Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-530791/11/Re/Sta

Linz, 05.11.2008

 

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Werner Reichenberger über die Berufung der E A GmbH, W, vom 8. April 2008, gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 19. März 2008, GZ. 501/N056037J, betreffend die Vorschreibung  zusätzlicher Auflagen gemäß § 79 GewO 1994, zu Recht erkannt:

 

 

Der Berufung wird Folge gegeben und der bekämpfte Bescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 19. März 2008, GZ. 501/N056037J, wird behoben.

 

 

Rechtsgrundlagen:

§§ 66 Abs.4,67a Abs.1 und 67d Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG).

§§ 359a und 79 Gewerbeordnung 1994 (GewO 1994).

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

Mit dem bekämpften Bescheid der belangten Behörde vom 19. März 2008, GZ. 501/N056037J, wurde gegenüber der E A GmbH als Konsensinhaberin und Betreiberin der Tankstelle in L, U D, Gst. Nr. , im Grunde des § 79 Abs.1 GewO 1994 nachstehende zusätzliche Auflage vorgeschrieben:

"Die einwandigen unterirdischen Saugleitungen sind mit einem stetigen Gefälle von den Zapfsäulen zu den Lagertanks zu verlegen. Der Nachweis hierüber ist in Form einer Füllung der Leitungen mit einer definierten Flüssigkeitsmenge (Verwendung eines Messgefäßes) nach vorhergehender vollständiger Entleerung der Leitungen (Durchblasen mit Stickstoff) zu führen."

 

Dies im Wesentlichen mit der Begründung, aus wasserfachlicher Sicht sei für Saugleitungen bei Tankstellen primär nur eine leckwarnüberwachte Doppelmantelleitung sinnvoll und sei bei Altanlagen die Verlegung der Leitungen mit einen stetigen Gefälle zum Behälter hin notwendig, was bei Altanlagen nicht von vornherein gewährleistet erscheine und daher wiederholend nachzuweisen sei. Sofern das stetige Gefälle nicht mehr gegeben sei, entfalle der wesentliche Vorteil des sogenannten hängenden Systems in Bezug auf den Grundwasserschutz, nämlich das Rücklaufen des wassergefährdenden Produkts in den Lagerbehälter bei Abreißen der Flüssigkeitssäule. Einwandige Alternativen für unterirdische Rohrleitungen seien keinesfalls einer doppelwandigen Ausführung gleichwertig, auch nicht bei "hängendem System" und in rohrwandverstärkter Ausführung, was bei Altanlagen meist nicht der Fall sei. Sofern einwandige Saugleitungen als Stand der Technik angesehen werden, müsse dieses System optimal funktionieren. Es sei daher erforderlich, dass das stetige Gefälle zu den Lagertanks auch noch nach mehreren Betriebsjahren gegeben ist. Eine aussagekräftige diesbezügliche Überprüfung sollte in Form der vorgeschriebenen Auflage erfolgen. Der dazu notwendige technische Aufwand sei gering. Der mit der Erfüllung verbundene Aufwand stehe jedenfalls im Verhältnis zu dem mit der Auflage angestrebten Erfolg.

 

Gegen diesen Bescheid hat die Anlageninhaberin mit Schriftsatz vom 8. April 2008, am selben Tag per Telefax und somit innerhalb offener Frist eingebracht, Berufung erhoben. Dies im Wesentlichen mit der Begründung, gemäß § 124 Abs.1 VbF sei die erforderliche Umrüstung bestehender einwandiger Rohrleitungen bei bereits genehmigten Anlagen ausdrücklich ausgeschlossen worden; dies bei gegebenem Stand der Technik durch Doppelmantelrohre. Gemäß § 33 Abs.2 leg.cit. seien derartige Leitungen in erhöhtem Ausmaß zu schützen und würden daher als starkwandiges Rohr im hängenden System bei bestehenden Anlagen als Stand der Technik angesehen. Dies entspreche auch der Ausführung der Verrohrung bei der gegenständlichen Tankstelle. Die Feststellungen, wonach aus wasserfachlicher Sicht die angeführten einwandigen Alternativen für unterirdische Rohrleitungen keinesfalls als einer doppelwandigen Ausführung gleichwertig anzusehen seien, decke sich nicht mit der Einschätzung der Oberbehörden bzw. den vom BM im Jahr 2005 herausgegebenen technischen Grundlagen für die Bewertung  von Tankstellen (TGT). Diese sehen für den Fall von einwandigen Rohrleitungen vor, dass Rohrleitungen, die im hängenden System ausgeführt seien, dem Stand der Technik entsprechen. Für nicht im hängenden System ausgeführte Rohrleitungen wäre eine Druckprobe durchzuführen. Dem bekämpften Bescheid sei nicht zu entnehmen, welche konkreten überprüfbaren Umstände des Einzelfalles vorhanden seien, die die Auflage rechtfertigen würden. Eine Aussage, ob im gegenständlichen Falle tatsächlich Setzungen, Verlegungen, Umbindungen etc. vorhanden seien, sei nicht getroffen worden. Der ASV habe sich lediglich auf allgemeine Richtlinien bezogen und von nicht näher definierten Schadensfällen, welche angeblich beim hängenden System aufgetreten wären, gesprochen. Er sei aber nicht auf konkret überprüfbare Umstände bzw. Hinweise in Bezug auf die gegenständliche Tankstelle eingegangen. Ein eventueller Produktaustritt würde auch bei nicht an jeder Stelle bestehendem stetigen Gefälle zu einer Fehlfunktion und zum Ausfall der Zapfsäule führen. Dies gehe auch aus dem Schreiben der Firma T vom 21. Juli 2007 (Fachfirma Tankstellentechnik) an die belangte Behörde hervor. Nach der angewandten Bestimmung des § 79 Abs.1 GewO 1994 seien Umstände des Einzelfalles Voraussetzung für die Vorschreibung zusätzlicher Auflagen, denen zufolge die geschützten Interessen nicht mehr gewährleistet seien. Im Übrigen sei die Auflage nicht konkret, nicht bestimmt formuliert und ungeeignet, Gefährdungen und Beeinträchtigungen im Sinne des § 74 gegenüber dem bereits bestehenden  technischen Ausführungsstand zu vermeiden oder zu reduzieren.

 

Der Bürgermeister der Landeshauptstadt Linz als belangte Behörde hat diese Berufungsschrift gemeinsam mit dem zu Grunde liegenden Verfahrensakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich zur Berufungsentscheidung vorgelegt. Die belangte Behörde hat dabei keine inhaltlichen Äußerungen zum Berufungsvorbringen abgegeben und keinen Widerspruch im Sinne des § 67h Abs.1 AVG erhoben.

 

Die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich durch Einzelmitglied ergibt sich aus § 359a GewO 1994  iVm
§ 67a  Abs.1 AVG.

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde zu  GZ. 501/N056037J.

 

Im Grunde des § 67d Abs.1 AVG konnte von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung mangels Erfordernis abgesehen werden.

 

 

In der Sache hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

 

Gemäß § 74 Abs. 2 GewO 1994 dürfen gewerbliche Betriebsanlagen nur mit Genehmigung der Behörde errichtet oder betrieben werden, wenn sie wegen der Verwendung von Maschinen und Geräten, wegen ihrer Betriebsweise, wegen ihrer Ausstattung oder sonst geeignet sind,

 

1.     das Leben oder die Gesundheit des Gewerbetreibenden, der nicht den Bestimmungen des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes unterliegenden mittätigen Familienangehörigen, der Nachbarn oder der Kunden, die die Betriebsanlage der Art des Betriebes gemäß aufsuchen, oder das Eigentum oder sonstige dingliche Rechte der Nachbarn zu gefährden,

 

2.     die Nachbarn durch Geruch, Lärm, Rauch, Staub, Erschütterung oder in anderer Weise zu belästigen,

 

3.     die Religionsausübung in Kirchen, den Unterricht in Schulen, den Betrieb von Kranken- und Kuranstalten oder die Verwendung oder den Betrieb anderer öffentlichen Interessen dienender benachbarter Anlagen oder Einrichtungen zu beeinträchtigen,

 

4.     die Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs an oder auf Straßen mit öffentlichem Verkehr wesentlich zu beeinträchtigen oder

 

5.     eine nachteilige Einwirkung auf die Beschaffenheit der Gewässer herbeizuführen, sofern nicht ohnedies eine Bewilligung auf Grund wasserrechtlicher Vorschriften vorgeschrieben ist.

 

Gemäß § 77 Abs. 1 GewO 1994 ist eine Betriebsanlage zu genehmigen, wenn nach dem Stand der Technik und dem Stand der medizinischen und der sonst in Betracht kommenden Wissenschaften zu erwarten ist, dass überhaupt oder bei Einhaltung der erforderlichenfalls vorzuschreibenden bestimmten geeigneten Auflagen die nach den Umständen des Einzelfalles voraussehbaren Gefährdungen im Sinne des § 74 Abs. 2 Z1 vermieden und Belästigungen, Beeinträchtigungen oder nachteilige Einwirkungen im Sinne des § 74 Abs. 2 Z2 bis 5 auf ein zumutbares Maß beschränkt werden.

 

 

Gemäß § 79 Abs. 1 GewO 1994 hat die Behörde, wenn sich nach Genehmigung der Anlage ergibt, dass die gemäß § 74 Abs. 2 wahrzunehmenden Interessen trotz Einhaltung der im Genehmigungsbescheid vorgeschriebenen Auflagen nicht hinreichend geschützt sind, die nach dem Stand der Technik und dem Stand der medizinischen und der sonst in Betracht kommenden Wissenschaften zur Erreichung dieses Schutzes erforderlichen anderen oder zusätzlichen Auflagen   (§ 77 Abs. 1) vorzuschreiben... .

 

Die Behörde hat solche Auflagen nicht vorzuschreiben, wenn sie unverhältnismäßig sind, vor allem, wenn der mit der Erfüllung der Auflagen verbundene Aufwand außer Verhältnis zu dem mit den Auflagen angestrebten Erfolg steht. Dabei sind insbesondere Art, Menge und Gefährlichkeit der von der Anlage ausgehenden Emissionen und der von ihr verursachten Immissionen sowie die Nutzungsdauer und die technischen Besonderheiten der Anlage zu berücksichtigen.

 

Gemäß § 33 Abs.2 der Verordnung über brennbare Flüssigkeiten, BGBl. Nr. 240/1991 idgF müssen unterirdische Leitungen zum Füllen oder Entleeren, um das Austreten von brennbaren Flüssigkeiten in das umgebende Erdreich zu verhindern, im erhöhten Ausmaß geschützt sein (wie durch Verwendung von korrosionsfestem Material, Schutzummantelung zur Erhöhung des Korrosionsschutzes, Rohrwandverstärkung, kathodisch geschützte Rohrtrassen, Doppelmantelrohre oder flüssigkeitsdichte Rohrkanäle).

 

Gemäß Übergangsbestimmung des § 124 Abs.1 leg.cit. gelten mehrere Bestimmungen der Verordnung, unter anderem auch § 33 Abs.2, nicht für bereits genehmigte Anlagen.

 

Die Einsichtnahme in die vorgelegten Verfahrensakte in Bezug auf die gegenständliche Betriebsanlage hat ergeben, dass die bei der gegenständlichen Anlage verlegten Rohrleitungen mit Genehmigungsbescheid vom 11. Juni 1987, Ge-6927/7-1987, genehmigt worden sind.

 

Im Rahmen dieser von der Konsenswerberin auch konsumierten Genehmigung wurde im Auflagepunkt I/14, 3. Satz, vorgeschrieben:

"Selbstsichernde Saugleitungen müssen mit stetigen Gefälle zum Behälter verlegt sein und dürfen außer am oberen Ende kein Rückschlagventil haben."

 

Eine auch die Saugleitungen betreffende Änderung der gegenständlichen Tankstelle wurde mit Bescheid des Landeshauptmannes vom 3. September 1992, Ge-6927/16-1992, gewerbebehördlich genehmigt, nämlich unter anderem auch die Erneuerung der Verrohrung von den Behältern zu den Zapfsäulen.

 

Im Rahmen des Berufungsverfahrens wurde vom technischen Sachverständigendienst des Amtes der Oö. Landesregierung, Abteilung Umwelt-, Bau- und Anlagentechnik eine ergänzende Sachverständigenäußerung zum Thema eingeholt und hat dieser unter Berücksichtigung der rechtlichen Vorgabe, dass in Bezug auf die derzeit verlegten Rohrleitungen, da in der Änderungsgenehmigung im Jahre 1992 keine anderen Auflagen diesbezüglich vorgeschrieben wurden, die Auflagen des Genehmigungsbescheides vom 11. Juli 1987 nach wie vor Gültigkeit haben, festgestellt, dass somit auf Grund der Tatsache, dass nach einer bestehenden und anzuwendenden Auflage des Genehmigungsbescheides die Leitungen "mit stetigem Gefälle zum Behälter" verlegt sein müssen, kein technischer Grund für den ersten Satz der nunmehr bekämpften Auflage gesehen wird.

 

Vom erkennenden Mitglied des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich ist somit den vorliegenden Verfahrensakten nachvollziehbar zu entnehmen, dass die mit dem Bescheid vom 11. Juli 1987 in Bezug auf Saugleitungen vorgeschriebenen Auflagen nach wie vor in Kraft stehen und daher auf die vor Inkrafttreten der Verordnung über brennbare Flüssigkeiten verlegten Saugleitungen anzuwenden sind. Demnach ist bereits vorgeschrieben, dass selbstsichernde Saugleitungen mit stetigem Gefälle zum Behälter verlegt sein müssen. Eine neuerliche Vorschreibung dieses technischen Erfordernisses durch den nunmehr bekämpften Bescheid ist daher, wie auch vom technischen Sachverständigen festgestellt, nicht erforderlich. Der zweite Satz der nunmehr bekämpften Auflage, den Nachweis hierfür in Form einer Füllung der Leitungen mit einer definierten Flüssigkeitsmenge zu führen, ist somit in dieser Form auf einen Erkundungsbeweis gerichtet und aus diesem Grund unzulässig. Im Übrigen ist im durchgeführten Verfahren der Gewerbebehörde I. Instanz ist kein Hinweis hervorgekommen, dass die vorgeschriebene Auflage nicht erfüllt ist.

 

Voraussetzung für eine Vorschreibung im Grunde des § 79 Abs.1 GewO 1994, welche dem bekämpften Bescheid zu Grunde liegt, ist jedoch das Erfordernis, dass die gemäß § 74 Abs.2 wahrzunehmenden Interessen trotz Einhaltung der im Genehmigungsbescheid vorgeschriebenen Auflagen nicht hinreichend geschützt sind. Dem vorlegten Verwaltungsakt, insbesondere der Begründung des bekämpften Bescheides, ist jedoch nicht zu entnehmen, auf Grund welcher konkret in Erscheinung getretenen Gründe die gemäß § 74 Abs.2 GewO 1994 wahrzunehmenden Interessen nicht hinreichend geschützt seien. Darüber hinaus geht die Behörde selbst davon aus, dass möglicherweise nicht alle vorgeschriebenen Auflagen eingehalten werden.

Schließlich ist festzuhalten, dass der in Bezug auf die technische Ausführung der Betriebsanlage im Laufe der Jahre des Betriebes derselben eingetretene Fortschritt des Standes der Technik oder der sonstigen Wissenschaften die Gewerbebehörde für sich alleine noch nicht berechtigt, zusätzliche Auflagen gemäß § 79 GewO 1994 vorzuschreiben.

 

 

Das durchgeführte Verfahren hat somit ergeben, dass die bekämpfte Auflage weder in der zu Grunde gelegten rechtlichen Norm des § 79 Abs.1 GewO 1994 noch in den Bestimmungen der Verordnung über brennbare Flüssigkeiten ihre zulässige Grundlage findet. Da derzeit auch keine Umstände vorliegen, die eine tatsächliche Gefährdung der gemäß § 74 Abs.2 wahrzunehmenden Schutzinteressen begründet besorgen lassen, war der Berufung Folge zu geben, die bekämpfte Auflage zu beheben und somit wie im Spruch zu entscheiden.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

-         Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro  zu entrichten.

-         In diesem Verfahren sind Gebühren nach den Bestimmungen des Gebührengesetzes in der Höhe von 13,20 Euro für die Einbringung der Berufung angefallen.

 

 

Dr. Reichenberger

 

 

Beschlagwortung:

§ 79 GewO – nur wenn Auflagen erfüllt

§ 79 GewO – nicht allein nach Stand der Technik

 

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum