Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-251968/2/BP/Wb/Se

Linz, 01.12.2008

 

E r k e n n t n i s

(Bescheid)

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Dr. Bernhard Pree über die Berufung der B H, vertreten durch Mag. H N, S, gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes des Bezirks Schärding vom 8. Oktober 2008, GZ.: SV96-22-2008, zu Recht erkannt:

I.                  Der Berufung wird stattgegeben und das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben.

II.              Die Berufungswerberin hat weder einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde noch einen Kostenbeitrag zum Rechtsmittelverfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat zu leisten.

Rechtsgrundlagen:

zu I: §§ 24 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG iVm. § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwal­tungsverfahrens­gesetz 1991 – AVG;

zu II: § 66 Abs. 1 VStG.

Entscheidungsgründe:

1.1. Mit Bescheid des Bezirkshauptmannes des Bezirks Schärding vom 8. Oktober 2008, GZ.: SV96-22-2008, wurde über die Berufungswerberin (in der Folge: Bw) eine Geldstrafe in der Höhe von 1.000,- Euro (Ersatzfreiheitsstrafe: 24 Stunden) verhängt, weil sie es als Gewerbeinhaberin der Firma P R, mit dem Sitz in S, und somit als Dienstgeberin zu verantworten habe, dass die unten angeführten Personen in diesem Lokal beschäftigt worden seien, ohne dass diese Arbeitnehmer bei der Oö. Gebietskrankenkasse als zuständiger Krankenversicherungsträger angemeldet worden seien:

1. M O, geb.    , italienischer Staatsbürger, beschäftigt laut eigenen Angaben als Kellner seit 9 Jahren, von Montag bis Sonntag: 11.00 Uhr bis 14.00 Uhr und 17.00 Uhr bis 23.00 Uhr;

2. S S, geb.     , deutscher Staatsbürger, beschäftigt als Kellner.

Die Beschäftigung der Dienstnehmer sei am 27. März 2008 gegen 13.25 Uhr an Ort und Stelle von Ermittlungs- und Erhebungsorganen des Finanzamtes Braunau – Ried – Schärding (S, S) im Zuge einer arbeitsmarktrechtlichen Kontrolle festgestellt worden.

Als verletzte Rechtsgrundlagen werden § 33 iVm. § 111 Abs. 1 und 2 ASVG i.d.g.F. genannt.

1.2. Mit Erkenntnis des Oö. Verwaltungssenates vom 2. Juli 2008, VwSen-251826/2/BP/Se, wurde einer Berufung der Bw gegen ein in der selben Sache ergangenes Straferkenntnis der belangten Behörde vom 13. Mai 2008 unter der GZ.: SV96-22-2008 mit der Maßgabe stattgegeben, als das angefochtene Straferkenntnis wegen Unzuständigkeit der bescheiderlassenden Behörde aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt wurde. In Reaktion auf dieses Erkenntnis übermittelte die belangte Behörde die dem ursprünglichen Bescheid zugrunde liegende Anzeige dem in dieser Angelegenheit örtlich zuständigen Bürgermeister der Landeshauptstadt Linz.

 

1.3. Mit Schreiben vom 1. Oktober 2008 trat der Bürgermeister der Landeshauptstadt Linz das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 29a VStG an die belangte Behörde ab, da der Wohnsitz der Bw in deren Bezirk liege.

 

1.4. Mit Schreiben vom 27. Oktober 2008 erhob die Bw durch ihren Vertreter Berufung gegen den in Rede stehenden Strafbescheid der belangten Behörde, der am 14. Oktober 2008 dem Vertreter der Bw zugestellt worden war. Die Bw kündigt darin an, dass eine Begründung nachgereicht werden würde.

2.1. Mit Schreiben vom 21. November 2008 übermittelte die belangte Behörde den Bezug habenden Verwaltungsstrafakt dem Oö. Verwaltungssenat. Dieser erhob Beweis durch Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde.

2.2. Nachdem bereits auf Grund der Aktenlage feststand, dass der mit Berufung bekämpfte Bescheid aufzuheben ist, konnte gemäß § 51e Abs. 1 Z. 1 VStG die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem Oö. Verwaltungssenat entfallen.

3. In der Sache selbst hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

3.1. Nach § 33 Abs. 1 iVm. § 111 Abs. 1 Z. 1 ASVG begeht jener Dienstgeber eine Verwaltungsübertretung und ist dieser hiefür mit einer Geldstrafe von 730 Euro bis zu 2.180 Euro zu bestrafen, der eine von ihm beschäftigte und nach dem ASVG in der Krankenversicherung pflichtversicherte Person nicht vor deren Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger anmeldet.

„Zuständiger Krankenversicherungsträger“ i.S.d. § 33 Abs. 1 ASVG ist für sämtliche im Gebiet des Bundeslandes Oberösterreich begangene Verwaltungsübertretungen die Oberösterreichische Gebietskrankenkasse mit Sitz in Linz. Somit ist – wie sich aus dem bereits oben unter 1.2. angeführten Erkenntnis des Oö. Verwaltungssenates vom 2. Juli 2008 ergibt – der Bürgermeister der Stadt Linz grundsätzlich die für die Erledigung sämtlicher aus Anlass einer im Gebiet des Bundeslandes Oberösterreich begangenen Übertretung des § 33 Abs. 1 ASVG durchzuführenden Verwaltungsstrafverfahren örtlich zuständige Behörde i.S.d. § 27 Abs. 1 VStG.

§ 29a VStG ermöglicht es jedoch der örtlich zuständigen Behörde, das Strafverfahren an jene sachlich zuständige Behörde zu übertragen, in deren Sprengel der Beschuldigte seinen Hauptwohnsitz hat, wenn hierdurch das Verfahren wesentlich vereinfacht oder beschleunigt wird.

3.2. Im gegenständlichen Fall hat die örtlich zuständige Behörde nicht einmal ansatzweise zu begründen versucht, weshalb sie hier das Vorliegen der Voraussetzungen des § 29a VStG für gegeben erachtete, sondern lediglich angeführt, dass „der Wohnsitz der Beschuldigten in 4780 Schärding“, also im Sprengel der belangten Behörde gelegen ist.

Damit ist jedoch noch nicht dargetan, dass durch eine entsprechende Übertragung auch das Verwaltungsstrafverfahren wesentlich vereinfacht oder beschleunigt würde.

Zwar hat der Verwaltungsgerichtshof in zahlreichen, insbesondere Übertretungen der Straßenverkehrsordnung betreffenden Erkenntnissen ausgesprochen, dass eine Übertragung des Strafverfahrens an die für den Wohnsitz des Beschuldigten zuständige Behörde „grundsätzlich“ eine wesentliche Vereinfachung und Beschleunigung erwarten lässt (vgl. z.B. VwGH v. 23. September 1987, Zl. 87/03/0119, und vom 28. Mai 1993, Zl. 93/02/0032). Allerdings handelt es sich im gegenständlichen Fall nicht – wie dort – bloß um ein Ein-, sondern schon ex lege um ein Mehrparteienverfahren: Denn nach § 111a ASVG hat jene Abgabenbehörde des Bundes, deren Prüforgane die Person betreten haben, die entgegen § 33 Abs. 1 ASVG nicht vor ihrem Arbeitsantritt zur Sozialversicherung angemeldet wurde, nach § 111 Parteistellung. Verzichtet die Abgabenbehörde auf ihre Parteistellung, so tritt der Sozialversicherungsträger in diese Parteistellung ein. Ein derartiger Verzicht ist gegenüber der Bezirksverwaltungsbehörde (= gegenüber der gemäß § 27 Abs. 1 ASVG örtlich zuständigen Verwaltungsstrafbehörde) ausdrücklich zu erklären; diese hat den Versicherungsträger davon unverzüglich in Kenntnis zu setzen. Ein solcher Verzicht bewirkt zudem – in verfassungsrechtlich bedenklicher Weise – die Unterbrechung aller in Betracht kommenden Verfahrensfristen.

Im Hinblick auf die den Legalparteien gemäß § 111a ASVG eingeräumten Möglichkeiten kann daher nicht schon a priori und ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass die in § 29a VStG normierte Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens stets dann eintritt, wenn dieses der Wohnsitzbehörde des Beschuldigten übertragen wird. Abgesehen davon, dass damit unter bestimmten Umständen auch eine Beeinträchtigung des Grundrechts auf den gesetzlichen Richter (Art. 83 Abs. 2 B-VG) einhergehen könnte, muss sohin in den Fällen einer Übertretung gemäß § 33 Abs. 1 iVm. § 111 Abs. 1 Z. 1 ASVG eine Übertragung des Strafverfahrens nach § 29a VStG stets entsprechend begründet werden, wobei hier – weil ja in der Regel bereits im erstbehördlichen Verfahren eine unmittelbare Einvernahme von Zeugen unerlässlich sein wird – die konkreten Anfahrtswege, Erreichbarkeiten u.ä. der Zeugen einerseits und jene der Beschuldigten und der übrigen Verfahrenspartei(en) andererseits jeweils entsprechend sorgfältig gegeneinander abzuwägen sind.

3.3. Eine diesen Anforderungen entsprechende Begründung lässt sich jedoch – worauf bereits oben unter 1.2. hingewiesen wurde – weder dem Schreiben des Bürgermeisters der Stadt Linz vom 1. Oktober 2008, Zl. 0039053/2008, entnehmen noch ergibt sich eine solche (erst recht nicht) offenkundig aus dem von der belangten Behörde vorgelegten Akt.

Insgesamt resultiert sohin, dass das Verwaltungsstrafverfahren von der unzuständigen Behörde durchgeführt wurde.

3.4. Der vorliegenden Berufung war daher gemäß § 24 VStG i.V.m. § 66 Abs. 4 AVG schon aus diesem Grund stattzugeben und das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben.

Eine Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens hatte hingegen nicht zu erfolgen; vielmehr hat die zuständige Behörde aus eigenem zu beurteilen, ob eine rechtzeitige und taugliche Verfolgungshandlung vorliegt und darauf aufbauend zu entscheiden, ob und in welchem Umfang das Verwaltungsstrafverfahren von dieser fortgeführt wird oder nicht.

4. Bei diesem Verfahrensergebnis war der Rechtsmittelwerberin gemäß § 66 Abs. 1 VStG weder ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde noch ein Kostenbeitrag für das Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat vorzuschreiben.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

Bernhard Pree

Rechtssatz:

 

VwSen-251968/2/Bp/Wb/Se

Datum: 1. Dezember 2008

 

Rechtsnormen:

§ 33 Abs. 1 ASVG, § 111 Abs. 1 Z. 1 ASVG, § 111a ASVG; § 29a VStG

 

Im Falle eines Verwaltungsstrafverfahrens nach § 33 Abs. 1 i.V.m. § 111 Abs. 1 Z. 1 ASVG kann eine Übertragung nach § 29a VStG im Hinblick auf die Legalparteistellung der Abgabenbehörde bzw. des Sozialversicherungsträgers gemäß § 111a ASVG nicht allein mit dem Hinweis auf den Hauptwohnsitz des Beschuldigten begründet werden; vielmehr ist eine solche Übertragung im Hinblick auf die gesetzlichen Voraussetzungen der Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens stets entsprechend konkret zu begründen, wobei in diesem Zusammenhang – weil ja in der Regel bereits im erstbehördlichen Verfahren eine unmittelbare Einvernahme von Zeugen unerlässlich sein wird – die konkreten Anfahrtswege, Erreichbarkeiten u.ä. der Zeugen einerseits und jene des Beschuldigten und der übrigen Verfahrenspartei(en) andererseits jeweils entsprechend sorgfältig gegeneinander abzuwägen sind (vgl. VwSen-251942/2/Gf/Mu/Se vom 7. November 2008).

 

Anmerkungen:

 

£ Aufnahme in Bundes-RIS

S Aufnahme in UVS-RIS und interne Rechtsdatenbank

 

£ Aufnahme nur in interne Rechtsdatenbank