Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-200303/7/WEI/Mu/Ga

Linz, 30.10.2008

 

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Wolfgang Weiß über die Berufung des Mag. K F, vertreten durch die RAe Dr. H, Mag. B und Dr. L, gegen den Bescheid des Bezirkshauptmanns des Bezirks Linz-Land vom 11. Juni 2008, GZ Agrar96-68-2006/Pl, wegen einer Übertretung des Pflanzenschutzmittelgesetzes beschlossen:

 

 

I. Der Berufung wird stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

 

II. Die Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens entfällt.

 

 

Rechtsgrundlage:

§ 24 VStG iVm § 66 Abs. 4 AVG; § 45 VStG; § 66 Abs 1 VStG; § 6 GESG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1.1. Mit Straferkenntnis des Bezirkshauptmanns von Linz-Land vom 11. Juni 2008, GZ Agrar96-68-2006/Pl, wurde über den Beschwerdeführer eine Geldstrafe in Höhe von 2.000 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe: 1 Tag) verhängt, weil er es als zur Vertretung nach außen berufener handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit als Verantwortlicher gemäß § 9 Abs. 1 VStG der Firma F A GmbH, zu vertreten habe, dass am 7. Juni 2006 – wie von einem Organ des Bundesamtes für Ernährungssicherheit am 7. Juni 2006 festgestellt worden sei – 12 x 1,5 Liter des Präparates A P mit der Pfl.Reg.Nr., dessen Zulassung mit 25. Juli 2003 aufgehoben worden sei und dessen Abverkaufsfrist mit 31. Dezember 2003 geendete habe, im Pflanzenschutzmittellager/LKW-Werkstätte am Standort des Unternehmens zum Verkauf vorrätig gehalten worden seien, und somit 12 x 1,5 Liter des nicht mehr zugelassenen Präparates A P in verbotener Weise in Verkehr gebracht worden seien. Dadurch habe er eine Übertretung des § 3 Abs. 1 i.V.m. § 34 Abs. 1 Z. 1 lit. a des Pflanzenschutzmit­telgesetzes 1997, BGBl. I Nr. 60/1997 idgF. begangen, weshalb er nach der letztgenannten Bestimmung zu bestrafen gewesen sei.

 

Begründend wurde dazu im Wesentlichen ausgeführt, dass die dem Rechtsmittelwerber angelastete Tat auf Grund einer amtlichen Kontrolle durch Organe des Bundesamtes für Ernährungssicherheit und den in der Folge von der belangten Behörde durchgeführten Ermittlungen als erwiesen anzusehen sei. Insbesondere sei es nicht erforderlich, dass für ein Vorrätighalten zum Verkauf bereits alle für die Effektuierung des Geschäfts notwendigen Voraussetzungen (wie z.B. Zulassung, Etikettierung) vorliegen; auch könne es insoweit auch nicht darauf ankommen, ob die Lagerung in einer versperrten oder unversperrten Räumlichkeit vorgenommen wurde bzw. ob die Abgabe im Inland oder in einem anderen Mitgliedsland oder Drittstaat erfolgt.

 

Im Zuge der Strafbemessung seien Milderungsgründe nicht hervorgekommen, während eine einschlägige Vormerkung als erschwerend zu werten gewesen sei. Seine Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse seien infolge unterlassener Mitwirkung von Amts wegen zu schätzen gewesen.

 

1.2. Gegen dieses dem Beschwerdeführer am 13. Juni 2008 zugestellte Straferkenntnis richtet sich die vorliegende, am 27. Juni 2008 – und damit rechtzeitig – zur Post gegebene Berufung.

 

Darin wird ausgeführt, dass sich im Hinblick auf den Grundsatz des freien Warenverkehrs aus der ständigen Judikatur des EuGH und des VwGH ergebe, dass die im öffentlichen Interesse allenfalls zulässigen Importbeschränkungen – wie z.B. ein Verbot des Inverkehrbringens vor der behördlichen Anmeldung – nicht dazu führen dürfen, dass die in anderen Mitgliedstaaten zugelassenen Pflanzenschutzmittel nicht dorthin verkauft und zu diesem Zweck zuvor im Inland zwischengelagert werden dürfen. In diesem Zusammenhang habe die belangte Behörde insbesondere nicht belegen können, dass die beanstandeten Produkte für einen Abnehmer im Inland bestimmt gewesen seien, zumal diese auch entsprechend gekennzeichnet gewesen seien; eine bloße Lagerung sowie eine Lagerung zum Weiterverkauf einer dort – unabhängig von ihrer jeweiligen Bezeichnung – verkehrsfähigen Ware ins (EU‑)Ausland könne jedoch weder zulassungspflichtig noch strafbar sein.

 

Daher und insbesondere deshalb, weil ihm ein allfälliger Rechtsirrtum nicht zum Vorwurf gemacht werden könne, wird die Aufhebung des angefochtenen Straferkenntnisses und die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens, in eventu ein Absehen von der Strafe und stattdessen bloß die Erteilung einer Ermahnung oder zumindest eine deutliche Herabsetzung der Strafhöhe beantragt.

 

1.3. Mit Schreiben vom 5. September 2008, Zlen. 28.003/46/06 und 28.003/33/06, und vom 16. September 2008, Zl. 28.003/45/06, hat das Bundesamt für Ernährungssicherheit (im Folgenden: BES) als Amtspartei gemäß § 34 Abs. 4 PMG jeweils eine Stellungnahme zu den Argumenten des Rechtsmittelwerbers erstattet.

 

Darin wird ergänzend zu den bereits in der Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses von der belangten Behörde übernommenen Argumenten des BES (vgl. oben 1.1.) darauf hingewiesen, dass das gegenständliche Pflanzenschutzmittel zum Zeitpunkt der Kontrolle nicht zugelassen gewesen sei, weil die Zulassung mit 25. Juli 2003 aufgehoben worden sei und die Abverkaufsfrist mit 31. Dezember 2003 geendet habe und es der Beschwerdeführer unterlassen habe, das gegenständliche Produkt bis zum Kontrollzeitpunkt zu entsorgen. Darüber hinaus wird angemerkt, dass anlässlich der Verordnung der Europäischen Kommission (EG) Nr. 2076/2002 vom 20. November 2002 der Wirkstoff Bendiocarb nicht in Anhang I der Richtlinie 91/414/EWG aufgenommen worden sei, weshalb die Mitgliedstaaten verpflichtet gewesen seien, Zulassungen von Pflanzenschutzmittel, die diesen Wirkstoff enthalten haben, bis spätestens 25. Juli 2003 zu widerrufen.

 

2.1. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Akt der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land zu Zl. Agrar96-68-2006; da sich bereits aus diesem der entscheidungswesentliche Sachverhalt klären ließ und die Verfahrensparteien einen dementsprechenden Antrag nicht gestellt haben, konnte im Übrigen auch gemäß § 51e Abs. 2 Z. 1 VStG von der Durchführung einer öffentlichen Verhandlung abgesehen werden.

 

2.2. Da im angefochtenen Straferkenntnis eine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe nicht verhängt wurde, ist der Oö. Verwaltungssenat zur Entscheidung durch ein Einzelmitglied berufen (§ 51c VStG).

 

 

3. In der Sache selbst hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

 

3.1.1. Gemäß § 3 Abs. 1 des Pflanzenschutzmittelgesetzes, BGBl.Nr. I 60/1997 in der zum Vorfallszeitpunkt geltenden Fassung BGBl.Nr. I 83/2004 (im Folgenden: PMG) durften nur jene Pflanzenschutzmittel, die nach diesem Bundesgesetz zugelassen waren, in Verkehr gebracht werden.

 

In diesem Zusammenhang normierte § 12 Abs. 10 PMG im Besonderen, dass Pflanzenschutzmittel, die in einem Mitgliedstaat, der seit zwei Jahren in einer Verordnung gemäß § 12 Abs. 9 PMG angeführt ist, zum Inverkehrbringen zugelassen sind, zugleich als zugelassene Pflanzenschutzmittel nach diesem Bundesgesetz gelten, wenn und soweit sie in der Originalverpackung und mit der Originalkennzeichnung einschließlich der Gebrauchsanweisung in deutscher Sprache in Verkehr gebracht wurden.

 

Wer beabsichtigte, nach § 12 Abs. 10 PMG zugelassene Pflanzenschutzmittel in Österreich gewerbsmäßig in erster Vertriebsstufe in Verkehr zu bringen, hatte dies gemäß § 3 Abs. 4 PMG vor der Aufnahme dieser Tätigkeit dem BES unter Bekanntgabe der Kennzeichnung der Pflanzenschutzmittel und seiner Anschrift oder gegebenenfalls des Firmensitzes sowie gegebenenfalls unter Nachweis des rechtmäßigen Inverkehrbringens anzumelden (Meldepflichtiger). Der Meldepflichtige unterlag den Meldepflichten gemäß § 25 PMG. Das In-Verkehr-Bringen von Pflanzenschutzmitteln war unzulässig, wenn der begründete Verdacht bestand, dass die Konformität mit den Rechtsvorschriften der Europäischen Union, insbesondere des Annexes I der Richtlinie 91/414/EWG, nicht gegeben war, oder die Gebühr für die Eintragung in das Pflanzenschutzmittelregister nicht entrichtet wurde.

 

Dem gegenüber bedurfte gemäß § 3 Abs. 2 PMG die nachweisliche Abgabe zur Lagerung mit anschließender Ausfuhr aus dem Gebiet der Gemeinschaft einerseits sowie die Lagerung und der Verkehr von Pflanzenschutzmitteln, die nachweislich zur Anwendung in einem anderen Mitgliedstaat bestimmt und dort zugelassen waren, keiner Zulassung.

 

Nach § 34 Abs. 1 Z. 1 lit c PMG beging derjenige eine Verwaltungsübertretung und war mit Geldstrafe bis zu 14.530 Euro, im Wiederholungsfall mit Geldstrafe bis zu 29.070 Euro zu bestrafen, der Pflanzenschutzmittel im Inland entgegen der Kennzeichnungspflicht des § 20 PMG oder den Vorschriften für Fertigpackungen in § 21 PMG in Verkehr brachte.

 

3.1.2. Gemäß § 44a VStG hat der Spruch, wenn er nicht auf Einstellung lautet, unter anderem die als erwiesen angenommene Tat (Z 1) und die Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist (Z 2) zu enthalten.

 

3.2.1. Im vorliegenden Fall ist allseits unbestritten, dass der Beschwerdeführer zum Vorfallszeitpunkt der nach außen vertretungsbefugte handelsrechtliche Geschäftsführer des in Rede stehenden Unternehmens war und dass in der LKW-Werkstätte dieses Unternehmens bei einer amtlichen Kontrolle das oben unter 1.1. angeführten Pflanzenschutzmittel vorgefunden wurde.

3.2.2. Strittig ist jedoch, ob überhaupt ein "Inverkehrbringen" dieses Pflanzenschutzmittels vorliegt. Dazu ist es zunächst erforderlich, den Inhalt dieses in § 3 Abs. 1 PMG verwendeten Gesetzesbegriffes zu ermitteln. 

Nach der Legaldefinition des § 2 Abs. 10 PMG in der nunmehrigen Fassung BGBl.Nr. I 55/2007 ist unter „Inverkehrbringen” das Lagern und Vorrätighalten zum Zwecke des Verkaufs oder der sonstigen Abgabe an andere, das Feilhalten, das Verkaufen und jedes sonstige Überlassen an andere – insbesondere auch die Abgabe in Genossenschaften, Vereinen oder sonstigen Vereinigungen an deren Mitglieder – sowie die Einfuhr aus Drittländern zu verstehen.

In der zum Tatzeitpunkt geltenden Fassung BGBl.Nr. I 83/2004 fand sich jedoch anstelle der nunmehrigen Wortfolge "Lagern und Vorrätighalten zum Zwecke des Verkaufs oder der sonstigen Abgabe an andere" damals nur die Wendung "Vorrätighalten zum Verkauf".

Nachdem bei der Beurteilung des vorliegenden Falles die zum Vorfallszeitpunkt (7. Juni 2006) geltende Rechtslage anzuwenden ist, ist hier somit noch die Legaldefinition vor der vorerwähnten Novelle des PMG im Jahr 2007 heranzuziehen. Daraus folgt, dass in der hier relevanten Fassung das allgemeine Lagern von Pflanzenschutzmitteln nicht explizit von der Begriffsbestimmung des Inverkehrbringens umfasst war, sondern lediglich ein Vorrätighalten zum Verkauf.

Aus der Tatsache, dass mit der Novelle 2007 die Lagerung nunmehr ausdrücklich in die Legaldefinition eingebunden wurde, kann grundsätzlich e contrario gefolgert werden, dass der frühere, hier relevante Text das bloße Lagern an sich gerade nicht mit umfasst hatte und somit zwischen der bloßen Lagerung einerseits und einem spezifischen Vorrätighalten zum Verkauf andererseits ein Unterschied sowohl im Wesenskern als auch hinsichtlich der Wesenschranke bestand.

In diesem Sinne führen auch die Erläuterungen zu § 2 Abs. 10 PMG i.d.F. der Novelle 2007 aus, dass die Aufnahme des "Lagerns" in die Begriffsbestimmungen nunmehr jede Art der Lagerung bzw. der Innehabung umfassen soll. Unter "Lagern" ist insbesondere auch die Lagerung von Pflanzenschutzmitteln, die zur Entsorgung oder Rückgabe an den Abgeber bestimmt sind, zu verstehen. Weiters sah sich der Gesetzgeber offensichtlich auch veranlasst, korrespondierend dazu den Begriff des "Vorrätighaltens zum Verkauf" neu zu umschreiben (vgl. dazu 37 BlgNR, 23. GP, S. 32).

3.2.3. Daraus folgt zunächst, dass zum hier maßgeblichen Zeitpunkt die bloße Lagerung von Pflanzenschutzmitteln nicht unter den Begriff des "Inverkehrbringens" zu subsumieren war. In diesem Zusammenhang ist auch darauf hinzuweisen, dass der von der belangten Behörde hiezu begründend herangezogene Erlass eines Bundesministeriums bloß einen generellen Rechtsakt mit Innenwirkung darstellt – also lediglich untergeordnete Verwaltungsbehörden zu verpflichten vermag – und somit nicht geeignet ist, darüber hinaus auch eine Bindungswirkung für Dritte, insbesondere auch nicht für den Oö. Verwaltungssenat, zu entfalten.

Ein Vorrätighalten zum Verkauf musste daher noch weitere, über ein bloßes Lagern hinausgehende Kriterien aufweisen. In erster Linie musste sowohl in zeitlicher und räumlicher Hinsicht als auch hinsichtlich der Konkretheit des zu erwartenden Rechtsgeschäfts, hier des Verkaufs, eine verdichtete Annahme von dessen Realisierung gegeben sein. Davon ausgehend ist fraglos die Präsentation von Produkten in Verkaufsräumen als ein Vorrätighalten zum Verkauf zu verstehen. Gleiches gilt für den Fall, dass eine Ware, deren zukünftiger Abnehmer schon bekannt oder zumindest konkret avisierbar ist, bis zur Realisierung des Verkaufs oder bis zu deren Übergabe an den Käufer noch in Räumlichkeiten des Verkäufers gelagert wird. Essentiell ist somit, dass der Bestimmungszweck des Produkts konkretisiert sein muss. In diesem Sinn äußerte sich auch der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 27. März 2008, Zlen. 2007/07/0033 u. 0034, in dem er das Vorrätighalten zum Verkauf hinsichtlich eines Exports von Pflanzenschutzmitteln an ein konkretes Unternehmen in Luxemburg bejahte; zudem wurden in dieser Entscheidung auch "Lagern" und "Vorrätighalten zum Verkauf" keineswegs gleichgesetzt.

 

Das bloße Lagern einer Ware, deren Bestimmung aus der Sicht des Lagernden noch nicht konkret absehbar ist, kann daher – noch dazu, wenn die Lagerung nicht in den dafür vorgesehenen Verkaufs- oder Lagerräumen erfolgt – grundsätzlich nicht als ein "Vorrätighalten zum Verkauf" angesehen werden.

 

Dem Grunde nach scheint diese Auslegung aber auch Deckung in dem vom BES angesprochenen Erlass des BMLFUW vom 3. Mai 2006, ZL. LE.4.3.2/0031-I/2/2006, zu finden. Danach soll das "Lagern" von Pflanzenschutzmitteln nur dann als "Vorrätighalten zum Verkauf" angesehen werden und den Vorschriften des PMG 1997 unterliegen, "soweit die Pflanzenschutzmittel dem (späteren) Verkauf zugeführt werden sollen". Ein Lagern zum Zwecke einer späteren Entsorgung oder Rückstellung an den Hersteller fällt somit schon begrifflich nicht unter ein "Vorrätighalten zum Verkauf". Um auch ein allgemeines Lagern oder ein Lagern zum Zwecke einer sonstigen Abgabe den Vorschriften des PMG 1997 zu unterstellen, hat der Gesetzgeber die unter Punkt 3.2.2. wiedergegebene Novellierung des PMG 1997 vorgenommen.

 

3.2.4. Im hier vorliegenden Fall wurde das in Rede stehende Pflanzenschutzmittel in einer LKW-Werkstätte gelagert – noch dazu in einer relativ geringen Menge. Aus letzterem Umstand kann insbesondere auch darauf geschlossen werden, dass der Verkauf dieses offensichtlichen Restpostens noch nicht avisiert und schon gar nicht konkretisiert war.

 

Außerdem kann davon ausgegangen werden, dass der Rechtsmittelwerber zu dem – von der belangten Behörde angenommenen – Tatzeitpunkt im Juni 2006 auf Grund der vorangegangenen Kontrolle am 31. Mai 2006 wohl kaum noch einen späteren Verkauf ins Auge gefasst hätte, selbst wenn er Derartiges zuvor allenfalls noch beabsichtigt gehabt hätte.

 

Nachdem die belangte Behörde – entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers – selbst in zutreffender Weise davon ausgeht, dass im gegenständlichen Fall bzw. in den zahlreich vorliegenden ähnlich gelagerten Fällen nicht von einer Tateinheit ausgegangen werden kann, hätte sie in ihrer Entscheidung die Intention des Rechtsmittelwerbers zu einem "Vorrätighalten zum Verkauf" zum jeweils konkreten Vorfallszeitpunkt überprüfen und entsprechend nachweisen müssen, was sie jedoch mit einem bloßen Verweis auf die Kontrolle am 31. Mai 2006 in nicht konsequenter Weise unterlassen hat.

 

Der Umstand, dass an jenem Tag während der Kontrolle seitens des Unternehmens ein Schild angebracht gewesen sein soll, dem zu Folge ein Inverkehrbringen der Pflanzenschutzmittel in Österreich ausgeschlossen sein sollte, konnte zum damaligen Zeitpunkt zwar allenfalls als ein unzureichender Beleg für eine tatsächlich in diese Richtung zielende Intention des Beschwerdeführers gewertet werden; daraus lässt sich aber jedenfalls nicht per se der gegenteilige Schluss ziehen, dass die in der LKW-Werkstätte gelagerten Produkte tatsächlich in Verkehr gebracht werden hätten sollen. Auch der dem in Rede stehenden Schild beigefügte Vermerk "EU-Export-Ware" lässt nicht zwingend den Schluss zu, dass ein "Vorrätighalten zum Verkauf" eines oder mehrerer jener zahlreichen, jedoch allesamt in relativ geringen Mengen vorgefundenen Pflanzenschutzmittel unterschiedlicher Art im oben beschriebenen Sinn und im Hinblick auf die zitierte jüngste Judikatur des VwGH vorlag. Es hätte vielmehr seitens der Erstbehörde konkret nachgewiesen werden müssen, welches Produkt jeweils zum Verkauf vorrätig gehalten wurde.

 

3.3. Die hier zu beurteilende Problematik der Auslegung des Begriffes des "Inverkehrbringens" ist darüber hinaus auch im Lichte der gemeinschaftsrechtlichen Normen zu betrachten.

 

Primär ist somit in diesem Zusammenhang die Richtlinie 91/414 EWG zu beachten. Deren Art 1 Abs. 1 betrifft die Zulassung, das Inverkehrbringen, die Anwendung und die Kontrolle von Pflanzenschutzmitteln in handelsüblicher Form sowie das Inverkehrbringen und die Kontrolle von Wirkstoffen für einen der in ABl.Nr. L 358 vom 18. 12. 1986, S. 1, oder in ABl.Nr. L 117 vom 8. 5. 1990, S. 15, und in Art 2 Nr. 1 der RL 91/414 EWG genannten Zwecke innerhalb der Gemeinschaft.

 

Gemäß Art. 2 Z. 10 dieser Richtlinie ist unter "Inverkehrbringen" jede entgeltliche oder unentgeltliche Abgabe – ausgenommen die Abgabe zur Lagerung mit anschließender Ausfuhr aus dem Gebiet der Gemeinschaft – zu verstehen. Auch die Einfuhr eines Pflanzenschutzmittels in das Gebiet der Gemeinschaft wird als ein Inverkehrbringen im Sinne dieser Richtlinie angesehen.

 

Die Mitgliedstaaten schreiben gemäß Art. 3 Abs. 1 RL 91/414 EWG vor, dass in ihrem Gebiet nur solche Pflanzenschutzmittel in Verkehr gebracht und angewendet werden dürfen, die sie nach den Bestimmungen dieser Richtlinie zugelassen haben, es sei denn, dass der Anwendungszweck unter Art. 22 RL 91/414 EWG fällt.

 

Wenn ein Pflanzenschutzmittel nicht zur Anwendung in ihrem Gebiet zugelassen worden ist, dürfen die Mitgliedstaaten dies gemäß Art. 3 Abs. 2 dieser Richtlinie nicht zum Anlass nehmen, die Herstellung, die Lagerung und den Verkehr von Pflanzenschutzmitteln zu behindern, die zur Anwendung in einem anderen Mitgliedstaat bestimmt sind, sofern dieses Mittel in einem anderen Mitgliedstaat zugelassen ist und die vom Mitgliedstaat zur Einhaltung von Art. 3 Abs. 1 RL 91/414 EWG erlassenen Kontrollbedingungen erfüllt sind.

 

3.4. Die Anordnung des Art. 3 Abs. 2 dieser Richtlinie bestätigt daher schon seinem Wortlaut nach – und in Entsprechung zu den zuvor angeführten national-rechtlichen Überlegungen –, dass auch das Gemeinschaftsrecht prinzipiell zwischen Herstellung, Lagerung und Inverkehrbringen differenziert. Vor allem ist augenscheinlich, dass die Legaldefinition des Art. 2 Z. 10 RL 91/414 EWG explizit das Tatbestandselement der "Abgabe" normiert. Diese bedingt schon nach grammatikalischer Interpretation die Existenz eines Abgebers einerseits und eines Abnehmers auf der anderen Seite.

 

Um Interpretationsfragen letztgültig abklären zu können, ist nach der Judikatur des EuGH ein Sprachenvergleich hinsichtlich der einschlägigen Rechtsvorschrift mit anderen Amtssprachen (wobei jede für sich gleichwertig authentisch und verbindlich ist) vorzunehmen.

 

Seitens des Oö. Verwaltungssenates wurde ein derartiger Vergleich der deutschen Fassung mit ihrem jeweiligen englischen, französischen, italienischen, niederländischen, portugiesischen und spanischen Pendant angestellt. Demnach wird für "Abgabe" in der englischen Fassung das Wort "supply", in der französischen Fassung "remise", in der niederländischen "levering" sowie in der portugiesischen und spanischen "entrega" gebraucht. Auch letztere Begriffe bedingen durchwegs die der deutschen Fassung zu Grunde liegende Dynamik. Absolut keinen Zweifel hinsichtlich dieser Interpretation lässt jedenfalls die italienische Fassung offen, die wortwörtlich lautet "consegna a terzi", somit Abgabe, Lieferung, Übergabe und Zuweisung an Dritte. Die Legaldefinition der Richtlinie ist somit nach den verschiedensten Sprachen ohne jeden Zweifel als ein Vorgang zwischen einem Abgeber und einem Abnehmer zu verstehen, was z.B. eine nach der deutschen Fassung allenfalls denkmögliche, EU-rechtlich aber offensichtlich nicht beabsichtigte Abgabe von Pflanzenschutzmitteln an zB. ein eigenes Lager (= Abgeber und Abnehmer in Personalunion) ausschließt. Die europarechtliche Begriffsbestimmung ist demnach also noch wesentlich enger als die der nationalen Regelung.

 

Unbestritten ist, dass im vorliegenden Fall keine Abgabe des in Rede stehenden Pflanzenschutzmittels erfolgte bzw. dass eine solche dem Beschwerdeführer seitens der belangten Behörde auch nicht vorgeworfen (sondern allenfalls bloß eine nicht näher konkretisierte Absicht hiezu unterstellt) wurde. Somit kann der zu beurteilende Sachverhalt im Sinne der RL 91/414 EWG nicht unter deren Art. 1 Abs. 1 bzw. Art. 3 Abs. 1 subsumiert werden, da die dort geforderte "Abgabe" nicht gegeben ist.

 

Auch wenn eine Richtlinie – im Gegensatz zu einer Verordnung der Gemeinschaft – grundsätzlich nicht unmittelbar anwendbar ist, sondern lediglich den rechtlichen Rahmen in Form von Zielsetzungen, hinsichtlich derer sie allerdings verbindlich ist, absteckt, so sind die Mitgliedstaaten doch gehalten, gerade Begriffsbestimmungen nicht primär aus nationaler Perspektive, sondern aus jener der Gemeinschaft zu betrachten. Droht ein nationaler Rechtsakt grundlegende Gemeinschafts­interessen zu beeinträchtigen, so ist nach der ständigen Judikatur des EuGH einer die Gemeinschaftsinteressen verfolgenden richtlinienkonformen Interpretation des nationalen Rechts der Vorrang zu geben.

 

3.5. Würde man der Auffassung anhängen, dass die in Rede stehende Richtlinie die vorliegenden Fälle nicht umfasst, wären diese aber – mangels einschlägigem Sekundärrecht – selbst dann nicht alleine nach nationalem Recht, sondern unter der Prämisse primärrechtlicher Bestimmungen zu lösen – hier unter jener der Warenverkehrsfreiheit gemäß Art. 28 EGV. Das in jenem Zusammenhang vom EuGH anerkannte und in ständiger Rechtsprechung judizierte Beschränkungsverbot würde – ohne hier eine detaillierte Prüfung aller gebotenen Kriterien darzustellen – im Ergebnis, weil binnenmarktsbeschränkend, mit Rückgriff auf die gemeinschaftsrechtliche Definition des "Inverkehrbringens" im Sinne der Verhältnismäßigkeit keine Begriffsausweitung des "Vorrätighaltens zum Verkauf" zulassen. Im Sinne der sog. "Dassonville"-Formel (vgl. Rs. C-8/74, Slg. 1974,
S. 837 ff – Urteil vom 11. Juli 1974) ist nämlich auch jede potenzielle Beschränkung der Warenverkehrsfreiheit (mit Ausnahme bloßer Verkaufsmodalitäten – vgl. die sog. "Keck"-Formel, Rs. C-267 und 268/91, Slg. 1993, S. I-6097 ff., Urteil vom 24. November 1993) verboten.

 

Im vorliegenden Fall ist ein gemeinschaftsinternes Verbringen der Ware zumindest potenziell fraglos gegeben, weshalb der Sachverhalt unter den Anwendungsbereich des EGV zu subsumieren ist.

 

Aus diesen Überlegungen folgt, dass die Legaldefinition des o.a. § 2 Abs. 10 PMG nicht unberührt von der gemeinschaftsrechtlichen Definition des Art. 2 Z. 10 RL 91/414 EWG, sei es in Anwendung dieser Richtlinie, sei es als Interpretationshilfe für primärrechtliche Regelungen, bleiben kann. Die Konkretisierung des "Vorrätighaltens zum Verkauf" erfährt somit ihre spezifische Ausrichtung auf die in Art. 2 Z. 10 RL 91/414 EWG postulierte "Abgabe".

 

3.6. Da im Verwaltungsstrafverfahren – anders als bei bloßen Ordnungswidrigkeiten im Bereich des Verschuldens – hinsichtlich des Vorliegens der objektiven Tatseite keine Beweislastumkehr besteht, war der Rechtsmittelwerber sohin auch nicht gehalten, nachzuweisen, dass er das in Rede stehende Pflanzenschutzmittel nicht für den Verkauf vorrätig gehalten hatte. Vielmehr muss die Erfüllung des objektiven Tatbestandes i.S.d. § 5 Abs. 1 VStG von der Behörde nachgewiesen werden. Allfällige Überlegungen hinsichtlich der Beweisumkehr könnten sich bloß auf die subjektive Tatseite beschränken (vgl. das Erkenntnis des VfGH vom 20. Juni 1994, B 1908 u. 1971/93 = VfSlg 13790/1994), spielen jedoch bei der Beurteilung des hier in Rede stehenden Falls keine Rolle.

 

In ihrer Beweisführung hinsichtlich des Vorliegens der objektiven Tatseite, im Besonderen der Erfüllung des Tatbestandselementes des "Inverkehrbringens", ging die belangte Behörde – unter Zugrundelegung einer anderen, ho. aus den vorangeführten Gründen nicht geteilten Rechtsauffassung – nicht von den unter Punkt 3.2. dieser Entscheidung ausgeführten rechtlichen Vorbedingungen aus. Somit ist es aus der Sicht des Oö. Verwaltungssenates letztlich nicht mit der für ein Verwaltungsstrafverfahren erforderlichen Sicherheit i.S.d. Art. 6 Abs. 2 EMRK als erwiesen anzusehen, dass der Beschwerdeführer das in Rede stehende Pflanzenschutzmittel in der LKW-Werkstätte seines Unternehmens zum Zweck des Verkaufes vorrätig hielt.

 

3.7. Von der Nichterfüllung des Tatbestandes abgesehen verabsäumte sie es somit in der Folge auch, dem Rechtsmittelwerber die Tat entsprechend konkret vorzuwerfen. Nach der vom Verwaltungsgerichtshof zu § 44a Z. 1 VStG entwickelten Judikatur ist die dem Beschuldigten angelastete Tat im Spruch des Straferkenntnisses nämlich so weit zu konkretisieren, dass eine eindeutige Zuordnung zu den Tatbestandsmerkmalen ermöglicht wird und die Identität der Tat unverwechselbar feststeht (vgl. VwSlg 11.466 A/1984 und VwSlg 11.894 A/1985, jeweils verstärkter Senat). Im Spruch sind alle wesentlichen Tatbestandsmerkmale anzuführen, die zur Individualisierung und Konkretisierung des inkriminierten Verhaltens notwendig sind. Insbesondere ist dabei die Identität der Tat (Ort, Zeit und die näheren Umstände) möglichst genau zu beschreiben. Das an Tatort- und Tatzeitumschreibung zu stellende Erfordernis ist daher nicht nur von Delikt zu Delikt (vgl. z.B. VwGH vom 14. Februar 1985, Zl. 85/02/0013), sondern auch nach den jeweils gegebenen Begleitumständen in jedem einzelnen Fall ein verschiedenes, weil an Rechtschutzüberlegungen zu messendes Erfordernis.

 

In Hinblick auf die oben dargestellte Auslegung des Begriffes "Vorrätighalten zum Verkauf" bzw. "Inverkehrbringen" von Pflanzenschutzmitteln ist demnach auch die im Spruch des bekämpften Bescheides gewählte Tatumschreibung als nicht ausreichend konkretisiert anzusehen. Denn im Grunde wird im gegenständlichen Fall nur darauf hingewiesen, dass das in Rede stehende Pflanzenschutzmittel im Rahmen einer Kontrolle des betreffenden Unternehmens in dessen LKW-Werkstätte vorgefunden worden sei; als Folge schließt die belangte Behörde ohne weitere sachverhaltsbezogene Determinierungen, dass das Pflanzenschutzmittel "somit" zum Verkauf vorrätig gehalten wurde. Diese Tatumschreibung erfüllt jedoch die gesetzlichen und vom VwGH gestellten Anforderungen nicht. Denn die belangte Behörde ging offensichtlich davon aus, dass alleine schon "das Lagern" ein inkriminiertes Verhalten verkörpert, weshalb sie auf weitere tatumschreibende Angaben verzichtete. Die bloße Wiedergabe des Gesetzestextes "vorrätig halten zum Verkauf" ohne gleichzeitige nähere Beschreibung der eigentlich vorgeworfenen "Tat" hinsichtlich der Handlungsweise des "Täters" stellt aber eine unzureichende und somit rechtswidrige Tatanlastung dar.

 

Es liegt somit auch ein Verstoß gegen § 44a Z. 1 VStG vor, der vom Oö. Verwaltungssenat im Nachhinein schon mangels zwischenzeitlich eingetretener Verfolgungsverjährung nicht mehr korrigiert werden kann.

 

3.8. Nachdem somit der objektive Tatbestand nicht erfüllt ist und darüber hinaus die Tat im Spruch des bekämpften Straferkenntnisses mangelhaft angelastet wurde, war der Berufung gemäß § 24 VStG i.V.m. § 66 Abs. 4 AVG stattzugeben, das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z. 2 VStG einzustellen.

 

4.1. Bei diesem Ergebnis war dem Beschwerdeführer gemäß § 66 Abs 1 VStG weder ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens erster Instanz noch zu den Kosten des Verfahrens vor dem Oö. Verwaltungssenat aufzuerlegen.

 

4.2. Nach § 6 Abs. 6 des Gesundheits- und Ernährungssicherheitsgesetzes, BGBl.Nr. I 63/2002, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. I Nr. 49/2008 (im Folgenden: GESG), ist für Tätigkeiten des BES anlässlich der Vollziehung der in § 6 Abs. 1 GESG angeführten hoheitlichen Aufgaben – dazu gehört u.a. gemäß § 6 Abs. 1 Z. 4 GESG die Vollziehung des PMG – eine Gebühr nach Maßgabe des Tarifs zu entrichten, den das BES mit Zustimmung des BMinLFUW und des BMinF kostendeckend festzusetzen hat.

 

Im Verwaltungsstrafverfahren sind diese Gebühren den Beschuldigten im Straferkenntnis zusätzlich zu einer Verwaltungsstrafe vorzuschreiben und unmittelbar an das BES zu entrichten.

 

Da aber der Rechtsmittelwerber die ihm angelastete Übertretung des PMG nicht begangen hat und das Straferkenntnis aufzuheben war, hatte auch keine Kostenvorschreibung nach dem GESG zu erfolgen bzw. war die dementsprechende, durch die belangte Behörde erfolgte Vorschreibung aufzuheben.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

 

Dr.  W e i ß

 

 

 

 

 

Rechtssatz:

VwSen-200303/7/WEI/Mu/Ga vom 30. Oktober 2008:

wie VwSen-200327/8/Gf/Mu/Ga vom 13. Oktober 2008

 

 

 

 

 

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