Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-163458/11/Bi/Se

Linz, 13.11.2008

 

 

 

E R K E N N T N I S

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Karin Bissenberger über die Berufung der Frau R R, B, vom 21. August 2008  gegen das Straferkenntnis des Bezirkshaupt­mannes von Perg vom 7. August 2008, VerkR96-1256-2008, wegen Übertretungen der StVO 1960, aufgrund des Ergebnisses der am 10. November 2008 durchgeführten öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung (samt mündlicher Verkündung der Berufungs­entschei­dung) zu Recht erkannt:

 

I. Der Berufung wird im Punkt 1) Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis diesbezüglich behoben und das Verwaltungsstraf­ver­fahren eingestellt.

     Im Punkt 2) wird die Berufung abgewiesen und das angefochtene Straferkenntnis vollinhaltlich bestätigt.

 

II. Im Punkt 1) entfällt jeglicher Verfahrenskostenersatz.

Im Punkt 2) hat die Rechtsmittelwerberin zusätzlich zu den Ver­fahrens­kosten der Erstinstanz den Betrag von 16 Euro, ds 20 % der verhängten Strafe, als Kostenbeitrag zum Rechtsmittelverfahren zu leisten.

 

Rechtsgrundlage:

zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 Abs.1, 51i, 45 Abs.1 Z1 1.Alt. und 19 VStG

zu II.: §§ 64 und 66 VStG

 

 

Entscheidungsgründe:

 

Zu I.:

1. Mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis wurden über die Beschuldigte wegen Verwaltungsübertretungen gemäß 1) §§ 16 Abs.1 lit.c iVm 99 Abs.3 lit.a StVO 1960 und 2) §§ 97 Abs.5 iVm 99 Abs.3 lit.a StVO 1960 Geldstrafen von 1) 60 Euro (22 Stunden EFS) und 2) 80 Euro (27 Stunden EFS) verhängt, weil sie am 17. Juli 2007, 11.38 Uhr, mit dem Pkw      in der Gemeinde Kefermarkt, von Neumarkt kommend in Richtung Freistadt, B310, km 32.700, 1) ein Fahrzeug überholt habe, obwohl nicht einwandfrei erkennbar gewesen sei, ob das Fahrzeug nach dem Überholvorgang in den Verkehr eingeordnet werden könne, ohne andere Straßenbenützer zu gefährden oder zu behindern, 2) habe sie dem von einem Straßenaufsichtsorgan mittels Rotlicht des Anhaltestabes deutlich sicht­bar gegebenen Zeichen zum Anhalten nicht Folge geleistet, sondern die Fahrt fortgesetzt.

Gleichzeitig wurden ihr Verfahrenskostenbeiträge von gesamt 14 Euro auferlegt.

 

2. Dagegen hat die Berufungswerberin (Bw) fristgerecht Berufung eingebracht, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem Unabhängigen Ver­wal­tungs­senat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde. Da keine 2.000 Eu­ro über­steigende Geldstrafe verhängt wurde, war durch das nach der Geschäfts­ver­teilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden (§ 51c VStG). Am 10. November 2008 wurde eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung in Anwesenheit der Bw, des Meldungslegers RI M M (Ml) und des technischen Amtssachverständigen Ing. J L durchgeführt. Ein Vertreter der Erstin­stanz ist unentschuldigt nicht erschienen, die Zeugin RI A S war entschuldigt. Die Berufungsentscheidung wurde mündlich verkündet. 

 

3. Die Bw macht im Wesentlichen geltend, sie habe keine Verwaltungsüber­tretungen begangen und niemanden gefährdet oder behindert. Sie habe ein Einsatzfahrzeug hinter sich gesehen, aber da seien zwei oder drei Fahrzeuge dazwischen gewesen. Sie verstehe nicht, warum sie da anhalten hätte sollen.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz sowie Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsver­handlung bei km 32.7 der B310 in Anwesenheit der Bw, des Ml und des technischen AmtsSV.

 

Das Beweisverfahren hat ergeben, dass der Ml als Lenker eines Polizeifahrzeuges in einer Kolonne bei Beginn der Geraden bei km 32.700 der B310 in Richtung Freistadt fuhr, wobei ihm einige Fahrzeuge vor sich ein Überholmanöver eines blauen VW-Busses auffiel. Vom Gegenverkehr her war an diesem Überhol­manöver nichts auszusetzen, allerdings erachtete der Ml den Nachfahrabstand inner­halb der mit 60 bis 70 km/h fahrenden Kolonne dafür als zu gering.  Aus der Sicht der Bw war hingegen der Abstand des vor ihr fahrenden Pkw zu dessen Vorderfahrzeug mit schätzungsweise fünf Pkw-Längen anzusehen und so über­holte sie dieses eine Fahrzeug. Der Ml meinte, das Einordnen der Bw als Auslöser für ein Bremsmanöver in der Kolonne wahrgenommen zu haben, wobei er in der Verhandlung darauf verwies, die Bremslichter der Fahrzeuge vor ihm hätten aufgeleuchtet und es sei keine abrupte, aber eine merkbare Bremsung gewesen. Aus diesem Grund beschloss er, dem VW-Bus nachzufahren, schaltete nach eigenen Angaben Blaulicht ein und begann zum VW-Bus aufzu­holen, indem er die Fahrzeuge vor sich überholte. Inzwischen hatte die Bw eine zum Überholen ungeeignete Straßenstrecke passiert und überholte wieder einen Pkw – laut Ml völlig entsprechend der Straßenverkehrsordnung. Trotzdem setzte er die Nach­fahrt fort, schloss bei km 33.8 auf dem Vw-Bus auf und fuhr hinter diesem nach, wobei Zeichen zum Anhalten mit dem roten Anhaltestab gegeben wurden.

 

Die Bw bestätigte, sie habe nach ihrem 2. Überholmanöver das Polizei­fahrzeug mit eingeschaltetem Blaulicht einige Fahrzeuge hinter sich gesehen, aber keinen Anlass gesehen, diesem Platz zu machen bzw habe sie das nicht auf sich bezo­gen. Als sie das Polizeifahrzeug mit den Anhaltezeichen mittels rotem Anhalte­stab unmittelbar hinter sich gesehen habe, habe sie keinen Platz gefunden zum Anhalten und die Fahrt deshalb fortgesetzt. Dem widersprach der Ml insofern, als er auf mehrere verschiedene Anhaltemöglichkeiten in Bushaltestellen verwies, die die Bw von km 33.8 bis km 35.5 ignoriert habe, obwohl sogar schon die Fahrzeuge in der Kolonne vor ihr auf die Seite gefahren wären, um dem Einsatz­fahrzeug Platz zu machen. Er habe sich deshalb veranlasst gesehen, den VW-Bus zu überholen und der Bw auf gleicher Höhe deutliche Zeichen zum Anhalten zu geben, was diese schließlich bei der Zufahrt zur Panholzmühle tat.

Bei der Amtshandlung sei laut Bw nie die Rede von Strafezahlen gewesen, sondern der Ml habe gleich geschrieben und ihr die im Straferkenntnis genannten Vorwürfe gemacht und das Verbandspaket verlangt, das sie nicht gefunden habe; trotzdem sei sie deswegen nicht bestraft worden.

 

Der SV hat nach Durchführung eines Ortsaugenscheins unter Zugrundelegung der Angaben der Bw und des Ml ausgeführt, Beginn und Ende des Überholmanö­vers sowohl nach den Angaben der Bw als auch des Ml seien nachvollziehbar. Der Ml habe aus der Position drei Fahrzeuge hinter dem VW-Bus möglicherweise einen von ihm mit dem als "normalen" Nachfahrabstand geschilderten erkennen können, allerdings sei zum Wiedereinordnen bei einer Beschleunigung aus 60 bis 70 km/h Kolonnengeschwindigkeit ein Abstand von zumindest 29 m erforderlich, der den Angaben der Bw von ca 5 Pkw-Längen entspreche. Die Nachfahrstrecke des mit Blaulicht fahrenden Polizeifahrzeuges direkt hinter dem Vw-Bus hat der SV mit ca 2 km eruiert und auf dieser Strecke zumindest drei Anhaltemöglichkei­ten gefunden.  

 

 

 

In rechtlicher Hinsicht hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

Zu Punkt 1) des Straferkenntnisses:

Gemäß § 16 Abs.1 lit.c StVO 1960 darf der Lenker eines Fahrzeuges nicht überholen, wenn er nicht einwandfrei erkennen kann, dass er sein Fahrzeug nach dem Überholvorgang in den Verkehr einordnen kann, ohne andere Straßenbe­nützer zu gefährden oder zu behindern.

 

Nach den Ergebnissen des Beweisverfahrens steht nicht mit der für ein Verwal­tungs­strafverfahren erforderlichen Sicherheit fest, dass die Bw den Überholvor­gang tatsächlich eingeleitet hat, ohne erkennen zu können, ob sie den Überhol­vor­gang ohne Gefährdung oder Behinderung anderer Straßenbenützer beim Wieder­einordnen abschließen würde können. Der Ml hat betont, er habe zunächst den Abstand innerhalb der Kolonne mit annähernd gleich und etwa in der Grö­ßen­ordnung einer Pkw-Länge (ca 12 m) gesehen, als er das Überholmanöver der Bw, deren Fahrzeug das 4. vor ihm war, bemerkte. Aus diesem Blickwinkel ist eine Schätzung eines Nachfahrabstandes zwischen dem 4. und dem 5. Fahrzeug vor sich schwierig, noch dazu, wenn nur ein kurzes Stück der B310 bergab und dann in einer annähernd ebenen Gerade verläuft. Der Ml konnte nichts dazu aussagen, wie viele Fahrzeuge die Bw überholt hat. Er hat lediglich die Brems­lichter der vor ihm fahrenden Fahrzeuge gesehen und eine "merkbare", aber nicht abrupte Betriebsbremsung wahr­ge­nommen. Daraus hat er geschlossen, das die Bw den von ihr überholten Pkw-Lenker zum Abbremsen genötigt habe.

 

Abgesehen davon, dass sich ein Nachfahrabstand (hier der des Fahrzeuges der Bw und dem Fahrzeug vor diesem) jederzeit aus irgendwelchen Gründen inner­halb kurzer Zeit ändern kann, wobei der Ml nicht ständig uneingeschränkte Sicht auf diesen Abstand hatte, ist nicht auszuschließen, dass der Lenker des von der Bw überholten Pkw lediglich aus Gründen der Vorsicht gebremst hat. Der Ml befand sich nicht in einer solchen (Blick-)Position innerhalb der Kolonne, um zum Tatvorwurf verlässliche Aussagen treffen zu können.

Aus diesen Überlegungen war im Zweifel für die Bw das Verfahren im Punkt 1) einzustellen.

 

Zu Punkt 2) des Straferkenntnisses:

Gemäß § 97 Abs.5 StVO 1960 sind die Organe der Straßenaufsicht berechtigt, durch deutlich sichtbare oder hörbare Zeichen Fahrzeuglenker zwecks Lenker- oder Fahrzeugkontrolle, zwecks anderer, den Fahrzeuglenker oder eine beförder­te Person betreffende Amtshandlungen ... zum Anhalten aufzufordern. Der Fahr­zeug­lenker hat der Aufforderung Folge zu leisten.

 

Übereinstimmend haben sowohl die Bw als auch der Ml ausgesagt, dass beim Einschalten des Blaulichtes sich das Polizeifahrzeug noch einige Fahrzeuge hinter dem der Bw befunden hat. Nach den schlüssigen Ausführungen des SV ist die Aussage des Ml, er habe zugleich mit dem Einschalten des Blaulichts nach dem 1. Überholmanöver der Bw, das bei km 32.8 beendet war, zu überholen begonnen, um auf den VW-Bus aufzuschließen, und er habe bis km 33.8 alle Fahrzeuge bis zum VW-Bus überholt gehabt und sei ab diesem Punkt unmittelbar hinter der Bw gefahren, nachvollziehbar. Die Bw hat nach seinen Aussagen das 2. Überhol­manöver bereits bei eingeschal­tetem Blaulicht des Polizeifahr­zeuges – ohne jede Verletzung von StVO-Bestimmungen – durchgeführt. Die  Aus­sage der Bw, sie habe das Blaulicht in der Kolonne hinter sich zwar gesehen, aber nicht auf sich bezogen, ist zumindest ab km 33.8 unglaubwürdig, zumal selbst wenn die Bw subjektiv keinen Anlass für eine Anhaltung sah, sie jedenfalls zumindest verpflichtet gewesen wäre, dem Einsatzfahrzeug im Sinne des § 26 Abs.5 StVO 1960 Platz zu machen. Die Bw selbst hat bestätigt, die Zeichen zum Anhalten seien mit einem roten Anhaltestab gegeben worden. Als sie nach einer längeren Wegstrecke, auf der mehrere Bushaltestellen bzw Abzweigungen lagen, nicht anhielt, obwohl nach der Schilderung des Ml sogar bereits Fahrzeuge vor ihr ausgewichen waren, überholte der Ml den VW-Bus und hielt diesen bei der Zufahrt Panholzmühle, dh ca bei km 33.5 der B310, an, indem er der Bw die Zei­chen zum Anhalten mit dem roten Anhaltestab direkt auf gleicher Höhe gab. Auch wenn die Bw bestreitet, dass die Fahrzeuge vor ihr schneller ausgewichen seien als sie, steht nach den Ergebnissen des Beweisverfahrens fest, dass sie diese Zeichen zweifellos auf sich bezogen hat, auch wenn sie sich damit verant­wortete, es habe mit der von ihr gefahrenen Geschwindigkeit keine Möglichkeit zum Anhalten bestanden und der Ml hätte sie ja auch überholen können, wenn er das "vorher ja auch getan habe". Warum sie die Anhaltezeichen hinter sich so beharrlich ignoriert hat, war aus den Aussagen der Bw nicht herauszufinden.

 

Beim Ortsaugenschein hat sich herausgestellt, dass sich zumindest bei km 34.4 und km 34.8 (Galgenau gegenüber Fa. FM-Küchen) Bushaltestellen mit einem genügend großen Platz neben der Fahr­bahn der B310 befinden, um ein gefahr­loses Anhalten zu gewährleisten, wobei die "Bedenken" der Bw, sie hätte dazu bei der eingehaltenen Geschwindigkeit, ca 60 km/h, abbrem­sen müssen, schlicht unrealistisch und damit unglaubwürdig sind. Dass die Bw selbst die vom Ml gegebenen Zeichen zum Anhalten als solche verstanden hat, hat sie gar nicht bestritten; daher scheidet auch ein Missverständnis dahingehend aus.

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat gelangt daher im Ergebnis zur Überzeugung, dass die Bw den ihr zur Last gelegten Tatbestand zweifellos erfüllt und ihr Ver­halten als Verwaltungsübertretung zu verantworten hat, zumal ihr die Glaub­haftmachung mangelnden Verschuldens im Sinne des § 5 Abs.1 VStG nicht gelungen ist.

 

Zur Strafbemessung ist zu sagen, dass der Strafrahmen des § 99 Abs.3 StVO 1960 bis 726 Euro Geldstrafe, für den Fall der Uneinbringlichkeit bis zwei Wochen Ersatzfreiheitsstrafe reicht.

Die Erstinstanz hat zu Recht das Fehlen von Erschwerungs- und Milderungs­gründen angenommen – die Bw ist nicht unbescholten – und die von der Bw selbst angegebenen finanziellen Verhältnisse zugrundegelegt. Der Unabhängige Verwaltungssenat kann nicht finden, dass die Erst­instanz den ihr bei der Straf­bemessung zukommenden Ermessensspielraum in irgendeiner Weise über­schritten hätte. Die verhängte Strafe entspricht den Kriterien des § 19 VStG, liegt im untersten Bereich des gesetzlichen Straf­rahmens und hält general- sowie vor allem spezialpräventiven Überlegungen stand. Ansätze für eine Strafher­absetzung finden sich weder bei der Geld- noch bei der Ersatzfreiheitsstrafe.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

 

zu II.:

Der Ausspruch über den Verfahrenskostenersatz und dessen Entfall im Punkt 1) ist gesetzlich begründet.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungs­ge­richtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

 

Mag. Bissenberger

 

 

 

 

Beschlagwortung:

Nachfahrt fast 2 km mit Blaulicht + Zeichen zum Anhalten ignoriert -> Bestätigung, gefahrloses wiedereinordnen möglich, für ME nicht einsehbar -> Einstellung im Zweifel

 

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