Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-210529/2/Ste

Linz, 10.12.2008

 

 

 

E r k e n n t n i s

(Bescheid)

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mit­glied Präsident Mag. Dr. Wolfgang Steiner über die Berufung der B F, vertreten durch E und P, Rechtsanwälte, M, gegen den Bescheid (Straferkenntnis) des Bezirkshauptmanns des Bezirks Braunau am Inn vom 7. November 2008, GZ BauR96-44-2008, wegen einer Verwaltungsübertretung nach der Oö. Bauordnung 1994 zu Recht erkannt:

I.                  Der Berufung wird stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis wird aufgehoben.

II.              Die Berufungswerberin hat keinen Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens vor dem Unab­hängigen Verwaltungssenat zu leisten.

Rechtsgrundlagen:

zu I: §§ 24 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG iVm. § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwal­tungsverfahrens­gesetz 1991 – AVG;

zu II: § 65 VStG.

 

Entscheidungsgründe:

1.1. Mit Straferkenntnis des Bezirkshauptmanns des Bezirks Braunau am Inn vom 7. November 2008, GZ BauR96-44-2008, wurde über die Berufungswerberin (in der Folge: Bwin) eine Geld­strafe in der Höhe von 1.450 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe 14 Stunden) verhängt, weil sie als Bauherrin in der Zeit zwischen dem 1. und 14. Oktober 2008 beim Wohnhaus S, ein bewilligungspflichtiges Bauvorhaben ohne rechtskräftige Baubewilligung ausgeführt habe, indem die Außenmauer auf der Grundstücksgrenze neu aufgemauert worden ist, wobei diese nicht als öffnungslose Feuermauer, sondern mit ausgesparten Fensteröffnungen ausgebildet worden sei. Dadurch habe sie eine Übertretung des „§ 57 Abs. 1 Z 2 und § 57 Abs. 2 iVm. § 24 Abs. 1 Z 1 Oö. Bauordnung“ begangen und wurde sie gemäß § 57 Abs. 1 Z 2 und § 57 Abs. 2 Oö. Bauordnung bestraft. Diese Tatumschreibung entspricht wörtlich jener im Schreiben an die Bwin zur Aufforderung zur Rechtfertigung vom 20. Oktober 2008.

Begründend führt die Behörde erster Instanz im Wesentlichen an, dass die Bwin die Frist zur Rechtfertigung ungenützt verstreichen ließ und die Übertretung der genannten Bestimmung der Oö. Bauordnung auf Grund einer Anzeige der Gemeinde L und den Ausführungen eines Amtssachverständigen des Bezirksbauamts als erwiesen anzusehen sei.

Die Behörde schließt ihre Begründung mit Erwägungen zum Verschulden sowie zur Strafbemessung.

1.2. Dieses Straferkenntnis wurde der Bwin am 11. November 2008 zugestellt. Daraufhin erhob die Bwin durch ihre nunmehrige Vertretung Berufung, die am 24. November 2008 – und somit rechtzeitig – bei der Behörde erster Instanz einlangte.

Begründend wird darin im Wesentlichen ausgeführt, dass die der Bwin die seinerzeitige Aufforderung zur Rechtfertigung nicht zugegangen ist und sie daher bisher keine Möglichkeit hatte, zu dem ihr gemachten Vorwurf Stellung zu nehmen. Nach Darlegung des Sachverhalts aus ihrer Sicht betont die Bwin, dass lediglich eine Wiedererrichtung einer bereits bestehenden Mauer vorliegt und kein Neu-, Zu- oder Umbau eines Gebäudes, sodass ein bewilliungspflichtiges Vorhaben nicht vorlag.

Im Übrigen fehle es auch am Verschulden, da sie sich in der Sache sowohl beim Bürgermeister als auch bei anderen fachkundigen behördlichen Organen informiert hatte. Abschließend wird beantragt, der Berufung Folge zu geben, das Verfahren einzustellen oder jedenfalls die verhängte Geldstrafe angemessen herabzusetzen.

2.1. Die Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn hat die Berufung samt dem dort geführten Verwaltungsakt erster Instanz zur Berufungsentscheidung vorgelegt.

2.2. Da im angefochtenen Straferkenntnis keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, ist der Unabhängige Verwaltungssenat zur Entscheidung durch eines seiner Mitglieder berufen (§ 51c VStG).

2.3. Das Rechtsmittel ist – wie bereits im Punkt 1.2 dargestellt – rechtzeitig.

2.4. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorliegenden Verwaltungsakt und die Berufung.

2.5. Daraus ergibt sich für den Unabhängigen Verwaltungssenat folgender Sachverhalt, der der Entscheidung zugrunde liegt:

Die nunmehrige Bwin hat als Bauherrin zu vertreten, dass bei ihrem Wohnhaus, S, auf dem Grundstück Nr.   , KG K, Gemeinde L, in der Zeit zwischen 1. und 14. Oktober 2008 eine vorher bestehende Mauer an der selben Stelle als Außenmauer neu aufgemauert wurde. Dabei wurden in der vorher öffnungslosen Mauer Fensteröffnungen ausgespart. Eine darüber hinausgehende bauliche Änderung am Gebäude fand nicht statt.

2.6. Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus dem vorgelegten Verwaltungsakt und der Berufung.

2.7. Die Durchführung einer – im Übrigen von keiner Partei beantragten – öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte entfallen, da bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Berufung angefochtene Bescheid aufzuheben ist (§ 51e Abs. 2 Z 1 VStG).

3.  In der Sache selbst hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

3.1. Gemäß § 57 Abs. 1 Z 2 Oö. Bauordnung 1994 – Oö. BauO 1994, LGBl. Nr. 66/1994, in der zum (vorgeworfenen) Tatzeitpunkt geltenden Fassung, zuletzt geändert durch das Landesgesetz, LGBl. Nr. 36/2008, begeht eine Verwaltungsübertretung ua. wer als Bauherrin ein bewilligungspflichtiges Bauvorhaben ohne rechtskräftige Baubewilligung ausführt; solche Verwaltungsübertretungen sind nach § 57 Abs. 2 Oö. BauO 1994 mit Geldstrafen von 1.450 bis 36.000 Euro zu bestrafen.

Nach § 24 Abs. 1 Z 1 Oö. BauO 1994 bedürfen einer Bewilligung der Baubehörde (Baubewilligung), soweit die §§ 25 und 26 nichts anderes bestimmen, der Neu-, Zu- oder Umbau von Gebäuden.

Die zitierte Verwaltungsvorschrift enthält auf Grund der alternativen Verknüpfung erkennbar verschiedene, grundsätzlich von einander unabhängige Tatbilder. Die drei Alternativen („Neu- oder Zu- oder Umbau“) sind zu unterscheiden.

3.2. Nach § 44a Z 1 VStG in jener Ausprägung, die diese Bestimmung durch die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH) erfahren hat, muss der Spruch des Straferkenntnisses die als erwiesen angenommene Tat derart konkretisieren, dass die Beschuldigte einerseits in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf be­zogene Beweise anzubieten und sie andererseits rechtlich davor geschützt wird, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden (vgl. Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 6. Aufl., Anm. zu § 44a VStG, S. 1520 ff).

Der Spruch eines Straferkenntnisses, wenn er nicht auf Einstellung lautet, hat die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten.

Wie der VwGH in ständiger Rechtsprechung zu dieser Bestimmung dargelegt hat, ist, um den Anforderungen dieser Gesetzesstelle zu entsprechen, im Spruch die Tat hinsichtlich der Täterin und der Tatumstände so genau zu umschreiben, dass

­          die Zuordnung des Tatverhaltens zur Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, in Ansehung aller Tatbestandsmerkmale ermöglicht wird und

­          die Identität der Tat (z.B. nach Ort und Zeit) unverwechselbar feststeht.

Dem § 44a Z 1 VStG ist dann entsprochen, wenn auf Grund der Tatumschreibung es der Beschuldigten ermöglicht wird, im Verwaltungsstrafverfahren in der Lage zu sein, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen.

Diesen Erfordernissen wird das angefochtene Straferkenntnis schon insofern nicht gerecht, als die Tathandlung nicht mit hinreichender Genauigkeit angeführt wurde. Die Behörde erster Instanz geht offenbar davon aus, dass die Wiedererrichtung einer Außenmauer einen Umbau des Gebäudes darstellt, konkretisiert das aber in der Tatumschreibung nicht entsprechend, sondern bleibt ganz allgemein beim Vorwurf an die Bwin ein „bewilligungspflichtiges Bauvorhaben ohne rechtskräftige Baubewilligung ausgeführt“ zu haben und ergänzt dies mit Anmerkungen zur Qualität der Mauer als Feuermauer.

Abgesehen schon von dieser Unbestimmtheit entspricht die getroffene Einordnung der Maßnahme nach Ansicht des Unabhängigen Verwaltungssenats auch nicht dem Gesetz, das unter einem Umbau „eine so weitgehende bauliche Änderung eines Gebäudes“ versteht, „dass dieses nach der Änderung ganz oder in größeren Teilen (z.B. hinsichtlich eines Geschosses) als ein anderes anzusehen ist (vgl. § 2 Abs. 2 Oö. BauO 1994 iVm. § 2 Z 40b Oö. Bautechnikgesetz). Dabei ist nach der Gesetzessystematik zu beachten, dass § 25 Abs. 1 Z 3 Oö. BauO 1994 (in der Aufzählung der anzeigepflichtigen Bauvorhaben) als Spezialvorschrift „die nicht unter § 24 Abs. 1 Z 1 fallende umfassende Sanierung von Gebäuden und die sonstige Änderung oder Instandsetzung von Gebäuden aufzählt“, und selbst diese nach dem Gesetz nur dann anzeigepflichtig ist, „wenn eine solche Baumaßnahme von Einfluss auf die Festigkeit tragender Bauteile, den Brandschutz, die gesundheitlichen oder hygienischen Verhältnisse oder das Orts- und Landschaftsbild ist oder das äußere Aussehen des Gebäudes wesentlich verändert“ (vgl. zur Einordnung eines ähnlichen Sachverhalts das Erkenntnis des VwGH vom 27. Februar 1996, 95/05/0032). Die Behörde erster Instanz hat dazu nichts ermittelt und auch insofern keine Konkretisierung vorgenommen. Die Annahme eines Umbaus im konkreten Zusammenhang scheint jedenfalls denkunmöglich.

Die Einordnung der Maßnahme als Neubau oder Zubau kommt ebenso schon vom Begriff her überhaupt nicht in Betracht.

Wie der Sachverhaltsdarstellung zu entnehmen ist, gab es auf der Basis des bisher ermittelten Sachverhalts tatsächlich kein bewilligungspflichtiges Bauvorhaben. Wenn überhaupt, stellt die (noch näher zu konkretisierende) Baumaßnahme allenfalls ein anzeigepflichtiges Bauvorhaben dar und wäre deren Ausführung jedenfalls nicht nach § 57 Abs. 1 Z 2 Oö. BauO 1994 zu bestrafen. Auch diese Unklarheit muss iSd. zitierten Rechtsprechung des VwGH zur Aufhebung des angefochtenen Straferkenntnisses führen.

3.3. Eine Sanierung dieser Punkte war dem Unabhängigen Verwaltungssenat – trotz noch nicht erfolgter Verfolgungsverjährung einer allenfalls im vorgeworfenen Zeitraum erfolgten Tat – im laufenden Verfahren nicht möglich, ist doch „Sache“ des vorliegenden Berufungsverfahrens iSd. § 66 Abs. 4 AVG (diese Vorschrift ist nach § 24 VStG auch im Verwaltungsstrafverfahren anzuwenden) eine (angebliche) Übertretung baurechtlicher Bestimmungen, die es so an sich denkmöglich nicht gibt. Eine Sanierung würde nicht lediglich ein „minus“ zu der von der Behörde erster Instanz vorgeworfenen „Sache“ darstellen (vgl. dazu VwGH vom 23. Juli 2004, 2004/02/0106), sondern die Bwin in einer anderen Sache völlig neu verfolgen und damit ein „aliud“ zum Verfahrensgegenstand machen, was einerseits nach den genannten Verfahrensvorschriften nicht vorgesehen ist und andererseits die Bwin auch einer Überprüfungsmöglichkeit im Rechtsmittelverfahren berauben würde.

3.4. Schon aus diesem Grund war daher der Berufung gemäß § 24 VStG iVm. § 66 Abs. 4 AVG stattzugeben und das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben.

3.5. Im allenfalls (auf Grund der nach offenen Frist zur Verfolgung) von der Behörde erster Instanz neu zu führenden Verwaltungsstrafverfahren wird diese im Übrigen jedenfalls den genauen Sachverhalt mit Hilfe der verschiedenen Beweismittel zu erheben haben; so wird es wohl notwendig sein, insbesondere die Organe der Baubehörde erster Instanz einschließlich des Amtssachverständigen sowie allenfalls auch Nachbarn und sonstige (auch in der Berufung genannte) Personen, als Zeugen zu vernehmen und den Zustand vor und nach der Maßnahme genau (z.B. mittels Plänen und Fotos) sowie auch Beweismittel zur Frage des Errichtungszeitraums zu erheben.

Darüber hinaus wird auch auf die Verantwortung der Bwin einzugehen sein und müssten zur (angeblichen) Frage der Auskunftserteilung durch die Verwaltungsstrafbehörde erster Instanz und die Baubehörde und das damit womöglich nicht gegebene oder zumindest erheblich verringerte Verschulden der Bwin Beweise erhoben werden.

4. Bei diesem Ergebnis war der Bwin gemäß § 65 VStG kein Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat vorzu­schreiben.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

Wolfgang Steiner

Rechtssatz:

 

VwSen-210529/2 vom 10. Dezember 2008

 

(Oö. Bauordnung 1994, § 57 Abs. 1 Z 2):

 

Der Tatbestand enthält mehrere Tatbilder (Neubau, Zubau, Umbau). Wenn die Verwaltungsvorschrift unterschiedliche Tatbilder enthält und – wie hier –schon von ihrem Wortlaut her von einer Unterscheidung ausgeht, muss auch der Tatvorwurf entsprechend konkretisiert und eingeschränkt werden.

 

Weiters: unzureichende Umschreibung des Tatzeitpunkt; keine Sanierung durch UVS trotz offenere Verfolgungsverjährungsfrist, da andere „Sache“ iSd. § 66 Abs. 4 AVG

 

 

 

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