Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-530843/2/Re/Sta

Linz, 12.11.2008

 

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Werner Reichenberger über die Berufung des M H, P, vertreten durch Rechtsanwälte Dr. H & P, L, M, vom 22. September 2008 gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen vom 5. September 2008, Ge20-95-2007, betreffend die Verfügung von Maßnahmen nach § 360 Abs.1 GewO 1994, zu Recht erkannt:

 

 

Der Berufung wird Folge gegeben  und der bekämpfte Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen vom 5. September 2008, Ge20-95-2007, wird behoben.

 

 

 

Rechtsgrundlagen:

§§ 66 Abs.4, 67a Abs.1 und 67d des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 idgF (AVG)

§ 360 Abs.1 Gewerbeordnung 1994 idgF (GewO 1994).

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

Mit dem bekämpften Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen vom
5. September 2008, Ge20-95-2007, wurde im Grunde des § 360 Abs.1 die Schließung des Werkstättenbetriebes mit maschinellen Einrichtungen zur Bearbeitung von Holz in  P, W, Gst. Nr. , KG. F, verfügt.

 

Dies im Wesentlichen mit der Begründung, für die gegenständliche Holzbearbeitungswerkstätte liege eine gewerbebehördliche Betriebsanlagenge­nehmigung nicht vor, ein diesbezügliches Ansuchen sei im Jahre 2000 zurückgewiesen worden. Der Betrieb sei geeignet, die Nachbarschaft durch Lärm und Staub zu belästigen, die Genehmigungspflicht im Sinne der §§ 74 ff GewO 1994 liege vor. Wiederholte Nachbarbeschwerden weisen auf unzumutbare Belästigungen durch Staub hin. Der Berufungswerber sei daher bereits mit Verfahrensanordnung vom 6. Dezember 2007 zur Betriebseinstellung aufgefordert worden. Der Umstand, dass mit dem Betrieb der Holzwerkstätte eine genehmigungspflichtige gewerbliche Betriebsanlage ohne gewerbebehördliche Genehmigung betrieben werde, stehe fest und werde nicht in Abrede gestellt.

 

Gegen die mit Bescheid vom 5. September 2008 verfügte Zwangsmaßnahme gemäß § 360 Abs.1 GewO 1994 hat der Verpflichtete, vertreten durch Rechtsanwälte Dr. H & P, M, innerhalb offener Frist Berufung erhoben. Dies im Wesentlichen mit der Begründung, die Hütte und die Garage seien baubehördlich bewilligt und gingen vom Betrieb keine unzumutbaren Belästigungen aus. Auch in einem Dorfgebiet würden von Privaten Arbeiten durchgeführt, welche Lärm-, Staubbeeinträchtigungen etc. ergeben. Mehr sei auch bei ihm nicht hervorgekommen. Beanstandungen gäbe es immer nur von derselben Person. Die Motivation der Anzeigerin sei genauer zu hinterfragen. Es gäbe einen Aktenvermerk vom 29. November 2007 betreffend eine Beschwerde des S.M. wegen Staubablagerungen. Zu diesen Verfrachtungen kam es auf Grund besonderer Umstände, nämlich bei der Entleerung des Spänebunkers im Hinblick auf vorhandene Windverhältnisse. Ansonsten sei es bei der Durchführung von Hobelarbeiten auszuschließen, dass die Nachbarschaft durch Staub beeinträchtigt werden könne. Es habe auch eine Besprechung zwischen Berufungswerbern und Anrainern gegeben, wonach keine Einwände gegen den Betrieb bestünden, wenn sich keine Beeinträchtigungen ergäben. Es sei beabsichtigt, in den nächsten fünf Jahren auf einem neuen Standort eine neue Produktionsanlage zu errichten. Laut Ergebnis einer Besprechung sei auch der Einbau einer gebrauchten Späneabsauganlage vorgesehen. Ein Grundstück für einen Alternativstandort sei bereits erworben worden. Eine Schließung begründe den finanziellen Ruin, Arbeitslosigkeit und Nichtfinanzierbarkeit von Gerätschaften. In den nächsten Monaten solle das Projekt umgesetzt werden, dann stehe auch einer Schließung bzw. Verlegung der Anlagen an den neuen Standorten nichts im Wege. Es wäre zutreffender, anstelle der Schließung eine Beseitigung des Betriebes mit Frist bis zu einem bestimmten Zeitpunkt aufzuerlegen, dies angesichts obiger Anstrengungen, das Problem zu lösen. Die Länge der Frist ergäbe sich aus Abwägung zwischen öffentlichen und privaten Interessen, für eine abrupte Zwangs- und Sicherheitsmaßnahme gäbe es keine Veranlassung. Dies wäre die zulässige Vorgangsweise im Sinne des § 360 GewO.

 

Die Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen als belangte Behörde hat diese Berufungsschrift gemeinsam mit dem zu Grunde liegenden Verfahrensakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich zur Berufungsentscheidung vorgelegt. Die belangte Behörde hat dabei keine inhaltlichen Äußerungen zum Berufungsvorbringen abgegeben und keinen Widerspruch im Sinne des § 67h Abs.1 AVG erhoben.

 

Die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich durch Einzelmitglied ergibt sich aus § 359a GewO 1994  iVm
§ 67a  Abs.1 AVG.

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde zu  Ge20-95-2007.

 

Im Grunde des § 67d Abs.1 AVG konnte von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung mangels Erfordernis abgesehen werden.

 

 

In der Sache hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

 

Gemäß § 360 Abs. 1 GewO 1994 hat die Behörde, wenn der Verdacht einer Übertretung gemäß § 366 Abs. 1 Z1, 2 oder 3 besteht, unabhängig von der Einleitung eines Strafverfahrens, den Gewerbeausübenden bzw. den Anlageninhaber mit Verfahrensanordnung zur Herstellung des der Rechtsordnung entsprechenden Zustandes innerhalb einer angemessen, von der Behörde zu bestimmenden Frist aufzufordern; eine solche Aufforderung hat auch dann zu ergehen, wenn der Verdacht einer Übertretung gemäß  § 367 Z25 besteht und nicht bereits ein einschlägiges Verfahren gemäß § 78 Abs. 2, § 79 c Abs. 4 oder § 82 Abs. 3 anhängig ist. Kommt der Gewerbeausübende bzw. der Anlageninhaber dieser Aufforderung innerhalb der gesetzten Frist nicht nach, so hat die Behörde mit Bescheid die zur Herstellung des der Rechtsordnung entsprechenden Zustandes jeweils notwendigen Maßnahmen, wie die Stilllegung von Maschinen oder die Schließung von Teilen des Betriebes oder die Schließung des gesamten Betriebes, zu verfügen.

 

Bei den Übertretungen gemäß § 366 Abs.1, Z1, 2 oder 3 der GewO 1994 handelt es sich um die Straftatbestände der Gewerbeausübung ohne die erforderliche Gewerbeberechtigung erlangt zu haben (Z1), des Errichtens oder Betreibens einer genehmigungspflichtigen Betriebsanlage ohne die erforderliche Genehmigung (Z2) bzw. des Änderns einer genehmigten Betriebsanlage oder des Betriebes derselben nach einer Änderung ohne erforderliche Genehmigung.

 

Als allgemeine Voraussetzung für ein Vorgehen nach § 360 der Gewerbeordnung 1994 führt der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Judikatur für die Verfügung von Maßnahmen die tatsächliche Ausübung der Tätigkeit bzw. den tatsächlichen Betrieb der Betriebsanlage an.  Der normative Inhalt des § 360 Abs.1 leg.cit. setzt für die Anordnung jeweils notwendiger Maßnahmen das weiterhin gegebene Nichtvorliegen eines der Rechtsordnung entsprechenden Zustandes voraus (VwGH 20.1.1987, 86/04/0139). Dabei darf die Herstellung des der Rechtsordnung entsprechenden Zustandes durch jeweils notwendige Maßnahmen lediglich der "contrarius actus" zu jenen Zuwiderhandlungen sein, hinsichtlich derer der Verdacht einer Verwaltungsübertretung besteht.

 

Die in § 360 Abs.1 GewO 1994 geregelte Ermächtigung zur Verfügung einstweiliger Zwangs- und Sicherheitsmaßnahmen hat zur Voraussetzung, dass eine solche Maßnahme erst nach einer entsprechenden Aufforderung (Verfahrensanordnung) zur Herstellung des der Rechtsordnung entsprechenden Zustandes gesetzt werden darf. Dabei bedeutet die "Herstellung des der Rechtsordnung entsprechenden Zustandes" die Wiederherstellung jener Sollordnung, die sich aus den in Betracht kommenden gewerberechtlichen Bestimmungen ergibt, also etwa die Einstellung der unbefugten Gewerbeausübung, die Einstellung des unbefugten Errichtens oder Betreibens einer Betriebsanlage, die Schließung des gesamten Betriebes, die Einhaltung einer Bescheidauflage etc.

 

Gemäß § 360 Abs.5 GewO 1994 sind Bescheide gemäß Abs.1, 2. Satz, 2, 3 oder 4 sofort vollstreckbar; wenn sie nicht kürzer befristet sind, treten sie mit Ablauf eines Jahres, vom Beginn der Vollstreckbarkeit angerechnet, außer Wirksamkeit. Durch einen Wechsel in der Person des Inhabers der von den einstweiligen Zwangs- und Sicherheitsmaßnahmen betroffenen Anlagen, Anlagenteile oder Gegenstände wird die Wirksamkeit dieser Bescheide nicht berührt.

 

Über den gleichzeitig mit dem Berufungsantrag vom Berufungswerber gestellten Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung wurde bereits mit Erkenntnis vom 9. Oktober 2008, VwSen-530844/2, abgesprochen.

 

Die Einsichtnahme in den gegenständlichen Verfahrensakt ergibt, dass bereits im Jahre 2007 Beschwerden von Anrainern in Bezug auf die gegenständliche Werkstätte bei der belangten Behörde eingebracht wurden. Die Gewerbebehörde
I. Instanz hat daraufhin mit Verfahrensanordnung vom 6. Dezember 2007 den Berufungswerber aufgefordert, den Betrieb der Maschinenwerkstätte zur Bearbeitung von Holz in  P, Gst. Nr. , KG. F, unverzüglich einzustellen. Dieser Verfahrensanordnung vom 6. Dezember 2007, welche dem Verpflichteten laut vorliegendem Rückschein am 7. Dezember 2007 zugestellt wurde, ging eine Nachbaranzeige betreffend  den gegenständlichen Holzbearbeitungsbetrieb und ein daraufhin durchgeführter Ortsaugenschein des mit der Angelegenheit betrauten Sachbearbeiters der belangten Behörde am 29. November 2007 voraus. Im Rahmen dieses Ortsaugenscheines wurden millimeterdicke Staubablagerungen am Nachbargrundstück festgestellt, welche der nunmehrige Berufungswerber auf die Entleerung des Spänebunkers zurückführte. Auch am Betriebsgelände des Berufungswerbers waren Staubablagerungen im großen Ausmaß feststellbar. Weiters wurden typische Tischlereieinrichtungen vorgefunden. Dem im Rahmen dieses Ortsaugenscheines aufgenommenen Aktenvermerk vom 29. November 2007 ist schließlich zu entnehmen, dass die Voraussetzungen des § 360 Abs.4 GewO 1994 erfüllt seien und mündlich die Schließung des Betriebes verfügt worden sei.

 

In weiterer Folge sind dem vorliegenden Verfahrensakt der belangten Behörde zwar Nachbarbeschwerden zu entnehmen, eine behördliche Überprüfung an Ort und Stelle zur Feststellung des tatsächlichen gewerblichen Betriebes der gegenständlichen Anlage erfolgten jedoch nicht mehr. Zusätzlich sind Vorsprachen des Berufungswerbers aktenkundig, wonach mit der belangten Behörde Gespräche dahingehend stattfinden, ob und wie eine Anlagengenehmigung für eine Betriebsanlage in einem anderen Standort erlangt werden könne.

Auch sind dem Akt Hinweise dahingehend zu entnehmen, zwischen den Anrainern und dem Anlageninhaber einvernehmliche Lösungen zur Problembewältigung zu finden, weiters Aufforderungen der belangten Behörde an den Berufungswerber, die erforderlichen Maßnahmen zur Herstellung des der Rechtsordnung entsprechenden Zustandes unverzüglich in die Wege zu leiten. Schließlich ist, offensichtlich auf Grund einer weiteren Anzeige eines Anrainers – der nunmehr bekämpfte Bescheid vom 5. September 2008 ohne weitere Überprüfung des Betriebes der Anlage ergangen und ausgesprochen, dass der Betrieb der Werkstätte mit den darin vorhandenen maschinellen Einrichtungen zur Bearbeitung von Holz in  P, W, Gst. Nr. , KG. F, geschlossen werde.

 

Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist allgemeine Voraussetzung für die Verfügung von Maßnahmen nach § 360 GewO 1994 die tatsächliche Ausübung der Tätigkeit bzw. der tatsächliche Betrieb der Betriebsanlage und zwar bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen. Der normative Inhalt des § 360 Abs.1 setzt für die Anordnung jeweils notwendiger Maßnahmen das weiterhin gegebene Nichtvorliegen eines der Rechtsordnung entsprechenden Zustandes voraus. Die nach § 360 GewO 1994 zu verfügenden Maßnahmen können daher nur getroffen werden, wenn die Tätigkeit ausgeübt bzw. die Betriebsanlage betrieben wird.

 

Diese Voraussetzungen wurden jedoch im gegenständlichen Verfahren von der belangten Behörde nicht mehr geprüft. Zwar wurde vom Sachbearbeiter der belangten Behörde vor Zustellung der Verfahrensanordnung im Sinne des § 360 Abs.1 eine Überprüfung der Anlage durchgeführt und festgestellt, dass die Anlage ohne vorliegender gewerberechtlicher Betriebsanlagengenehmigung betrieben wird. Nach Erlassung der Verfahrensanordnung und somit vor Erlassung des nunmehr bekämpften Bescheides hingegen wurde, obwohl nahezu 9 Monate dazwischen liegen und ursprünglich in der Verfahrensanordnung die unverzügliche Betriebseinstellung gefordert wurde, eine weitere Überprüfung der Anlage nicht mehr durchgeführt. Es war daher schon aus diesem Grunde der gegenständliche Bescheid zu beheben, da zwar feststeht, dass zum Zeitpunkt vor Erlassung der Verfahrensanordnung ein Betrieb der gegenständlichen Betriebsanlage ohne vorliegender Betriebsanlagengenehmigung gegeben war, jedoch nicht mit der für die Verfügung einer derartigen Zwangsmaßnahme erforderlichen zweifelsfreien Sicherheit überprüft und in der Folge festgestellt wurde, ob die Anlage auch zu diesem Zeitpunkt, somit jedenfalls  vor Erlassung des bekämpften Bescheides, auch tatsächlich weiter betrieben wurde.

 

Unbeleuchtet blieb in diesem Zusammenhang die laut Aktenvermerk vom
29. November 2007 offenbar ausgesprochene mündliche Schließung des Betriebes im Grunde des § 360 Abs.4 GewO 1994. Es ist jedoch davon auszugehen, dass diese Maßnahme inzwischen mangels Erlassung eines schriftlichen Bescheides im Grunde des § 360 Abs.4 GewO 1994 als ex lege aufgehoben gilt.

 

Aus verwaltungsökonomischen Gründen ist der Berufungswerber auf die ständige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes dahingehend hinzuweisen, dass das Berufungsvorbringen betreffend die Frage einer Gefährdung der Existenz durch die Schließung einer Betriebsanlage keine Tatbestandsvoraussetzung nach § 360 GewO 1994 ist.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

  1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro  zu entrichten.
  2. Im gegenständliche Verfahren sind Gebühren in der Höhe von 13,20 Euro angefallen.

 

 

Dr. Reichenberger

 

 

 

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