Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-163460/11/Ki/Jo

Linz, 20.11.2008

 

Mitglied:                                                                                                                                                                   Zimmer, Rückfragen:

Hofrat Mag. Alfred Kisch                                                                                     2B08, Tel. Kl. 14850

 

 

E r k e n n t n i s

(B e s c h e i d)

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mit­glied Mag. Alfred Kisch über die Berufung des G S,  W, C, vertreten durch Rechtsanwalt Mag. G G, W, M, vom 20. August 2008 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Gmunden vom 4. August 2008, GZ. VerkR96-6549-2007, wegen einer Übertretung der StVO 1960 nach Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung am 18. November 2008 durch Verkündung zu Recht erkannt:

I.   Der Berufung wird dahingehend Folge gegeben, dass die verhängte Geldstrafe auf 200 Euro bzw die Ersatzfreiheitsstrafe auf 80 Stunden herabgesetzt wird. Im Übrigen wird die Berufung als unbegründet abgewiesen  und das angefochtene Straferkenntnis bestätigt.

 

II. Der Beitrag des Berufungswerbers zu den Kosten des Verfahrens vor der erstinstanzlichen Behörde wird auf 20 Euro herabgesetzt. Für das Berufungsverfahren vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich ist kein Kostenbeitrag zu entrichten.

Rechtsgrundlagen:

zu I: §§ 19, 24, und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG iVm § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrens­gesetz 1991 – AVG;

zu II: § 64 und 65 VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

1.1. Mit Straferkenntnis vom 4. August 2008, GZ. VerkR96-6549-2007, hat die Bezirkshauptmannschaft Gmunden den Berufungswerber für schuldig befunden, er habe am 7.6.2007, 10:52 Uhr in der Gemeinde Vorchdorf, Autobahn Freiland, Nr. 1 bei km 210.400, zu einem vor ihm am gleichen Fahrstreifen fahrenden Fahrzeug nicht einen solchen Abstand eingehalten, dass ein rechtzeitiges Anhalten möglich gewesen wäre. Es sei mittels Videomessung ein zeitlicher Abstand von 0,34 Sekunden festgestellt worden (Fahrzeug: „Kennzeichen, Personenkraftwagen M1, VOLVO, dunkel“). Er habe dadurch § 18 Abs.1 StVO verletzt. Gemäß § 99 Abs.2c Z4 StVO 1960 wurde eine Geldstrafe in Höhe von 250 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe 135 Stunden) verhängt. Außerdem wurde er gemäß § 64 VStG zur Leistung eines Beitrages zu den Kosten des Strafverfahrens in Höhe von 25 Euro (10 % der verhängten Geldstrafe) verpflichtet.

1.2. Der Rechtsmittelwerber erhob durch seinen Rechtsvertreter mit Schriftsatz vom 20. August 2008 gegen das Straferkenntnis nachstehende Berufung:

 

"Der Einschreiter erstattet zum da. Straferkenntnis vom 4.8.2008, zugestellt am 12.8.2008 (AZ Verk96-6549-2007) fristgerecht nachstehende

 

Berufung:

 

Der Einschreiter bekämpft das Straferkenntnis zur Gänze wegen formeller und materieller Mängel und Nichtigkeit.

 

Tatsächlich hat sich die Behörde mit den Argumenten des Einschreiters nicht auseinandergesetzt, sondern ergeht sich in inhaltsleeren Stehsätzen, die mit dem tatsächlichen Sachverhalt nicht in Übereinstimmung zu bringen sind.

 

1. Es kann keine Rede davon sein, dass die Messdaten ein in sich schlüssiges Bild der Tatbegehung ergeben - die Behörde kann nicht einmal davon ausgehen, dass der Einschreiter das ihm angelastete Delikt begangen hat. Dem Einschreiter war das rechtzeitige Anhalten jederzeit möglich. Tatsächlich hat er es auch nicht begangen. Der Einschreiter konnte den vor ihm befindlichen Verkehrsraum jederzeit gut überblicken. Gerade auf einer Autobahn musste er ohnedies nicht mit einem jähen Bremsmanöver rechnen, hätte sein Kfz aber jederzeit rechtzeitig zum Stillstand bringen können. Der Sicherheitsabstand war ausreichend. Der Einschreiter hätte sein Kfz jedenfalls innerhalb des Reaktionswegs anhalten können. Gerade in Anbetracht der persönlichen Umstände des Einschreiters, nämlich seiner überdurchschnittlich guten physischen und psychischen Konstitution sowie seiner Ausgeruhtheit und positiver äußerer Faktoren, nämlich der einfachen, übersichtlichen und vorausberechenbaren Verkehrssituation war die Reaktionszeit entsprechend verringert und auch aufgrund der geringen Geschwindigkeit und des Top-Zustands des Kfz des Einschreiters war ihm ein Anhalten jederzeit möglich.

 

Die Behörde hat all dies unberücksichtig gelassen und somit kein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren geführt. Das allein führt zur groben Mangelhaftigkeit des Verfahrens.

 

2. Der dem Einschreiter gemachte Vorwurf ist aber auch nicht ausreichend konkretisiert. Die Behörde gibt nicht an, welcher Sicherheitsabstand einzuhalten gewesen wäre.

 

Auch der angebliche Tatort ist nicht entsprechende individualisiert und nicht konkret genug angegeben - es ist nicht nachvollziehbar, wie der dem Einschrieter vorgeworfene Tatort ermittelt worden sein soll. Die Tatortbezeichnung genügt somit nicht den Anforderungen des § 44a VStG. Dazu kommt, dass nach ständiger Rechtsprechung des VwGH ais Tatort für die behauptete Übertretung begrifflich ohnehin niemals ein Punkt sondern ausschließlich eine Strecke in Betracht kommt. Eine Strecke als Tatort wurde bisher aber seitens der Behörde nicht angenommen; es wird ausdrücklich ein Tatort als Punkt bezeichnet. Hinsichtlich einer Strecke als Tatort hat die Behörde binnen sechs Monaten (der Frist des § 31 Abs 2 VStG) keine ausreichende Verfolgungshandlung gesetzt. Es ist daher Verfolgungsverjährung eingetreten.

 

3. Der dem Einschreiter vorgeworfene Abstand hat sich auch nicht aufgrund des Fahrverhaltens des Einschreiters sondern des vor ihm fahrenden Kfz ergeben - es liegt somit kein Verschulden des Einschreiters vor. Das vor dem Einschreiter fahrende Fahrzeug zu Beginn der Messstrecke langsamer geworden und der Einschreiter konnte, weil das hinter ihm fahrende Fahrzeug einen sehr geringen Abstand zu seinem Fahrzeug hatte, den Abstand zu dem vor ihm fahrenden Fahrzeug nur langsam verringern. Der Einschreiter konnte sozusagen aus der Zwickmühle zwischen dem vor ihm fahrenden - langsamer werdenden - Fahrzeug und dem hinter ihm nicht langsamer werdenden Fahrzeug nicht auskommen; dies auch deshalb, weil ihm ein Fahrstreifenwechsel wegen der sich auf der rechten der beiden Fahrspuren befindenden Fahrzeuge nicht möglich war.

 

Dennoch ist es - wie den im Akt befindlichen Fotos zweifelsfrei zu entnehmen ist -dem Einschreiter gelungen, den Abstand zu dem vor ihm fahrenden Fahrzeug vom Beginn der Messstrecke bis zum gegenständlichen Messpunkt zu vergrößern. Dies obwohl das hinter ihm fahrende Fahrzeug dicht aufgefahren ist und dem Einschreiter ein deutliches Abbremsen in der gegenständlichen Verkehrssituation nicht möglich war. Dafür dass das vor ihm fahrende Fahrzeug zu Beginn der Messstrecke langsamer geworden ist und sich der Abstand des Fahrzeugs des Einschreiters zu diesem dadurch verringert hat, konnte der Einschreiter nichts. Schließlich konnte er aufgrund des hinter ihm dicht auffahrenden Fahrzeugs den ursprünglich von ihm eingehaltenen Abstand nicht sofort wider herstellen - er hat es dennoch geschafft, den Abstand zu dem vor ihm fahrenden Fahrzeug noch während der Messstrecke merkbar zu vergrößern.

 

Auch mit diesen Tatsachen hat sich die Behörde nicht beschäftigt, sondern meint, es reiche aus, darauf zu verweisen, dass der Anzeiger eine ihm unbekannte Person nicht wahrheitswidrig belasten wird. Niemand unterstellt dem Anzeiger eine solche wahrheitswidrige Belastung - aus dem Akteninhalt geht aber hervor, dass der Anzeiger selbst nicht bei der Messung anwesend war. Er selbst kann daher nur Schlüsse aus ihm vorliegenden Fotos ziehen; diese Schlüsse waren aber - so wie die der Behörde - falsch und der Anzeiger war gar nicht in der Lage irgendweiche Abstände vor Ort festzustellen. Er war nicht dort.

 

Es mag daher schon sein, dass die besonders geschulten Organe der Straßenaufsicht in der Lage sind, Tiefenabstände festzustellen, doch es gibt im gesamten Verwaltungsstrafakt keinen Hinweis darauf, das sie das in concreto auch getan haben.

 

Weil die Behörde den Einschreiter nicht über allfällige Beweisergebnissen über Aussagen der bei der Messung beteiligten informiert hat, hat sie die Parteinerechte des Einschreiters verletzt, weswegen das bekämpfte Straferkenntnis auch aus diesem Grund grob mangelhaft ist

 

4. Das gegenständliche Straferkenntnis verletzt den Einschreiter in mehrerlei Hinsicht in seinen verfassungsgesetzlich geschützten Rechten. Die behauptete Übertretung ist auf Video gespeichert. Durch diese Vorgehensweise ist, mangels entsprechender Verordnungsgrundlage, das Grundrecht des Einschreiters auf Datenschutz verletzt worden. Es verhält sich wie bei der Aufhebung eines Bescheides betreffend die Verhängung einer Verwaltungsstrafe wegen einer mittels Section Controll festgestellten Geschwindigkeitsüberschreitung durch den Verfassungsgerichtshof (VfGH vom 3.10.2007; GZ B1340/07).

 

Die Strafverfügung verletzt auch das verfassungsgesetzlich geschützte Recht des Einschreiters auf Freiheit des Eigentums wegen fehlender Rechtsgrundlage mangels ordnungsgemäßer Festlegung der Messstrecke durch Verordnung.

 

Schließlich widerspricht die gegenständliche Strafverfügung dem Legalitätsprinzip. Jedes staatliche Handeln bedarf entsprechender Grundlagen, die mittels Gesetz oder Verordnung zu schaffen sind. Für das Aufstellen des gegenständlichen Messsystems fehlt diese Grundlage. Es gibt dafür weder eine gesetzliche Grundlage noch ist eine durch Verordnung geschaffen worden. Es ist somit nicht im Sinn des Legalitätsprinzips geregelt, wie dieses Messsystem am gegenständlichen Ort einzusetzen ist.

 

Zu guter Letzt stellt die Begründung der Behörde tatsächlich eine inhaltsleere Nichtbegründung dar, die, wenn sie schon nicht die Nichtigkeit des bekämpften straferkenntnises nach sich zieht, dieses zumindest grob mangelhaft macht.

 

Der Einschreiter stellt den

 

ANTRAG,

 

auf Aufhebung des bekämpften Straferkenntisses und Einstellung des gegen ihn geführten Verwaltungsstrafverfahrens.

 

G S"

2.1. Die Bezirkshauptmannschaft Gmunden hat die Berufung ohne Berufungsvorentscheidung dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erst mit Schreiben vom 22. August 2008 vorgelegt.

2.2. Die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich ist gemäß § 51 Abs.1 VStG gegeben. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hatte, da weder eine primäre Freiheitsstrafe noch eine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch das laut Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden.

2.3. Die Berufung wurde innerhalb der zweiwöchigen Rechtsmittelfrist bei der Bezirkshauptmannschaft Gmunden eingebracht und sie ist daher rechtzeitig.

2.4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt sowie Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung am 18. November 2008. An dieser Verhandlung nahmen der Rechtsvertreter des Berufungswerbers sowie einer Vertreter der Bezirkshauptmannschaft Gmunden teil. Der Berufungswerber selbst hat sich entschuldigt. Als verkehrstechnischer Amtssachverständiger fungierte Dipl –HTL Ing. R H (Amt der Oö. Landesregierung), als Zeuge wurde der Meldungsleger (RI. P G, Landesverkehrsabteilung ) einvernommen.

2.5. Aus dem vorliegenden Akt sowie aus der öffentlichen mündlichen Verhandlung ergibt sich für den Unabhängigen Verwaltungssenat folgender Sachverhalt:

Der dem Berufungswerber zur Last gelegte Sachverhalt wurde vom Meldungsleger am 11. Juni 2007 der Bezirkshauptmannschaft Gmunden angezeigt. Danach erfolgte die Messung durch das geeichte Messsystem VKS 3.0 – VIDIT – A 11 (Verkehrskontrollsystem – eingebaut im Dienst – KFZ mit dem Kennzeichen ) gemäß den eichamtlichen Verwendungsbestimmungen unter Beachtung der Bedienungsanleitung. Bei einer gemessenen Geschwindigkeit von 108 km/h habe der/die FahrzeuglenkerIn einen Abstand von 10 Meter eingehalten (Messtoleranz abgezogen).

Die Bezirkshauptmannschaft Gmunden hat zunächst bei der Zulassungsbesitzerin des tatgegenständlichen Kraftfahrzeuges eine Anfrage gemäß § 103 Abs.2 KFG 1967 vorgenommen, von dieser wurde der Berufungswerber als Lenker des Fahrzeuges bekannt gegeben.

Eine zunächst gegen den Berufungswerber gerichtete Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft Gmunden (VerkR96-6549-2007 vom 24. Juli 2007) wurde von diesem  rechtzeitig beeinsprucht und es wurde in der Folge nach Durchführung des Ermittlungsverfahrens seitens der Bezirkshauptmannschaft Gmunden das nunmehr verfahrensgegenständliche Straferkenntnis erlassen.

Bei der mündlichen Berufungsverhandlung wurde der in Frage stehende Sachverhalt nach zeugenschaftlicher Einvernahme des Meldungslegers und Vorführung des gegenständlichen Videos mit dem beigezogenen verkehrstechnischen Amtssachverständigen erörtert.

Der Meldungsleger gab im Wesentlichen zu Protokoll, dass er die gegenständliche Messung durchgeführt habe. Es habe sich um eine stationäre Messung gehandelt, es seien drei Stück Kameras auf einer Brücke aufgestellt gewesen. Bei diesen drei Kameras habe es sich um eine Tatbildkamera sowie um zwei Lenkerkameras gehandelt. Das Verkehrsgeschehen werde auf Video aufgenommen und in der Folge ausgewertet. Im konkreten Fall sei die Auswertung erst nachträglich vorgenommen worden. Die Messung sei mit einem geeichten Gerät erfolgt, er sei für die Auswertung derartiger Fälle entsprechend eingeschult worden und er habe bis zum verfahrensgegenständlichen Tatzeitpunkt ca. 200 Messungen durchgeführt. Sämtliche Kameras seien oben auf der Brücke installiert, die beiden Lenkerkameras seien steil nach unten gerichtet, die Tatbildkamera sei so eingestellt, dass man einen Überblick über das gesamte Verkehrsgeschehen habe. Die drei Kameras würden synchron laufen. Es würden von sämtlichen Fahrzeugen, die aufgenommen werden, auch die Kennzeichen gefilmt werden.

Der Sachverständige hat in seinem Gutachten zunächst Nachstehendes  festgestellt:

"Zur sachverständigen Auswertung wurde das Originalvideoband von der Polizei besorgt und auf dem amtseigenen Auswertesystem ausgewertet.

 

Unter Zugrundelegung des gegenständlichen Videos wurde das gegenständliche Fahrmanöver nachgemessen. Dabei ist festgestellt worden, dass die Verwendungsbestimmungen eingehalten wurden. Die verwendete Messstelle ist frei gegeben und als Messstelle für das gegenständliche VKS-Messsystem zum Abstand und Geschwindigkeit messen geeignet. Die entsprechenden Unterlagen dafür liegen beim Amt der Oö. Landesregierung auf.

 

Im gegenständlichen Fall wurde bei der Messung durch die Polizei ein vorwerfbarer Geschwindigkeitswert im Sinne des Berufungswerbers von 108 km/h ermittelt. Dabei wurde die eichtechnische Toleranz von 3 % bereits abgezogen. Die unabhängig von der Polizei durchgeführte Geschwindigkeitsmessung stellt fest, dass es sich bei dem von der Polizei festgestellten vorwerfbaren Wert um einen Wert im Sinne des Berufungswerbers handelt. In Bezug auf den Abstand der beiden Fahrzeuge ist festzustellen, dass laut Polizeiprotokoll unter Berücksichtigung aller Toleranzen sowie unter Nichtberücksichtigung der Fahrtzeugüberhänge der beiden gemessenen Fahrzeuge sich ein Tiefenabstand im Sinne des Berufungswerbers von 10 m ergibt.

 

In Bezug auf 108 km/h und 10 m Tiefenabstand ergibt sich rechnerisch ein Sekundenabstand von 0,33 periodisch. Vorgeworfen wurde ein Sekundenabstand von 0,34 Sekunden.

 

Aufgrund der sachverständigen Auswertung ist festzustellen, dass sich die Geschwindigkeit der beiden hintereinanderfahrenden Fahrzeuge, d.h. das Fahrzeug des Berufungswerbers und der Mercedes der unmittelbar vor dem Berufungswerber fuhr, um maximal 5 % geändert hat. Das heißt, die Geschwindigkeit des Vorausfahrenden annähernd konstant ist. Es ist weiters festzustellen, dass im Aufzeichnungsbereich die Fahrzeuge soweit sie am Video einsichtig sind, permanent auf der linken Fahrspur gefahren sind. Es handelt sich um einen "Pulk" bestehend aus dem Mercedes, dem Fahrzeug des Berufungswerbers, unmittelbar hinter dem Fahrzeug des Berufungswerbers fährt ein weiterer PKW und hinter diesem im auch relativ knappen Abstand wieder ein PKW. Dieses Bild bietet sich augenscheinlich im ganzen Aufzeichnungsbereich. Ein Spurwechsel eines dieser Fahrzeuge ist am Video nicht erkennbar. Aus der Videoauswertung ist auch erkennbar, dass auch auf dem rechten Fahrstreifen relativ dichter Verkehr geherrscht hat.

 

Zu der Frage ob es dem Lenker (Berufungswerber) möglich gewesen wäre seinen Abstand im Bezug auf den vor ihm fahrenden Mercedes zu vergrößern nachdem unmittelbar hinter ihm ebenfalls ein knapp auffahrendes Fahrzeug sich befand, ist zu sagen dass durch das Einleiten einer Betriebsbremsung wie sie verkehrsüblich sehr oft notwendig sein kann die Möglichkeit besteht den Tiefenabstand der Fahrzeuge in moderater Art und Weise zu vergrößern ohne dass das sehr knapp hinter ihm fahrende Fahrzeug eine Notbremsung einleiten muss. Wenn das Fahrzeug des Berufungswerbers moderat im Rahmen einer Betriebsbremsung mit 2 bis 3 m/s² abgebremst wird hat der hinter ihm Fahrende die Möglichkeit sein Fahrzeug etwas stärker abzubremsen und befindet sich aufgrund der erforderlichen Bremsverzögerung noch immer im Bereich einer Betriebsbremsung und keinesfalls im Bereich einer Notbremsung.

 

Wenn man davon ausgeht dass das Fahrzeug des Berufungswerbers (der Volvo) in einer Zeitspanne von ca. 3 sec, das ist die Zeitspanne zwischen dem ersten und dem zweiten Bild auf der polizeilichen Anzeige eine Betriebsbremsung in der Größenordnung von 3 m/s² durchgeführt hat (das ist eine verkehrsübliche Bremsung um sich an das Verkehrsgeschehen anzupassen), so hätte sich die Geschwindigkeit des Volvos um ca. 32 km/h reduziert. Im Bezug auf eine Fahrstrecke von 3 sec ergebe das eine Vergrößerung des Tiefenabstandes um rund 9 bis 10 m. Das heißt, es würde sich der Tiefenabstand zwischen dem ersten und dem zweiten Foto auf der polizeilichen Anzeige um augenscheinlich gut zwei Fahrzeuglängen vergrößern. Diese Vergrößerung würde auch ohne messtechnische Erfassung augenscheinlich bei der Beobachtung des Videobildes erkennbar sein.

 

Die augenscheinliche Betrachtung der Videoaufzeichnung zeigt aber keine Vergrößerung in dieser Größenordnung und aufgrund der messtechnischen Auswertung ist auch festzustellen, dass die Geschwindigkeit zwischen dem Volvo und dem unmittelbar vor ihm fahrenden PKW sich um maximal 5 % verändert hat. Und dass die Geschwindigkeit des unmittelbar hinter dem Berufungswerber fahrenden PKW ebenfalls als praktisch konstant einzustufen ist. Die Auswertung der Videosequenzen zeigt dass auch die unmittelbar hinter dem Fahrzeug des Berufungswerber fahrenden Fahrzeuge in etwa die Geschwindigkeit des Berufungswerbers eingehalten haben. Es kann messtechnisch gesehen maximal sich ein Geschwindigkeitsunterschied von 5 % ergeben ein größerer Geschwindigkeitsunterschied kann ausgeschlossen werden. Weiters ist noch zu ergänzen, dass eben aufgrund der polizeilichen Anzeige bei 108 km/h vorwerfbarem Wert und Tiefenabstand von 10 m sich rechnerisch ein Sekundenabstand von aufgerundet 0,34 sec ergibt. Der tatsächliche Tiefenabstand des Volvos zum vorausfahrenden Mercedes dürfte aber unter 0,3 sec gelegen sein. Diese Differenz ergibt sich aus der exakteren technischen Auswertung bei der die Radüberhänge der Fahrzeuge auch berücksichtigt werden.

 

Zu der Größenordnung des erforderlichen Tiefenabstandes ist festzustellen, dass selbst wenn man im Sinne des Berufungswerbers davon ausgeht, dass er bereits bremsbereit gefahren ist, d.h. dass die Umsetzzeit vom Gas auf das Bremspedal wegfällt eine Zeit von 0,45 sec anzusetzen ist um zu erkennen, dass nach dem Aufleuchten des Bremslichtes das Bremspedal, auf dem der Fuß bereits ruht, gedrückt wird. Diese Zeit nennt man Informationsverarbeitungszeit die physiologisch erforderlich ist um eine Reaktionsaufforderung auch umzusetzen. Dieser Wert wird aber nur von 50 % der Bevölkerung überhaupt erreicht, ein Standardwert für die Bevölkerung, d.h. den 98 % aller Bevölkerungsteile erfüllen, liegt bei 0,58 sec. Wenn man im Sinne des Berufungswerbers daher 0,45 sec unterstellt, wird berücksichtigt, dass es sich hier bereits um eine verkürzte Informationsverarbeitungszeit handelt, die nicht von allen Teilen der Bevölkerung erreicht werden kann. Weiters ist dabei zu unterstellen dass er zum Zeitpunkt des Aufleuchtens des Bremslichtes auch auf den Vordermann geschaut hat. Wenn er durch irgendeinen Umstand einen Blick in den Rückspiegel, in den Seitenspiegel oder auf den Tachometer gehabt hat, wird sich die Reaktionszeit um die Blickzuwendungszeit vom Tacho z.B. auf das Bremslicht entsprechend verlängert. Es wurde hier im Sinn des Berufungswerbers davon ausgegangen dass er ganz konzentriert hinter dem Mercedes nachfährt und seinen Blick auch auf die Heckleuchten des direkt vor ihm fahrenden Fahrzeuges gerichtet hat. Alle anderen Blickführungen führen zu einer Erhöhung der Reaktionszeit durch die zu berechnende oder zu berücksichtigende Blickzuwendungszeit."

 

Über Befragen durch den Rechtsvertreter des Beschuldigten wurde dieses Gutachten wie folgt ergänzt:

"Wie weit der Abstand zwischen dem hinter dem Berufungswerber fahrenden und dem Berufungswerber gelenkten Fahrzeug betrug, wurde nicht festgestellt, dieser Umstand könnte durch eine gesonderte Messung natürlich festgestellt werden, ist aber für die vorliegende gutächtliche Beurteilung nicht von Relevanz.

Dass das Fahrzeug in der ersten Einstellung des Videos nicht ersichtlich ist, darauf kann man aufgrund der Perspektive nicht zwangsläufig auf einen sehr geringen Abstand schließen, das ist aufgrund der perspektivischen Verzerrung und der verwendeten Zoom aus technischer Sicht nicht nachvollziehbar. Es kann augenscheinlich lediglich der Abstand besser beurteilt werden, wenn sich das Fahrzeug im vorderen Bildbereich befindet. Eine augenscheinliche Aussage zu einem Tiefenabstand, wenn das Fahrzeug um ca. 100 m vom Messstandort ist, ist aus technischer Sicht nicht nachvollziehbar."

 

Festgestellt wurde, dass der im erstbehördlichen Verfahrensakt aufliegende Eichschein nicht für die gegenständliche Messung gilt. Vom verkehrstechnischen Amtssachverständigen wurde jedoch der für die Messung relevante Eichschein vorgelegt, danach war das Messgerät zur Messung von Geschwindigkeiten zum Tatzeitpunkt ordnungsgemäß geeicht. Der verkehrstechnische Amtssachverständige erklärte dazu, dass in Österreich und auch in der EU nur die Geschwindigkeitsmessung, nicht aber die Abstandsmessung, eichpflichtig ist, weshalb sich der Eichschein nur auf die Geschwindigkeitsmessung bezieht. Aus einem Bescheid des Bundesamtes für Eich- und Vermessungswesen gehe jedoch hervor, dass das gegenständliche Messgerät zur Messung von Geschwindigkeit und/oder Abstand benützt werden darf und somit dieser Bescheid die Zulässigkeit von Abstandsmessungen attestiere. Die österreichische Eichung ersetzte auch die von der EU festgelegten Erfordernisse in der Art, dass in Österreich kein Gerät geeicht werden dürfe, welches nicht dem Mindestmaß, welche durch die entsprechende EU-Norm festgelegt ist, entspricht.

 

Beantragt wurde vom Rechtsvertreter des Berufungswerbers weiters die Aufnahme folgender Beweise:

 

·         Messung des Abstandes zwischen dem Fahrzeug des Berufungswerbers und dem diesem folgenden Fahrzeug im Bereich der gegenständlichen Messstrecke zum Beweis dafür, dass kein Verschulden des Berufungswerbers vorliegt.

 

·         Einholung eines medizinischen Gutachtens zum Nachweis der Fähigkeit des Berufungswerbers, eine Informationsverarbeitungszeit von unter 0,3 Sekunden zu haben.

Dass der Berufungswerber zur festgestellten Tatzeit das im Straferkenntnis bezeichnete Kraftfahrzeug im Bereich des vorgeworfenen Tatortes gelenkt hat, wird dem Grunde nach nicht bestritten.

2.6. Der entscheidungswesentliche Sachverhalt ergibt sich aus den vorliegenden Verfahrensunterlagen sowie als Ergebnis der mündlichen Berufungsverhandlung. Der Amtssachverständige bestätigte in seinem schlüssigen und nicht im Widerspruch zu den Erfahrungen des Lebens und den Denkgesetzen stehenden Gutachten die in der Anzeige festgestellten Messwerte, wobei dazu ausdrücklich festgehalten wird, dass die relevanten Werte zur Abstandsermitttlung jeweils zu Gunsten des Beschuldigten der Berechnung zugrunde gelegt wurden. Die Überprüfung der Messung wurde von ihm in Form einer unabhängigen Auswertung vorgenommen. Auch der Meldungsleger, welcher als Zeuge der unter straf- und dienstrechtlicher Sanktionsdrohung zur Wahrheit verpflichtet war, bestätigte die Ordnungsgemäßheit der von ihm vorgenommenen Messung bzw. Auswertung. Das Messgerät war entsprechend den maß- und eichrechtlichen Vorschriften ordnungsgemäß geeicht. Es bestehen in freier Beweiswürdigung sohin keine Bedenken an der Richtigkeit des Messergebnisses.

Ebenso werden die Aussagen des verkehrstechnischen Amtssachverständigen hinsichtlich Größenordnung des erforderlichen Tiefenabstandes bzw. des dem Beschuldigen nachfolgenden Fahrzeuges als kompetent beantwortet und der allgemeinen Lebenserfahrung nicht widersprechend beurteilt.

Der Berufungswerber konnte sich in jede Richtung verteidigen. Dieser Umstand darf zwar nicht schlechthin gegen ihn gewertet werden, im konkreten Fall ist es ihm jedoch nicht gelungen, den festgestellten Sachverhalt weder im  Bereich der objektiven Tatseite noch im Bereich der subjektiven Tatseite zu widerlegen. Außerdem konnte die gegenständliche Fahrt durch Vorführung des Videos eindeutig nachvollzogen werden.

 

Die Aufnahme der in der mündlichen Berufungsverhandlung beantragten Beweise hinsichtlich Messung des Abstandes zwischen dem Fahrzeug des Berufungswerbers und dem diesem folgenden Fahrzeug im Bereich der gegenständlichen Messstrecke bzw. Einholung eines medizinischen Gutachtens war in Anbetracht der Feststellungen des verkehrstechnischen Amtssachverständigen bzw. nach den Kriterien der allgemeinen von einer Vernunft geprägten allgemeinen Lebenserfahrung bei einer objektiven Betrachtungsweise nicht erfoderlich, weshalb diese Beweisanträge abgelehnt wurden.

Nach  freier Beweiswürdigung wird der dargestellte Sachverhalt der Berufungsentscheidung zugrunde gelegt.

3. In der Sache selbst hat der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich wie folgt erwogen:

 

3.1. Gemäß § 99 Abs.2c Z4 StVO 1960 begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe von 72 Euro bis 2.180 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Arrest von 24 Stunden bis sechs Wochen, zu bestrafen, wer als Lenker eines Fahrzeuges den erforderlichen Sicherheitsabstand zum nächsten vor ihm fahrenden Fahrzeug gemäß § 18 Abs.1 nicht einhält, sofern der zeitliche Sicherheitsabstand 0,2 Sekunden oder mehr, aber weniger als 0,4 Sekunden beträgt.

 

Gemäß § 18 Abs.1 StVO 1960 hat der Lenker eines Fahrzeuges stets einen solchen Abstand zum nächsten vor ihm fahrenden Fahrzeug einzuhalten, dass ihm jederzeit das rechtzeitige Anhalten möglich ist, auch wenn das vordere Fahrzeug plötzlich abgebremst wird.

 

Das durchgeführte Ermittlungsverfahren hat ergeben, dass der Berufungswerber im Bereich des vorgeworfenen Tatortes zum vor ihm fahrenden Fahrzeug einen Abstand von lediglich 0,34 Sekunden eingehalten hat.

 

Es ist allgemein bekannt, dass der Reaktionsweg von Reaktionszeit und Geschwindigkeit linear abhängig ist. Für die Reaktionszeit gilt laut Ausführungen des Kuratoriums für Verkehrssicherheit in der Regel ein von den äußeren Umständen abhängiger Richtwert von etwa 0,8 bis 1,2 Sekunden, bei längeren monotonen Fahrten bis zu 2,5 Sekunden. Von Gerichten werden in Fällen, in denen vom Lenker erhöhte Aufmerksamkeit erwartet werden kann, auch niedrigere Werte (0,6 bis 0,8 Sekunden) angenommen, dies aber bei Kraftfahrern, die besonders vorsichtig und bremsbereit fahren müssen.

 

Allgemein muss auch festgestellt werden, dass wenn der Abstand kleiner als die Reaktionszeit ist, es unweigerlich zu einem Auffahrunfall kommt, wenn das vordere Fahrzeug voll abgebremst wird, wobei das Kuratorium für Verkehrssicherheit einen Abstand von weniger als einer Sekunde grundsätzlich als sehr bedenklich erachtet.

 

Im gegenständlichen Falle hat die Messung bzw. die Videosequenz eindeutig belegen können, dass der Berufungswerber tatsächlich nur einen Abstand von 0,34 Sekunden zum vorderen Fahrzeug eingehalten hat. Eine allfällige geringfügige Vergrößerung des Abstandes zum vorausfahrenden Fahrzeuges ist konkret nicht von Relevanz. An der Richtigkeit der Messung hegt der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich daher keine Zweifel und es sind auch keine Umstände hervorgekommen, welche die Funktionstüchtigkeit des – geeichten – Messgerätes in Frage stellen würden.

 

Was nun die vom Berufungswerber angesprochene verkürzte Reaktionszeit anbelangt, so vermag der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich diesem Vorbringen nicht zu folgen. In schlüssiger Weise, belegt durch wissenschaftliche Erkenntnisse, hat der verkehrstechnische Amtssachverständige dargelegt, dass jedenfalls grundsätzlich von einer Informationsverarbeitungszeit von 0,45 Sekunden auszugehen ist, wobei allerdings dieser Wert von nur 50 % der Bevölkerung überhaupt erreicht wird.

 

Im Rahmen durchgeführter Untersuchungen konnten zwar 2 % der Probanden eine kürzere Informationsverarbeitungszeit aufweisen, dieser Umstand steht jedoch der Auffassung des Amtssachverständigen nicht entgegen, zumal bei einer ex post Betrachtung in Einzelfällen natürlich günstigere Werte bezüglich der Informationsverarbeitungszeit hervorkommen können. In diesem Sinne ist auch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH vom 24. September 1997, 97/03/0090) in welchem ausgesprochen wurde, dass die Reaktionszeit bei sehr geübten Fahrern 0,3 bis 0,7 Sekunden betragen könne, zu sehen. Die Aussage des Verwaltungsgerichtshofes trifft auf den dort zu untersuchenden Einzelfall zu, wobei der Entscheidung eben eine ex post Betrachtung zu Grunde liegt. Geht man aber davon aus, dass jederzeit mit Situationen gerechnet werden muss, welche auch eine Verlängerung der Informationsverarbeitungszeit bedingen könnten, kann bei einer ex ante Betrachtung keinesfalls gesagt werden, dass ein Abstand im Ausmaß von 0,34 Sekunden ausreichend wäre, dies auch nicht bei geübten Fahrern und sonstigen optimalen Voraussetzungen.

 

Darüber hinaus geht der Gesetzgeber davon aus, dass ein Abstand von weniger als 0,4 Sekunden jedenfalls nicht ausreichend ist, zumal konkret angeordnet wurde, dass das Nichteinhalten eines Sicherheitsabstandes von weniger als 0,4 Sekunden (jedenfalls) eine Verwaltungsübertretung bildet.

 

Dem Vorbringen, der dem Einschreiter gemachte Vorwurf sei nicht ausreichend konkretisiert, die Behörde gebe nicht an, welcher Sicherheitsabstand einzuhalten gewesen wäre, wird entgegen gehalten, das die Angabe des erforderlichen Sicherheitsabstandes kein Tatbestandsmerkmal zur Konkretisierung des Tatvorwurfes ist. Es ist auch nicht Aufgabe der Behörde, die betreffende Person entsprechend zu belehren, zumal von einer fachlich zum Lenken von Kraftfahrzeugen befähigten Person wohl erwartet werden muß, dass sie von den entsprechenden Vorschriften Kenntnis hat und diese auch anzuwenden in der Lage ist.

 

Was die Individualisierung des Tatortes anbelangt, so ist dieser in dem Maß zu konkretsieren, dass der Beschuldigte in der Lage ist, sich entsprechend zu verteidigen und eine allfällige Doppelbestrafung ausgeschlossen werden kann (siehe § 44a VStG). Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vermag nicht zu erkennen, wieso im vorliegenden Falle der Tatort nicht entsprechend individualisiert und nicht konkret angegeben worden sein soll. Das von Berufungswerber gelenkte Fahrzeug befand sich während der Messung innerhalb der durch die Markierungspunkte festgelegten Messstrecke im Bereich des vorgeworfenen Tatortes. In Verbindung mit der festgestellten Tatzeit ist somit die Tat auch bezüglich Tatort als ausreichend konkretisiert zu betrachten und es sind sowohl eine Beeinträchtigung von Verteidigungsrechten als auch eine allfällige Doppelbestrafung auszuschließen. Die Angabe einer Strecke als Tatort ist im vorliegenden Falle nicht geboten.

 

Der Unabhängige Verwaltungsenat des Landes Öberösterreich stellt daher fest, dass der Beschuldigte die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung in objektiver Hinsicht verwirklicht hat.

 

Was die subjektive Taseite (§ 5 VStG) anbelangt, so vermeint der Rechtsmittelwerber, der Umstand, dass der ihm nachfolgende Lenker ebenfalls zu dicht auf das von ihm gelenkte Fahrzeug aufgefahren ist, müsste ihn entlasten, zumal im Falle einer Bremsung ein Auffahren dieses anderen Lenkers zu erwarten gewesen wäre. Dieser Umstand vermag aber letztlich nicht zu entlasten. Der verkehrstechnische Amtssachverständige hat – und diese Aussage deckt sich mit der allgemeinen Lebenserfahrung – ausdrücklich festgestellt, dass, wenn das Fahrzeug des Berufungswerbers moderat im Rahmen einer Betriebsbremsung mit 2 bis 3 m/s² abgebremst worden wäre, der hinter ihm Fahrende die Möglichkeit gehabt hätte, sein Fahrzeug etwas stärker abzubremsen, dies immer noch im Bereich einer normalen Betriebsbremsung.

 

Es wird diesbezüglich auch auf die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom 17. November 1993, 93/03/0236, hingewiesen, wonach das knappe Auffahren anderer Verkehrsteilnehmer die Einhaltung der vorgeschriebenen Geschwindigkeit nicht unzumutbar macht. Daraus ist die Intention abzuleiten, dass das zu knappe Auffahren des nachfolgenden Fahrzeuges nicht dazu führen kann, dass der vorausfahrende Lenker die entsprechenden straßen- und kraftfahrrechtlichen Vorschriften nicht einzuhalten braucht.

 

Weitere Umstände, welche den Berufungswerber im Bereich der subjektiven Tatseite entlasten würden, sind nicht hervorgekommen und es wird sohin festgestellt, das der Schuldspruch zu Recht ergangen ist, wobei zumindest von einer fahrlässigen Begehungsweise auszugehen ist.

 

3.2. Zum Vorbringen hinsichtlich einer Verletzung des Einschreiters in verfassungsgesetzlich geschützten Rechten wird Folgendes festgestellt.

 

3.2.1. Grundrecht auf Datenschutz:

Der Verfassungsgerichtshof hat sich im Zusammenhang mit einer Prüfung des § 100 Abs.5b StVO 1960 (Section Control) mit dieser Thematik auseinandergesetzt und kam zum Ergebnis, dass diese Bestimmung bei verfassungskonformer Anwendung nicht verfassungswidrig ist (VfGH vom 15. Juni 2007, G147, 148/06 ua.). Bei der sogenannten Section Control handelt es sich um ein automatisches Geschwindigkeitsmesssystem, durch welches auch personenbezogene Daten ermittelt werden. Dieses Kriterium trifft im Wesentlichen auch auf die im vorliegenden Verfahren zu beurteilende Videomessung zu. Auch bei diesem Verfahren erfolgt zunächst die Messung der Geschwindigkeit des Fahrzeuges, wobei diese Messung jedoch im Unterschied zur Section Control nicht im Bereich einer vorher festzulegenden bestimmten Wegstrecke erfolgt, sondern es obliegt hier auch den Organen der Straßenaufsicht, die Handhabung dieser verkehrspolizeilicher Aufgaben entsprechend zu gestalten.

 

Im oben zitierten Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes hat dieser festgestellt, dass die Geschwindigkeitsmessung eine Maßnahme der Verkehrspolizei im Sinne des § 94b Abs.1 lit.a StVO 1960 ist. Aus dieser generellen Festlegung läßt sich auch grundsätzlich eine Befugnis zum Einsatz automatischer Messsysteme ableiten.

 

Der Verfassungsgerichtshof hat dazu weiters festgestellt, dass derartige Systeme der datenschutzrechtlichen Anforderung, wonach die erhobenen Daten nur für festgelegte, eindeutige und rechtmäßige Zwecke eingesetzt werden dürfen,  genügen. Da das DSG 2000 von einer strengen Zweckbindung der Ermittlung und Verwendung von Daten ausgehe, würden durch automatische Geschwindigkeitsmesssysteme erhobene Daten ausschließlich zur Festlegung der Überschreitung einer Höchstgeschwindigkeit ermittelt und verwendet werden dürfen. Konsequenz der Zweckgebundenheit sei die durch § 27 Abs.1 Z1 DSG 2000 ausdrücklich dem Auftraggeber bereits bei der Gestaltung des Systems zur Pflicht gemachte Vorsorge dafür, dass Daten, deren Aufbewahrung sich als unzulässig herausstellt, unverzüglich gelöscht werden. Solange dies für die Erreichung der Zwecke, für die sie ermittelt wurden, erforderlich ist, würden Daten in personenbezogener Form aufbewahrt werden dürfen.

 

Resümierend ist sohin davon auszugehen, dass eine gesetzliche Ermächtigung zum Einsatz des verfahrensgegenständlichen Messgerätes für Zwecke der Erfüllung verkehrspolizeilicher Angelegenheiten besteht bzw. die Verwendung dieses Gerätes eine wesentliche Voraussetzung für die Wahrnehmung der verkehrspolizeilichen Agenden ist. Somit liegt konkret eine Verletzung des Einschreiters in seinem Grundrecht auf Datenschutz nicht vor.

 

3.2.2. Recht auf Freiheit des Eigentums:

Der Berufungswerber vermeint, die Bestrafung verletze wegen fehlender Rechtsgrundlage mangels ordnungsgemäßer Festlegung der Messstrecke durch Verordnung auch sein verfassungsgesetzlich geschütztes Recht auf Freiheit des Eigentums.

 

Wie bereits oben dargelegt wurde, erfolgt der Einsatz derartiger Messsysteme im Rahmen der Vollziehung verkehrspolizeilicher Aufgaben. Verkehrspolizei ist kraft ausdrücklicher gesetzlicher Definition die Überwachung der Einhaltung straßenpolizeilicher Vorschriften und die unmittelbare Regelung des Verkehrs durch Arm- oder Lichtzeichen (§ 94b Abs.1 lit.a StVO 1960). Jedenfalls beinhaltet die Verkehrspolizei auch die Überwachung des fließenden Verkehrs unter anderem dahingehend, ob Geschwindigkeits- oder Abstandsvorschriften eingehalten werden und es stellt die zu diesem Zweck erforderliche Messung unter Verwendung entprechender Geräte eine grundsätzlich zulässige Beweisaufnahme dar. Gemäß § 46 AVG iVm § 24 VStG kommt als Beweismittel alles in Betracht, was zur Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes geeignet und nach der Lage des einzelnen Falles zweckdienlich ist. Daraus lässt sich ableiten, dass die Vorgangsweise bei der Festlegung von Beweisaufnahmen im Rahmen der Vollziehung verkehrspolizeilicher Angelegenheiten grundsätzlich den mit der Erfüllung der Aufgaben betrauten Organen obliegt, sofern nicht eine entprechend konkrete gesetzliche Anordnung die jeweilige Vorgangsweise ausdrücklich festlegt.

 

3.3. Was die Straffestsetzung (§ 19 VStG) anbelangt, so ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat (Abs.1).

Im ordentlichen Verfahren sind überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen (Abs. 2).

Dazu wird zunächst festgestellt, dass das Nichteinhalten des erforderlichen Sicherheitsabstandes eine gravierende Übertretung der Straßenverkehrsordnung darstellt. Das geringe Ausmaß eines Sicherheitsabstandes bedingt, dass unter Umständen ein Auffahrunfall mit gravierenden Folgen unvermeidlich werden könnte. Es ist daher im Interesse der Verkehrssicherheit, insbesondere zum Schutz der Rechtsgüter Leben und Gesundheit, eine entsprechende Bestrafung sowohl aus spezialpräventiven als auch aus generalpräventiven Gründen geboten, einerseits soll die beschuldigte Person durch eine entsprechende Bestrafung von der Begehung weiterer Übertretungen abgehalten werden und es ist aus spezialpräventiver Sicht durch eine entsprechende Bestrafung die Bevölkerung im Interesse der Verkehrssicherheit entsprechend zu sensibilisieren.

Dazu wird festgestellt, dass die Erstbehörde bei der Strafbemessung weder mildernde noch erschwerende Umstände festgestellt hat. Im vorliegenden Verfahrensakt befindet sich eine Aufzeichnung hinsichtlich einer Verwaltungsübertretung vom Mai 2003, diese Verwaltungsübertretung ist jedoch nunmehr als getilgt zu betrachten (§ 55 VStG) und darf daher bei der Strafbemessung nicht mehr berücksichtigt werden. Weitere Vormerkungen sind nicht ersichtlich, weshalb dem Berufungswerber der Milderungsgrund der verwaltungsstrafrechtlichen Unbescholtenheit zugute kommt.

 

In Anbetracht des dargelegten Strafmildungsgrundes bzw. des Umstandes, dass eine – wenn auch nicht schuldbefreiende – Provokation durch das nachfolgende Fahrzeug nicht gänzlich ausgeschlossen werden kann, erachtet der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich, dass, auch unter Berücksichtigung der bei der Berufungsverhandlung bekannt gegebenen Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Berufungswerbers (Einkommen netto ca. 2.000 Euro, Sorgepflicht für zwei Kinder, verheiratet, Schulden im Zusammenhang mit dem Bau eines Einfamilienhauses) eine Herabsetzung sowohl der Geld- als auch der Ersatzfreiheitsstrafe vertretbar ist.

 

In Anbetracht des oben angeführten gesetzlich festgelegten Strafrahmens sowie der dargelegten Präventionsgedanken wird jedoch eine weitere Herabsetzung nicht in Erwägung gezogen.

3.4. Zum Vorbringen hinsichtlich § 21 VStG:

Im Rahmen der mündlichen Berufungsverhandlung stellte der Rechtsvertreter zunächst in Aussicht, dass im Falle der bloßen Ermahung im Sinne des § 21 VStG die Berufung entsprechend eingeschränkt werden würde.

Gemäß § 21 Abs.1 VStG kann die Behörde ohne weiteres Verfahren von der Verhängung einer Strafe absehen, wenn das Verschulden des Beschuldigten geringfügig ist und die Folgen der Übertretung unbedeutend sind. Sie kann den Beschuldigten jedoch gleichzeitig unter Hinweis auf die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens mit Bescheid ermahnen, sofern dies erforderlich ist, um den Beschuldigten von weiteren strafbaren Handlungen gleicher Art abzuhalten.

Der Tatbestand des § 21 Abs.1 VStG ist dann erfüllt, wenn das tatbildmäßige Verhalten des Täters hinter dem in der betreffenden Strafdrohung typisierten Unrechts- und Schuldgehalt erheblich zurückbleibt. Wesentlich ist jedenfalls, dass die beiden Tatbestandsvoraussetzungen kumulativ vorliegen müssen.

Im gegenständlichen Falle erachtet der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich, dass die Voraussetzungen für die Anwendung des § 21 VStG nicht erfüllt sind, zumal ein bloß geringfügiges Verschulden, insbesonders in Anbetracht des geringen Abstandes zum vorausfahrenden Fahrzeug, nicht festgestellt werden kann. Es sind keine Umstände hervorgekommen, welche die Annahme stützen würden,  das tatbildmäßige Verhalten des Beschuldigten würde hinter dem in der betreffenden Strafdrohung typisierten Unrechts- und Schuldgehalt erheblich zurückbleiben. Die Voraussetzungen für das Absehen von der Strafe sind daher nicht gegeben.

4. Der Kostenausspruch stützt sich auf die im Spruch angeführte gesetzliche Bestimmung.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

Mag. Alfred Kisch

Beschlagwortung:

Abstandsmessung mittels VKS im Lichte des Datenschutzgesetzes 2000 – grundsätzlich zulässig;

Beachte:

vorstehende Entscheidung wurde aufgehoben;

VfGH vom 1. Dezember 2009, Zl.: B 62/09-6

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