Uhr der PI telefonisch mitteilte, dass der Hund der Familie K wieder einmal mehrerer Hühner auf seinem Wiesengrundstück in M gerissen hätte. Das Grundstück befinde sich beim Haus seines Sohnes in G. Es hätte schon zwei Mal Vorfälle mit dem Hund gegeben und Frau K hätte ihm Schadenersatz in Höhe von 40 Euro für Hühner bezahlt.

 

Eine Nachschau der PI G vor Ort ergab, dass im Bereich des Hühnerstalls an mehreren Stellen Federbüschel herumlagen. R G jun. berichtete, dass seine Lebensgefährtin S G den Hund gesehen und als Hund von K erkannt hätte.

 

Anlässlich der polizeilichen Nachschau bei Familie K am 16. Juni 2007 um 10:00 Uhr konnte niemand angetroffen werden. Der Hund befand sich aber im Haus. Bei der weiteren Nachschau um 15:00 Uhr traf die Polizei die Hundebesitzerin M K an und wies sie an, ihren Hund in Zukunft ordnungsgemäß zu verwahren. Sie gab an, dass ihr eine Abwesenheit des Hundes am Morgen nicht aufgefallen wäre. Richtig sei, dass sie G schon einmal sechs Hühner bezahlte. Der Hund, die einhalbjährige Mischlingshündin "P" mit der Hundemarkennummer, halte sich vorwiegend im Haus auf, könnte jedoch unbemerkt hinauslaufen, wenn die Haustüre offen steht.

 

K T, M, gab an, den Hund gegen 08:00 Uhr auf ihrem Grundstück beim Entengatter gesehen und verscheucht zu haben.

 

2.2. Die belangte Behörde hat in der Folge die Strafverfügung vom 28. Juni 2007 gegen den Bw erlassen und die Tat wie im angefochtenen Straferkenntnis angelastet. Dagegen erhob dieser am 6. Juli 2007 rechtzeitig Einspruch, der von der belangten Behörde niederschriftlich festgehalten wurde. Der Bw wendete ein, dass die Sache nicht bewiesen wäre. Der Hund werde grundsätzlich "bei uns im Haus gehalten, wenn wir uns im Garten aufhalten, ist der Hund auch im Garten". Der Garten sei zwar nicht eingezäunt, der Hund werde aber immer beaufsichtigt. Wenn niemand zu Hause ist, befinde sich der Hund immer im Haus, das er nicht verlassen könne. Am 16. Juni 2007 gegen 08:00 Uhr wäre der Bw mit seiner Frau und zwei Kindern daheim gewesen. Es sei niemandem aufgefallen, dass der Hund das Haus bzw Grundstück verlassen hätte.

 

Gegen 9:00 Uhr sei der Bw in den Wald gefahren und gegen Mittag wieder heimgekommen. Seine Frau teilte ihm mit, dass während seiner Abwesenheit die Polizei da war. Sie hätte mit Beamten der PI G gesprochen, welche anführten, dass bei dem ca. 500 m entfernten Anwesen M drei Hühner von einem Hund gerissen wurden, wobei aber von den Hühnern jede Spur fehlte. Der Bw meinte dazu: "Wir schauen auf unseren Hund und ich kann mir nicht vorstellen, dass unser Hund dies gemacht hat."

 

Die Polizei hätte gegenüber der Frau des Bw den Hund mit der Hundemarke Nr.  angeführt, die allerdings der Vorgängerhund der Familie hatte. Der Hund P hätte vielmehr die Hundemarke Nr. Die PI G bestätigte, dass die Hundemarke Nr.  bei Befragung der Frau K von der Polizei genannt worden sein dürfte, weil diese der in der PI aufliegenden Hundeliste vom Jahr 2006 zu entnehmen ist. Die tatsächliche Hundemarke Nr. sei vor Ort festgestellt worden (vgl Aktenvermerk der PI G vom 12.09.2007).

 

Auch zwei bis drei Monate zuvor, als Herr G sechs vom Hund gerissene Hühner behauptete, wäre nichts bewiesen gewesen. Dennoch hätte der Bw 40 Euro bezahlt. Seiner Meinung nach hätte es auch ein Fuchs gewesen sein können.

 

Zur Frau K führte der Bw an, dass sie sich zwar über den Vorgängerhund, nicht aber über den neuen Hund beschwert hätte. Der Bw betonte abschließend, dass der Hund anständig und gewissenhaft gehalten und auch beaufsichtigt werde.

 

2.3. Die am 1. August 2007 einvernommene S G erklärte (vgl Niederschrift vom 1. August 2007), dass sie in der Früh des 16. Juni 2007 von der Nachbarin K verständigt worden wäre, dass der Hund von K auf ihrem Grundstück herumstreune. Sie wäre daraufhin mit einem Fotoapparat zum Grundstück des Schwiegervaters gelaufen, um den Hund beim Wildern zu fotografieren. Sie hätte auch gesehen, wie der Hund mit einer Henne im Maul davonrannte. Ein Foto wäre ihr nicht gelungen, weil sich der Hund irgendwo versteckte.

 

Frau T K,  erschien am 2. August 2007 mit ihrer gleichnamigen Tochter zur Zeugeneinvernahme. Sie berichtete, am 16. Juni 2007 gegen 08:00 Uhr ihre Enten gehört zu haben. Daraufhin ging sie hinaus und sah einen Hund vom Bach herauf laufen. Sie nahm an, dass dies der Hund von K war. Da sie von Frau G schon öfter gehört habe, dass dieser Hund mehrere Hühner gerissen hätte, rief sie sofort Frau G an, um ihr mitzuteilen, dass der Hund wieder herumstreunt. Die Zeugin nahm nur deshalb an, dass es der Hund von K war, weil in der Nachbarschaft alle Hunde immer an der Leine geführt werden würden und der von Herrn  K eben manchmal auch herumstreune. Mehr könne sie nicht sagen.

 

2.4. Der am 12. September 2007 zum Ergebnis der Beweisaufnahme einvernommene Bw blieb dabei, dass für ihn die Sache nicht bewiesen wäre. Er hätte auch noch zwei weitere Nachbarn mit Hühnern, wo noch nie etwas vorgefallen wäre. In der Gegend wären auch mehrere Jäger, die sofort ermahnen würden, wenn der Hund herumstreunte. Beim Vorgängerhund mit der Hundemarke Nr.  wären sie von einem Jäger ermahnt worden, weil der Hund mehrmals beim Herumstreunen angetroffen wurde. Dieser Hund sei auch verschwunden. Die Familie K wüsste nicht, was ihm passierte. Man vermute, dass er erschossen wurde. Tatsache sei, dass der jetzige Hund mit der Hundemarke Nr.  nicht unbeaufsichtigt herumlaufe.

 

2.5. Am 17. Oktober 2007 wurde S G neuerlich als Zeugin einvernommen, wobei sie ihre frühere Aussage wiederholte. Sie wäre sicher den Hund von K gesehen zu haben und könne ihn eindeutig zuordnen. Welche Merkmale sie so sicher machen, sagte sie allerdings nicht.

 

Die belangte Behörde hat daraufhin das angefochtene Straferkenntnis vom 6. November 2007 erlassen und ist den Angaben der Zeugin G gefolgt. Der Garten des Bw sei nicht eingezäunt und der Hund werde nur bei Abwesenheit im Haus eingesperrt. Am Tattag sei jedenfalls die Frau des Bw zu Hause und demnach der Hund nicht eingesperrt gewesen. Die Frau des Bw habe laut Polizeibericht angegeben, dass der Hund unbemerkt hinauslaufen könne, wenn die Haustür offen steht. Ferner habe sie bestätigt, dass der Hund schon sechs Hühner des Herrn G gerissen hatte und der Schaden auch bezahlt wurde. Die belangte Behörde ging daher davon aus, dass der Hund unbemerkt das Haus verlassen konnte und in der Folge bei G R drei Hühner gerissen hat.

 

2.6. Die Berufung hält die Darstellung der Zeugen G für nicht glaubhaft und vermeint, dass versucht werde ein Hundehalteverbot zu erwirken. Unrichtig sei auch, dass der Hund P mit der Hundemarke Nr.  schon Hühner der Familie G gerissen hätte. Die informativ befragte Gattin des Bw hätte nur von einem Hund und nicht vom Hund "P" gesprochen, der schon früher Hühner der Familie G gerissen habe. Es hätte sich dabei um den Vorgängerhund mit der Hundemarke Nr.  gehandelt.

 

Der Hund P hätte sich noch niemals der Einwirkung entzogen und wäre noch nie unbeaufsichtigt herumgelaufen. Da der vormalige Hund der Familie K Schäden anrichtete, sei der Verdacht naheliegend, dass nunmehr pauschal der Hund der Familie K verdächtigt werde. Auch sei nicht hervorgekommen, dass ein Huhn getötet worden sei. Das schlichte "Tragen" eines Huhnes rechtfertige noch keine Bestrafung des Hundehalters.

 

Der Bw wäre auch nicht passiv legitimiert, weil nicht er, sondern seine Gattin – wie auch im Polizeibericht vom 17. Juni 2007 angeführt - zum Tatzeitpunkt für die Verwahrung des Hundes verantwortlich gewesen sei.

 

Selbst wenn man den angelasteten Sachverhalt als richtig unterstellte, wären die Voraussetzungen für die Anwendung des § 21 VStG gegeben.

 

3. Der Oö. Verwaltungssenat hat nach Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt der belangten Behörde festgestellt, dass das angefochtene Straferkenntnis nach der Aktenlage schon aus rechtlichen Gründen aufzuheben ist.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat erwogen:

 

4.1. Gemäß § 15 Abs 1 Z 2 Oö. Hundehaltegesetz 2002 begeht eine Verwaltungsübertretung und ist nach § 15 Abs 2 leg.cit., sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet  oder durch andere Verwaltungsvorschriften mit strengerer Strafe bedroht ist, von der Bezirksverwaltungsbehörde mit einer Geldstrafe bis zu 7.000 Euro zu bestrafen

 

wer einen Hund entgegen den Bestimmungen des § 3 Abs 1 und 2 hält.

 

Nach § 3 Abs 2 ist ein Hund in einer Weise zu beaufsichtigen, zu verwahren oder zu führen, dass

 

  1. Menschen und Tiere durch den Hund nicht gefährdet werden, oder
  2. Menschen und Tiere nicht über das zumutbare Maß hinaus belästigt werden, oder
  3. er an öffentlichen Orten oder auf fremden Grundstücken nicht unbeaufsichtigt herumlaufen kann.

 

In ganz ähnlicher Weise begeht nach dem § 5 Abs 1 Satz 1 Oö. Polizeistrafgesetz Oö. PolStG (LGBl Nr. 94/1985, geändert mit LGBl Nr. 147/2002) eine Verwaltungsübertretung, wer als Halter eines Tieres dieses in einer Weise beaufsichtigt oder verwahrt, dass durch das Tier dritte Personen gefährdet oder über das zumutbare Maß hinaus belästigt werden. Die korrespondierende Strafnorm des § 10 Abs 2 lit b) Oö. PolStG sieht für diese Verwaltungsübertretung aber nur eine Geldstrafe bis zu 1.450 Euro vor.

 

Auch wenn der Landesgesetzgeber keine ausdrückliche Subsidiarität des Oö. PolStG im Verhältnis zum Oö. Hundehaltegesetz 2002 angeordnet hat, ist nach Ansicht des erkennenden Mitglieds des Oö. Verwaltungssenats zur Vermeidung von verfassungsrechtlich unzulässigen Doppelbestrafungen nach Art 4 des 7. ZP zur EMRK (dazu allgemein Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens6 [2004], Anm 2 zu § 22 VStG, und jüngst VwGH 18.06.2008; Zl. 2006/11/0222 unter Hinweis auf VfSlg 15.199/1998 und die Pflicht zur verfassungskonformen Auslegung auch gegen die Materialien) von bloßer Scheinkonkurrenz (in Form der Spezialität) bei Zurücktreten des § 5 Abs 1 iVm § 10 Abs 2 lit b) Oö. PolStG auszugehen, weil § 15 Abs 1 Z 2 iVm § 3 Abs 2 Hundehaltegesetz 2002 die spezielleren Strafbestimmungen für Hunde darstellen, die
überdies noch einer wesentlich strengeren Strafdrohung unterliegen.

 

4.2. Zum Deliktscharakter des § 5 Abs 1 Satz 1 Oö. PolStG hat der Oö. Verwaltungssenat schon in der Vergangenheit die Ansicht vertreten (vgl VwSen-300417 vom 25.06.2002, VwSen-300442 vom 5.09.2002; VwSen-300518 vom 30.06.2004), dass es sich bei dieser Verwaltungsübertretung nach der gewählten grammatikalischen Konstruktion mit Hauptsatz und Folgesatz um ein Erfolgsdelikt handelt, bei dem die mangelhafte Haltung des Tieres zu einer in der Außenwelt erkennbaren (konkreten) Gefährdung oder unzumutbaren Belästigung Dritter führen muss. Aus den Gesetzesmaterialien (vgl AB zur Oö. Polizeistrafgesetznovelle 1985, Blg 448/1985 zum kurzschriftlichen Bericht Oö. LT, 22. GP, 3) geht auch hervor, dass nicht jede mangelhafte Tierhaltung, sondern nur eine solche, die Gefährdungen oder Belästigungen dritter Personen zur Folge hat, in Zukunft strafbar sein sollte.

 

§ 3 Abs 2 Z 1 und Z 2 Oö. Hundehaltegesetz 2002 sieht eine Beaufsichtigung, Verwahrung oder Führung des Hundes in bestimmter Weise, nämlich dass Menschen oder Tiere nicht gefährdet oder über das zumutbare Maß belästigt werden, vor. Positiv formuliert, liegt das Tatbild dann vor, wenn die sorglose Beaufsichtigung (Verwahrung) oder Führung des Hundes zur unerwünschten Folge der tatsächlichen Gefährdung oder Belästigung von Menschen oder Tieren führt. Diese grammatikalische Konstruktion entspricht im Wesentlichen der vergleichbaren Regelung des § 5 Abs 1 Satz 1 Oö. PolStG. Deshalb gelten die Ausführungen zum Deliktscharakter auch für das Oö. Hundehaltegesetz 2002, das entweder einen konkreten Gefährdungserfolg (im Sinne eines besonderen Naheverhältnisses zur drohenden Rechtsgutsverletzung) oder eine unzumutbare Belästigung von Menschen oder Tieren durch den Hund als in der Außenwelt erkennbaren Erfolg voraussetzt.

 

4.3. Nach der Begriffsbestimmung des § 1 Abs 2 Z 2 Oö. Hundehaltegesetz 2002 bedeutet Hundehalter(in): die Person, die im eigenen Namen darüber zu entscheiden hat, wie der Hund zu verwahren oder zu beaufsichtigen ist.

 

Die Legaldefinition des Hundehalters entspricht in etwa der herkömmlichen Auffassung zum Tierhalter in der zivilrechtlichen Judikatur (vgl RV Blg 1145/2001 zum kurzschriftlichen Bericht des Oö. LT, 25. GP, Seite 4 zu § 1). Nach hM ist Tierhalter, wer die tatsächliche Herrschaft über das Verhalten des Tieres ausübt und über Verwahrung und Beaufsichtigung entscheidet (vgl näher mwN Dittrich/Tades, MGA ABGB ³³, E 18 ff zu § 1320; Reischauer in Rummel², Rz 7 f zu § 1320 ABGB). Auf eine bestimmte rechtliche Beziehung zum Tier (etwa das Eigentumsrecht) kommt es dabei nicht an. Wie der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen hat, sind die faktischen Verhältnisse der Herrschaft über das Tier (Aufzucht, Ernährung, Unterbringung, Pflege und gesundheitliche Betreuung) für den Begriff des Haltens entscheidend (vgl VwGH 30.7.1992, 88/17/0149).

 

In der zivilrechtlichen Literatur sind Ehegatten unabhängig von den Eigentumsverhältnissen als Mithalter angesehen worden, wenn sie im gemeinsamen ehe­lichen Haushalt oder in der Landwirtschaft ein Haustier, das eine bestimmte Funktion (zB Bewachung, Spielgefährte, Nutztier) erfüllen soll einverständlich halten (vgl Dittrich/Tades, MGA ABGB33, E 22 bis E 25 zu § 1320). Diese Mithaltereigenschaft folgt aus der gleichen Interessenslage und dem gemeinschaftlichen Herrschaftsverhältnis zum Tier. Die gleichen Grundsätze müssen analog dazu auch für Lebensgefährten gelten, die gemeinsam für ein Tier sorgen.

 

4.4. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu den Sprucherfordernissen nach § 44a Z 1 VStG ist die Tat so weit zu konkretisieren, dass eine eindeutige Zuordnung zu den Tatbestandsmerkmalen ermöglicht wird und die Identität der Tat unverwechselbar feststeht (stRsp seit den verst. Senaten VwSlg 11.466 A/1984 und VwSlg 11.894 A/1985). Im Spruch sind alle wesent­lichen Tatbestandsmerkmale anzuführen, die zur Individualisierung und Konkretisierung des inkriminierten Verhaltens notwendig sind. Eine Umschreibung bloß in der Begründung reicht im Verwaltungsstrafrecht nicht aus (vgl mwN Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens6 [2004], 1522, Anm 2 zu § 44a VStG).

 

Der Vorschrift des § 44 a Z 1 VStG ist dann entsprochen, wenn im Spruch des Straferkenntnisses dem Beschuldigten die Tat so in konkretisierter Umschreibung vorgeworfen ist, dass er (im ordentlichen Verwaltungsstrafverfahren, gegebenenfalls auch in einem Wiederaufnahmeverfahren) in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen.

 

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat die Rechtsmittelbehörde nach § 66 Abs 4 AVG (iVm § 24 VStG) nicht die Befugnis, dem Beschuldigten eine andere Tat als die Erstbehörde anzulasten und damit die Tat auszuwechseln (vgl allgemein VwGH 25.3.1994, 93/02/0228; VwGH 19.5.1993, 92/09/0360; VwGH 28.2.1997, 95/02/0601). Die Entscheidungsbefugnis der Berufungsbehörde ist durch den Abspruchsgegenstand des angefochtenen Bescheides beschränkt (vgl VwGH 23.11.1993, 93/04/0169). Eine Abänderungsermächtigung besteht nur im Rahmen der Sache iSd § 66 Abs 4 AVG (vgl etwa VwGH 25.9.1992, 92/09/0178; VwGH 8.2.1995, 94/03/0072; VwGH 3.9.1996, 96/04/0080). Dabei ist Sache des Berufungsverfahrens die Angelegenheit, die den Inhalt des Spruchs im Bescheid der Unterbehörde bildet (vgl u.a. VwGH 24.3.1994, 92/18/0356; VwGH 23.10.1995, 94/04/0080; VwGH 29.10.1996, 96/07/0103; VwGH 19.3.1997, 93/11/0107). Ein Austausch wesentlicher Tatbestandsmerkmale führt zur Anlastung einer anderen Tat und ist daher unzulässig (vgl VwGH 20.11.1997, 97/06/0170).

 

4.5. Der Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses ist mangelhaft. Er beschränkt sich auf die – unter bloßer Verwendung der verba legalia – alternierende und damit unbestimmte Behauptung, der Bw habe es als Besitzer (richtig wäre Halter!) der Mischlingshündin "P" unterlassen, den Hund ordnungsgemäß zu beaufsichtigen, zu verwahren oder zu führen, ohne konkret auszuführen, mit welchem tatsächlichen Verhalten der Bw eine objektive Sorgfaltswidrigkeit begangen haben soll. Die belangte Behörde hat keine Aussage darüber getroffen, durch welche Handlung und/oder Unterlassung der Bw seiner Aufsichtspflicht nicht nachgekommen sei und somit gegen § 3 Abs 2 Z 1 Oö. Hundehaltegesetz 2002 verstoßen habe. Der Bw wurde auch entgegen dem Tatbestand nicht in seiner Funktion als Halter angesprochen, sondern als der Besitzer bezeichnet, welchem Begriff jedoch nicht auch die Bedeutung der Haltereigenschaft innewohnt.

 

Bei der gegebenen Unbestimmtheit - der Verhaltensvorwurf besteht nur aus den verba legalia, die nicht anhand der Umstände des Einzelfalles konkretisiert wurden - erscheint der Spruch einer zulässigen Korrektur durch den unabhängigen Verwaltungssenat nicht zugänglich. Dieser ist nämlich nach § 66 Abs 4 AVG nicht befugt, den Tatvorwurf auszutauschen. Darüber hinaus ist nach Ablauf von sechs Monaten auch längst Verfolgungsverjährung gemäß § 31 Abs 2 VStG eingetreten.

 

Es reicht nicht aus, den Gesetzeswortlaut unter Anführung von Tatort und Tatzeit wiederzugeben, sondern die Tat ist entsprechend den Gegebenheiten des jeweiligen Falles zu individualisieren (näher Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens6 [2004], 1522, Anm 2 zu § 44a VStG). Die belangte Behörde hat es demnach verabsäumt, die als erwiesen angenommen Tat mit der gemäß § 44a Z 1 VStG gebotenen Deutlichkeit im Spruch zum Ausdruck zu bringen.

 

4.6. Im Übrigen ist der Berufung im Ergebnis auch beizupflichten, dass es selbst auf Basis der tatsächlichen Annahmen der belangten Behörde nicht zutreffend erscheint, den Bw als den verantwortlichen Halter des Hundes zu belangen. Die Anzeige der PI G richtete sich nämlich auch gegen die Gattin des Bw, welche zu der in Frage kommenden Tatzeit etwa zwischen 08.00 und 09:00 Uhr zu Hause gewesen sein dürfte, während der Bw am Vormittag zur Arbeit im Wald war. Auch die belangte Behörde meinte begründend im Straferkenntnis, dass die Frau des Bw jedenfalls im Haus gewesen wäre, weshalb der Hund nicht eingesperrt war und hinaus laufen konnte. Da die Gattin des Bw als Mithalterin des Hundes zu diesem Zeitpunkt offenbar die alleinige Aufsicht über den Hund und damit auch die Verantwortung hatte, hätte sie und nicht der Bw von der belangten Behörde verfolgt werden müssen. Der Bw durfte nämlich im Hinblick auf seine Arbeitstätigkeit die Herrschaft über den Hund "P" seiner Gattin überlassen.

 

Auch aus diesem Grund erscheint das angefochtene Straferkenntnis rechtswidrig. Auf die Tatsachenrüge der Berufung, wonach der Hund der Familie K pauschal verdächtigt werde und der Fall nicht genügend aufgeklärt zu sein scheine, brauchte der Oö. Verwaltungssenat nicht mehr einzugehen.

 

5. Im Ergebnis war aus all diesen Gründen das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Strafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 (mangels einer hinreichend angelasteten Verwaltungsübertretung), Z 2 (weil der Bw nicht verantwortlicher Halter war) und Z 3 (wegen Verfolgungsverjährung) VStG einzustellen.

 

Bei diesem Ergebnis entfällt auch gemäß § 66 Abs 1 VStG die Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens.

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

Anlage

 

 

Dr. W e i ß

 

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