Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-400973/5/BP/Se

Linz, 20.11.2008

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Dr. Bernhard Pree über die Beschwerde des L O, Sta. vermutlich von Nigeria, vertreten durch S E W. D, W, gegen den Schubhaftbescheid vom 13. November 2008 GZ.: Sich40-8818 sowie die Anhaltung in Schubhaft ab 17. November 2008 durch den Bezirkshauptmann von Schärding, zu Recht erkannt:

 

I.                  Der Beschwerde wird stattgegeben und die Anhaltung in Schubhaft für Rechtswidrig erklärt; weiters wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen nicht vorliegen

 

II.              Der Bund hat dem Beschwerdeführer den Verfahrensaufwand in Höhe von 674,00 Euro binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

 

 

Rechtsgrundlagen:

§§ 82 Abs. 1 und § 83 Abs 2 und 4 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG (BGBl I Nr. 100/2005 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 4/2008) iVm §§ 67c und 79a AVG 1991 und der UVS-Aufwand­ersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 334/2003.

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

 

1.1. Mit Bescheid des Bezirkshauptmannes von Schärding vom 13. November 2008 GZ.: Sich40-8818, wurde über den Beschwerdeführer (im Folgenden: Bf), einem vermutlich nigerianischen Staatsangehörigen, gemäß §§ 76 Abs.2 und 3, 77 und 6 FPG die Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung unmittelbar im Anschluss an dessen Entlassung aus der Strafhaft angeordnet. Nach Darstellung der einschlägigen Rechtsgrundlagen führt die belangte Behörde zum Sachverhalt aus, dass der Bf nach eigenen Angaben Staatsangehöriger von Nigeria sei. Seine Identität habe er mit O, auch O L, geboren am     in E angegeben, davor die Identität aber auch mit A A, O St. M, geboren    , sowie die Staatsangehörigkeit von G-B angeführt. Er sei im August 2002 über unbekannt und illegal nach Österreich eingereist.

 

Der Bf habe sich von 7. Oktober 2005 bis 18. Jänner 2006 wegen des Verdachtes nach § 28 SMG in gerichtlicher Untersuchungshaft befunden und sei in der Folge wegen dieses Delikts gerichtlich verurteilt worden. Am 18. Jänner 2006 sei der Bf durch das Landesgericht für Strafsachen Wien unter der GZ: 44HV 200/2005K rechtskräftig seit 23. Jänner 2006 nach § 28 SMG zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 4 Jahren verurteilt worden. Gleichzeitig sei eine auf gleicher schädlicher Neigung beruhende bedingte Freiheitsstrafe nach § 27 SMG von 8 Monaten widerrufen worden.

 

Am 14. Februar 2006 sei er von der JA Simmering zur weiteren Strafhaftverbüßung in die JA Suben überstellt worden. Sein gerichtliches Strafhaftende sei durch bedingte Entlassung am 17. November 2008 (ursprünglicher Entlassungszeitpunkt: 7. Juni 2010) festgesetzt worden.

 

Aufgrund seiner vorangeführten rechtskräftigen Verurteilungen bestehe derzeit gegen den Bf ein unter Ausschluss der aufschiebenden Wirkung unbefristetes Aufenthaltsverbot im Bundesgebiet erlassen vom Bezirkshauptmann des Bezirks Korneuburg vom 30. Juli 2003, Zl. 11-F/03, rechtskräftig seit 15. August 2003. Ein Antrag gemäß § 75 FrG (= Antrag auf Nichtabschiebung in einen bestimmten Staat) während des Verfahrens zu Erlassung besagten Aufenthaltsverbotes sei nicht eingebracht worden.

 

Der Bf habe am 26. August 2002 als undokumentierter Fremder einen Antrag auf internationalen Schutz in Bezug auf Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten gestellt. Dieser Antrag sei mit Entscheidung vom 31. Oktober 2007 nach Berufung vom Unabhängigen Bundesasylsenat in zweiter Instanz zu den §§ 7/8 AsylG rechtskräftig negativ beschieden worden. Mit Beschluss des VwGH sei die Behandlung einer diesbezüglichen Beschwerde abgelehnt worden, weshalb die Abschiebung des Bf in sein angebliches Heimatland Nigeria somit für zulässig erklärt worden sei.

 

Schon am 7. August 2007 und nunmehr am 5. November 2008 sei unter der vermuteten Nationalität im Weg des BMI um ein Heimreisezertifikat zum Zweck der Abschiebung des Bf aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Strafhaftentlassung angesucht worden. Dem Bf sei die Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme gemäß § 45 AVG persönlich in der JA Suben durch Beamte des dortigen Strafvollzugs am 7. November 2008 nachweislich ausgehändigt worden. Am 12. November 2008 habe der rechtsfreundliche Vertreter des Bf eine diesbezügliche mit Gründen versehene Stellungnahme übermittelt.

 

Hiezu stellt die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid fest, dass aufgrund des nach dem Beweisverfahren vorliegenden Sachverhaltes

       Missbrauch des Asylrechts im Gastland,

       wiederkehrendes gleichgelagertes gerichtlich strafbares Verhalten nach dem SMG,

       vor nunmehr neuerlicher Asylantragstellung bereits verhängtes, rechtskräftiges und durchsetzbares Aufenthaltsverbot, das als Rückkehrverbot gelte, da der Bf zum Zeitpunkt dessen Verhängung Asylwerber gewesen sei,

       kein Feststehen der Identität und Nationalität,

       vorübergehende Einstellung des ersten Asylverfahrens im April 2005 wegen unbekannten Aufenthaltes, trotz seiner Meldungsverpflichtung, derzeit (außer dem Anhalteort) keinen Wohnsitz im Bundesgebiet,

       kein Krankenversicherungsschutz,

       kein Inlandsbezug,

       eine am 6. November 2008 geäußerte Ausreiseunwilligkeit

werde von der belangten Behörde die Schubhaft angeordnet, um

das bereits angeführte Heimreisezertifikat erlangen zu können, den Bf nach Einlangen des selben nach Entlassung aus der Strafhaft abschieben zu können.

 

Der Bf habe am 11. November 2008 einen neuerlichen Asylantrag gestellt, wobei nach Ansicht der belangten Behörde er durch die Einbringung dieses Antrags lediglich seine Abschiebung hinaus zögern bzw. verhindern wolle. Die Erlangung eines Heimreisezertifikats sei nunmehr durchaus möglich, ein Termin für eine derartige Vorführung zur persönlichen Befragung betreffend den Bf sei wahrscheinlich, da sein ursprünglicher Entlassungszeitpunkt am 7. Juni 2010 gewesen wäre und der Antrag vom 7. August 2007 durch das BMI der nigerianischen Botschaft bisher nicht vorgelegt worden sei. Jedoch erscheine für die belangte Behörde aufgrund der vorzeitigen bedingten Entlassung eine Terminerlangung bzw. die Erlangung eines Heimreisezertifikats gegeben. Es könne das Ziel der Schubhaft innerhalb der gesetzlich gebotenen Frist erreicht werden.

 

Es sei zwar richtig, dass das vom Bezirkshauptmann des Bezirks Korneuburg ausgesprochene Aufenthaltsverbot gemäß § 125 Abs.3 2. Satz FPG aufgrund des Status des Bf als Asylwerber zum Zeitpunkt seiner Erlassung zu einem Rückkehrverbot geworden sei; dieses habe jedoch die gleichen Folgen wie ein Aufenthaltsverbot, dessen aufschiebende Wirkung aberkannt worden sei.

 

Laut Auskunft des rechtskundigen Journaldienstes de BAA-EAST-WEST würden nunmehr negative Asylverfahrensentscheidungen generell auch mit einer Ausweisung nach dem AsylG verbunden.

 

Im Interesse der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung sowie zum Schutz der Gesundheit der Bevölkerung erscheine aufgrund der Einstellung des Bf zur österreichischen Rechtsordnung, sowie der daraus resultierenden gerichtlichen Verurteilungen nach dem SMG, der bisher unbestätigten Identität und Nationalität, sowie des derzeit unrechtmäßigen Aufenthaltes die Schubhaftanordnung gerechtfertigt und diene zur Sicherung der Abschiebung. Der Zweck der Schubhaft könne – auch unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsprinzips – nicht durch gelindere Mittel erreicht werden. Es sei zu befürchten, dass der Bf bei negativer Asylverfahrensentscheidung untertauchen werde und so die geplanten weiteren aufenthaltsbeendenden fremdenpolizeilichen Maßnahmen verhindern bzw. zumindest erschweren werde.

 

1.2. Mit Schriftsatz vom 14. November 2008 wendet sich der Bf gegen diesen Bescheid und führt zunächst zum Sachverhalt aus, dass er aus Nigeria komme, am 24. August 2002 nach Österreich eingereist sei und am 26. August 2002 Asyl beantragt habe. Mit Bescheid vom 24. April 2007 habe der UBAS diesen Asylantrag abgewiesen und die Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Nigeria festgestellt. Eine dagegen erhobene Beschwerde vor dem VwGH habe dieser zu behandeln abgelehnt.

 

Angesichts der Verschlimmerung der Lage in Nigeria hoffe der Bf, dass nach einem am 11. November 2008 eingebrachten neuerlichen Asylantrag die Asylbehörde zumindest feststellen werde, dass die Zurückweisung nach Nigeria nicht zulässig sei. Der Bf sei während seines Aufenthalts in Österreich straffällig und zwei Mal nach dem SMG verurteilt worden; zuletzt am 18. Jänner 2006 zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 4 Jahren. Aus der Gerichtshaft würde der Bf am 17. November 2008 vorzeitig entlassen werden, weil das Vollzugsgericht § 46 Abs.1 StGB zur Anwendung gebracht habe. Die Fremdenpolizeibehörde verkenne den Zweck der Schubhaft in eklatanter Weise. Schubhaft sei weder Haft zum Schutz der Bevölkerung, noch dürfe damit Ausreiseunwilligkeit, die neuerliche Asylantragstellung oder die vergangene Suchtmitteldelinquenz bestraft werden. Daher habe der VwGH auch schon wiederholt festgestellt, dass "der Schubhaft nicht der Charakter einer Straf- oder Beugehaft zukomme" Erkenntnis vom 17. November 2005, VwGH 2005/21/0019 u.a.).

 

Schubhaft setze laut VwGH-Erkenntnis vom 17. Juli 2008, 2007/21/0364, alleine "die gerechtfertigte Annahme voraus, der Fremde werde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bzw. nach deren Vorliegen der Abschiebung (insbesondere) durch Untertauchen entziehen oder sie zumindest wesentlich erschweren. Fehlende Ausreisewilligkeit vermöge für sich allein diese Annahme nicht zu rechtfertigen. Unter diesem Gesichtspunkt führe die belangte Behörde im hier angefochtenen Bescheid aus, es würde die Identität des Bf nicht feststehen, er habe im Bundesgebiet keinen Wohnsitz, das bestehende Rückkehrverbot habe die gleichen Folgen wie ein Aufenthaltsverbot, dessen aufschiebende Wirkung aberkannt worden sei, sodass die Abschiebung nach Entscheidung im neuerlichen Asylverfahren für möglich gehalten werde. Wegen des ursprünglich für 7. Juni 2010 vorgesehenen strafendes, sei der von der belangten Behörde am 7. August 2007 gestellte Antrag an die nigerianische Botschaft auf Ausstellung eines Heimreisezertifikates durch das BMI der Botschaft zwar noch nicht vorgelegt worden, das BMI sehe aber die Erlangung eines Heimreisezertifikates – und damit die Effektuierung der Abschiebung – als möglich an. Der Bf stellt dazu fest, dass er im bisherigen Asylverfahren seine Herkunft wahrheitsgemäß mit Nigeria angegeben habe und diese Angaben auch in keinster Weise widerlegt oder auch nur angezweifelt worden seien. Es bestehe daher für die belangte Behörde kein Grund ihn als angeblich aus Nigeria herkommend zu bezeichnen. Seine Staatsangehörigkeit sei hinreichend geklärt. Dass bisher trotz Beantragung eines Heimreisezertifikates schon am 7. August 2008 ein solches nicht ausgestellt worden sei, sei nicht dem Bf zuzurechnen. Es bestehe jedenfalls kein Grund, warum er für eine allfällige Fehlhandlung des BMI durch Haft bezahlen solle. Nunmehr sei es äußerst unwahrscheinlich, dass für ihn ein Heimreisezertifikat erlangt werden könne, weil, wie der Unabhängige Verwaltungssenat im Land Niederösterreich in seinem Bescheid vom 10. Juni 2008 ausgeführt habe, die nigerianische Botschaft bei anhängigen Asylverfahren "nach den Erfahrungen des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Nö. in der Regel keine Heimreisezertifikate ausstellt".

 

Überdies erscheine die Verhängung der Schubhaft nicht rechtmäßig, weil die Abschiebung auf Dauer des Asylverfahrens unmöglich und daher Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung gar nicht verhängt werden dürfe. Dazu komme, dass nach der Begründung des Schubhaftbescheides sich die Haft auf § 76 Abs.2 Z3 FPG stütze. Der Text der Z3 normiere als Voraussetzung die Stellung eines Asylantrages nach Verhängung eines durchsetzbaren Aufenthaltsverbotes. Diese Voraussetzung läge aber nicht vor. Die belangte Behörde scheine die Rechtswirkungen eines Rückkehrverbotes zu unrecht denen eines Aufenthaltsverbotes gleichzuhalten.

 

Rechtswidrigerweise fordere die belangte Behörde vom Bf auch einen Nachweis über die Wiederaufnahme in die Grundversorgung. Aufgrund des neuerlichen Asylantrages habe der Bf jedenfalls nach § 2 Abs.1 GVG-Bund einen Anspruch auf Aufnahme in eine Betreuungseinrichtung des Bundes und würde dort mit dem Lebensnotwendigsten versorgt, sowie Krankenversichert werden. Die belangte Behörde hätte daher die Anwendung eines gelinderen Mittels erwägen müssen. Eine solche Prüfung würde ergeben haben, dass der Bf auch bisher nicht untergetaucht sei, sondern der Asylbehörde für deren Verfahren immer zur Verfügung gestanden habe.

 

Der Bf stellt daher den Antrag:

Der Unabhängige Verwaltungssenat möge die Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides feststellen und – falls der Bf in Vollzug des angefochtenen Bescheides in Schubhaft genommen werden sollte – die Rechtswidrigkeit seiner Festnahme und Anhaltung in Schubhaft ab deren Beginn feststellen. Sollte sich der Bf bei der Entscheidung des UVS noch in Schubhaft befinden, möge ferner erkannt werden, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung für die Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen nicht vorlägen. Unter Hinweis auf § 79a AVG beantrage der Bf die Erstattung der Stempelgebühren und den pauschalierten Schriftsatzaufwand, gegebenenfalls auch die Erstattung des pauschalierten Verhandlungsaufwandes.

 

 

2.1. Mit Schreiben vom 17. November 2008 hat die belangte Behörde den bezughabenden Verwaltungsakt vorerst auszugsweise in Kopie übermittelt und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt. Der Originalakt langte am 20. November 2008 beim Oö. Verwaltungssenat ein.

 

2.2. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat nach Einsicht in den vorgelegten Verwaltungsakt festgestellt, dass bereits aus der Aktenlage in Verbindung mit der eingebrachten Beschwerde der Sachverhalt hinlänglich geklärt und unstrittig ist. Diesbezüglich wird auf die Punkte 1.1. und 1.2. dieses Erkenntnisses verwiesen. Da im Wesentlichen Rechtsfragen zu klären waren, konnte von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden.

 

 

3. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

 

3.1. Nach § 82 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes, BGBl. I Nr. 100/2005, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr.4/2008 (im Folgenden: FPG), hat der Fremde das Recht, den unabhängigen Verwaltungssenat mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn er

1.     nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist;

2.     unter Berufung auf dieses Bundesgesetz oder das Asylgesetz 2005 angehalten wird oder wurde oder

3.     gegen ihn die Schubhaft angeordnet wurde. 

 

Gemäß § 83 Abs. 4 FPG hat der Unabhängige Verwaltungssenat, sofern die Anhaltung noch andauert, jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen. Im Übrigen hat er im Rahmen der geltend gemachten Beschwerdepunkte zu entscheiden.

 

Es ist unbestritten, dass gegen den Bf mit Bescheid vom 13. November 2008, Zl. Sich40-8818, Schubhaft für den Zeitpunkt nach Entlassung aus der Strafhaft (17. November 2008) angeordnet wurde. Die Beschwerde ist daher grundsätzlich  zulässig. Da sich der Bf zum Zeitpunkt dieser Entscheidung in aufrechter Anhaltung befindet, kommt § 83 Abs. 4 erster Satz FPG zur Anwendung.

 

3.2. Gemäß § 76 Abs. 2 FPG kann die örtlich zuständige Fremdenpolizeibehörde über einen Asylwerber oder einen Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, Schubhaft zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung gemäß § 10 AsylG 2005 oder zur Sicherung der Abschiebung anordnen, wenn

1.     gegen ihn eine durchsetzbare – wenn auch nicht rechtskräftige – Ausweisung (§ 10 AsylG 2005) erlassen wurde;

2.     gegen ihn nach den Bestimmungen des AsylG 2005 ein Ausweisungsverfahren eingeleitet wurde;

3.     gegen ihn vor Stellung des Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare Ausweisung (§§ 53 oder 54) oder ein durchsetzbares Aufenthaltsverbot (§ 60) verhängt worden ist oder

4.     aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung und der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass der Antrag des Fremden auf internationalen Schutz mangels Zuständigkeit Österreichs zur Prüfung zurückgewiesen werden wird.

 

Die Schubhaft ist nach dem § 76 Abs. 3 FPG grundsätzlich mit Mandatsbescheid gemäß § 57 AVG anzuordnen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zur Erlassung des Bescheides aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft.

 

Gemäß § 77 Abs. 1 FPG kann die Behörde von der Anordnung der Schubhaft Abstand nehmen, wenn sie Grund zur Annahme hat, dass deren Zweck durch die Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden kann. Gegen Minderjährige hat die Behörde gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn, sie hätte Grund zur Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann.

 

3.3. Bei der Verhängung der Schubhaft stützte sich die belangte Behörde zur Sicherung der Abschiebung auf § 76 Abs.2 Z3 FPG, der voraussetzt, dass gegen den Bf vor Stellung des Asylantrages eine durchsetzbare Ausweisung (§§ 53 oder 54) oder ein durchsetzbares Aufenthaltsverbot (§ 60) verhängt worden ist.

 

Gegen den Bf wurde am 30. Juli 2003 (rechtskräftig am 15. August 2003) ein unbefristetes Aufenthaltsverbot nach dem Fremdengesetz 1997 erlassen. Es ist nun die Wirkung dieses Aufenthaltsverbotes zu erörtern.

 

3.4. Besteht gegen einen Fremden, der am 1. Jänner 2006 Asylwerber ist, ein Aufenthaltsverbot, so gilt dieses gemäß § 125 Abs.3 2. Satz als Rückkehrverbot.

 

Mit Erkenntnis vom 17. Juli 2008, 2008/21/0050, nahm der Verwaltungsgerichtshof u.a. Stellung zur Wirkung eines Rückkehrverbotes. "Es kann allerdings nicht davon die Rede sein, dass ein derartiges Rückkehrverbot nach § 62 FPG, wie die belangte Behörde meint, die gleichen Rechtswirkungen entfaltet wie ein durchsetzbares Aufenthaltsverbot, und dass daraus sehr wohl eine Ausreiseverpflichtung des Beschwerdeführers abzuleiten sei. Hiezu bedürfte es ergänzend der Erlassung einer Ausweisung, die jedoch im Fall des Bf – soweit aktenkundig – (noch) nicht ergangen ist."

 

Gerade diese Konstellation liegt aber im hier zu beurteilenden Fall vor. In diesem Sinn ist der Beschwerde zu folgen und § 76 Abs. 2 Z. 3 nicht als einschlägig anzusehen. Dass in weiterer Folge des nunmehr zweiten Asylverfahrens des Bf äußerst wahrscheinlich eine Konstellation nach § 76 Abs. 2 Z. 2 eintreten könnte, muss bei der derzeitigen Beurteilung außer Acht gelassen werden.

 

3.5. Unbestritten ist, dass im vorliegenden Fall die negative Asylentscheidung des UBAS im ersten Asylverfahren auf §§ 7 und 8 AsylG 1997 gestützt wurde.

 

War ein Asylantrag abzuweisen, so hatte die Behörde gemäß § 8 AsylG 1997 (BGBl. I Nr. 76/1997) von Amts wegen bescheidmäßig festzustellen, ob die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der Fremden in den Herkunftsstaat zulässig war (§ 57 FrG); diese Entscheidung war mit der Abweisung des Asylantrages zu verbinden.

 

Im vorliegenden Fall wurde im ersten Asylverfahren entsprechend der eben zitierten Bestimmung keine Ausweisung verfügt, sondern nur deren Zulässigkeit erklärt (vgl. Bescheid des BAA Traiskirchen vom 25. Juli 2003, Zl.: 02 23.390-BAT ), weshalb die ggst. Schubhaftentscheidung auch nicht alternativ auf § 76 Abs. 2 Z. 1 FPG gestützt werden hätte können.

 

3.6. Auch, wenn das zuständige Mitglied des Oö. Verwaltungssenates durchaus der Ansicht ist, dass die Voraussetzungen hinsichtlich der Erforderlichkeit und die Verhältnismäßigkeit der Maßnahme gegeben gewesen wären, ist festzustellen, dass schon mangels einschlägiger Alternative des § 76 Abs. 2 die Verhängung der Schubhaft keine rechtliche Deckung finden kann.

 

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

 

4. Bei diesem Verfahrensergebnis waren dem Bf nach § 79a Abs. 1 bis 3 iVm Z 1 UVS-AufwandsersatzVO Kosten in Höhe von insgesamt 674,00 Euro ( Gebühr: 13,20 Euro; Schriftsatzaufwand 660,80 Euro) zuzusprechen.

 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweise:

 

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

2. Im gegenständlichen Verfahren sind Eingabe- und Beilagegebühren in Höhe von 13,20 Euro angefallen. Ein entsprechender Zahlschein liegt bei.

 

 

Bernhard Pree

 

 

Rechtssatz:

VwSen-400973/5/BP/Se

§ 76 Abs.2 Z3 FPG

 

Es kann allerdings nicht davon die Rede sein, dass ein derartiges Rückkehrverbot nach § 62 FPG, wie die belangte Behörde meint, die gleichen Rechtswirkungen entfaltet wie ein durchsetzbares Aufenthaltsverbot, und dass daraus sehr wohl eine Ausreiseverpflichtung des Beschwerdeführers abzuleiten sei. Hiezu bedürfte es ergänzend der Erlassung einer Ausweisung, die jedoch im Fall des Bf – soweit aktenkundig – (noch) nicht ergangen ist.

 

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum