Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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Linz, 20.10.2008

 

 

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Stierschneider über die Beschwerden des K T, geb. am , russischer StA, der T T, geb. am , russische StA, der minderjährigen Kinder K T, geb. am 30.06.2002, russische StA, K T, geb. am  russische StA, F T, geb. am 21.07.2006, russische StA und M A T, russischer StA, geb. am 29.03.2008, alle minderjährigen Kinder  vertreten durch die Mutter T T, alle Beschwerdeführer vertreten durch Mag. S S, Rechtsanwältin in  W, M-T-S, wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in der Zeit vom 10. auf 11. August 2008 (Durchführung der Abschiebung nach Polen) durch dem Bezirkshauptmann von Vöcklabruck zuzurechnende Organe zu Recht erkannt:

 

 

I.       Den Beschwerden wird stattgegeben und die Abschiebungen am        11. August 2008 nach Polen werden als rechtswidrig festgestellt.   

 

II.     Der Bund (Verfahrenspartei Bezirkshauptmann von Vöcklabruck) hat den Beschwerdeführern antragsgemäß Aufwendungen in der Höhe von 674 Euro (darin enthalten 13,20 Euro Eingabegebühren) binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

 


Rechtsgrundlagen:

Art 129a Abs. 1 Z 2 B-VG iVm §§ 67a Abs. 1 Z 2, 67c und 79a AVG 1991 iVm UVS-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl II Nr. 334/2003.

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

 

1. Die Beschwerdeführer, K T, geb. am , T T, geb. am , K T, geb. am , K T, geb. am , F T, geb. am , und M A T, geb. am  (im Folgenden: Bf), alle der inguschetischen Volksgruppe angehörende russische Staatsbürger, reisten (abgesehen von M A T) am 30. Jänner 2008 von Polen kommend in einem Taxi über einen unbekannten Grenzübergang illegal in das österreichische Bundesgebiet ein. In Linz suchten die Bf unverzüglich die Polizeiinspektion Hauptbahnhof auf, stellten Anträge auf internationalen Schutz (im Folgenden: Asylantrag) und wurden anschließend von einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes niederschriftlich befragt. Im Zuge der Einvernahme gaben die Bf an, dass sie bereits in Polen Asylanträge gestellt und dort auch in einem Flüchtlingslager untergebracht worden wären.

 

Mit Schreiben vom 8. Februar 2008, Zl. DPU-WPD-715/08, stimmte Polen der Übernahme der Bf und der Führung der weiteren Asylverfahren zu.

 

Am 21. Juli 2008 teilte das Bundesasylamt, EAST-WEST, der belangten Behörde per Fax mit, dass die Asylanträge mit Bescheiden vom 20. Juli 2008, unter den Zl. 08 01.152, Zl. 08 01.153, Zl. 08 01.154, Zl. 08 01.155, Zl. 08 01.156 und Zl. 08 04.892 gemäß § 5 AsylG als unzulässig zurückgewiesen worden sind und durchsetzbar seien.

 

Mit E-Mail vom 31. Juli gab das Bundesasylamt der belangten Behörde bekannt, dass am 30. Juli 2008 gegen die angeführten Bescheide Beschwerden an den Asylgerichtshof erhoben worden sind. In der AI/DGA der einzelnen Asylverfahren ist der Eingang der Beschwerdevorlage beim Asylgerichtshof mit 4. August 2008 vermerkt.

 

Laut Aktenlage wurden die Bf von der belangten Behörde am 7. August 2008 über die beabsichtigte Abschiebung (Abschiebung auf dem Flugweg am
11. August 2008 um 08.10 Uhr) mit einem Formular in russischer Sprache in Kenntnis gesetzt. Ein Übernahmevermerk befindet sich nicht auf dem Formular.

 

Aufgrund der Anfrage der belangten Behörde vom 7. August 2008 gab die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich die Zustimmung zur Außerlandesbringung. Ergänzend wurde darauf hingewiesen, dass die belangte Behörde eine allfällige Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung von sich aus wahrzunehmen habe.

 

Mit E-Mail vom 7. August 2008 erteilte die belangte Behörde der PI T den Auftrag, die Bf festzunehmen. Dabei wurde angeordnet, dass die Festnahme frühestens am 10. August 2008 nach 21.00 Uhr vorgenommen werden dürfe. Neben dem Festnahmeauftrag wurden die einschreitenden Organe beauftragt, die Verfahrenskarten einzuziehen, die Bf zeitgerecht dem Amtsarzt im PAZ Linz zum Zwecke der Flugtauglichkeitsuntersuchung vorzuführen und die Bf rechtzeitig zum Flughafen Wien-Schwechat zu überstellen. Als Abflugzeitpunkt wurde der 11. August 2008, 08.10 Uhr bekanntgegeben.

 

Begründend wurde im Festnahmeauftrag ausgeführt, dass die Asylanträge der Bf gemäß den §§ 5 und 10 AsylG zurückgewiesen und die Ausweisung nach Polen verfügt worden wäre. Gegen diese Entscheidung sei am 4. August 2008 Beschwerde erhoben und der Antrag auf aufschiebende Wirkung gestellt worden. Die rechtliche Durchführbarkeit der Abschiebung trete am 11. August 2008 ein.

 

Die Abschiebung der Bf nach Polen wurde dem Bundesasylamt mit E-Mail vom 11. August 2008 mitgeteilt und dabei vermerkt, dass die Überstellung ohne besondere Vorkommnisse durchgeführt werden konnte.

 

Mit Beschlüssen des Asylgerichtshofes vom 8. August 2008, GZ. S13 400.841-1/2008/2Z u.w., wurde den Beschwerden gegen die Zurückweisungsentscheidungen des Bundesasylamtes die aufschiebende Wirkung zuerkannt. Die Beschlüsse wurden am 11. August 2008 (Fax-Kennung: 8:04) dem Bundesasylamt per Fax übermittelt. 

 

Mit E-Mail vom 11. August 2008, 10.58 Uhr teilte das Bundesasylamt der belangten Behörde mit, dass der Asylgerichtshof den Beschwerden der Bf die aufschiebende Wirkung zuerkannt habe. 

 

2.1. Mit Eingabe vom 8. September 2008, eingelangt am 11. September 2008, erhoben die Bf durch ihre Rechtvertreterin innerhalb offener Frist Maßnahmenbeschwerde gegen die gegen ihren Willen am 11. August 2008 nach Polen vorgenommene Abschiebung.

 

Nach Wiedergabe des im Wesentlichen unstrittigen Sachverhaltes führte die Rechtsvertreterin ausführlich begründend aus, dass die am 11. August 2008 vorgenommenen Abschiebungen im Hinblick auf die besonderen Fristen des AsylG rechtwidrig seien. Die Ausweisungsentscheidungen des Bundesasylamtes seien von der belangten Behörde mittels Anwendung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt durchgesetzt worden.  

 

 

Abschließend stellte die Rechtsvertreterin folgende Anträge:

"a) der UVS Oberösterreich möge feststellen, dass die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt durch Organe der belangten Behörde in der Zeit von 10. auf 11. August 2008 zwecks Durchführung unserer Abschiebung nach Polen rechtswidrig war, sowie

b) erkennen, die belangte Behörde ist schuldig, den Beschwerdeführern die Kosten des Beschwerdeverfahrens im gesetzlichen Ausmaß zu Handen der Beschwerdeführerin zu bezahlen."

 

Im anschließenden Kostenverzeichnis wurden 660,80 Euro für den Schriftsatzaufwand für die Beschwerde begehrt.

 

2.2. Im Vorlageschreiben vom 10. Oktober 2008, beim Oö. Verwaltungssenat samt Verwaltungsakten eingelangt am 13. Oktober 2008, wies die belangte Behörde auf die Fristen der "Dublin II" Verordnung und auf die unmittelbar vor der Abschiebung getätigte Abfrage im AI hin.  

 

2.3. Das Vorlageschreiben wurde der Rechtsvertreterin am 17. Oktober 2008 zur Kenntnis gebracht. Diese verzichtete sowohl auf die Abgabe einer Stellungnahme als auch auf eine mündliche Verhandlung. Ebenso wurden keine weiteren Anträge gestellt.  

 

3. Der Oö. Verwaltungssenat hat nach Einsicht in die Vorlageakten festgestellt, dass der wesentliche Sachverhalt unstrittig ist und daher nur Rechtsfragen zu beurteilen waren.

 

4. Der Oö. Veraltungssenat hat erwogen:

 

4.1.1. Gemäß Art 129a Abs. 1 Z 2 B-VG iVm § 67a Abs. 1 Z 2 AVG entscheiden die unabhängigen Verwaltungssenate über Beschwerden von Personen, die behaupten durch Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in ihren Rechten verletzt worden zu sein, ausgenommen in Finanzstrafsachen des Bundes.

 

Die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt setzt nach der Judikatur der Gerichtshöfe öffentlichen Rechts die unmittelbare Anwendung physischen Zwanges oder die Erteilung eines Befehles mit unverzüglichem Befolgungsanspruch voraus (vgl. u.a. VwGH 14.12.1993, 93/05/0191; VfSlg 11935/1988; VfSlg 10319/1985; VfSlg 9931/1984 und 9813/1983).

 

 

 

4.1.2. Ausgehend von der Überlegung, dass eine Abschiebung nach überein­stimmender Judikatur der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts stets als eine derartige Ausübung von Befehls- und Zwangsgewalt zu qualifizieren ist, jedoch das Rechtsinstitut der Maßnahmenbeschwerde - weil dieser keine aufschiebende Wirkung zukommt - keinen wirksamen Rechtsbehelf i.S.d. Art. 13 EMRK darstellt, hat der Oö. Verwaltungssenat mit h. Schriftsatz vom 30. November 2007, Zlen. VwSen-420523/5/Gf/Mu/Ga u.a., einen Antrag auf Aufhebung des § 77 Abs. 5 des Fremdenpolizeigesetzes, BGBl. Nr. I 100/2005 (zuletzt geändert durch BGBl. Nr. I 4/2008, im Folgenden: FPG), gestellt.

 

Mit Beschluss vom 5. März 2008, G 267/07‑3, hat der Verfassungsge­richtshof diesen Antrag als unzulässig zurückgewiesen und dazu begründend ausgeführt, dass "soweit eine Abschiebung überhaupt als Akt unmittelbarer ver­waltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt zu qualifizieren ist (vgl. dazu VfSlg 13885/1994, 17639/2005), die Möglichkeit zur Erhebung einer Maß­nahmenbeschwerde gemäß Art. 129a Abs. 1 Z. 2 B-VG verfassungsgesetzlich ver­ankert ist. Einfachgesetzliche Regelungen - wie etwa jene im Fremden­polizei­gesetz 2005 - haben sich stets an der Verfassungsrechtslage zu orientieren. Zudem vermag der Verfassungsgerichtshof die Auffassung des antragstellenden UVS nicht zu teilen, wonach eine Abschiebung - im Falle der Aufhebung der bekämpften Vorschrift - als 'Anwendung unmittelbaren Zwanges' i.S.d. § 7 VVG zu qualifizieren wäre (s. zur insoweit vergleichbaren Vorgängerbestimmung auch VwGH 23.9.1994, 94/02/0139). Hinzu kommt noch, dass damit auch insofern keine Verbesserung des Rechtsschutzes verbunden wäre, als Berufungen gegen die Erlassung von Vollstreckungsverfügungen gemäß § 10 Abs. 3 VVG keine aufschiebende Wirkung zukommt. Angesichts dessen würde durch die vom UVS begehrte Eliminierung des § 77 Abs. 5 FPG aus der Rechtsordnung nicht eine Rechtslage hergestellt, auf die die geltend gemachten Bedenken nicht mehr zuträfen. Das Ziel des Aufhebungsbegehrens wäre sohin durch Aufhebung des § 77 Abs. 5 FPG nicht erreicht." (vgl. S. 7 f dieses Beschlusses).

 

Zu den Ausführungen des Verfassungsgerichtshofes hat das zur Entscheidung zuständige Mitglied des Oö. Verwaltungssenates im Beschluss vom 18. April 2008, VwSen-420526/11/Gf/Ga, folgende Überlegungen angestellt: 

"Daraus scheint hervorzugehen, dass der Verfassungsgerichtshof zum einen die Frage, ob der in Österreich gegen eine Abschiebung bestehende Rechtsschutz im Regelfall den Kriterien der Art. 13 EMRK entspricht, (noch) nicht endgültig beurteilt hat (bzw. aus prozessualen Gründen nicht abschließend beurteilen konnte) und zum anderen offenbar (weiterhin) davon ausgeht, dass eine Abschiebung aus systematisch-theoretischer Sicht grundsätzlich drei unter­schiedliche Gestalten von Rechtssatzformen annehmen kann, nämlich: Im Regelfall jene eines bloßen Vollzugsaktes (= behördliche Umsetzung eines in die subjektive Rechtssphäre des Fremden eingreifenden rechtskräftigen Bescheides), gegen den deshalb kein Rechtsmittel (mehr) besteht (zu bestehen braucht), (wenn und) weil es sich um die bloß ordnungsgemäße faktische Herstellung des Ergebnisses eines bereits abgeschlossenen Verfahrens handelt; ausnahmsweise aber auch jene einer verwaltungsbehördlichen Befehls- und/oder Zwangsgewalt dann, wenn eben derartige Elemente zum ansonsten ordnungsgemäßen Vollzug qualifizierend hinzutreten, sodass als Rechtsbehelf eine Maßnahmenbeschwerde gemäß Art. 129a Abs. 1 Z. 2 B-VG zulässig ist (vgl. VfSlg 13885/1994; 17639/2005); und schließlich auch jene der Anwendung unmittelbaren Zwanges i.S.d. § 7 VVG, wenn zuvor ausnahms­weise eine förmliche Vollstreckungsverfügung erlassen - und damit gleichzeitig aber auch die Möglichkeit zur Berufung gegen diese nach § 10 VVG eröffnet - wurde (vgl. den entsprechenden Hinweis auf die VwGH-Judikatur im vorzitierten Beschluss vom 5. März 2008, G 267/07-3, S. 8). [Dem gegenüber scheint der Verwaltungsgerichtshof bislang weiterhin auf dem Standpunkt zu stehen, dass die Abschiebung im Regelfall eine Ausübung unmittelbarer verwaltungsbe­hörd­licher Befehls- und Zwangsgewalt darstellt, wenn und soweit nicht zuvor aus­nahms­weise eine förmliche Vollstreckungsverfügung erlassen wurde (vgl. VwGH v. 23. September 1994, Zl. 94/02/0139)]. Nochmals sei aber darauf hingewiesen, dass die Frage, ob damit jeweils dem Rechtsschutzbedürfnis des Art. 13 EMRK überhaupt Rechnung getragen ist - insbesondere in jenen Konstellationen, wo der Gesetzgeber gegen die Abschiebung einen gesonderten Rechtsbehelf, allerdings ohne aufschiebende Wirkung, vorgesehen hat - und Art. 129a Abs. 1 Z. 2 B-VG gegenüber dem einfachen Gesetzgeber tatsächlich eine stärkere Bindungswirkung entfaltet als Art. 13 EMRK, nach wie vor offen ist."

 

4.2. In den vorliegenden Fällen erfolgten die Abschiebungen der Bf nach Polen zu einem Zeitpunkt, zu dem die Ausweisungen zwar "durchsetzbar" aber noch nicht "durchführbar" war. Diese Abschiebungen sind als Akte unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt zu qualifizieren.

 

Die gegenständlichen Beschwerden sind daher zulässig und begründet.

 

4.2.1. Nach Art 5 Abs. 1 EMRK hat jedermann ein Recht auf Freiheit und Sicherheit. Die Freiheit darf einem Menschen nur in den Fällen des Absatz 1 lit a) bis f) und nur auf die gesetzlich vorgeschriebene Weise entzogen werden.

 

Art. 1 des BVG über den Schutz der persönlichen Freiheit (PersFrSchG), BGBl. Nr. 684/1988, gewährleistet dieses Recht auf Freiheit und Sicherheit (persönliche Freiheit) ebenfalls.

 

Gemäß Art. 1 Abs 2 PersFrSchG darf niemand aus anderen als den in diesem BVG genannten Gründen oder auf andere als die gesetzlich vorgeschriebene Weise festgenommen oder angehalten werden. Der Entzug der persönlichen Freiheit darf nach Art. 1 Abs. 3 PersFrSchG nur vorgesehen werden, wenn dies nach dem Zweck der Maßnahme notwendig ist. Er ist nur zulässig, wenn und soweit dies nicht zum Zweck der Maßnahme außer Verhältnis steht.

 

Nach Art. 2 Abs. 1 Z. 4 darf die persönliche Freiheit einem Menschen auf die gesetzlich vorgesehene Weise entzogen werden, um die Befolgung einer rechtmäßigen Gerichtsentscheidung oder die Erfüllung einer durch das Gesetz vorgeschriebenen Verpflichtung zu erzwingen.  Gleiches gilt nach Z. 7, wenn dies notwendig ist, um eine beabsichtigte Ausweisung oder Auslieferung zu sichern.

 

Gemäß § 36 Abs. 1 AsylG 2005, BGBl I Nr. 100/2005, zuletzt geändert mit BGBl I Nr. 4/2008, kommt einer Berufung gegen eine Entscheidung, mit der ein
(Asyl-) Antrag zurückgewiesen wird, eine aufschiebende Wirkung nicht zu. Einer "Beschwerde" gegen eine mit einer solchen Entscheidung verbundenen Ausweisung kommt die aufschiebende Wirkung nur zu, wenn sie vom unabhängigen Bundessenat zuerkannt wird.

 

Nach Abs. 4 ist die Ausweisung durchsetzbar, wenn einer "Beschwerde" gegen die Ausweisung die aufschiebende Wirkung nicht zukommt. Mit der Durchführung der diese Ausweisung umsetzenden Abschiebung bzw. Zurückschiebung ist bis zum Ende der Rechtsmittelfrist, wird ein Rechtsmittel ergriffen, bis zum Ablauf des siebenten Tages ab "Beschwerdevorlage" zuzuwarten. "Der Asylgerichtshof" hat das Bundesasylamt unverzüglich vom Einlangen der "Beschwerdevorlage" und von der Gewährung der aufschiebenden Wirkung in Kenntnis zu setzen.

 

4.2.2. Entgegen dem üblichen Begriffsverständnis bedeutet dies, dass aufgrund der gesetzlichen Regelung die vorliegenden "durchsetzbaren" Ausweisungs­entscheidungen nicht sofort vollstreckbar sind.

 

Um einen effektiven Rechtschutz zu gewährleisten wurde einerseits die unmittelbare Vollstreckbarkeit der durchsetzbaren Ausweisungsentscheidung untersagt und andererseits der Asylgerichtshof zu einer Entscheidung binnen Wochenfrist verpflichtet, wenn die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den Ausweisungsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde.   

 

Unstrittig steht fest, dass die Beschwerden am 4. August 2008 beim Asylgerichtshof eingelangt sind und die belangte Behörde davon Kenntnis erlangt hat (siehe Ausführungen in den Festnahmeaufträgen).

 

Im Hinblick auf § 31   Abs. 1 AVG und § 36 Abs. 4 AsylG ist als Fristende der
11. August 2008, 24.00 Uhr anzusehen (arg.: "Ablauf des siebenten Tages ab Beschwerdevorlage").

 

Der belangten Behörde war es daher untersagt, die Bf vor Ablauf des 11. August 2008 nach Polen abzuschieben.

 

4.3. Das Vorbringen der belangten Behörde im Vorlageschreiben ist nicht geeignet, die Abschiebungen als rechtmäßig erscheinen zu lassen.

 

Der unmittelbar bevorstehende Ablauf der im Art. 19 Abs. 3 Dublin II VO (Verordnung [EG] Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist) festgelegten Frist von sechs Monaten, innerhalb der eine Überstellung in den zuständigen Mitgliedstaat möglich ist, berechtigt die belangte Behörde zum Zwecke dieser Fristwahrung nicht, die im § 36 Abs. 4 AsylG festgesetzte "Wartefrist von sieben Tagen"  einzuschränken bzw. diese zu verkürzen. 

 

Weiters hätte eine Abschiebung der Bf zum vorliegenden Zeitpunkt als rechtswidrig beurteilt werden müssen, selbst wenn der Asylgerichtshof den Beschwerden (nachträglich) die aufschiebende  Wirkung nicht zuerkannt hätte.

 

Dadurch, dass die belangte Behörde die Bf am 11. August 2008 um 08.10 Uhr nach Polen abgeschoben hat, hat sie diese in ihren Rechten verletzt.

 

Nachdem bereits die Abschiebungen als solche in die Rechte der Bf eingegriffen haben und das zwangsbewehrte verwaltungsbehördliche Handeln (der Abschiebevorgang als Ganzes)  als rechtswidrig festzustellen war, musste auf die weitergehenden Teilaspekte der Beschwerde nicht mehr eingegangen werden.

 

5. Gemäß § 79a Abs. 1 AVG 1991 idF BGBl Nr. 471/1995 hat die im Verfahren nach § 67c obsiegende Partei Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei. Wird die Beschwerde zurückgewiesen, abgewiesen oder zurückgezogen, dann ist die belangte Behörde die obsiegende und der Beschwerdeführer die unterlegene Partei (§ 79a Abs. 3 AVG). Nach § 79a Abs. 6 AVG 1991 ist Aufwandersatz nur auf Antrag der Partei zu leisten.  

 

Nach § 79a Abs. 4 AVG gelten als Aufwendungen gemäß Abs. 1 neben Stempel- und Kommissionsgebühren sowie Barauslagen vor allem die durch Verordnung des Bundeskanzlers festgesetzten Pauschbeträge für den Schriftsatz-, den Verhandlungs- und den Vorlageaufwand.

 

Die Bf haben im Kostenverzeichnis der Beschwerde 660,80 Euro für den Schriftsatzaufwand für die Beschwerde geltend gemacht.

 

Nach der geltenden UVS-Aufwandersatzverordnung 2003 (BGBl II Nr. 334/2003) betragen die Pauschbeträge für die Bf als obsiegende Parteien für den Schriftsatzaufwand 660,80 Euro. An Eingabengebühren sind für die Beschwerdeschrift vom 8. September 2008 13,20 Euro angefallen. Den Bf war daher ein Betrag in Höhe von 674 Euro zuzusprechen.

 

Analog dem § 59 Abs. 4 VwGG 1985 war eine Leistungsfrist von 2 Wochen festzusetzen, zumal das Schweigen des § 79a AVG 1991 nur als planwidrige Lücke aufgefasst werden kann, sollte doch die Neuregelung idF BGBl Nr. 471/1995 im Wesentlichen eine Angleichung der Kostentragungsbestimmungen an das VwGG bringen (vgl. Erl. zur RV, 130 BlgNR 19. GP, 14 f).

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungs­gerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro  zu entrichten.

 

Im gegenständlichen Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 13,20 Euro angefallen. Ein entsprechender Zahlschein liegt bei.

 

 

 

Mag. Christian Stierschneider

 

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