Linz, 24.11.2008
E R K E N N T N I S
Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Karin Bissenberger über die Berufung des Herrn S O, T, nunmehr vertreten durch J G D, K, vom 24. September 2008 gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Linz-Land vom 2. September 2008, VerkR96-31908-2007-Ni/Pi, wegen Übertretungen des FSG und des KFG 1967, aufgrund des Ergebnisses der am 18. November 2008 durchgeführten öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung (samt mündlicher Verkündung der Berufungsentscheidung) zu Recht erkannt:
I. Der Berufung wird insofern Folge gegeben, als das angefochtene Straferkenntnis in den Punkten 1) und 2) behoben und das Verwaltungsstrafverfahren jeweils eingestellt wird.
Im Punkt 3) wird die Berufung abgewiesen und das angefochtene Straferkenntnis vollinhaltlich bestätigt.
II. In den Punkten 1) und 2) fallen keine Verfahrenskosten an.
Im Punkt 3) hat der Rechtsmittelwerber zusätzlich zu den Verfahrenskosten der Erstinstanz den Betrag von 16 Euro, ds 20 % der verhängten Strafe, als Kostenbeitrag zum Rechtsmittelverfahren zu leisten.
Rechtsgrundlage:
zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 Abs.1, 51i, 45 Abs.1 Z3 und 19 VStG
zu II.: §§ 64 und 66 VStG
Entscheidungsgründe:
Zu I.:
1. Mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis wurden über den Beschuldigten wegen Verwaltungsübertretungen gemäß 1) §§ 37 Abs.1 iVm 14 Abs.1 Z1 FSG, 2) §§ 102 Abs.5 lit.b iVm 134 Abs.1 KFG 1967 und 3) §§ 102 Abs.1 iVm 7 Abs.1 und 134 Abs.1 KFG 1967 und § 4 Abs.4 KDV Geldstrafen von 1) 36 Euro (24 Stunden EFS), 2) 25 Euro (24 Stunden EFS) und 3) 80 Euro (48 Stunden EFS) verhängt, weil er am 23. Juli 2007, 21.25 Uhr, in Ansfelden, Traunufer Landesstraße L563 bei km 5.800, mit dem Pkw 1) den Führerschein und 2) den Zulassungsschein des Pkw nicht mitgeführt bzw es unterlassen habe, trotz Verlangen eines Organs der Straßenaufsicht das Dokument zur Überprüfung auszuhändigen. 3) Er habe sich als Lenker, obwohl es ihm zumutbar gewesen sei, vor Fahrtantritt nicht davon überzeugt, dass das von ihm verwendete Fahrzeug den Vorschriften des KFG entsprochen habe, da festgestellt worden sei, dass beim betroffenen Fahrzeug beide hinteren Reifen in der Mitte der Lauffläche (3/4 der Laufflächenbreite) nicht mehr die erforderliche Profiltiefe von 1,6 mm aufgewiesen hätten.
Insgesamt wurden ihm Verfahrenskostenbeiträge von 14,10 Euro auferlegt.
2. Dagegen hat der Berufungswerber (Bw) fristgerecht Berufung eingebracht, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde. Da keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, war durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden (§ 51c VStG). Am 18. November 2008 wurde eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung in Anwesenheit des Bw, seines mündlich bevollmächtigten Vertreters J G D sowie der Zeugen Meldungsleger RI M E (Ml) und Insp R M (Insp M) durchgeführt. Die Berufungsentscheidung wurde mündlich verkündet.
3. Der Bw macht im Wesentlichen geltend, der Alternativvorwurf in den Punkten 1) und 2) sei unzulässig. Er habe die Papiere außerdem in der Jacke am Rücksitz gehabt. Die Reifen hätten die erforderliche Mindestprofiltiefe noch aufgewiesen. Es stehe weder fest, wie die Profiltiefe gemessen worden sei noch wie hoch die Indikatoren bei Reifen des verwendeten Fabrikats gewesen seien.
Die Ausführungen im Straferkenntnis seien nicht zutreffend, insbesondere sei nie ein Eichschein vorgelegt worden. Er habe auch nie ein Schreiben vom 4.10.2007 erhalten. Auch die Formulierung, es seien keine Indikatoren mehr ersichtlich gewesen, stimme nicht und entspreche auch nicht den Angaben der Zeugen. Beantragt wurde eine mündliche Verhandlung mit Einvernahme der beiden Polizisten, der Bearbeiterin bei der Erstinstanz und eines Sachverständigen zu den wahrheitswidrigen Behauptungen.
4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz sowie Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung, bei der der Bw und sein Vertreter gehört, die Ausführungen der Erstinstanz in der Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses berücksichtigt und die beiden Polizisten zeugenschaftlich befragt wurden.
Folgender Sachverhalt ist entscheidungswesentlich:
Der Bw lenkte am 23. Juli 2007 gegen 21.25 Uhr den Pkw auf der Traunufer Landesstraße im Gemeindegebiet Ansfelden und wurde bei km 5.8 im Zuge einer Bezirksverkehrskontrolle vom Ml angehalten. Dieser verlangte Führerschein und Zulassungsschein, worauf sich herausstellte, dass der Bw beide Papiere nicht vorweisen konnte; seine Identität wurde aber durch seine Beifahrer geklärt. Der Bw gestand bei der Verhandlung zu, er habe erfolglos im Handschuhfach die Papiere gesucht – später habe er sie in der Jacke am Rücksitz gefunden - und der (inzwischen nach einem Unfall verschrottete) Pkw habe nach außen hin keinen besonderen Eindruck mehr gemacht, sei aber technisch in Ordnung gewesen.
Bei der anschließenden Fahrzeugkontrolle fiel dem Ml auf, dass beide hinten am Fahrzeug montierten Reifen weitgehend abgefahren waren und er nahm diese zusammen mit dem der bei der Amtshandlung anwesenden Zeugen Insp M genauer in Augenschein. Beide Beamte bestätigten übereinstimmend ihren Eindruck, dass beide hinteren Reifen gleichermaßen abgefahren waren, und dass die beim stehenden Fahrzeug ersichtlichen Indikatoren auf beiden Reifen plan mit der jeweiligen Lauffläche waren. Es seien zwar noch leichte Wölbungen erkennbar gewesen, aber die Profiltiefe habe dem Augenschein nach keine 1,6 mm mehr betragen. Der Ml notierte sich das Reifenfabrikat und die Dimension, zeichnete quer über den einen Reifen mit Kreide die Lauffläche an und fotografierte den Reifen; die Fotos sind der Anzeige beigelegt. Der Bw bestand hingegen darauf, dass die Mindestprofiltiefe noch gegeben sei, und erklärte, mit diesen Reifen sicher noch ca 2 Monate fahren zu wollen.
In der mündlichen Verhandlung konnten beide Zeugen keine Aussage mehr dazu machen, ob der Ml einen Profiltiefenmesser verwendet hatte. Der Ml bestätigte aber, die jeweiligen Indikatoren seien bereits quer über die gesamte Lauffläche zu sehen gewesen, was für ihn ein Anzeichen sei, dass die Mindestprofiltiefe nicht mehr bestehe, und das prüfe er dann nach. In der Verhandlung konnten weder die Zeugen noch der Bw aus der Erinnerung dezidiert bestätigen, ob damals Sommerreifen montiert waren, der Ml meinte jedoch, sich daran erinnern zu können und verwies auf das aus den Fotos erkennbare Reifenprofil. Der Ml erläuterte auch, er sei nicht allein vom Indikator ausgegangen, sondern vom Gesamteindruck des Reifens nach dem Augenschein; erst wenn die Profiltiefe augenscheinlich unter 1,6 mm liege, mache er eine Anzeige.
Zur Frage, ob davon ausgegangen werden kann, dass bei einem Reifen des verwendeten Fabrikats der Indikator bei 1,6 mm liegt oder auch zB bei 2 mm liegen könne, wie der Vertreter des Bw unter Berufung auf einen (namentlich nicht genannten) Reifenhändler behauptete, wurde der beim Verlassen des VH-Raumes zufällig am Gang gesichtete technische Amtsachverständige Dipl.HTL-Ing. R H von der VH-Leiterin – allerdings am Gang und nicht im Rahmen der mündlichen Verhandlung – befragt und erklärte dieser, wenn der (laut Bw in Asien erzeugte) Reifen eine ECE-Kennzeichnung aufweise, sei er für Europa zugelassen und in ganz Europa betrage die Mindestprofiltiefe 1,6 mm, dh die Indikatoren müssten jedenfalls bei 1,6 mm liegen.
Nach ECE-Regelung Nr.30 Revision 3 Punkt 6 müssen Verschleißanzeiger mit einer Toleranz von +0,60 mm/-0,00 mm anzeigen, dass die Profilrillen der Lauffläche nur noch 1,6 mm tief sind.
In rechtlicher Hinsicht hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen:
Zu den Punkten 1) und 2) des Straferkenntnisses:
Gemäß § 14 Abs.1 Z1 FSG hat jeder Lenker eines Kraftfahrzeuges unbeschadet der Bestimmungen des § 102 Abs.5 KFG 1967 ua den Führerschein auf Fahrten mitzuführen und auf Verlangen die entsprechenden Dokumente dem gemäß § 35 Abs.2 zuständigen Organen zur Überprüfung auszuhändigen.
Gemäß § 102 Abs.5 lit.b KFG 1967 hat der Lenker ua den Zulassungsschein für das von ihm gelenkte Kraftfahrzeug auf Fahrten mitzuführen und den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes oder der Straßenaufsicht auf Verlangen zur Überprüfung auszuhändigen.
Das Beweisverfahren hat zweifellos ergeben, dass der Bw nicht in der Lage war, die genannten Papiere dem Ml auf dessen Verlangen zur Überprüfung auszuhändigen; keine Aussage ist aber dazu möglich, ob der Bw diese Papiere tatsächlich nicht mitgeführt hat. Im Sinne des § 44a Abs.1 VStG wurde dem Bw aber innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist des § 31 Abs.1 VStG, die mit dem Vorfall am 23.7.2007 begann und am 23.1.2008 endete, beides vorgeworfen und ihm damit kein eindeutig bestimmter Tatvorwurf gemacht, was wegen bereits eingetretener Verjährung auch nicht nachholbar ist. Das Verfahren war daher in beiden Punkten gemäß § 45 Abs.1 Z3 VStG einzustellen.
Zu Punkt 3) des Straferkenntnisses:
Gemäß § 102 Abs.1 KFG 1967 darf der Kraftfahrzeuglenker ein Kraftfahrzeug erst in Betrieb nehmen, wenn er sich, soweit dies zumutbar ist, davon überzeugt hat, dass das von ihm zu lenkende Kraftfahrzeug und ein mit diesem zu ziehender Anhänger sowie deren Beladung den hiefür in Betracht kommenden Vorschriften entsprechen.
Gemäß § 4 Abs.4 KDV muss die Tiefe der für die Ableitung des Wassers von der Lauffläche des Reifens erforderlichen Vertiefungen des Laufstreifens (Profiltiefe) im mittleren Bereich der Lauffläche, der etwa drei Viertel der Laufflächenbreite einnimmt, bei Kraftfahrzeugen mit einer Bauartgeschwindigkeit von mehr als 25 km/h, ausgenommen Motorfahrräder, und bei Anhängern, mit denen eine Geschwindigkeit von 25 km/h überschritten werden darf, am gesamten Umfang mindestens 1,6 mm betragen.
Nach den Ergebnissen des Beweisverfahrens besteht beim erkennenden Mitglied kein Zweifel, dass die gesetzlich vorgeschriebene Mindestprofiltiefe von 1,6 mm bei beiden hinten am auf den Bw zugelassenen Pkw montierten Reifen bei der Fahrzeugkontrolle nicht mehr bestanden hat. Zum einen ergibt sich aus den vorliegenden Fotos die Nachvollziehbarkeit der Aussagen des Zeugen Insp M, dass die Indikatoren plan mit der Lauffläche, dh mit dem Teil des Reifens, der beim Fahren auf die Straße bzw den Asphalt auftrifft, wie der Ml ausführte, waren, und zum anderen ist es einem Polizeibeamten aufgrund seiner Schulung zuzumuten, zu erkennen, wenn die Profiltiefe eines Reifens wesentlich unter 1,6 mm liegt.
Ein Indikator ("Verschleißanzeiger" nach der ECE-Regelung) "indiziert" eine Mindestprofiltiefe von 1,6 mm, was aber noch nicht bedeutet, dass diese endgültig nicht mehr gegeben ist, sodass eine nähere Prüfung diesbezüglich erforderlich ist; die sichtbaren Indikatoren mussten aber dem Bw bei der Prüfung des Pkw vor dem Lenken auffallen und hätten ihn dazu animieren müssen, die Profiltiefe nachzuprüfen; das er das getan hätte, hat er selbst nie behauptet.
Selbst wenn die Indikatoren bei den vom Bw verwendeten Reifen eines asiatischen Fabrikats tatsächlich höher als 1,6 mm gelegen haben sollten, ist doch an den Fotos erkennbar, dass die erforderliche Mindestprofiltiefe bei der Fahrzeugkontrolle am 23. Juli 2007 über 3/4 der Laufflächenbreite zweifellos nicht mehr gegeben war – eine Einschätzung, ob 1,6 mm noch bestanden haben oder die Profiltiefe wesentlich darunter lag, ist für einen geschulten und mit Fahrzeugkontrollen häufig befassten Polizeibeamten auch mit bloßem Auge ohne Verwendung eines Profiltiefenmessers möglich. Abgesehen davon hat der Ml selbst ausgeführt, er habe genauer nachgesehen, eben weil der Indikator quer über die gesamte Lauffläche zu sehen gewesen sei, und er habe seine Beurteilung des Reifenzustandes auf die augenscheinliche Einschätzung des gesamten im Licht einer Taschenlampe sichtbaren Reifens gestützt. Seine Ausführungen sind unter Bedachtnahme auf die dem Akt beigelegten Fotos schlüssig; ebenso wenig bestehen Zweifel am Wahrheitsgehalt seiner Aussage, wonach beide hinten am Pkw montierte Reifen vom Abnutzungsgrad her gleich waren, auch wenn er nur einen Reifen fotografiert hat.
Die Einholung eines SV-Gutachtens zum damaligen Reifenzustand ist nicht mehr möglich. Auf die Einvernahme der Bearbeiterin bei der Erstinstanz zu den Ausführungen im Straferkenntnis zu einem Eichschein erübrigte sich, weil im ggst Verfahren von einem Eichschein zweifellos keine Rede sein kann und der Hinweis auf ein Schreiben vom 4.10.2007 offensichtlich auf ein Versehen zurückzuführen ist.
Für den UVS besteht kein Zweifel, dass der Bw den ihm im Punkt 3) des Straferkenntnisses vorgeworfenen Tatbestand hinsichtlich beider Reifen erfüllt und mangels Glaubhaftmachung mangelnden Verschuldens im Sinne des § 5 Abs.1 VStG sein Verhalten als Verwaltungsübertretung zu verantworten hat.
Zur Strafbemessung ist zu sagen, dass der Strafrahmen des § 134 Abs.1 KFG 1967 bis 5.000 Euro Geldstrafe, für den Fall der Uneinbringlichkeit bis sechs Wochen Ersatzfreiheitsstrafe reicht.
Die Erstinstanz hat laut Begründung des angefochtene Straferkenntnisses die finanziellen Verhältnisse des Bw – unwidersprochen – geschätzt (1.300 Euro, keine Sorgepflichten, kein Vermögen) und weder strafmildernde noch erschwerende Umstände zugrunde gelegt. Der Bw ist nicht unbescholten und weist keine einschlägigen Vormerkungen auf; Milderungsgründe wurden nicht geltend gemacht und waren auch nicht zu finden.
Da nach den Ergebnissen des Beweisverfahrens beide Reifen gleichermaßen abgefahren waren, ist ohne Differenzierung der Unrechts- und Schuldgehalt der Übertretung gleich zu beurteilen und von einer Strafe von je 40 Euro (je 24 Stunden EFS) pro Reifen auszugehen. Da bereits im Spruch eindeutig von beiden Reifen die Rede war, war der Bw auch in der Lage, sich entsprechend zu verantworten; Argumente für eine differenzierte Betrachtung hat er nicht geltend gemacht.
Die verhängte Strafe entspricht den Bestimmungen des § 19 VStG, hält generalpräventiven Überlegungen stand und soll den Bw diesbezüglich in Zukunft zu mehr Sorgfalt anhalten, zumal die Unfallgefahr bei so weit abgefahrenen Reifen erfahrungsgemäß ungleich höher ist.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
zu II.:
Der Ausspruch über den Verfahrenskostenersatz bzw dessen Entfall ist gesetzlich begründet.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.
Hinweis:
Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.
Mag. Bissenberger
Beschlagwortung:
Führerschein+Zulassungsschein: Alternativvorwurf unzulässig, Reifenprofiltiefe lt. Beweisverfahren (Fotos + Zeugen) nicht erreicht -> Bestätigung