Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-281074/15/Py/Dd

Linz, 31.10.2008

 

 

 

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Andrea Panny über die Berufung des Herrn E W, vertreten durch H V K Rechtsanwälte GmbH, Dr. K L-P, W, gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 28. Jänner 2008, GZ: 0027539/2006 BzVA, wegen einer Verwaltungsübertretung nach dem ArbeitnehmerInnenschutzgesetz (ASchG), nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung am 16. Oktober 2008  zu Recht erkannt:

 

I.   Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen und das angefochtene Straferkenntnis mit der Maßgabe bestätigt, als die verletzte Verwaltungsvorschrift von "Arbeitnehmerschutz­verordnung" auf "ArbeitnehmerInnenschutzgesetz" richtiggestellt wird.

 

 

II. Der Berufungswerber hat einen Kostenbeitrag zum Verfahren vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat in Höhe von 20 % der verhängen Geldstrafe, das sind 140 Euro, zu leisten.

 

 

Rechtsgrundlagen:

Zu  I.:  § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51/1991 idgF iVm §§ 24, 19 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG), BGBl. Nr. 52/1991 idgF.

Zu II.:  § 64 VStG.

 

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit Straferkenntnis des  Bürgermeisters der Stadt Linz vom 28. Jänner 2008, GZ 0027539/2006 BzVA, wurde dem Berufungswerber (in der Folge: Bw) folgende Verwaltungsübertretung zu Last gelegt:

 

"Der Beschuldigte, Herr E W, geboren am, wohnhaft: F, H, hat folgende Verwaltungsübertretung als verwaltungsstrafrechtlich verantwortlicher handelsrechtlicher Geschäftsführer der M W GmbH (Sitz L), welche persönlich haftende Gesellschafterin der M W GmbH & Co KG (Sitz L) ist, zu vertreten.

 

Am 8.11.2006 war auf der von der M W GmbH & Co KG betriebenen Baustelle "M, T, L" ein Arbeiter der o.a. Gesellschaft, Herr R D, mit Montagearbeiten auf dem Balkon im ersten Obergeschoß bei einer Absturzhöhe von ca. 4,5 m beschäftigt, ohne dass eine Absturzsicherung, eine Abgrenzung oder eine Schutzeinrichtung vorhanden war. Der Arbeitnehmer war auch nicht mit einem Sicherheitsgeschirr angeseilt."

 

Über den Bw wurde deshalb eine Geldstrafe in Höhe von 700 Euro, im Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 16 Stunden gem. §§ 130 Abs. 5 Z.1, 118 Abs. 3 Arbeitnehmerschutzverordnung iVm § 7 Abs.1 und 2 Z.4 Bauarbeiterschutzverordnung verhängt.

 

Gleichzeitig wurde ein Kostenbeitrag in Höhe von 70 Euro vorgeschrieben.

 

In der Begründung führt die belangte Behörde unter Wiedergabe des Verfahrensganges und der Rechtslage aus, dass am 8.11.2006 auf dieser von der M W GmbH & Co KG betriebenen Baustelle ein Arbeitnehmer der Gesellschaft, nämlich Herr R D, mit Montagearbeiten auf dem Balkon im ersten Obergeschoß bei einer Absturzhöhe von 4,5 m beschäftigt war, ohne dass eine Absturzsicherung, eine Abgrenzung oder Schutzeinrichtung vorhanden war. Der Arbeitnehmer sei auch nicht mit einem Sicherheitsgeschirr angeseilt gewesen, weshalb der Tatbestand der den Beschuldigten angelasteten Verwaltungsübertretung in objektiver Hinsicht erfüllt sei.

 

Zur Schuldfrage wird ausgeführt, dass der Bw im Verfahren einen Schuldentlastungsbeweis nicht habe erbringen können. Der Beschuldigte habe vorgebracht, Herr D sei – wie alle anderen Mitarbeiter – angewiesen worden, sich bei Absturzgefahr mittels Gurt zu sichern. Die für die einzelnen Baustellen verantwortlichen Meister und Vorarbeiter seien verpflichtet, dem Beschuldigten Bericht zu erstatten, ob die Arbeitnehmer die Vorschriften einhalten. Die Meister, die Vorarbeiter und die ihnen unterstellten Mitarbeiter hätten jeweils eine "Bestandaufnahme" von der jeweiligen Baustelle zu machen, die für die konkreten Arbeiten erforderlichen Sicherheitsvorkehrungen zu besprechen und die gesetzeskonforme Anbringung der besprochenen Sicherheitsvorkehrungen zu kontrollieren. Für den Schuldentlastungsbeweis sei es bei hierarchisch aufgebauten Kontrollsystemen erforderlich, aufzuzeigen, welche Maßnahmen im Einzelnen der unmittelbare Übergeordnete im Rahmen des Kontrollsystems zu ergreifen verpflichtet war, um durchzusetzen, dass jeder in das Kontrollsystem eingebundene Mitarbeiter die arbeitnehmerschutzrechtlichen Vorschriften auch tatsächlich befolgt und welche Maßnahme schließlich der an der Spitze der Unternehmenshierarchie stehende Anordnungsbefugte vorgesehen hat, um das Funktionieren des Kontrollsystems insgesamt zu gewährleisten, das heißt sicherzustellen, dass die auf der jeweils übergeordneten Ebene erteilten Anordnungen (Weisungen) zur Einhaltung arbeitnehmerschutzrechtlicher Vorschriften auch an die jeweils untergeordnete, zuletzt also an die unterste Hierarchieebene, gelangen und dort auch tatsächlich befolgt werden. Für ein wirksames Kontrollsystem sei die Überwachung des Aufsichtsorganes durch den Beschuldigten erforderlich, die (Verpflichtung zur) Berichterstattung würde für das Vorliegen eines wirksamen Kontrollsystems nicht ausreichen. Nicht die Betreuung Dritter mit Kontrollaufgaben und die Erteilung diesbezüglicher Weisungen alleine schaffe ein wirksames Kontrollsystem, vielmehr bedürfe es auch der Überwachung der Betrauten auf die Wahrnehmung der ihnen übertragenen Aufgaben bzw. Überwachung der erteilten Weisungen auf ihre Einhaltung.

 

Gerade für den Fall eigenmächtiger Handlungen von Arbeitnehmern gegen die Arbeitnehmerschutzvorschriften habe das entsprechende Kontrollsystem Platz zu greifen. Um von einem den betrieblichen Erfordernissen angepassten, wirksamen Kontrollsystem sprechen zu können, müsse dieses unabhängig von der Dauer der Arbeiten an einer bestimmten Baustelle bzw. auf einem bestimmten Gerüst funktionieren. Die gegenständliche Verwaltungsübertretung sei daher auch hinsichtlich ihrer subjektiven Tatbestandsmäßigkeit erwiesen.

 

Zur Strafhöhe wird ausgeführt, dass als strafmildernd die bisherige Unbescholtenheit des Beschuldigten gewertet werde, straferschwerend sei kein Umstand gewesen. Bei entsprechender Berücksichtigung sämtlicher maßgebender Bemessungsgründe erscheine daher die verhängte Strafe dem Unrechtsgehalt der Tat sowie dem Verschulden des Beschuldigten angemessen.

 

2. Dagegen wurde rechtzeitig vom Bw im Wege seiner rechtsfreundlichen Vertretung Berufung erhoben und vorgebracht, dass - entgegen den Feststellungen der belangten Behörde – den verantwortlichen Meistern und Vorarbeitern vom Bw nicht nur eine (tägliche und wöchentliche) Berichtspflicht auferlegt wurde, sondern diese auch regelmäßig eingefordert wurde, wie bereits aus der Stellungnahme des Bw vom 10.1.2007 hervorgehe. Es liege daher ein aktives Element der Überwachung bzw. Kontrolle durch den Bw vor, was auch die beantragte, jedoch von der Erstbehörde unterlassene Einvernahme des Beschuldigten C K hervorgebracht hätte. Auch seien die Aussagen des Meisters R K außer Acht gelassen worden, der entsprechende Kontrollen durch die Meister bzw. Vorarbeiter, dem Montageleiter, den Projektleitern und in weiterer Folge dem Bw bestätigt habe. Auch hätte eine Einvernahme des ebenfalls als Zeugen beantragten zuständigen Projektleiters Herrn W P, das Vorbringen des Bw hinsichtlich des Vorliegen eines wirksamen Kontrollsystems unter Beweis gestellt. Indem sich die belangte Behörde auf widersprüchliche Aussagen der Zeugen Herrn R D und Herrn R K stützte, sei das von der Erstbehörde durchgeführte Ermittlungsverfahren ohne weiterer Einvernahme der vom Bw beantragten Zeugen mangelhaft geblieben. Anhand der beantragten Zeugenaussagen, hätte sich ergeben, dass sich Herr D entgegen seinen Anweisungen und trotz besseren Wissens dazu entschied, ohne Sicherung zu arbeiten. Aus der eigenverantwortlichen Entscheidung des Herrn D könne somit kein rechtswidriges und schuldhaftes Verhalten des Bw abgeleitet werde, weshalb beantragt werde, das gegenständliche Straferkenntnis nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu beheben und das gegen den Bw geführte Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.

 

 3. Mit Schreiben vom 20. Februar 2008 hat die belangte Behörde die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat zur Entscheidung vorgelegt. Da keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, ist der Unabhängige Verwaltungssenat zur Entscheidung durch sein nach der Geschäftsverteilung zuständiges Mitglied berufen (§ 51c VStG).

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Akteneinsicht und Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung am     16. Oktober 2008, die aufgrund des sachlichen Zusammenhanges der den Verfahren zugrundeliegenden Verwaltungsübertretungen gemäß § 51e Abs.7 VStG gemeinsam mit den zu VwSen-281073 und VwSen-281075 anhängigen Berufungsverfahren betreffend die beiden Mitgeschäftsführer des Unternehmens durchgeführt wurde. An dieser haben der Rechtsvertreter des Bw sowie ein Vertreters des Arbeitsinspektorates Linz als Parteien teilgenommen. Als Zeugen wurden der Arbeitsinspektor, der auf der Baustelle die Unfallerhebungen durchführte, Herr Ing. H G, der verunfallte Arbeitnehmer, Herr R D, der Betriebsleiter des Unternehmens, Herr R K sowie der Projektleiter, Herr W P einvernommen. Der Antrag auf Einvernahme des Mitgeschäftsführers, Herrn C K,  wurde seitens des Rechtsvertreters des Bw in der Berufungsverhandlung zurückgezogen.

 

4.1. Der Unabhängige Verwaltungssenat geht bei seiner Entscheidung von folgendem Sachverhalt aus:

 

Der Bw ist handelsrechtlicher Geschäftsführer der Firma M W GmbH, die persönlich haftende Gesellschafterin der Firma M W GmbH & Co KG ist.

 

Am 8. November 2006 führte der Arbeitnehmer der M W GmbH & Co KG, Herr R D, auf der von der M W GmbH & Co KG betriebenen Baustelle "M, T, L" auf dem zu errichtenden Balkon im ersten Obergeschoß bei einer Absturzhöhe von ca. 4,5 m Montagearbeiten durch. Seine Aufgabe war die Montage eines Fensterbrettes in diesem Bereich und Montieren von Gitterrosten in die dort bereits vorhandene Balkonunterkonstruktion sowie die Montage des Glases an einer bereits vorhandenen Vordachkonstruktion über dem Eingangsbereich an dieser Hausmauer. Die Montage der Fensterbank sollte von außen am Gebäude vor dem Einlegen des Gitterrostes im Bereich der Fensterbank erfolgen. Die Fixierung der Gitterroste gegen Verrutschen sollte durch das anschließend zu montierende Geländer erfolgen. Ein an dieser Hausmauer an den Vortagen vorhandenes Baugerüst war bereits entfernt worden, es wäre zur Montage des Vordaches hinderlich gewesen. Es waren somit keine Absturzsicherungen, Abgrenzungen oder Schutzeinrichtungen vorhanden. Der Arbeitnehmer war auch nicht mit einem Sicherheitsgeschirr angeseilt. Als er einen auf der Balkonunterkonstruktion aufgelegten und nicht gegen Verrutschen gesicherten Gitterrost betrat, verunfallte der Arbeitnehmer durch Absturz und brach sich den ersten Lendenwirbel sowie das Sprunggelenk am rechten Fuß und fügte sich eine Rissquetschwunde am Unterschenkel zu.

 

Im Unternehmen war kein funktionierendes Kontrollsystem eingerichtet, das für die Einhaltung der Arbeitnehmerschutzbestimmungen auf der gegenständlichen Baustelle Sorge getragen hat.

 

4.2. Diese Feststellungen stützen sich auf den vorliegenden Verwaltungsstrafakt mit dem darin einliegenden Foto, das anlässlich der Unfallerhebung durch den Arbeitsinspektor aufgenommen wurde, sowie die in dieser Hinsicht glaubwürdigen und nachvollziehbaren Aussagen der bei der mündlichen Berufungsverhandlung einvernommenen Zeugen.

 

Das Nichtvorhandensein einer Absturzsicherung, einer Abgrenzung oder einer Schutzeinrichtung, etwa einer Einrüstung, eines fahrbaren Gerüstes oder einer Unterstellung mit einer provisorischen Geländerkonstruktion ist aus dem im Akt einliegenden Foto ersichtlich und wurde vom Bw auch nicht behauptet. Das Vorliegen der objektiven Tatbestandmäßigkeit der ihm angelasteten Verwaltungsvorschrift wird vom Bw ohnehin nicht in Zweifel gestellt. Aufgrund der Aussagen der in der Berufungsverhandlung einvernommenen Zeugen über die gegenständlichen Arbeiten konnte das Vorliegen eines ausreichenden Kontrollsystems zur Einhaltung der Arbeitnehmerschutzbestimmungen auf der Baustelle jedoch entgegen dem Vorbringen des Bw nicht nachgewiesen werden.

 

Zwar ist dem Bw durchaus zuzubilligen, dass es – wie aus den übereinstimmenden Angaben der als Zeugen einvernommenen Arbeitnehmer hervorgeht - im Unternehmen die grundsätzlichen Anweisungen gab, entsprechende Maßnahmen zur Einhaltung der Arbeitnehmerschutzbestimmungen zu treffen. Jedoch ist es dem Bw nicht gelungen darzulegen, inwiefern durch ein funktionierendes Kontrollsystem im vorliegenden Fall gewährleistet war, dass auf der Baustelle die entsprechenden Maßnahmen auch tatsächlich eingehalten werden. Vielmehr trat aufgrund der Zeugenaussagen zutage, dass die Festlegung, welche Sicherheitsvorkehrungen auf der Baustelle zu treffen sind und von wem diese festgelegt werden, bei der gegenständlichen Baustelle offenbar nicht klar vorgegeben waren. Jedenfalls gab es keine entsprechenden Anweisungen an die vor Ort tätigen Arbeitnehmer sondern wurden dem "Partieführer" R D diese Entscheidungen übertragen. Den Aussage des Betriebsleiters R K ist zu entnehmen, dass die Festlegung der Sicherheitsvorkehrungen auf den Baustellen vom zuständigen Techniker getroffen werden, an anderer Stelle wiederum führt der Zeuge aus, dass bei Baustellenbeginn er und/oder der Techniker die Baustelle besichtigen und festlegen, welche Sicherheitserfordernisse einzuhalten sind. Dieser Zeuge ist auch davon ausgegangen, dass am Unfalltag nach wie vor ein Baustellengerüst für die durchzuführenden Arbeiten zur Verfügung steht. Demgegenüber gab der einvernommene Projektleiter W P an, dass er darüber informiert war, dass kein Baustellengerüst vorhanden war, als er dem Arbeitnehmer die Montageanleitungen gab. Weder von seinem Vorgesetzten, Herrn K, noch vom Projektleiter wurden dem Arbeiter jedoch konkrete Sicherheitsanweisungen für die Baustelle gegeben. Vielmehr wurde es ihm überlassen, die Situation vor Ort zu bewerten und entsprechende Maßnahmen zu setzen. Maßgeblich für das völlige Fehlen konkreter Sicherheitsanweisungen war offenbar auch der Umstand, dass nicht der eigentlich für die Baustelle verantwortliche Projektleiter die Montageanweisungen gab, sondern Herr P in dessen Vertretung. Dass bei Vorliegen einer solchen Situation das im Unternehmen vorgesehene Kontrollsystem auch tatsächlich funktioniert, konnte im Beweisverfahren vom Bw jedoch nicht dargelegt werden. Auch konnte nicht nachvollziehbar dargelegt werden, wie das Kontrollsystem hinsichtlich der Einhaltung der erforderlichen Sicherungsmaßnahmen bei unerwarteten Situationen auf der Baustelle (konkret: völliges Fehlen von Sicherheitseinrichtungen) Platz greifen sollte. Diese Feststellung gründet auf den Umstand, dass der Zeuge D glaubwürdig schilderte, dass "es einem oblag, wie man mit der Situation zurecht kam" (Tonbandprotokoll S. 4/5 oder "das ist aber telefonisch oft nicht möglich, das wird dann oft nicht so verstanden" (TBP Seite 5). Selbst eine telefonische Rücksprache in der Firma ging offenbar nicht immer mit entsprechenden Unterweisungen einher. Den diesbezüglichen Aussagen des Zeugen D wird auch deshalb mehr Glauben geschenkt, da er die Vorgänge sehr anschaulich und authentisch schilderte, einräumte, dass im Unternehmen dem Arbeitnehmerschutz grundsätzlich durchaus Aufmerksamkeit  zuerkannt wurde und er überdies nicht mehr im Unternehmen tätig ist und daher seinerseits auch kein Interesse an Schutzbehauptungen gesehen wird, was die Glaubwürdigkeit seiner Aussagen nochmals erhöht.

 

5. In der Sache hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

 

5.1. Gemäß § 9 Abs. 1 VStG ist für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch juristische Personen, Personengesellschaften des Handelsrechts oder eingetragene Erwerbsgesellschaften, sofern die Verwaltungsvorschriften nichts Andere bestimme und soweit nicht verantwortlich beauftragte (Abs. 2) bestellt sind, strafrechtlich verantwortlich, wer zur Vertretung nach außen berufen ist.

 

Im Verfahren wurde nicht bestritten, dass der Bw als handelsrechtlicher Geschäftsführer der Firma M W GmbH, die persönlich haftende Gesellschafterin der M W GmbH & Co KG ist, für die Einhaltung der Bestimmungen des ASchG auf der gegenständlichen Baustelle verantwortlich ist.

 

5.2. Gemäß § 118 Abs. 3 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz (ASchG), BGBl. Nr. 450/1994 idgF. BGBl. I Nr. 159/2001 gilt die Bauarbeiterschutzverordnung BGBl. Nr. 340/1994 (BauV) nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen als Verordnung nach diesem Bundesgesetz.

 

Gemäß § 7 Abs. 1 Bauarbeiterschutzverordnung (BauV), BGBl. Nr. 340/1994 idgF. sind bei Absturzgefahr Absturzsicherungen (§ 8), Abgrenzungen (§ 9) oder Schutzeinrichtungen (§ 10) anzubringen.

 

Gemäß § 7 Abs. 2 BauV liegt Absturzgefahr vor:

 

1. bei Öffnungen und Vertiefungen im Fuß- oder Erdboden wie Schächten, Kanälen, Gruben, Gräben und Künetten, bei Öffnungen in Geschoßdecken wie Installationsöffnungen, oder in Dächern, wie Lichtkuppel- oder Sheddachöffnungen,

 

2. an Arbeitsplätzen, Standplätzen und Verkehrswegen über Gewässern oder anderen Stoffen in denen man versinken kann,

 

3. an Wandöffnungen, an Stiegenläufen und – Podesten sowie an Standflächen zur Bedienung oder Wartung von stationären Maschinen bei mehr als 1 m Absturzhöhe,

4. an sonstigen Arbeitsplätzen, Standplätzen und Verkehrswegen bei mehr als 2,00 m Absturzhöhe.

 

Gemäß § 130 Abs. 5 Z. 1 ASchG begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe von 145 Euro bis 7.260 Euro, im Wiederholungsfall mit Geldstrafe von 290 Euro bis 14.530 Euro zu bestrafen ist, wer als Arbeitgeber/in den nach dem 9. Abschnitt weiter geltenden Bestimmungen zuwider handelt.

 

Aufgrund des erwiesenen Sachverhaltes führt am 8.11.2006 ein Arbeitnehmer der Firma M W GmbH & Co KG auf der Baustelle M, im T, L Montagearbeiten zur Einfügung von Gitterroste in die bereits bestehende Unterkonstruktion des Balkons durch. Die Absturzhöhe betrug ca. 4,5 m. Eine Absicherung war nicht gegeben. Auch war der Arbeitnehmer nicht durch Sicherheitsgurt und Sicherheitsseil gesichert.

 

Der objektive Tatbestand der gegenständlichen Verwaltungsübertretung ist daher als erfüllt zu werten.  

 

5.3. Das Vorliegen der objektiven Tatbestandsmäßigkeit wird vom Berufungswerber auch nicht bestritten. Er bestreitet jedoch das Vorliegen eines Verschuldens und beruft sich auf ein von ihm im Unternehmen aufgestelltes Kontrollsystem zur Einhaltung der Bestimmungen des ArbeitnehmerInnen­schutzes. Dieses Vorbringen konnte aber als Ergebnis des durchgeführten Beweisverfahrens den Beschuldigten nicht entlasten.

 

Gemäß § 5 Abs.1 VStG genügt, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nichts anderes bestimmt, zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft (Ungehorsamsdelikt).

 

Auch die gegenständliche Verwaltungsübertretung stellt ein Ungehorsamsdelikt dar. Es genügt daher fahrlässige Tatbegehung. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hat der Bw initiativ alles darzulegen, was für seine Entlastung spricht. Dies hat in erster Linie durch geeignetes Tatsachenvorbringen und durch Beibringung von Beweismitteln oder die Stellung konkreter Beweisanträge zu geschehen. Bloßes Leugnen oder allgemein gehaltene Behauptungen reichen für die "Glaubhaftmachung" nicht.

 

Es ist daher zu prüfen, ob sich der Bw entsprechend sorgfältig verhalten hat, um glaubhaft machen zu können, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.

 

Im Sinn der Arbeitnehmerschutzbestimmungen und der dazu ergangenen ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hat der Arbeitgeber dafür zu sorgen, dass die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes sowie der dazu erlassenen Verordnungen eingehalten werden. Ist er selbst nicht anwesend, hat er einen geeigneten Arbeitnehmer zu bestimmen, der auf die Durchführung und Einhaltung der zum Schutz der Arbeitnehmer notwendigen Maßnahmen zu achten hat. Dieser Pflicht ist der Bw nicht ausreichend nachgekommen. Es ist ihm zuzubilligen, dass die im heutigen Wirtschaftsleben notwendige Arbeitsteilung es nicht zulässt, dass sich der Unternehmer aller Belange und Angelegenheiten persönlich annimmt, sondern die Besorgung einzelner Angelegenheiten anderen Personen selbstverantwortlich überträgt und die eigene Tätigkeit in diesen Belangen auf eine angemessene Kontrolle beschränkt. Der Unternehmer ist dann persönlich von der verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortung befreit, wenn er den Nachweis zu erbringen vermag, dass er Maßnahmen getroffen hat, die unter den vorhersehbaren Verhältnissen die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften mit gutem Grund erwarten lassen.

 

Der dem Bw nach § 5 Abs. 1 VStG obliegende Entlastungsbeweis kann aber nicht allein dadurch erbracht werden, dass die ihn betreffende Verantwortung auf eine hiezu taugliche Person übertragen worden sei. Es bedarf vielmehr des weiteren Beweises, dass auch für eine geeignete Kontrolle der mit der Wahrnehmung dieser Aufgaben beauftragten Person Vorsorge getroffen worden ist (vergleiche VwGH vom 18.9.1991, 90/19/0177). Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes reichen die bloße Erteilung von Weisungen und die Wahrnehmung einer Oberaufsicht nicht aus. Es kommt darauf an, dass die Verwaltungsübertretungen von vornherein vermieden werden (vergleiche VwGH vom 19.9.1990, 89/03/0231). Entscheidend ist, ob auch eine wirksame Kontrolle über die Einhaltung der vom Verantwortlichen erteilten Weisungen erfolgte. In diesem Sinn führt der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 20.12.2002, 99/02/0220, aus, dass der Hinweis auf die Betrauung Dritter mit Kontrollaufgaben, auf die Erteilung entsprechender Weisungen und auf stichprobenartige Überprüfung nicht den Anforderungen an ein wirksames Kontrollsystem genügt. Insbesondere bemängelt der Verwaltungsgerichtshof, dass der Beschwerdeführer nicht geltend gemacht hat, dass er etwa die Einhaltung der vom verunfallten Arbeitnehmer erteilten Aufträge und Weisungen während deren Ausführung überprüft hätte. Gerade für den Fall, dass Arbeitnehmer aus eigenem Antrieb auf Grund eigenmächtiger Handlungen gegen die Arbeitnehmervorschriften verstoßen, hat das entsprechende, vom Arbeitgeber eingerichtete Kontrollsystem, Platz zu greifen (vergleiche VwGH vom 23.7.2004, 2004/02/002 mit Vorjudikatur sowie vom 9.9.2005, 2005/02/0018).

 

Im Sinn dieser Judikatur reicht es daher nicht aus, dass der Bw sich auf die Unterweisungsmappe stützt, wobei diese Anweisungen nur allgemeiner Natur und nicht auf eine konkrete Baustelle gerichtet sind. Auch konnte der Bw nicht darlegen, inwieweit es sich beim gegenständlichen Arbeitnehmer tatsächlich um einen geschulten Vorarbeiter gehandelt hat. Auch aus dem Vorbringen, es würden anlassspezifische Schwerpunktschulungen durchgeführt, ist für das Vorbringen des Bw nichts zu gewinnen, zumal der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Judikatur ausspricht, dass die erforderlichen Maßnahmen von vornherein – nicht erst für den "Wiederholungsfall" der Übertretung von Rechtsvorschriften – zu ergreifen sind (VwGH vom 21.3.2006, 2003/11/0231). Der Bw hätte daher nach der vorzitierten Judikatur Maßnahmen treffen müssen, dass die Anweisungen des Bw auch tatsächlich eingehalten werden. Wie aber das Beweisverfahren gezeigt hat, lagen keine ausreichenden Kontrollen vor, sondern gab der Arbeitnehmer an, dass er selbstständig tätig geworden ist (tätig werden musste). Es ist daher eine Vorsorge dahingehend, dass die Einhaltung der Arbeitnehmerschutzvorschriften mit gutem Grund erwartet werden kann, vom Bw nicht getroffen worden und wurden keine ausreichenden Maßnahmen zur Einhaltung gesetzt.

 

Es war daher auch vom Verschulden des Bw auszugehen und ist die Verletzung der vorgeworfenen Verwaltungsübertretung auch subjektiv vorwerfbar. Da weder der Bw noch eine von ihnen bevollmächtigte Person konkrete Anweisungen für die konkrete Baustelle und die konkreten Arbeiten hinsichtlich der Sicherheitsvorkehrungen getroffen hat und auch die Einhaltung der entsprechenden Sicherheitsvorschriften weder vom Bw noch von einer von ihm beauftragten Person kontrolliert wurde, ist ein lückenloses Kontrollnetz nicht nachgewiesen. Dem Bw ist daher der Entlastungsnachweis nicht gelungen, weshalb zumindest von Fahrlässigkeit des Bw auszugehen ist.

 

5.4. Gemäß § 19 Abs.1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.

 

Nach § 19 Abs.2 VStG sind im ordentlichen Verfahren überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

 

Laut ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes handelt es sich bei der Strafzumessung innerhalb eines gesetzlichen Strafrahmens um eine Ermessensentscheidung, die nach den Kriterien des § 19 VStG vorzunehmen ist. Die maßgebenden Umstände und Erwägungen für diese Ermessensabwägung sind in der Begründung des Bescheides so weit aufzuzeigen, als dies für die Rechtsverfolgung durch die Parteien des Verwaltungsstrafverfahrens und für die Nachprüfbarkeit des Ermessensaktes erforderlich ist. § 19 Abs.1 VStG enthält somit jene objektiven Kriterien, die Grundlage für jede Strafbemessung sind. Darüber hinaus normiert Abs.2 für das ordentliche Verfahren eine Reihe weiterer subjektiver Umstände.

 

Die belangte Behörde hat bei der Strafbemessung gem. § 19 Abs. 1 VStG die bisherige Unbescholtenheit des Bw als strafmildernd gewertet, straferschwerende Umstände seien nicht zu Tage getreten.

 

Zur Strafbemessung ist auszuführen, dass durch die Tatbegehung in hohem Maße die geschützten Interessen, nämlich Leben und Gesundheit des Arbeitnehmers, gefährdet und auch beeinträchtigt wurden. Insbesondere waren aber auch die nachteiligen Folgen aus dem Arbeitsunfall beim Unrechtsgehalt der Tat zu berücksichtigen, wenn auch dem Bw zugebilligt werden muss, dass versucht wurde, dem verunfallten Arbeitnehmer weiter im Unternehme eine Beschäftigungsmöglichkeit zu bieten. Nach Ansicht des erkennenden Mitglied des Unabhängigen Verwaltungssenates erscheint daher die von der Erstbehörde verhängte Strafe sowohl aus generalpräventiven- als auch aus spezialpräventiven Gründen angemessen und gerechtfertigt. Die wirtschaftlichen Verhältnisse wurden von der Erstbehörde mit einem Einkommen in Höhe 2000 Euro netto monatlich, kein Vermögen und keinen Sorgepflichten geschätzt und zugrunde gelegt. Auch in der Berufung wurden keine geänderten Verhältnisse bekannt gegeben. Es war daher im Hinblick auf den Unrechtsgehalt der Tat die verhängte Geldstrafe und die Ersatzfreiheitsstrafe zu bestätigen.

 

Die Voraussetzungen gem. § 21 VStG für ein Absehen von der Strafe liegen jedoch nicht vor, weil von geringfügigem Verschulden nicht auszugehen ist. Das Verfahren hat nämlich gezeigt, dass ein Kontrollsystem und entsprechende Vorsorgemaßnahmen nicht getroffen wurden. Darüber hinaus nimmt der Verwaltungsgerichtshof Geringfügigkeit des Verschuldens nur dann an, wenn das Verhalten des Beschuldigten weit hinter dem in der Strafdrohung typisierten Unrechts- und Schuldgehalt der Tat zurückbleibt. Diese Voraussetzung ist nicht erfüllt. Weiters ist die kumulativ erforderliche Voraussetzung der unbedeutenden Folgen ebenfalls nicht gegeben. Auch war ein Überwiegen von Milderungsgründen nicht festzustellen und daher nicht von einer außerordentlichen Milderung gem. § 20 VStG auszugehen

 

Es war daher das von der Erstbehörde verhängte Strafmaß zu bestätigen.

 

6. Weil der Berufung keine Folge gegeben wurde, ist gemäß § 64 VStG ein Kostenbeitrag zum Verfahren vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat in Höhe von 20 % der verhängten Geldstrafe, das sind 140 Euro, festzusetzen.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

 

Dr. Andrea Panny

 

 

 

 

 

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